Suche

Abo

Beruf und Familie: Erste nationale Internetplattform zu den kantonalen und kommunalen Politiken

Zum ersten Mal in der Schweiz bietet eine regelmässig aktualisierte Internetplattform (http://www.berufundfamilie.admin.ch) einen Überblick über die kantonalen und kommunalen Politiken im Bereich der Vereinbarkeit von Beruf und Familie. Mit dieser Plattform will der Bund eine Hilfe bei der Entwicklung von Fördermassnahmen im Bereich Vereinbarkeit von Beruf und Familie anbieten. Ziel ist es, den Austausch von Ideen und Erfahrungen betreffend Vereinbarkeit zu fördern und so zu verhindern, dass das Rad ständig neu erfunden wird. Wie die dem Artikel nachfolgenden Stellungnahmen zeigen, entspricht die Plattform einem echten Bedürfnis der betroffenen Akteure.

Die Kantone und die Gemeinden sind mit der Herausforderung konfrontiert, Massnahmen zur Förderung der Vereinbarkeit von Beruf und Familie zu entwickeln. Im Bereich der familienergänzenden Kinderbetreuung zum Beispiel muss das Angebot noch ausgebaut werden. Informationsmangel, insbesondere aufgrund der Komplexität des Föderalismus, behindert diese Entwicklung jedoch massgeblich. Um Abhilfe zu schaffen, haben das Staatssekretariat für Wirtschaft (Seco) und das Bundesamt für Sozialversicherungen (BSV) die Informationsplattform «Vereinbarkeit Beruf und Familie: Massnahmen der Kantone und Gemeinden» geschaffen. Erstmals können mit diesem Instrument die bestehenden kantonalen und kommunalen Politiken im Bereich der familienergänzenden Kinderbetreuung und der familienfreundlichen Arbeitsbedingungen schweizweit, schnell, übersichtlich und praxisnah abgerufen werden. Die Plattform vereinfacht die Arbeit der betroffenen Akteure, indem sie die rechtlichen Grundlagen, die eingesetzten Instrumente sowie die laufenden Projekte in den Kantonen und Gemeinden präsentiert. Sie will damit den Austausch von Ideen und Lösungen fördern. Weiter kann sie die öffentlichen Körperschaften bei ihrem eigenen Monitoring unterstützen. Die Plattform soll so mithelfen, die politische Diskussion zu befruchten und die Entwicklung von Massnahmen zu beschleunigen.

Zielpublikum


Das primäre Zielpublikum der Infoplattform sind Personengruppen und Institutionen, welche im Bereich der Vereinbarkeit von Beruf und Familie Kompetenzen haben. Dies sind die kantonalen und kommunalen Verwaltungen, Politikerinnen und Politiker sowie Interessengruppen, Verbände und Vereine mit Bezug zum Thema. Dazu gehören Tagesstätten-, Tagesschulen- und Tagesfamilienverbände, Trägerschaften von Betreuungseinrichtungen, Arbeitgeber- und Wirtschaftsverbände, Frauenorganisationen und Privatinitianten. Zum weiteren Zielpublikum gehören auch Wissenschaft, Medien, Unternehmen und Wirtschaft sowie die allgemeine Öffentlichkeit.

Inhalt der Plattform


Die Plattform informiert über die folgenden zwei Hauptbereiche im Politikfeld Vereinbarkeit von Beruf und Familie: die familienergänzende Kinderbetreuung und familienfreundliche Arbeitsbedingungen.

Familienergänzende Kinderbetreuung

Kantone und Kantonshauptorte


Im Bereich der familienergänzenden Kinderbetreuung zeigt die Plattform die politischen Ziele und Massnahmen von allen 26 Kantonen sowie den 26 Kantonshauptorten auf. Als familienergänzende Kinderbetreuung werden Angebote in Ergänzung zur elterlichen Betreuung verstanden, welche Kindern im Vorschul- und Schulalter eine Betreuung ausserhalb der obligatorischen Unterrichtszeit bieten. Die Infoplattform berücksichtigt ausschliesslich institutionalisierte erwerbskompatible Formen der Kinderbetreuung, die gegen Entgelt angeboten werden. Diese umfassen in der Plattform die folgenden Kinderbetreuungseinrichtungen:– Vorschulalter: Kindertagesstätten (auch Kitas, Tagesstätten oder Krippen genannt);– Schulalter: Horte/Tagesschulen/Mittagstische;– Vorschul- und Schulalter: Tagesfamilien (auch Tageseltern oder Tagesmütter/ -väter genannt);– zusätzlich werden noch die Regelungen der Gebietskörperschaften zu den Blockzeiten aufgeführt.Die Kompetenzen für die familienergänzende Kinderbetreuung liegen sowohl für das Vorschulalter wie auch für das Schulalter bei den Kantonen und Gemeinden. Der Bund legt mit der Verordnung über die Aufnahme von Kindern zur Pflege und zur Adoption (Pavo) einzig die Minimalanforderungen zum Schutz der Unmündigen fest. Den Kantonen ist es freigestellt, Bestimmungen zu erlassen, die über diese Bundesverordnung hinausgehen. Die Plattform zeigt diese rechtlichen Grundlagen für alle Kantone und Kantonshauptorte auf. Weiter können die von ihnen getroffenen Arrangements bezüglich Finanzierung der familienergänzenden Kinderbetreuung und alle weiteren eingesetzten Instrumente sowie laufende Projekte abgerufen werden. Konkret geht es um die folgenden Themenbereiche:– Ziele (z.B. in der Verfassung, Gesetzgebung);– Kompetenzen Kanton-Gemeinden (wie sind die Kompetenzen verteilt?);– Bewilligung/Aufsicht (z.B. Bewilligungs- oder Meldeverfahren);– Reglementierung (z.B. Ausbildung Personal, Betreuungsschlüssel);– Finanzierung (z.B. Verteilschlüssel zwischen Kanton und Gemeinden);– Kosten für die Eltern (z.B. Elterntarife, steuerliche Abzugsmöglichkeiten);– Bilanz und Zukunft (z.B. Evaluationen, zukünftige Massnahmen);– Angebot und Nachfrage (z.B. Statistik zur Anzahl Gemeinden mit Angebot);– Kooperationen (z.B. Public-Private Partnerships (PPP), interkantonale/kommunale Zusammenarbeit).

Kleine und mittlere Gemeinden: Ausgewählte Projekte


Den Gemeinden kommt beim Aufbau der familienergänzenden Kinderbetreuungsangebote eine zentrale Rolle zu. Gerade für die kleineren und mittleren Gemeinden ist es aufgrund der begrenzten Ressourcen oft schwierig, ohne grossen Aufwand zu den zielführenden Informationen zu gelangen und praktikable Lösungen zu finden. Der Bund will hier mit der Infoplattform Unterstützung bieten. Neben den Informationen zu den kantonalen Grundlagen und Rahmenbedingungen können aus 26 kleineren und mittleren Gemeinden (ländliche Gemeinden und Agglomerationsgemeinden) ausgewählte Projekte (1 Projekt pro Gemeinde) abgerufen werden.Innerhalb ihres regionalen Kontextes zeichnen sich die ausgewählten Projekte durch folgende Eigenschaften aus:– spezielle Zusammenarbeit; – innovative Finanzierungsmodelle; – die Nutzung von Synergien bei der Leistungserbringung; – die Realisierung eines umfassenden Betreuungsangebots; – ein zielgerichtetes Engagement der Gemeinde innerhalb des Projekts.

Familienfreundliche Arbeitsbedingungen

Kantone und Kantonshauptorte


Bezüglich der Förderung von familienfreundlichen Unternehmenspolitiken spielen Kantone und Gemeinden aufgrund ihrer Kompetenzen eine bescheidenere Rolle als im Bereich der familienergänzenden Kinderbetreuung. Trotzdem können sie auch hier einiges dazu beitragen, um die Sache vorwärtszubringen. Die Plattform zeigt im Bereich der familienfreundlichen Arbeitsbedingungen die politischen Ziele und Massnahmen der 26 Kantone sowie der 26 Kantonshauptorte auf. Konkret geht es um die folgenden zwei Themenbereiche: – Fördermassnahmen zuhanden der Wirtschaft: Kantone und Gemeinden können die Wirtschaft und die Unternehmen in ihrer Region bezüglich familienfreundlicher Arbeitsbedingungen informieren, sensibilisieren und beraten. Dies ist ein Mittel, um die regionale Standortattraktivität zu erhöhen. Die Plattform zeigt, dass hier einige Kantone, oft in Zusammenarbeit mit Arbeitgeberverbänden, bereits aktiv sind – etwa mit der Lancierung von Kampagnen, Unternehmenswettbewerben, Beratungsangebote oder sogar dem Einsatz von Promotoren. – Die öffentliche Verwaltung als Arbeitgeberin: Kantone und Städte spielen als Arbeitgeber oft eine Vorreiterrolle. Sie können gegenüber der Wirtschaft mit gutem Vorbild vorangehen und damit ihre Attraktivität als Arbeitgeber gegenüber der Konkurrenz aus der Privatwirtschaft steigern. Der Bund geht diesen Weg bereits erfolgreich und hat sich in den letzten Jahren als familienfreundlicher Arbeitgeber profiliert. Die Plattform zeigt, welche familienfreundlichen Massnahmen – wie z.B. flexible Arbeitszeit, Teilzeitarbeit, Jobsharing, Mutterschafts- und Vaterschaftsurlaub oder Telearbeit – angeboten werden.

Drei konkrete Anwendungsbeispiele


Um die Nutzung der Internetplattform zu illustrieren, werden im Folgenden drei Beispiele zu Themen genannt, die zurzeit im Zentrum der politischen Debatte stehen.

Finanzierung der familienergänzenden Kinderbetreuung


Die Frage der öffentlichen Subventionierung ist in einem Kanton in der politischen Diskussion. Welche Lösungen haben die anderen Kantone gefunden (Mitfinanzierung oder nicht, in welcher Form)?Die Auswertung der Datenbank zeigt dazu folgendes Bild (siehe Grafik 1 und Grafik 2): Gut die Hälfte der Kantone (14) beteiligt sich an der Finanzierung von Betreuungsplätzen in Kindertagesstätten im Bereich des Vorschulalters. Die andere Hälfte (12), Teile der Ostschweiz (AR, SG, SH, TG) und Innerschweiz (LU, SZ, ZG) sowie Basel-Landschaft, Freiburg, Solothurn und Zürich, subventioniert keine Betreuungsplätze und überlässt die Aufgabe vollständig den Gemeinden. Konkret haben die Kantone ganz unterschiedliche Finanzierungsarrangements getroffen. Einige machen die Beteiligung davon abhängig, dass auch die Gemeinden im gleichen Masse mitfinanzieren müssen (AG, BE, GR, OW). Die Mehrheit praktiziert eine Objektfinanzierung (abhängig oder unabhängig von der erbrachten Leistung), zwei Kantone sehen eine Subjektfinanzierung vor. Wie bei jeder Abfrage liefert die Datenbank zusätzlich für jeden Kanton die allfälligen Detailinformationen zur Fragestellung sowie Downloads der offiziellen Dokumente und die Kontakte zur zuständigen Behörde.

Reglementierung der familienergänzenden Kinderbetreuung


Ein Kanton muss seine Reglementierung bezüglich Ausbildung des Personals revidieren. Wie (und bis zu welchem Grad) haben die anderen Kantone diese Frage reglementiert? Die Auswertung der Datenbank zeigt dazu folgendes Bild (sieheGrafik 3): Gut zwei Drittel der Kantone (18) machen den privaten, subventionierten Kindertagesstätten im Bereich des Vorschulalters bezüglich Ausbildung des Personals Vorgaben. Acht Kantone (AG, AI, AR, BL, GR, LU, SH, UR) nennen keine zusätzlichen Anforderungen zur Pavo. Im Bereich Schulalter (Horte/Tagesschulen/Mittagstische) sind die Kantone etwas weniger restriktiv; dreizehn Kantone sehen keine weiteren Vorschriften vor. Und für die Tageseltern (Vorschul- und Schulalter) macht nur noch eine Minderheit (FR, GE, NW, OW, VD, ZG) gewisse Vorgaben bezüglich Ausbildung.

Familienfreundliche Arbeitsbedingungen in den öffentlichen Verwaltungen


Eine Gemeinde möchte sich als attraktive Arbeitgeberin profilieren. Was bieten ihre Konkurrentinnen beispielsweise beim Vaterschaftsurlaub an? Die Auswertung der Datenbank zeigt dazu folgendes Bild (siehe Grafik 4): Mit Ausnahme der drei Städte Bellinzona, Neuenburg und Sarnen bieten alle Kantonshauptorte ihren Angestellten einen bezahlten Vaterschaftsurlaub an. Die Mehrheit der Städte gewährt diesen im Umfang von 2 bis 3 Tagen bei Geburt des Kindes. Sieben Städte offerieren eine Woche, Aarau und Luzern gar zwei Wochen Vaterschaftsurlaub. Mit drei Wochen bezahltem Urlaub steht die Stadt Bern an der Spitze der gewährten Leistungen.

Grafik 1: «Finanzierung der familienergänzenden Kinderbetreuung»

Grafik 2: «Finanzierung der familienergänzenden Kinderbetreuung»

Grafik 3: «Reglementierung der familienergänzenden Kinderbetreuung»

Grafik 4: «Familienfreundliche Arbeitsbedingungen in den öffentlichen Verwaltungen»

Kasten 1: Informationen Internetadresse der Informationsplattform «Vereinbarkeit Beruf und Familie: Massnahmen der Kantone und Gemeinden»:http://www.berufundfamilie.admin.chhttp://www.travailetfamille.admin.chhttp://www.lavoroefamiglia.admin.ch

Kasten 2: Unterstützung durch die wichtigsten DachverbändeFolgende Akteure und Institutionen begrüssen die Schaffung dieses Instruments und unterstützen die Plattform im Patronat: Die Konferenz der kantonalen Sozialdirektorinnen und Sozialdirektoren (SODK), die Konferenz der kantonalen Volkswirtschaftsdirektoren (VDK), der Schweizerische Gemeindeverband (SGV), der Schweizerische Städteverband (SSV), die Städteinitiative Sozialpolitik sowie die wichtigsten Dachverbände: Pro Familia Schweiz, Netzwerk Kinderbetreuung Schweiz, Verband Kindertagesstätten der Schweiz (Kitas), Bildung+Betreuung, Schweizerische Verband für Tagesfamilienorganisationen (SVT), Schweizerische Arbeitgeberverband, Schweizerische Gewerbeverband (SGV), Schweizerische Gewerkschaftsbund (SGB), Travail.Suisse.

Zitiervorschlag: Anne Gugler, Martina Schlaepfer, (2010). Beruf und Familie: Erste nationale Internetplattform zu den kantonalen und kommunalen Politiken. Die Volkswirtschaft, 01. April.