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Öffentliches Beschaffungsrecht vereinfachen

Das öffentliche Beschaffungswesen gehört für den Schweizerischen Gewerbeverband (SGV) zu den Kernthemen. Der grösste Dachverband der Schweizer Wirtschaft setzt sich unter anderem für eine vermehrte Berücksichtigung der KMU-Anliegen beim Beschaffungsrecht ein, und zwar in zweifacher Hinsicht: Einerseits strebt der Verband eine höhere Gewichtung der Qualitätskriterien gegenüber dem Preis an, und anderseits fordert er eine Harmonisierung der Beschaffungsgrundsätze auf Stufe Bund und Kantone; die heutige Regelung ist viel zu kompliziert und teilweise antiquiert. Die am 1. Januar 2010 in Kraft gesetzte Revision der Verordnung über das öffentliche Beschaffungswesen geht in die richtige Richtung; wesentliche Anliegen des SGV wurden berücksichtigt.

Der Schweizerische Gewerbeverband, der Dachverband der KMU, vertritt mit seinen rund 280 Mitgliedorganisationen, davon rund 255 Berufs- und Branchenverbänden, gegen 300 000 KMU. Für viele von ihnen sind öffentliche Aufträge ein wichtiges Geschäftsfeld; deshalb gehört das Beschaffungsrecht zu den Kernthemen des Verbands. Leider sind die heutigen Bestimmungen reichlich kompliziert. KMU, die immer mehr für verschiedene Kantone und für den Bund tätig sind, finden sich im Wirrwarr der Vorschriften – wenn überhaupt – nur noch mit Mühe zurecht. Deshalb fordert der SGV, neben einer stärkeren Gewichtung von Qualitätskriterien gegenüber dem Preis, seit jeher eine Harmonisierung der Beschaffungsgrundsätze auf Stufe Bund und Kantone.

Ja zur vorgezogenen Verordnungsänderung


Der Bundesrat hat am 1. Januar 2010 die revidierte Verordnung über das öffentliche Beschaffungswesen in Kraft gesetzt. Geplant war ursprünglich eine Revision auf Gesetzesstufe. Da sich der Abschluss der Revision des WTO-Übereinkommens über das öffentliche Beschaffungswesen verzögerte, hat der Bundesrat nun gewisse Neuerungen bereits vorzeitig in Kraft gesetzt. Damit stützt er auch die Konjunktur. Es handelt sich im Wesentlichen um Vorschläge, die der SGV im Rahmen der Vernehmlassung gefordert hat und die auf Verordnungsstufe umgesetzt werden können. Im Vordergrund stehen Bestimmungen, welche die Vergabeverfahren modernisieren und flexibilisieren.Die wesentlichen Anliegen des SGV sind berücksichtigt worden – so weit sie auf der Verordnungsstufe überhaupt umgesetzt werden können. Insbesondere forderte er den Wechsel vom Preis- hin zum Qualitätswettbewerb, die Berücksichtigung der Berufsbildung, die Einführung von KMU-freundlichen Bestimmungen, verkürzte Zahlungsfristen und die Förderung der Nachhaltigkeit. So werden nun explizit die Nachhaltigkeit und die während der gesamten Lebensdauer erwartenden Kosten der beispielhaften Aufzählung von Zuschlagskriterien im Gesetz beigefügt. Bei gleichwertigen Angeboten schweizerischer Anbieter berücksichtigt die Auftraggeberin, inwieweit diese Ausbildungsplätze anbieten. Der KMU-freundlichen Ausgestaltung der Verfahren wird insoweit Rechnung getragen, als die strengen Formvorschriften gelockert werden.Zu begrüssen ist auch der Grundsatz, dass die Auftraggeberschaft mit den Anbietenden eine Zahlungsfrist von 30 Tagen ab Eingang der Rechnung vereinbart, was sich positiv auf die Liquidität der KMU auswirkt. Neu wird auch der Innovationsgehalt von Angeboten als Zuschlagskriterium explizit genannt. Um Innovationen zu fördern, sollen Varianten vermehrt zugelassen werden.

Eine Lanze für die Harmonisierung des Beschaffungsrechts


Eine zentrale Forderung des SGV blieb allerdings unerfüllt: Die schweizweite Vereinheitlichung des Beschaffungsrechts. Der Bundesrat hatte in seinem Gesetzesentwurf eine Teilvereinheitlichung vorgeschlagen. Diese stiess in der Wirtschaft und namentlich beim SGV auf ein sehr positives Echo. Leider war der Widerstand der Kantone zu massiv. In der Folge hat der Bundesrat auf die ursprünglich vorgesehene Teilvereinheitlichung verzichtet. Da sich die Kantone jedoch grundsätzlich für eine Harmonisierung ausgesprochen haben, wenn auch auf anderem Weg, bleibt zu hoffen, dass sich die Anliegen des SGV zu guter Letzt doch noch durchsetzen werden. Im Interesse einer Vereinfachung der Abläufe und der administrativen Entlastung wird der SGV hier nicht locker lassen und konsequent für eine Harmonisierung der Beschaffungsgrundsätze auf Stufe Bund weiterkämpfen. Bei allem Respekt gegenüber dem Föderalismus: Hier ist er eindeutig fehl am Platz; die Kosten und die Rechtsunsicherheit für die KMU sind einfach zu gross. Aber auch der öffentlichen Hand entstehen unnötige Kosten. Dieses ungelöste Problem ist spätestens im Rahmen der vorgesehenen späteren Totalrevision des Bundesgesetzes über das öffentliche Beschaffungswesen mit Entschlossenheit im Sinne der KMU-Wirtschaft zu lösen.

Zitiervorschlag: Hans-Ulrich Bigler (2010). Öffentliches Beschaffungsrecht vereinfachen. Die Volkswirtschaft, 01. März.