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Investitionen in Cleantech im Aufschwung

Investitionen in Cleantech im Aufschwung

Der Begriff «Cleantech» steht im Wesentlichen für neue, ressourcenschonende Technologien in der Energie-, Wasseroder Materialwirtschaft. Es handelt sich um einen industriellen Sektor, der in den letzten zehn Jahren stark gewachsen ist. Dabei spielten Venture-Capital-Investitionen in Jungunternehmen, die solche neuen Technologien und Produkte entwickeln, eine bedeutende Rolle. Heute stellt sich die Frage, ob wir am Ende einer starken Wachstumsphase stehen, oder ob dies erst der Anfang einer grundsätzlichen Neuorientierung der ressourcenintensiven Industrien mit einem weiterhin signifikanten Potenzial für Jungunternehmer und Risikokapitalgeber darstellt.

Ein Jahrzehnt geprägt von starkem Wachstum


Es war eine Handvoll Pioniere, welche vor gut zehn Jahren selbst das Risiko auf sich nahmen, eigene Firmen zu gründen, mit dem Ziel, Jungunternehmen via Venture Capital in den Bereichen neuer Energie-, Wasser- und Materialtechnologien zu finanzieren und aufzubauen. Diese ersten Managementgesellschaften für Cleantech Venture Capital Funds waren davon überzeugt, dass wir am Anfang eines länger andauernden Veränderungsprozesses in den ressourcenintensiven Industrien stehen. Diese Veränderung sollte es Jungunternehmen erlauben, sich mit neuen, sauberen Technologien in diesen etablierten Industriefeldern zu positionieren.  Heute dürften selbst einige dieser Pioniere davon überrascht sein, mit welcher Dynamik dieser Sektor gewachsen ist. Im Jahr 1999 beliefen sich die Venture-Capital-Investitionen in Cleantech auf geschätzte 279 Mio. US-Dollar Vgl. Cleantech Investment Monitore, Q3/2008, Bd. 7/3, Cleantech Group., was rund 0,5% des weltweit investierten Risikokapitals entsprach. Dieser Betrag stieg bis 2008 kontinuierlich auf einen Wert von 5 bis 7 Mrd. US-Dollar (je nach Definition von Venture Capital und Private Equity Vgl. Cleantech Investment Monitore, Q3/2008, Bd. 7/3, Cleantech Group; New Energy Finance, Monthly Briefing, Bd. V/27, 2009.) an. Damit ist Cleantech zu einem der grössten Sektoren im Venture-Capital-Markt angewachsen.  Mit einer leichten zeitlichen Verschiebung nahmen auch die Investitionen in Anlagen zu, welche auf diesen Technologien basieren: Die globalen Investitionen in Projekte zur Nutzung erneuerbarer Energie stiegen von 14,6 Mrd. US-Dollar im Jahre 2004 auf stolze 97,5 Mrd. US-Dollar im Jahr 2008. Vgl. New Energy Finance, Monthly Briefing, Volume V/28, 2009. Dieser Trend wurde auch von etablierten, weltweit tätigen Konzernen wahrgenommen und führte schliesslich zu einer Diversifizierung in jene neuen Technologiefelder. So hatte z.B. General Electric im Jahre 2007 erstmals mehr Umsatz mit Windkraftanlagen erzielt als durch das herkömmliche Geschäft mit thermischen Kraftwerken.

Steigende Nachfrage nach Cleantech-Produkten


Trotz des ausgeprägten Wachstums der letzten zehn Jahre stehen wir nicht am Ende dieses Trends. Vielmehr werden sich die ressourcenintensiven Industrien weiter entwickeln und revolutionieren müssen, um die anstehenden Veränderungen der Rahmenbedingungen zu meistern. Dabei wirken verschiedene Treiber, wovon drei hier näher betrachtet werden sollen: staatliche Fördermassnahmen, verschärfte Emissionsrichtlinien und die zunehmende Ressourcenknappheit.

Staatliche Fördermassnahmen


Kurzfristig dürfte ein breit diversifiziertes Portfolio von staatlichen Unterstützungsleistungen die Einführung von neuen Technologien fördern. Diese Fördermassnahmen – wie z.B. das deutsche Energieeinspeisegesetz (EEG) – gehörten zu den bedeutendsten Treibern des vorangegangenen Wachstums. Sie sind sowohl länderals auch technologiespezifisch sehr breit diversifiziert. Selbst wenn es zur Reduktion oder Absetzung von einzelnen Programmen käme, würde die globale Diversifizierung und die anhaltende Neuimplementiereung solcher Programme auch kurz- und mittelfristig stark fördernd wirken. Im Weiteren ist in fast allen staatlichen Stimulusprogrammen, welche im Zuge der Finanzkrise ins Leben gerufen wurden, das Thema Energie als einer der Hauptschwerpunkte definiert worden. Gemäss der Investmentbank Jeffries werden durch diesen in den letzten 12 Monaten neu geschaffenen Stimulus weltweit mehr als 150 Mrd. US-Dollar dem Cleantech-Sektor zufliessen. Vgl. Jeffries Cleantech Review, September 2009. So wurde z.B. im American Reinvestment and Recovery Act der USA rund 8% der 787 Mrd. US-Dollar für den Cleantech-Energiesektor reserviert. Mehr als die Hälfte davon sollen die Bereiche erneuerbare Energie und Energieeffizienz fördern.

Verschärfung der Emissionsrichtlinien


Mittelfristig dürften sich verschärfende Emissions- und Immissionsrichtlinien die Nachfrage nach effizienten und schadstoffarmen Technologien hochhalten. Dies gilt sowohl für Treib- und Brennstoffe als auch für umweltbelastende Ausgangsstoffe und Prozesse in der materialverarbeitenden Industrie. So blicken wir im Fahrzeugbereich auf eine mehr als 30-jährige Geschichte schrittweise reduzierter Emissionsgrenzwerte. Um diese einzuhalten, braucht es kontinuierlich neue Technologien und Produkte, wie z.B. verbesserte Katalysatoren. Vergleichbare Bestrebungen gibt es auch im Bereich fossiler Kraftwerke.  Hinzu kommt die Diskussion um Treibhausgas-Emissionen, allen voran CO2 (siehe

Kasten 1
Das Intergovernmental Panel on Climate Change (IPCC) kommt zum Schluss, dass mit einem durchschnittlichen Temperaturanstieg von bis zu 6° C bis Ende des Jahrhunderts zu rechnen ist, sollte der heute bestehende weltweite Energiemix beibehalten werden. Gleichzeitig rechnet man mit schädlichen Konsequenzen für die globale Wirtschaft, sollte die Temperatur über 1,5-2,5° C ansteigen. Ein Temperaturanstieg von nicht mehr als 2° C erfordert aber eine Stabilisierung der Treibhausgase bei 450ppm. Dies zu erreichen, erfordert gemäss der International Energy Agency (IEA) zusätzliche Investitionen von 9,2 Bio. US-Dollar in erneuerbare Energien und Energieeffizienz innerhalb der nächsten 20 Jahre.a Das entspricht einer durchschnittlichen zusätzlichen Nachfrage von rund 460 Mrd. US-Dollar pro Jahr an entsprechenden Produkten.). Ein ähnlicher Handlungsdruck besteht bezüglich schadstoffärmerer Stoffkreisläufe in Boden und Wasser. Zu nennen sind z.B. der Trend von Bleioder Zink-Cadmium-Batterien zu vermehrt Lithium-basierten Batterien oder die weitere Reduktion von Schadstoffen in Abwässern.

Zunehmende Ressourcenknappheit


Mittelbis langfristig dürfte sich auch das zunehmende Ungleichgewicht von Angebot und Nachfrage der Ressourcen sehr positiv auf die Nachfrage nach Cleantech auswirken. Gemäss den – aufgrund der Finanzkrise bereits reduzierten – Szenarien dürfte die weltweite Energienachfrage in den nächsten 25 Jahren um jährlich 1,6% zunehmen, was einer rund 45% höheren Nachfrage gegenüber heute entspricht. Umgerechnet in Erdöläquivalente wären dies rund 64 Mio. Barrels pro Tag an zusätzlich benötigter Förderung; das entspricht dem Sechsfachen der heutigen Fördermenge Saudi-Arabiens.  Rund die Hälfte dieser zusätzlichen Nachfrage müsste in weniger als zehn Jahren zur Verfügung stehen. Gleichzeitig wird es aber immer schwieriger und teurer, die zurückgehenden Fördermengen an Erdöl von bestehenden Feldern durch neue Felder zu ersetzen. Insgesamt rechnet die IEA mit nötigen Investitionen von 26 Bio. US-Dollar in Energieinfrastruktur von 2007 bis 2030 (9,5 Bio. US-Dollar nicht eingerechnet, welche zur Stabilisierung der Treibhausgase auf 450ppm benötigt werden). Vgl. International Energy Agency IEA, World Energy Outlook 2008, S. 39. Rund die Hälfte der 26 Bio. US-Dollar wird für den Bereich der Stromproduktion und Distribution benötigt. Der Rest wird mehrheitlich dazu aufgewendet werden müssen, die zusätzlich benötigte Fördermenge an fossilen Treibstoffen bereitzustellen. Dies dürfte längerfristig zu steigenden Energiepreisen und steigender Preisvolatilität führen, was wiederum erneuerbare Energien wettbewerbsfähiger macht. Bereits heute stagniert die Ölfördermenge der Non-Opec-Länder; sie wird gemäss der IEA ab Mitte des nächsten Jahrzehnts rückläufig sein. Vgl. International Energy Agency IEA, World Energy Outlook 2008, S. 41.  Hinzu kommt die schwer kontrollierbare Abhängigkeit der Wirtschaft von importierten fossilen Energieträgern und der damit einhergehenden signifikanten Verschiebung von Kapital. Dies wird von Regierungen als zunehmend problematisch wahrgenommen und dürfte als weitere treibende Kraft gelten, die Produktion von lokaler erneuerbarer Energie auszubauen.

Fazit


Selbst bei Beschränkung auf diese drei Trends kann von einem weiteren starken Wachstum für Cleantech-Produkte ausgegangen werden, welche unseren Ressourcenverbrauch verringern, umlagern oder effizienter gestalten. Dabei bedarf es weiterer Anstrengungen, die Kosten dieser Technologien zu senken und ihre Leistung zu verbessern. Dies wird auch in Zukunft eine gute Plattform für Jungunternehmen bieten, sich in den Bereichen Energie, Wasser und Materialien erfolgreich zu etablieren. Die Cleantech-Venture-Capital-Industrie wird weiterhin eine Führungsrolle einnehmen, um diese Firmen aufzubauen.

Kasten 1: Cleantech zur Bekämpfung der Klimaerwärmung
Das Intergovernmental Panel on Climate Change (IPCC) kommt zum Schluss, dass mit einem durchschnittlichen Temperaturanstieg von bis zu 6° C bis Ende des Jahrhunderts zu rechnen ist, sollte der heute bestehende weltweite Energiemix beibehalten werden. Gleichzeitig rechnet man mit schädlichen Konsequenzen für die globale Wirtschaft, sollte die Temperatur über 1,5-2,5° C ansteigen. Ein Temperaturanstieg von nicht mehr als 2° C erfordert aber eine Stabilisierung der Treibhausgase bei 450ppm. Dies zu erreichen, erfordert gemäss der International Energy Agency (IEA) zusätzliche Investitionen von 9,2 Bio. US-Dollar in erneuerbare Energien und Energieeffizienz innerhalb der nächsten 20 Jahre.a Das entspricht einer durchschnittlichen zusätzlichen Nachfrage von rund 460 Mrd. US-Dollar pro Jahr an entsprechenden Produkten.

Zitiervorschlag: Markus Moor (2009). Investitionen in Cleantech im Aufschwung. Die Volkswirtschaft, 01. November.