Konjunkturelle Risikofaktoren am Schweizer Immobilienmarkt
In der vorliegenden Studie werden mit Hilfe von Immobilienpreisdaten
Die Preisdaten stammen von Wüest & Partner, der Betrachtungszeitraum erstreckt sich von 1985 bzw. 1989 bis 2006. die 106 MS-Regionen (Mobilité spatiale) des Bundesamtes für Statistik (BFS) miteinander verglichen. Die Preisentwicklung auf Immobilienmärkten ist prinzipiell an die Konjunktur gekoppelt. Diese Abhängigkeit weist im regionalen Vergleich allerdings grosse Unterschiede auf. Die Unterschiede sind dabei primär auf wirtschaftsgeografische Unterschiede zwischen den Regionen sowie auf die jeweiligen Charakteristika verschiedener Immobilientypen zurückzuführen.
Einfluss langfristiger Zinssätze
In der Literatur wird zuweilen ein negativer Zusammenhang zwischen (kurzfristigen) Zinssätzen und Immobilienpreisen festgestellt. Grundsätzlich ist bei einem Anstieg der mittel- bis langfristigen Zinsen im Rahmen eines Konjunkturaufschwungs aber eine positive Korrelation zu erwarten. Für die meisten Schweizer Regionen zeigt sich empirisch denn auch eine signifikant positive Abhängigkeit der Preise für Wohnimmobilien von den langfristigen Zinssätzen.Für Einfamilienhäuser in der Stadt Zürich ergibt sich beispielsweise gegenüber der Rendite von Bundesobligationen mit einer Laufzeit von fünf Jahren ein Sensitivitätswert von 0,0478. Das heisst, dass dort der Preis dieser Objektklasse im Durchschnitt um 4,8% steigt, wenn sich der entsprechende Zinssatz um 1% erhöht. Ebenfalls vergleichsweise hohe Korrelationen sind im Grossraum der Stadt Zürich, in Zug sowie im und um den Raum Bern zu beobachten, während die meisten Alpenregionen niedrigere Werte aufweisen. Bei den Eigentumswohnungen zeigt sich ein ähnliches Bild hinsichtlich der regionalen Unterschiede, jedoch bei geringerer Zinsabhängigkeit. Die Reagibilität auf Zinsschwankungen erweist sich insgesamt als guter Indikator für Konjunktursensitivitäten der Immobilienpreise in den MS-Regionen.
Reales BIP-Wachstum
Positive Korrelationen lassen sich ausserdem zwischen den Immobilienpreisen und der realen Wachstumsrate des BIP beobachten. Die regional unterschiedlichen Konjunkturabhängigkeiten zeigen wie schon zuvor bei den Zinsen ein Zentrum-Agglomeration-Peripherie-Muster: Die stärksten Effekte sind in städtischen Regionen auszumachen, während Immobilienpreise in peripheren Gebieten schwächer auf Veränderungen des BIP-Wachstums reagieren. Die höchsten Sensitivitätswerte finden sich in Zug, den Regionen um den Zürichsee, Thun und Yverdon sowie generell vorab in Gebieten mit hohem Preisniveau. So hat eine reale Veränderung des Schweizer BIP um 1% etwa in Zug einen Anstieg des durchschnittlich für Einfamilienhäuser bezahlten Preises um rund 3% zur Folge.Während Tourismusregionen wie das Oberengadin oder das Oberwallis – oft unter dem Einfluss nicht ortsansässiger Investoren – einem speziellen Preismechanismus unterliegen, zeigen die tieferen Abhängigkeiten anderer ländlicher Regionen das Ausbreitungsmuster konjunktureller Impulse: In Phasen anziehender Konjunktur profitieren zunächst die Zentren von steigenden Objekt-preisen, während diese in Agglomerationen sowie in ländlichen Gebieten erst später und weniger stark reagieren. Analog sind die ländlicheren Regionen auch bei einer Abschwächung der Konjunktur insgesamt weniger stark von Preisrückgängen betroffen. Dafür reagieren aber urbane Regionen aufgrund anderer Wirtschaftsstrukturen und einer besseren Liquidität häufig erst etwas später auf eine sich verschlechternde Konjunktur. Vereinfacht gesagt, fällt also die Preiskorrektur bei einer Krise in den Zentren tendenziell stärker aus; sie dauert dafür aber weniger lang.
Inflation und Arbeitslosigkeit
Interessant sind überdies die Effekte von Inflation und Arbeitslosigkeit. Verschiedene Arbeiten betonen die Vorteile von Immobilienanlagen zur langfristigen Absicherung gegen Inflation. Folglich wäre demnach ein positiver Zusammenhang zwischen Liegenschaftspreisen und der Entwicklung des Landesindexes der Konsumentenpreise zu erwarten. Dies lässt sich in unserer Untersuchung indessen nicht bestätigen. Der Grund dafür dürfte in den vergleichsweise tiefen und stabilen Inflationsraten im Analysezeitraum liegen.Bei der Arbeitslosigkeit gibt es Probleme mit Time-Lags und anderen nachfragebestimmenden Faktoren. Zwischen den Schwankungen der Arbeitslosenquote und denjenigen des Immobilienmarktes liegt eine grosse Zeitspanne, weshalb unsere diesbezüglichen Ergebnisse kaum statistisch signifikant sind. Dennoch ist ein Vergleich der Sensitivitäten einzelner Schweizer Kantone interessant. Konsistent mit den Ergebnissen zum BIP-Wachstum und den langfristigen Zinssätzen ergibt sich tendenziell eine negative Korrelation: Bei positiver Konjunkturentwicklung sinkt die Arbeitslosenquote, was wiederum einen Anstieg der Nachfrage nach Wohneigentum besonders in den Zentrumsregionen nach sich zieht.
Einfamilienhaus oder Wohnung
Bei den oben betrachteten Konjunkturindikatoren zeigt sich eine stärkere Sensitivität der Preise für Einfamilienhäuser als für Eigentumswohnungen. Worin gründet dieser Unterschied? Die Nachfrage nach Eigentumswohnungen hat in den letzten 20 Jahren einen Boom erfahren, mitunter weil sich die qualitativen Wohneigenschaften im Vergleich zu früher markant verbessert haben und die Finanzierung aufgrund der geringeren Kapitalbindung einer breiteren Bevölkerung zu-gänglich geworden ist. Die damit verbundene Nachfrage spricht zwar grundsätzlich gegen ein starkes Konjunktur-Exposure. Da aber Einfamilienhäuser gegenüber Eigentumswohnungen tendenziell bevorzugt werden, verschiebt sich die Nachfrage bei einem Konjunkturaufschwung gleichwohl zur Kategorie der Einfamilienhäuser. Umgekehrt verzichten Investoren bei einem Abschwung zuerst auf den Kauf von Einfamilienhäusern, was die grössere positive Konjunktursensitivität dieser Objektklasse erklärt.
Wahl des Betrachtungszeitraums
Relevant ist schliesslich auch der Beobachtungszeitraum, da es – wie in den Tourismusregionen – zu temporären Überlagerungen konjunktureller Wirkungsmechanismen durch andere Faktoren kommen kann. Langfristig jedoch spiegeln die unterschiedlichen Sensitivitäten die Dynamik regionaler Immobilienmärkte sehr gut und sollten deshalb bei Investitionen berücksichtigt werden. Die geringe Sensitivität gegenüber den Risikofaktoren anderer Anlageklassen ist mithin nach wie vor eines der zentralen Argumente für Investitionen in Immobilien, zumal damit eine bessere Streuung des Risikos erreicht werden kann. Während Aktienmarkt- und Wechselkursrisiken von Immobilien – zumindest für Investoren im gleichen Währungsraum – von untergeordneter Bedeutung sind, haben Konjunktur- und damit verbundene Zinsänderungsrisiken eine hohe Relevanz. Innerhalb dieser Risikofaktoren ist es aber ebenso wichtig, die zuweilen sehr ausgeprägten regionalen Unterschiede mit einzubeziehen.
Grafik 1 «Zinssensitivität von Einfamilienhauspreisen in den MS-Regionen der Schweiz»
Zitiervorschlag: Gammeter, Urs; Gantenbein, Pascal (2010). Konjunkturelle Risikofaktoren am Schweizer Immobilienmarkt. Die Volkswirtschaft, 01. Januar.