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Erfahrungen mit Exportplattformen und Clustern

Erfahrungen mit Exportplattformen und Clustern

Schweizer Firmen, speziell die kleinen und mittleren Unternehmen (KMU), stehen häufig vor der Herausforderung der Internationalisierung, weil die Märkte in der Schweiz relativ klein sind und in vielen Bereichen mehrheitlich ein Verdrängungskampf herrscht. Exportplattformen und Cluster unterstützen die Wirtschaft zielgerichtet beim Auf- und Ausbau der Exportaktivitäten. Der Erfolg der Plattformen ist stark abhängig von der aktiven Integration der zukünftigen Nutzer und der angebotenen Services. Eine zentrale Herausforderung ist die Sicherstellung der langfristigen Finanzierung unter Einbezug aller betroffenen Parteien. Am Beispiel des ICT Cluster Bern, Switzerland (tcbe.ch) wird aufgezeigt, wie eine Cluster-Initiative ihre Mitglieder aktiv beim Thema Internationalisierung unterstützt.

Viele Firmen sind sich heute nicht gewohnt, in Netzwerken zu arbeiten und deren Vorteile zu nutzen. Aufgrund fehlender Erfahrungen steht oftmals das Konkurrenzdenken im Vordergrund. Kann jedoch durch gemeinsame Erfolge in Projekten eine Kooperationskultur entwickelt werden, besitzen die Schweizer KMU ein sehr grosses Potenzial im Export.

Erfolgsfaktoren von Plattformen


Erfolgreiche Plattformen werden den jeweiligen Bedürfnissen der einbezogenen Parteien angepasst. Deshalb gibt es keine generellen Rezepte, wie eine Plattform erfolgreich aufgebaut werden kann. Mögliche Faktoren für den Erfolg sind:– Community-Bildung;– Gemeinschaftsprojekte;– Aktivitätsbereiche;– Branding;– Nachhaltige Finanzierung. Langfristig muss sich eine Plattform selber organisieren und den Betrieb sicherstellen können. Hierzu ist es wichtig, dass von Beginn weg eine starke Community aufgebaut werden kann. Dazu braucht es einen Leader, welcher sowohl die Verantwortung für die Langfristigkeit übernimmt, als auch in der zu unterstützenden Branche als Know How-Träger und erfolgreicher Geschäftsmann anerkannt ist. Der Leader wird im Normalfall durch einen Plattform-Manager ergänzt, welcher im entsprechenden Themenfeld keine Eigeninteressen vertritt. Wird die Plattform von einer Community – dies kann sowohl eine bestehende als auch eine neu aufzubauende sein – getragen, operiert die Plattform spürbar erfolgreicher.Um als Community im Bereich Export zu funktionieren, muss vorgängig das Vertrauen innerhalb der Mitglieder sowie zwischen dem Plattformbetreiber und den Mitgliedern aufgebaut werden. Key-Faktoren hierbei sind Gemeinschaftsprojekte und Aktivitäten, welche die Mitglieder gemeinsam erfolgreich abschliessen. Auch Fact Finding Missions oder Erkundungsmissionen unterstützen diesen Prozess sehr effizient. Die durch Plattformen realisierten Aktivitäten sind sowohl nach innen als auch aussen orientiert. Innenorientierte Themen – wie etwa Plattformstruktur, Betreiberteam, Marketing und Finanzen – stellen vor allem den Betrieb sicher. Aussenorientierte Themen positionieren die Plattform mit dem richtigen Angebot beim entsprechenden Zielpublikum (Zielmarktdefinition, Services, Kunden/Mitglieder). Werden mehrere Plattformen durch ähnliche Interessensgruppen oder Finanzgeber betrieben, kann mit Hilfe von Shared Services ein grosses Synergie-Potenzial genutzt werden. Dies betrifft einerseits die technische Infrastruktur und die administrativen Tätigkeiten und andererseits die Zugänge in den einzelnen Zielmärkten. Gerade in komplexen Märkten wie China und dem arabischen Raum sind oftmals die Kenntnisse der Märkte, Kulturen und Netzwerke wichtiger als das effektive Fachwissen.Der Nutzer der Plattform ist sehr stark mit der Bekanntheit derselben verknüpft. Eine Initiative muss deshalb durch einen starken Brand geprägt sein. Der Brand muss zwingend sowohl nach innen (potenzielle Mitglieder und Nutzer der Plattform) als auch nach aussen (Zielpublikum und Zielmärkte) wirken. Speziell bei der Aussenwirkung müssen mögliche Synergien zwingend genutzt werden, zum Beispiel durch Zusammenarbeit mit bereits bekannten Plattformen oder durch die Kooperation von ähnlichen Plattformen. Denn oftmals besitzt eine einzelne Plattform zwar nicht die kritische Marketingmasse, aber in Summe kann die notwendige Wirkung erreicht werden. Diese Synergien gilt es auch bei der Namenswahl und der Corporate Identity klar aufzuzeigen. Faktoren sind hier der Einsatz des Schweizer Wappens und verwandtschaftliche Designs.

Nachhaltige Finanzierung


Exportplattformen und Cluster-Initiativen sind langfristig orientierte Aktivitäten. Das bedeutet auch, dass die nachhaltige Finanzierung eine hohe Priorität besitzt. Die Initialisierung der Plattform erfolgt sehr oft durch die öffentliche Hand nach dem Top-Down-Prinzip mit Hilfe einer Anschubfinanzierung. Im ersten Schritt erhalten die KMU einen grossen Teil der Services kostenlos zur Verfügung gestellt. Nach einer definierten Zeit im Bereich von 2–5 Jahren müssen die Plattformnutzer das wirtschaftliche Fortbestehen dann selber sicherstellen. Beim Übergang der Finanzierung treten oft grössere Probleme auf, da die Nutzer der Plattform nicht immer in der Lage sind, die notwendigen Finanzen zu generieren, oder nicht bereit sind, Services einzukaufen, welche vorgängig kostenlos zur Verfügung gestellt wurden. Bei der Finanzierung ist klar abzugrenzen, welche Aufgaben im Interesse der Region oder der Nation (etwa Standortpromotion, Wirtschaftsförderung, Regionenmarketing) und welche im Interesse der Wirtschaft (Zugang zu Aufträgen, Marktabklärungen, Fact Finding usw.) liegen. Das Finanzierungsmodell muss die Aufgabenaufteilung zwingend berücksichtigen und bei der Finanzierung alle betroffenen Parteien einbeziehen. Es gilt jeweils zu klären, ob mit einer Aufteilung der Anschubfinanzierung auf einen längeren Zeitraum die Plattform zwar etwas weniger akzentuiert startet, aber langfristig leistungsfähiger und nachhaltiger aufgebaut werden kann.

Internationalisierungssupport des tcbe.ch


Nachfolgend wird aufgezeigt, wie eine Cluster-Initiative ihre Mitglieder im Bereich Internationalisierung unterstützt. Der tcbe.ch wurde 1996 gegründet und vereint heute mehr als 200 Mitglieder aus dem Bereich der Informatik und Telekommunikation aus Bern und den umliegenden Kantonen. Der Cluster definiert einen Internationalisierungssupport für seine Mitglieder. Dieser basiert auf vier Säulen: Wirtschaftsexkursionen, Initiieren von Partnerschaften, 1:1-Support für die Mitglieder und Internationale Gemeinschaftsprojekte für das Netzwerk.

Wirtschaftsexkursionen


Der Cluster führt jährlich ein oder zwei Wirtschaftsexkursionen durch. Im Rahmen dieser Exkursionen lernen die Teilnehmer eine neue Region (Cambridge, Tampere, Ludwigsburg usw.) sowie verwandte Netzwerke und Firmen kennen. Zusätzlich wird ein erster Einblick in Kultur und Geschichte vor Ort gewährt. Ein ebenfalls sehr wichtiger Faktor ist das Kennenlernen innerhalb der Delegation. Bereits mehrmals wurden im Anschluss an eine Wirtschaftsexkursion Berner Gemeinschaftsprojekte gestartet.

Initiieren von Partnerschaften


Der erste Schritt der Internationalisierung findet oft im Rahmen einer Partnerschaft mit einer Universität oder einer das Portfolio ergänzenden Firma im Ausland statt. Der Cluster nimmt hier die Drehscheibenfunktion wahr, die Anfragen und Angebote werden selektiert und aktiv weitervermittelt.

1:1-Support für die Mitglieder


Mitglieder, welche ins Ausland expandieren, können mit Hilfe des Cluster-Managers sowohl den Zugang zu Behörden und Supportern vor Ort als auch zu möglichen Geschäftspartnern und Kunden vereinfachen. Diese Möglichkeit steht natürlich auch Firmen aus dem Ausland zur Verfügung, welche sich in der Schweiz ansiedeln.

Internationale Gemeinschaftsprojekte für das Netzwerk


Der tcbe.ch integriert sich aktiv in grenzüberschreitende Projekte. Zum Beispiel war er Partner im Projekt Networking ICT Clusters in Europe. Im Projekt waren 13 Partner aus Finnland, Deutschland, Tschechien, der Türkei und der Schweiz aktiv. Hauptaufgaben im Projekt waren ein Regionen-Nationen-Benchmarking im Bereich ICT, Erarbeiten von Best Practices für ICT Cluster und als Hauptaufgabe das Vernetzen von Firmen zum Initiieren von Gemeinschaftsprojekten in der Wirtschaft. Das Projekt war ein wichtiger Meilenstein im Rahmen der Internationalisierungsstrategie des Clusters und mehrere grenzüberschreitende Firmenpartnerschaften konnten erfolgreich eingeleitet werden.

Kasten 1: Begriffserklärungen

Cluster sind regional oder national verdichtete, branchenübergreifende Wirtschaftskomplexe und sind in der Regel Teil eines international ausgerichteten Wertschöpfungsnetzwerkes.Cluster-Initiativen sind ein Zusammenschluss von Unternehmen (Wirtschaft), Ausbildungsinstitutionen (Wissenschaft), Verbänden und Behörden mit dem Ziel, ein definiertes Thema in einem definierten Wirtschaftsraum/Region zu stärken.

Zitiervorschlag: Christoph Beer (2010). Erfahrungen mit Exportplattformen und Clustern. Die Volkswirtschaft, 01. Mai.