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Clean Development Mechanism – quo vadis?

Clean Development Mechanism - quo vadis?

Die Rufe nach Reformen des Clean Development Mechanism (CDM) seitens der Projektentwickler werden seit einigen Jahren lauter. Sie drohen aber in der Hektik der Post-2012-Verhandlungen von Kopenhagen unterzugehen – genau zu jener Zeit, in welcher ein Reformbedarf am Nötigsten ist. Nach erfolgreichen Startjahren hat der aktuelle CDM nämlich seinen Zenit überschritten: Die sogenannten «Low Hanging Fruits» – namentlich CDM-Projekte mit Fokus auf industrielle Gase HFC-23 und N20 – sind abgeerntet; der Energieeffizienzsektor fasst trotz tiefen Grenzvermeidungskosten im CDM einfach nicht richtig Tritt; die Bürokratie im CDM-Projektzyklus nimmt zu; Politikentscheidungsfindung innerhalb der Regulierungsbehörde bleibt langsam; Emissionsgutschriften werden verzögert ausgestellt; es herrscht eine zunehmende Unsicherheit aufgrund von Fehlentscheiden im Regulierungsapparat bei fehlender Rekursmöglichkeit.

In Kombination mit der bestehenden Unsicherheit über Form, Inhalt und Stringenz eines multilateralen Post-2012-Abkommens wurden bereits vor der Finanzkrise Ende 2008 kaum mehr neue CDM-Projekte identifiziert. Eine privatwirtschaftliche Finanzierung oder gar Mobilisierung zusätzlicher privatwirtschaftlicher Gelder – wie sie dringend nötig ist – bleibt bei einem solchen Umfeld schlicht Wunschdenken optimistischer, aber nicht sonderlich realitätsnaher Regierungsvertreter.

Reduktionspotenzial ist weiterhin vorhanden


Diese pessimistische Perspektive ist nicht zwingend. Denn weiteres kostengünstiges Reduktionspotenzial – attraktive Rahmenbedingungen vorausgesetzt – ist durchaus vorhanden, namentlich durch das Konzept des programmatischen CDM (Program of Activities, PoA). Das PoA ist über den gesamten CDM-Projektverlauf skalierbar, erlaubt Integration heterogener Produkte und Produktionsprozesse (wie sie sektorielle An-sätze gerade nicht abdecken können) und ist grundsätzlich in Industriewie auch in Schwellen- und Entwicklungsländern anwendbar. Als mögliches Bespiel sei an dieser Stelle ein Programm zwecks Ersatz von Strassenbeleuchtungen in ganzen Landesgebieten durch hocheffiziente LED-Technologie mit sehr kurzen Payback-Perioden genannt. Der klimawissenschaftlich fundierte Handlungsbedarf steigt wegen der Akkumulation von Treibhausgasen (THG) in der Atmosphäre überproportional mit Fortschreiten des politischen Nichthandelns. Der Energiehunger in China, Indien und Brasilien wird zu relativem wie absolutem Emissionswachstum führen. Aufgrund der langen Investitionszyklen von Infrastrukturanlagen – wie Energieproduktion, Transportsysteme und Gebäuden – drängen sich grossskalierte THG-reduzierende Massnahmen bei sämtlichen anstehenden Expansions- und Ersatzinvestitionen in Entwicklungs-, aber auch in Schwellen- und Industrieländern geradezu auf. Die inkrementellen Kosten für THG-reduzierte Lösungen sind in solchen Fällen oft nur ein Bruchteil der ohnehin notwendigen Investitionssummen. Die wichtige Frage ist nicht, wo von wem wie viel THG reduziert werden soll, sondern: Wie kann sichergestellt werden, dass weltweit möglichst viele Investitionen in Ersatz- und Neuanlagen unter Einbezug eines globalen Preises für THG (und damit emissionsreduziert) erfolgt? Legen sich die Mehrheit der grossen Länder verbindlich auf ambitiöse, progressive Emissionsabsenkungspfade fest? Und wie können die dafür notwendigen finanziellen Mittel und Humanressourcen effektiv bereit gestellt werden?

Massnahmen zur Sicherstellung der Kontinuität des CDM


Allfällige unter einem Post-2012-Abkommen noch zu etablierende neue flexible Mechanismen (sektorieller Kreditmechanismus resp. Handel, Multiprojekt Baselinesoder Benchmarking-Ansätze, Positivlisten, Nama Nationally Appropriate Mitigation Actions. und wie sie alle heissen) bedürfen mehrjährigen zähen Weiterverhandlungen. Implementierungsmodalitäten und Datenengpässe, aber auch politische Widerstände werden sektorielle Ansätze in ihrer praktischen Implementierung auf einige wenige (tendenziell grosse) Staaten und Sektoren beschränken. Es ist daher wenig wahrscheinlich, dass Instrumente vor 2015 verfügbar sein werden. Vor diesem Hintergrund sind neben progressiven, (völkerrechtlich) verbindlichen Absenkungspfaden folgende Massnahmen angezeigt: – Weitreichende institutionelle Reform des CDM mit dem Ziel einer verbesserten Regierungsführung zur Erhöhung der Effizienz, Legitimität, Vorhersehbarkeit und Verlässlichkeit; – Weiterentwicklung neuer flexibler Mechanismen in direkter Zusammenarbeit mit Experten aus dem Privatsektor (Finanzmarkt wie Carbon Market); – Sicherstellen, dass registrierte CDM-Projekte über ihre volle Kreditperiode durch eine Grossvater-Klausel Kostenlose Erstvergabe an etablierte Unternehmen. von einer sektoriellen Verpflichtung geschützt werden.

Zitiervorschlag: Martin Enderlin (2009). Clean Development Mechanism – quo vadis. Die Volkswirtschaft, 01. Dezember.