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Konjunkturindikatoren: Dienstleistungshandel der Schweiz mit dem Ausland

Konjunkturindikatoren: Dienstleistungshandel der Schweiz mit dem Ausland

Für die Schweiz als kleine und offene Volkswirtschaft ist der Dienstleistungshandel mit dem Ausland wichtig. Er ist Teil des Aussenbeitrags (Exporte abzüglich Importe) und fliesst in die Berechnung des Bruttoinlandsprodukts (BIP) ein. Als Konjunkturindikator findet er vor allem als gleich- oder nachlaufender Indikator Verwendung. Die Statistik des Dienstleistungshandels der Schweiz mit dem Ausland ist eine Komponente der Zahlungsbilanz der Schweiz und wird von der Schweizerischen Nationalbank (SNB) vierteljährlich erstellt und veröffentlicht. Gegenwärtig baut die SNB die Erhebung der Statistik aus.

Bedeutung des Dienstleistungshandels mit dem Ausland


Die wirtschaftliche Verflechtung der Schweiz mit dem Ausland ist traditionell hoch und hat in den letzten Jahren weiter zugenommen. Als Indikator für die volkswirtschaftliche Bedeutung des Aussenhandels wird häufig die Aussenhandelsquote (Summe der Exporte und Importe in Prozenten des BIP) herangezogen. Diese stieg – bezogen auf den schweizerischen Aussenhandel mit Diensten – zwischen 1990 und 2008 von 12% auf 22%
Die Ausführungen im vorliegenden Beitrag beziehen sich auf nominelle, nicht saisonbereinigte Daten. (vgl. Grafik 1). Vergleicht man die Schweiz mit anderen kleinen, offenen Volkswirtschaften – wie z.B. Österreich oder Schweden (je 26%) – liegt die schweizerische Quote etwas tiefer.Die Nettoexporte des Dienstleistungshandels fliessen als Teil des Aussenbeitrags in die Berechnung des BIP ein. In Branchen wie dem Kreditgewerbe und dem Tourismus dürften die Dienstleistungsexporte die Hälfte der Wertschöpfung generieren; sie sind damit auch für die Beschäftigung bedeutsam. Nachfrageschwankungen nach Dienstleistungsexporten wirken sich also stark auf die schweizerische Konjunktur aus. Die Dienstleistungsimporte sind Teil des inländischen Privatkonsums (z.B. Tourismus, Finanzdienste für Haushalte) oder fliessen als Vorleistungen in die Produktion der Unternehmen (z.B. Finanzdienste für Unternehmen, Gebühren für die Nutzung von Lizenzen und Patenten).

Gliederung und Bestimmungsfaktoren


Gemäss internationalen Vorgaben (vgl. Kasten 1− Zahlungsbilanz der Schweiz: Jahresbericht− Zahlungsbilanz der Schweiz: Quartalsschätzung − Statistisches Monatsheft: Tabelle Q1 Ertragsbilanz – Hauptgruppen; Internet, Tabelle Q1a Ertragsbilanz – KomponentenDie Publikationen der SNB werden in Deutsch, Französisch und Englisch veröffentlicht und sind im Internet verfügbar (http://www.snb.ch, Publikationen).) wird der Aussenhandel mit Diensten in zehn Hauptkategorien und diverse Unterkategorien gegliedert. Im Folgenden werden nur die für die Schweiz wichtigsten kommentiert; dazu zählen die Finanzdienste der Banken, der Tourismus, der Transithandel (auch Merchanting genannt) sowie die Lizenz- und Patenterträge.Die Finanzdienste der Banken umfassen das Kommissionsgeschäft sowie die sogenannten Financial Intermediation Services Indirectly Measured (Fisim), d.h. Finanzdienste, welche indirekt über die Zinsen vergütet werden. Bestimmend für die Entwicklung der Finanzdienste sind die Erträge aus dem Kommissionsgeschäft. Dabei handelt es sich vor allem um Entgelte für die Vermögensverwaltung und für Emissionsgeschäfte sowie um Courtagen im Wertschriftenhandel. Die Entwicklung der Finanzdienstexporte ist stark mit dem Verlauf der Aktienmärkte korreliert. Der Tourismus umfasst den Reiseverkehr in Form von Geschäfts-, Ferien- und Tagesreisen. Die Ausgaben ausländischer Gäste in der Schweiz werden als Dienstleistungsexporte, die Ausgaben inländischer Gäste im Ausland als Dienstleistungsimporte verbucht. Der Tourismus ist abhängig von der Wechselkursentwicklung sowie der Einkommenslage im Ausland (Exporte) bzw. in der Schweiz (Importe). Unter Transithandel werden Handelsgeschäfte ausgewiesen, bei welchen Waren im Ausland gekauft und anschliessend im Ausland weiterverkauft werden, ohne dass die Waren in der Schweiz verzollt werden. Gemäss internationalen Vorgaben werden die Nettoeinnahmen aus dem Transithandel als Dienstleistungsexporte verbucht. Mehr als die Hälfte der gehandelten Güter sind Energieträger; entsprechend korrelieren die Transithandelsexporte stark mit den Rohstoffpreisen. Unter Lizenz- und Patenterträgen werden Gebühren für die Nutzung von Lizenzen und Patenten ausgewiesen. Für deren Entwicklung sind verschiedene Faktoren verantwortlich. So spielt der Austausch von Know-how innerhalb von multinationalen Unternehmen eine zunehmend wichtige Rolle. Eindeutige Bestimmungsfaktoren sind aber zurzeit keine bekannt.

Herkunft der Daten


Die Statistik des Dienstleistungshandels der Schweiz mit dem Ausland wird von der SNB erstellt. Methodische Grundlagen sind dabei das Balance of Payments Manual (BPM5) des Internationalen Währungsfonds (IWF) bzw. das Manual on Statistics of International Trade in Services (MSITS2002) der UNO (vgl. Kasten 1− Zahlungsbilanz der Schweiz: Jahresbericht− Zahlungsbilanz der Schweiz: Quartalsschätzung − Statistisches Monatsheft: Tabelle Q1 Ertragsbilanz – Hauptgruppen; Internet, Tabelle Q1a Ertragsbilanz – KomponentenDie Publikationen der SNB werden in Deutsch, Französisch und Englisch veröffentlicht und sind im Internet verfügbar (http://www.snb.ch, Publikationen).). Damit gewährleistet die SNB die internationale Vergleichbarkeit der Daten.Den grössten Teil der Daten erhebt die SNB quartalsweise direkt bei den Unternehmen, so auch die Finanzdienste, den Transithandel und die Lizenz- und Patenterträge. Ein Teil der Daten wird nur jährlich erhoben; die entsprechenden Quartalsdaten werden geschätzt. Daneben gibt es Dienste, die nicht direkt erhoben werden können, so z.B. die Fisim und die Versicherungsdienste. Diese Daten werden gemäss den Anforderungen des IWF geschätzt. Die Schätzungen basieren auf quartalsweise erhobenen Daten wie beispielsweise den Prämieneinnahmen für die Versicherungsdienste oder den Zinserträgen der Banken für die Fisim. Die Daten zum Tourismus werden jährlich vom Bundesamt für Statistik (BFS) erhoben bzw. quartalsweise vom Staatssekretariat für Wirtschaft (Seco) geschätzt.

Entwicklung seit 1990


Gemessen am BIP nahmen die gesamten Dienstleistungsexporte zwischen 1990 und 2008 von 8% auf 16% zu. In absoluten Zahlen beliefen sie sich 2008 auf 84 Mrd. Franken (vgl. Grafik 1). Dabei hatten 2008 die Finanzdienste der Banken mit 21 Mrd. Franken das grösste Gewicht (vgl. Grafik 2), gefolgt vom Tourismus (16 Mrd. Fr.), dem Transithandel (14 Mrd. Fr.) sowie den Lizenz- und Patenterträgen (13 Mrd. Fr.).Bis 1997 war der Tourismus mit einem Anteil von mindestens einem Drittel an den gesamten Dienstleistungsexporten die grösste Exportkategorie. Bis 2008 nahm die relative Bedeutung des Tourismus auf 18% ab zugunsten der bis dahin zweitgrössten Kategorie, den Finanzdiensten der Banken. Diese machten 2008 mit 30% den grössten Teil der Dienstleistungsexporte aus. Eine überdurchschnittliche Zunahme lässt sich beim Transithandel beobachten. Mit einem Anteil von durchschnittlich 3% am Total der Dienstleistungsexporte waren die Transithandelsdienste bis 2002 unbedeutend; ab 2003 schossen sie in die Höhe und erreichten 2008 einen Anteil von 14%. Der steile Anstieg ist zu einem grossen Teil auf die Preissteigerungen von Energieträgern und anderen Rohstoffen zurückzuführen. Allerdings erklärt sich ein Teil der starken Zunahme auch durch den steten Zuzug von Transithändlern in die Schweiz, insbesondere nach Genf und Zug. Der Anteil der Lizenz- und Patenterträge am Total der Dienstleistungsexporte bewegte sich bis 2000 um 10%; seither erhöhte sich deren Anteil auf 14%. Die gesamten Dienstleistungsimporte wuchsen zwischen 1990 und 2008 etwas schwächer als die Exporte. In % des BIP stiegen sie von 4% auf 6%; 2008 betrugen sie 35 Mrd. Franken. Die Lizenz- und Patenterträge (13 Mrd. Fr.) waren wertmässig die bedeutendste Kategorie, gefolgt vom Tourismus (12 Mrd. Fr.). Bis 2007 dominierte der Tourismus die Dienstleistungsimporte. Sein Anteil an den gesamten Dienstleistungsimporten ging jedoch zwischen 1990 und 2007 von 58% auf 36% deutlich zurück. An Bedeutung gewannen hauptsächlich die Lizenz- und Patenterträge. Diese machten bis 1998 durchschnittlich etwa 10% aus, stiegen ab 1999 stark an und erreichten 2008 einen Anteil von 36%. Seit Bestehen der Statistik (1947) verzeichnete die Schweiz im Aussenhandel mit Diensten stets einen Exportüberschuss. Dabei wurden durchwegs mehr als doppelt so viele Dienste exportiert als importiert. Der Exportüberschuss erhöhte sich zwischen 1990 und 2008 von 16 auf 50 Mrd. Franken. Sowohl das Niveau als auch die Entwicklung des Überschusses wurden zwischen 1990 und 2003 durch den Saldo der Finanzdienste bestimmt. Ab 2004 nahm dessen Bedeutung zugunsten des markant steigenden Saldos des Transithandels ab. Ab diesem Zeitpunkt prägte der Transithandel nicht nur die Entwicklung, sondern vermehrt auch das Niveau des Überschusses.

Ausblick


Der Aussenhandel mit Diensten spielt eine zunehmend wichtige Rolle für die schweizerische Volkswirtschaft. Lücken in der Statistik führen jedoch dazu, dass gegenwärtig die Bedeutung des Dienstleistungshandels der Schweiz mit dem Ausland unterschätzt wird. Gewisse Dienstleistungskategorien werden nur teilweise erhoben oder fehlen ganz. Betroffen sind beispielsweise Consulting- und IT-Dienste sowie Dienste im Zusammenhang mit Forschung und Entwicklung. Auch fehlt eine Gliederung der Dienste nach Ländern, wie sie heute für Industrieländer üblich ist. Um die Abbildung des Dienstleistungshandels der Schweiz mit dem Ausland zu verbessern, baut die SNB die bestehende Erhebung im Rahmen des Projekts serviceBOP bis 2012 aus (vgl. Kasten 2Die SNB ist dabei, die Erhebung des Dienstleistungshandels der Schweiz mit dem Ausland zu überarbeiten. Lücken werden geschlossen und die Dienste neu mit einer geografischen Gliederung erhoben. Mit dem Ausbau des Erhebungskreises von aktuell rund 500 auf künftig ca. 2500 Unternehmen wird die Repräsentativität der Statistik verbessert. Im ersten Halbjahr 2010 wird die SNB bei maximal 10000 Unternehmen in der Schweiz eine Vorerhebung durchführen. Anhand dieser Resultate wird eine repräsentative Auswahl für den künftigen Erhebungskreis vorgenommen. Die definitive Einführung der ausgebauten Erhebung des Dienstleistungshandels der Schweiz mit dem Ausland ist für 2012 geplant.).Neuerungen werden sich auch aufgrund der Revision des BPM5 ergeben. Die Umsetzung des neuen Standards für die gesamte Zahlungsbilanz ist in der Schweiz für 2014 geplant. Im Rahmen von serviceBOP wird sich die SNB jedoch bereits auf das revidierte Regelwerk BPM6 des IWF stützen. Eine wichtige Änderung betrifft die Verbuchung des Transithandels: Dieser wird mit dem Übergang zum revidierten Standard (2014) nicht mehr im Dienstleistungshandel, sondern neu im Warenhandel verbucht werden.

Grafik 1 «Dienstleistungsexporte und -importe sowie Aussenhandelsquote Dienste, 1990–2008»

Grafik 2 «Entwicklung der wichtigsten Kategorien des schweizerischen Dienstleistungshandels mit dem Ausland, 1990–2008»

Kasten 1: Publikationen der Schweizerischen Nationalbank − Zahlungsbilanz der Schweiz: Jahresbericht− Zahlungsbilanz der Schweiz: Quartalsschätzung − Statistisches Monatsheft: Tabelle Q1 Ertragsbilanz – Hauptgruppen; Internet, Tabelle Q1a Ertragsbilanz – KomponentenDie Publikationen der SNB werden in Deutsch, Französisch und Englisch veröffentlicht und sind im Internet verfügbar (http://www.snb.ch, Publikationen).

Kasten 2: Ausbau der Erhebung des Dienstleistungshandels mit dem Ausland – Projekt serviceBOPDie SNB ist dabei, die Erhebung des Dienstleistungshandels der Schweiz mit dem Ausland zu überarbeiten. Lücken werden geschlossen und die Dienste neu mit einer geografischen Gliederung erhoben. Mit dem Ausbau des Erhebungskreises von aktuell rund 500 auf künftig ca. 2500 Unternehmen wird die Repräsentativität der Statistik verbessert. Im ersten Halbjahr 2010 wird die SNB bei maximal 10000 Unternehmen in der Schweiz eine Vorerhebung durchführen. Anhand dieser Resultate wird eine repräsentative Auswahl für den künftigen Erhebungskreis vorgenommen. Die definitive Einführung der ausgebauten Erhebung des Dienstleistungshandels der Schweiz mit dem Ausland ist für 2012 geplant.

Zitiervorschlag: Stephanie Zeier (2010). Konjunkturindikatoren: Dienstleistungshandel der Schweiz mit dem Ausland. Die Volkswirtschaft, 01. Januar.