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Finanzplatz Schweiz: Fit und proper statt fett und impotent

Der Druck auf den Finanzplatz Schweiz als Hort von Steuerhinterziehungsgeldern nimmt zu. Für die Strategie eines zukunftsfähigen Finanzplatzes Schweiz gilt es die Lehren aus der Vergangenheit zu ziehen. Aber wo sind die klugen Köpfe im Bundesrat und bei den bürgerlichen Parteien, die endlich antizipieren statt weiterhin zu mauern? Bankiervereinigung und Economiesuisse dominieren seit Jahrzehnten die Wirtschaftspolitik. Die Folgekosten trägt das Volk. Noch nie hatte eine Industriepolitik die Schweiz so viel gekostet wie die Intervention zu Gunsten der UBS. Warum? Das Bankgeheimnis, das vom Wettbewerb schützte, macht «fett, aber impotent», wie der Bankier Hans J. Bär frei nach Churchill festgestellt hat. Deshalb: Der Finanzplatz Schweiz muss fit und proper werden.

In den letzten 25 Jahren wurde der Kuchen des gesellschaftlichen Reichtums ungleicher verteilt. Die Tendenz in allen OECD-Ländern: Kapitaleinkommen gewannen an Bedeutung und die Lohnquote sank. Bestandteil dieser Umverteilung war auch, dass sich immer grössere Teile des mobilen Kapitals der Besteuerung entzogen und die Steuerbelastung für korrekt versteuerte Vermögen gesenkt wurden. Damit einher ging das langsame Ausbluten des Sozialstaates mit dem Ziel des Leistungsabbaus als Teil der dominierenden neoliberalen Logik. Die Akkumulation von zu viel Kapital, das in der realen Wirtschaft keine erfolgversprechenden Anlagemöglichkeiten mehr fand, aber die Nachfrage schwächte, war eine wesentliche Ursache der Finanzkrise. Sie hat den Staaten – auch der Schweiz – direkte und indirekte volkswirtschaftliche Kosten von schätzungsweise 25% der jeweiligen Bruttoinlandprodukte (BIP) beschert. Das zwang die Staaten, innert kürzester Zeit mit Billionen von Franken die Implosion des Finanzsystems zu verhindern. Diese zusätzliche Verschuldung engt jetzt den Spielraum vieler Regierungen ein. Auch bürgerliche Regierungen können es sich nun nicht mehr leisten, dass ihre eigenen Wähler Schwarzgelder verstecken. In der Schweiz liegen rund 2500 bis 4000 Mrd. Franken ausländischer Vermögen; ein Grossteil davon ist Schwarzgeld.

Konsequente Weissgeldstrategie ohne Wenn und Aber


Die Schweiz hätte längst die Weichen in Richtung Weissgeld stellen müssen und können. Die Finanzplatzstrategie des Wirtschaftskonzepts der SP von 1994 ist auch heute noch wegweisend. – Der Bundesrat soll nicht nur von einer Weissgeldstrategie reden, sondern diese umsetzen. Neu sollen nur noch versteuerte Gelder mit einem Besteuerungsnachweis des zuständigen Staates im Off-Shore-Finanzplatz Schweiz angelegt werden. Wer Steuern hinterzieht, kann keine glaubwürdige Selbstdeklaration abgeben.– Die Schweiz braucht eine rasche Lösung für die giftigen Altsteuerlasten. Diese muss mit den betroffenen Staaten ausgehandelt werden. Liechtenstein ist vorangegangen. – Das Bankgeheimnis als Vehikel der Steuerflucht macht die Schweiz erpressbar. Die Schweiz muss zu einem kooperativen Staat in der Staatengemeinschaft werden. Der Informationsaustausch nach OECD-Standard muss jetzt ohne neue Tricks in den Doppelbesteuerungsabkommen umgesetzt werden. Zugleich braucht es generelle Regelungen in einem Amtshilfegesetz und in den internationalen Rechtshilfebestimmungen. – Ein Ja zum automatischen Informationsaustausch mit der EU – der real viel weniger weit geht, als weitherum vermutet – soll mit der Bedingung verknüpft werden, dass die Schweizer Dienstleistungsunternehmen diskriminationsfrei Zugang zum EU-Markt haben. Im Übrigen: Die Angestellten müssen mit dem Lohnausweis über ihre Einkommensquellen lückenlos Aufschluss geben. Warum soll das bei Vermögenserträgen von Ausländerinnen anders sein?

Verschärfte Regulierung der Finanzmärkte


Zentral für die Schweiz ist eine wirksame Aufsicht der Banken und Versicherungen. Die ehemalige EBK hat in der Krise zu spät gehandelt. Die Finma hat die Lohnexzesse nicht im Griff. Solange Ex-Bankenmanager ihre alten Kollegen kontrollieren, fehlt es an Glaubwürdigkeit und Biss. Zur neuen Finanzmarktstrategie gehört auch eine neue Finma. Gierige Banker haben die Krise verschärft. Für Alt-Bundesrat und Neo-UBS-Verwaltungsratspräsident Kaspar Villiger heisst es noch immer «ohne Boni keine Banken». Wahr ist vermutlich das Gegenteil: Alle, die Geld haben, zittern um ihr Akkumuliertes. Nichts wäre ihnen lieber als seriöse Schweizer Bankiers, die nicht mehr als Bundesräte verdienen. Dafür müssen wir mit harten nationalen und internationalen Regeln sorgen. Es braucht verschärfte Regulierungen der Finanzmärkte wie das Verbot von Ausserbilanzgeschäften oder die Erhöhung der Eigenmittelvorschriften (G-20-Forderung) und Kapitalverkehrskontrollen (IWF-Forderung). Die Schweiz muss sich aktiv dafür einsetzen.

Zitiervorschlag: Susanne Leutenegger Oberholzer (2010). Finanzplatz Schweiz: Fit und proper statt fett und impotent. Die Volkswirtschaft, 01. April.