Die Pleitewelle bei Schweizer Unternehmen reisst nicht ab. In den ersten zwei Monaten dieses Jahres gab es rund 1000 Konkursfälle – über ein Drittel mehr als in der entsprechenden Vorjahreszeit. Es ist davon auszugehen, dass in der Schweiz bis Ende 2010 gegen 11 000 Firmen in Konkurs gehen werden.
Insolvency Report, November 2009, Euler Hermes Schweiz. Dabei handelt es sich bei Weitem nicht nur um Einzelfirmen, Start-ups oder Briefkastenfirmen; häufig sind auch Unternehmen mit 10–50 Mitarbeitenden betroffen. Die Anzahl der betroffenen Beschäftigten dürfte auch 2010 weit über 10 000 liegen. Dieser Kontext muss berücksichtigt werden, wenn nun eine Revision des Schuldbetreibungs- und Konkursrechts ansteht. Dass Sanierungserleichterungen laut dem bundesrätlichen Vorentwurf vor allem zu Lasten des Arbeitnehmerschutzes eingeführt werden sollen, ist für den Schweizerischen Gewerkschaftsbund nicht annehmbar.
Konkret soll nach Ansicht des Bundesrates der Art. 333 OR im Insolvenzverfahren nicht mehr gelten. Der Artikel statuiert, dass die Arbeitsverhältnisse bei Betriebsübernahme integral mit allen Rechten und Pflichten auf die neue Arbeitgeberschaft übergeht. Zudem muss ein allfälliger Gesamtarbeitsvertrag (GAV) auch vom Erwerber mindestens während eines Jahres eingehalten werden. Im Sanierungsfall soll dies nun entfallen, denn für den Bundesrat ist der automatische Übergang der Arbeitsverhältnisse ein zentraler Hinderungsgrund für Sanierungen.Ein Sanierer, der ein konkursites Unternehmen aufkauft, müsste somit die verbleibenden Mitarbeitenden nicht mehr übernehmen und könnte sie fristlos entlassen, oder er könnte die Arbeitsbedingungen unverzüglich verändern. Ein GAV würde nicht mehr weiter gelten. Damit können Arbeitsplätze leichtfertig aufs Spiel gesetzt und die Arbeitsbedingungen schrankenlos gedrückt werden.
Hindernisse im Sanierungsverfahren
Sanierungen von in finanzielle Not geratenen Unternehmungen müssen gefördert werden. Das liegt in der Wirtschaftskrise auf der Hand. Die Hürden im Sanierungsverfahren liegen jedoch nicht im Arbeitnehmerschutz, sondern vielmehr in der Rolle der Kredit gebenden Banken, im Auffinden eines Investors und in der neuen fragwürdigen Privilegierung von Mehrwertsteuerforderungen.Seit dem 1. Januar 2010 gehört die Mehrwertsteuer nicht mehr zur dritten, sondern zur zweiten Konkursklasse. Die Eidg. Steuerverwaltung kann für die ausstehenden Forderungen das Konkursvermögen abschöpfen und so die Sanierung der betreffenden Firma gänzlich verunmöglichen. Die Behauptung, dass der Arbeitnehmerschutz Sanierungen erschwere, ja gar verunmögliche, ist nicht einmal ansatzweise empirisch belegt. Den Gewerkschaften sind auch keine Beispiele bekannt, wo eine Sanierung verhindert wurde, weil der Sanierer die bestehenden Arbeitsverhältnisse übernehmen musste. Das flexible schweizerische Arbeitsrecht bietet dem Sanierer bereits genügend Spielraum für einen allfälligen Stellenabbau oder Anpassungen der Arbeitsverhältnisse. Der Blick in die Praxis zeigt, dass bei Betriebsübergängen Vereinbarungen zwischen altem und neuem Arbeitgeber sowie den Sozialpartnern durchaus üblich sind und so akzeptable Lösungen für alle Parteien gefunden werden können.Schutzmechanismen während einer tief greifenden Wirtschaftskrise ohne triftige Gründe auszuhebeln, ist leichtsinnig und führt letztlich zu einer Abwälzung der Sanierungskosten auf die Arbeitslosenversicherung.Bei einer Sanierung soll der Erhalt der Arbeitsplätze an vorderster Stelle stehen. Es geht nicht an, dass mittels Sanierungen Belegschaften auf die Strasse gestellt werden, um den Maschinenpark zu verkaufen, oder dass Unternehmen filetiert und dann stückweise verkauft werden.Missbräuchliche Insolvenzen, die in erster Linie das Nichtbezahlen von Löhnen und Sozialabgaben bezwecken, sind etwa im Baugewerbe nicht unüblich. Pseudosanierungen, die alsdann in eine neue Firma mit jedoch der gleichen Arbeitgeberschaft münden, sind resolut zu bekämpfen. Solche Machenschaften dürfen nicht noch mittels Abbau der Schutzbestimmungen begünstigt werden.
Fazit
Einen wichtigen Schutzmechanismus des Art. 333 OR – die Solidarhaftung des bisherigen Arbeitgebers und des Erwerbers für ausstehende Forderungen der Arbeitnehmenden – hat zwar das Bundesgericht im Konkursfall aufgehoben. Dies führt jedoch nicht zwangsläufig dazu, dass Art. 333 OR im Konkursfall generell nicht anzuwenden ist. Die Infragestellung der automatischen Weitergeltung der Arbeitsverhältnisse bei Sanierungen ist ein markanter Einschnitt in den Arbeitnehmerschutz. Ohne eine Abfederung der sozialen Auswirkungen von Betriebsrestrukturierungen, die schon vor der Insolvenz greifen sollte, ist eine Abschwächung des Arbeitnehmerschutzes in keiner Weise hinzunehmen.