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Die laufende Reform des Unternehmenssanierungsrechts aus praktischer Sicht

Die laufende Reform des Unternehmenssanierungsrechts aus praktischer Sicht

Die Revision des Sanierungsrechts fand ihren Ursprung im Zusammenbruch der Swissair. Das bestehende Insolvenzrecht – insbesondere das Nachlassverfahren – wurde in weiten Kreisen als ungenügendes Instrumentarium für Unternehmenssanierungen taxiert. Die im Sommer 2003 eingesetzte Expertengruppe kam indes zum Schluss, dass das bestehende Insolvenzrecht grundsätzlich ein taugliches Sanierungsinstrument für Unternehmen darstellt und keiner Generalüberholung bedarf. Allerdings könne es mit punktuellen Veränderungen verbessert und sanierungsfreundlicher ausgestaltet werden. Dieser Erkenntnis ist zuzustimmen. Ebenso sind die vorgeschlagenen Neuerungen aus Sicht des Praktikers – von wenigen Einschränkungen abgesehen – zu begrüssen.

Einschätzung der wichtigsten Neuerungen


Eine erhebliche Verbesserung stellt das vorgesehene jederzeitige ausserordentliche Kündigungsrecht des Schuldners für Dauerschuldverhältnisse während der Stundung dar. Damit kann sich der bedrängte Schuldner der Bezahlung von nicht (mehr) benötigten Leistungen entledigen. Dies führt zu einer sofortigen finanziellen Entlastung und setzt die für die Sanierung dringend benötigten Mittel frei. Die Benachteiligung des Vertragspartners – dieser wird zwar voll entschädigt, aber nur im Sinne einer dividendenberechtigten Nachlassforderung – ist insofern zu relativieren, als das Dauerschuldverhältnis im andernfalls drohenden Konkurs ohnehin nicht auf lange Sicht fortgesetzt werden kann. Die Expertengruppe bezeichnet diesen Vorschlag denn auch zu Recht als Kernstück der Revision.Ebenso zu begrüssen ist der Vorschlag, den automatischen Übergang von Arbeitsverträgen bei Betriebsübernahmen (vgl. Art 333 OR) im Rahmen von Insolvenzverfahren auszuschliessen. Der Erwerber soll nur insoweit in die bestehenden Arbeitsverträge (inklusive der Solidarhaftung mit dem bisherigen Arbeitgeber für Ausstände aus diesen Verträgen) eintreten, als er die Arbeitnehmenden im Zuge des Betriebsübergangs mit übernimmt. Diese Lösung ist sachgerecht, da die andernfalls drohende Überbindung sämtlicher Arbeitsverträge für einen möglichen Käufer ein gewichtiges und kaum abschätzbares Risiko darstellt, was die beabsichtigte Sanierung unter Umständen verunmöglicht. Der damit drohende Verlust sämtlicher – anstelle möglicherweise nur einiger – Arbeitsplätze ist nicht im Sinne der Arbeitnehmerschaft. Deshalb schiesst die vor allem von Gewerkschaftsseite im Rahmen der Vernehmlassung geäusserte Kritik an dieser Neuerung am Ziel vorbei.Zweifelhaft ist dagegen, inwiefern die Möglichkeit der Einsetzung eines Gläubigerausschusses bereits während der Nachlassstundung das bestehende Sanierungsrecht verbessert. Gegen die damit beabsichtigte Stärkung der Gläubigerrechte ist an sich nichts einzuwenden. Die damit einhergehende Verschiebung der Kompetenz vom Nachlassgericht auf den – seiner Natur nach eher schwerfällig funktionierenden – Ausschuss für die Ermächtigung des Abschlusses bestimmter Geschäfte sowie das vorgesehene Weisungsrecht gegenüber dem Sachwalter dürften in vielen Fällen eher zu einer Verkomplizierung führen und damit dem beabsichtigten Ziel der Revision zuwiderlaufen.

Sanierungsfeindliches Mehrwertsteuerprivileg


Mit dem neuen Mehrwertsteuergesetz wurde dem Bund ab 2010 auf leisen Sohlen ein neues Konkursprivileg zugeschanzt. Abgesehen davon, dass sich diese Bevorzugung des Gemeinwesens gegenüber Privaten sachlich kaum rechtfertigen lässt, läuft es den Bestrebungen der SchKG-Revision diametral entgegen, weil privilegierte Forderungen im Rahmen von Nachlassverfahren voll gedeckt werden müssen. Dies bindet die zur Verfügung stehenden Mittel und schränkt die Möglichkeit zur Ausrichtung einer Dividende für die Kurrentgläubiger ein, je höher diese Forderungen ausfallen. Dadurch können Sanierungen erheblich erschwert werden, was an folgendem Beispiel aus der Praxis der Transliq AG dargestellt sei: Im Nachlassverfahren über die ExNex AG (ehemals Nexis Fibers AG) im Jahr 2009 hätte bei Bestand des Mehrwertsteuerprivilegs mangels Deckung der privilegierten Forderungen mit den vorhandenen Mitteln kein Nachlassvertrag gerichtlich bestätigt werden können. Damit wären auch die während der Nachlassstundung erfolgten Verkäufe von Betriebsteilen und der Erhalt der Produktionsstandorte inklusive rund 200 Arbeitsplätzen zumindest in Frage gestellt gewesen. Es ist zu hoffen, dass diese sanierungsfeindliche Hürde im Zuge der SchKG-Revision wieder beseitigt wird.

Zitiervorschlag: Pablo Duc (2010). Die laufende Reform des Unternehmenssanierungsrechts aus praktischer Sicht. Die Volkswirtschaft, 01. Mai.