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Gründe für ein wettbewerbsorientiertes Vergabewesen

Gründe für ein wettbewerbsorientiertes Vergabewesen

Im kaiserlichen Wien genoss die Franz Leidenfrost & Co. das Privileg, als Hofweinhandlung zu firmieren.
Vgl. http://de.wikipedia.org/wiki/K.u.k._Hoflieferant#WIE. In gleicher Weise durften sich die Firmen Sacher und Bösendorfer als k. & k. Hoflieferanten bezeichnen. In der Schweiz mit ihren demokratischen Traditionen herrschte bei öffentlichen Vergaben das Prinzip der gerechten Abwechslung unter den lokalen Anbietern vor. Demgegenüber nennt der nachstehende Artikel Gründe für ein wettbewerbsorientiertes Vergabewesen und würdigt neuere Entwicklungen bei öffentlichen Beschaffungen unter Wettbewerbsgesichtspunkten.

Dank dem Tessiner Strassenbaukartell wissen wir heute, was ein nicht konkurrenzielles Vergabewesen den Steuerzahler kostet. Wöchentlich trafen sich die Vertreter der 16 beteiligten Firmen, um sicherzustellen, dass durch Zuteilung der nächsten öffentlichen Aufträge am Jahresende etwa die Firma Carlo Struzzo
Fiktiver Name. ihre zustehende Quote von 6,81% am kantonalen Auftragsvolumen auf die Stelle genau erreichte. Im Nachgang zur Auflösung des Kartells – ein Erfolg der Kartellrechtsverschärfung von 2003, welche die Einführung direkter Sanktionen brachte – fielen die Preise im öffentlichen Tiefbau im Tessin um 30%.
Vgl. WEKO: RPW 2008/1 S.50ff.

Ziele der Vergabegesetzgebung


Vier Ziele leiten das öffentliche Beschaffungswesen: Erstens die Schaffung von Transparenz. Denn ohne öffentliche Publikation ist weder bekannt, welche Vorhaben Beschaffungsstellen vorantreiben, noch welche Firmen in einer Ausschreibung letztlich obsiegt haben. Zweitens die Gleichbehandlung der Wettbewerber. Sie wird durch wirksame Rechtsmittelverfahren erreicht. Diese beiden mehr formellen Zielsetzungen bewirken, woran es im Tessiner Strassenbau mangelte: Drittens die Schaffung von Wettbewerb. Und als Ergebnis des Wettbewerbs: Viertens der haushälterische Einsatz der Steuergelder. Diese vier Zielsetzungen müssen höher gewichtet werden als Ziele wie die Förderung des lokalen Gewerbes. Denn eine durch übertrieben hohe Preise bewirkte Gewerbeförderung hat nicht selten folgende negative Wirkungen: Ein Teil des Extragewinns wird eingesetzt, um Angebote gegenüber privaten Kunden zu subventionieren. Mit dem Rest werden Übergewinne erzielt und ineffiziente Anbieter geschützt (vgl. Artikel Felder/Podgorski, Seite 10 f).

Wirtschaftliche Wirkungen mangelnden Wettbewerbs


Für den Rest der lokalen Wirtschaft sind die Folgen eines nicht von Wettbewerb geprägten öffentlichen Vergabewesens in mehrfacher Hinsicht nachteilig:– In der Region vorhandene Ressourcen werden durch wenig effiziente Staatszulieferer gebunden. – Wegen der ineffizienten öffentlichen Mittelverwendung ist das Steuerniveau höher und/oder die Versorgung mit öffentlichen Gütern (z.B. Infrastrukturen) ist weniger gut, als es aufgrund der Steuerkraft möglich wäre. – Auf Ebene des betroffenen Sektors wird ein Strukturwandel unterbunden, zum direkten Nachteil der lokalen Kunden. Denn Strukturwandel würde mehr Effizienz durch Nutzung von Grössenvorteilen und innovativeren Angeboten bringen. – Aus gesellschaftspolitischer Sicht darf schliesslich das Risiko der Korrumpierung von Exekutiven und Verwaltung nicht unerwähnt bleiben. Die Parteispendenskandale der letzten 20 Jahre rund um die Schweiz belegen, wie rasch das Risiko eines um sich greifenden Klientelismus zur Tatsache wird.

Neuere Entwicklungen im Vergabewesen unter Wettbewerbsgesichtspunkten


Die Entwicklungen, welche im Vergabewesen anstehen, haben vielfältige Wirkungen. So wird die Beschneidung der Rekursmöglichkeiten von der Grösse des Vorhabens abhängig gemacht; sie müsste vielmehr von den Kosten, die dem Steuerzahler bei einer verzögerten Fertigstellung des (Teil-)Vorhabens anfallen, abhängen. Ebenso wenig überzeugt die Heraufsetzung von Schwellenwerten zwecks Einsparung von Administrativaufwand. Öffentliche Ausschreibung führt zu besser vorbereiteten Einladungen zur Offertstellung und zu besser reflektierten Vergabeentscheiden. Parallel dazu senken E-Government-Lösungen (vgl. Artikel Tanner, Seite 32 f) den Administrativaufwand, und sie führen im Interesse des Wettbewerbs zu einer nie dagewesenen Transparenz.Wenn die Regeln des öffentlichen Vergabewesens auch auf die Vergabe öffentlicher Konzessionen Anwendung finden (vgl. Artikel Zwald, Seite 28 f), ist dies aus der Sicht des Wettbewerbs eine willkommene Entwicklung. Denn schliesslich ist die Reform des öffentlichen Beschaffungswesens Teil der Wachstumspolitik des Bundesrates, die unter anderem auf die Stärkung des Wettbewerbs im Binnenmarkt baut.

Zitiervorschlag: Peter Balaster (2010). Gründe für ein wettbewerbsorientiertes Vergabewesen. Die Volkswirtschaft, 01. März.