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Effiziente Zusammenarbeit zwischen öffentlicher und privater Arbeitsvermittlung zu Gunsten der Stellensuchenden

Sowohl in wirtschaftlich guten als auch in schlechten Zeiten verfolgen die öffentliche und die private Arbeitsvermittlung ein gemeinsames Ziel: Die rasche Reintegration der Stellensuchenden in den Arbeitsmarkt. Ein weiteres Ziel ist, den Wirtschaftsstandort Schweiz zu stärken. Unsere Unternehmen funktionieren nur, wenn sie die richtigen Mitarbeitenden haben. Deshalb ist die Zusammenarbeit zwischen den Regionalen Arbeitsvermittlungszentren (RAV) und den privaten Vermittlern einer der wichtigsten Erfolgsfaktoren für beide Seiten. Zurzeit werden neue Ansätze entwickelt, um das vorhandene Kooperationspotenzial noch besser ausschöpfen zu können.

Steuerungsmodell der Arbeitslosenversicherung


Der Vollzug des Arbeitslosenversicherungsgesetzes (AVIG) und des Arbeitsvermittlungsgesetztes (AVG) ist Aufgabe der Kantone und somit dezentral organisiert. Das Staatssekretariat für Wirtschaft (Seco) als Ausgleichstelle der Arbeitslosenversicherung (ALV) und eidgenössische Arbeitsmarktbehörde steuert die kantonalen Vollzugsstellen wirkungsorientiert nach dem Prinzip des Management by Objectives (MbO): Der Bund gibt messbare Ziele vor, und die kantonalen Vollzugsstellen sind für deren Umsetzung verantwortlich. Dieses Steuerungsmodell ist in einer wirkungsorientierten Vereinbarung auf Regierungsebene geregelt. Im Besonderen tragen die Vollzugsstellen durch die rasche und dauerhafte Wiedereingliederung von Taggeldbezügern zur Schadenminderung der ALV bei.Die im AVIG als Ziel formulierte rasche und dauerhafte Wiedereingliederung der Stellensuchenden wird durch vier sogenannte Wirkungsindikatoren operationalisiert:– Durchschnittliche Taggeld-Bezugsdauer;– Anteil langzeitarbeitslose Taggeldbezüger;– Anteil ausgesteuerte Taggeldbezüger;– Anteil wiederangemeldete Taggeldbezüger.Da die Ausgleichsstelle hauptsächlich über diese Wirkungsindikatoren und nicht über Leistungsindikatoren – wie z.B. die Anzahl Vermittlungen – steuert, haben die RAV einen starken Anreiz zur Zusammenarbeit mit den privaten Arbeitsvermittlern. Um die Dauer der Arbeitslosigkeit zu verkürzen und damit eine Schadenminderung für die Versicherung zu ermöglichen, müssen alle Integrationskanäle genutzt werden.Innerhalb der gesetzlichen Bestimmungen sind die Kantone bei der Ausgestaltung und Führung der RAV weitgehend autonom. Der stark föderale Vollzug bewirkt einen beträchtlichen Gestaltungs- und Organisationsfreiraum, impliziert aber ebenso eine grosse Eigenverantwortung für die kantonalen Vollzugsstellen. Dementsprechend können die Kantone ihre Zusammenarbeitsstrategie mit den privaten Arbeitsvermittlern selbst definieren.

Hauptsache Arbeit


Im Unterschied zu den meisten anderen europäischen Ländern spielt die private Arbeitsvermittlung in der Schweiz eine besonders wichtige Rolle. Dies lässt sich einerseits damit begründen, dass in vielen umliegenden Ländern die private Arbeitsvermittlung bis vor wenigen Jahrzehnten verboten war. Andererseits hat die öffentliche Arbeitsvermittlung seit jeher die Zusammenarbeit mit den privaten Vermittlern gesucht, weil sie eine subsidiäre Rolle
In der Schweiz wechseln jedes Jahr ungefähr 300 000 Arbeitnehmende den Arbeitsplatz. Die öffentliche und private Arbeitsvermittlung ist dabei nur bei gut der Hälfte der Jobwechsel involviert: Die privaten Vermittler verzeichneten 2008 rund 130 000, die RAV 35 000 Vermittlungen. Somit liegt der Marktanteil der öffentlichen Arbeitsvermittlung – gemessen am Total der privaten und öffentlichen Vermittlungen – bei lediglich 21%. innehat. Für die RAV steht die Eigeninitiative der Stellensuchenden im Vordergrund. Hier setzen denn auch die Bemühungen der Personalberatenden der RAV primär an. Sie sorgen mit Beratungen und gezielten Zuweisungen in arbeitsmarktliche Massnahmen dafür, dass die Stellensuchenden bei der Jobsuche optimal unterstützt werden. Dazu gehört selbstverständlich auch die verantwortliche Nutzung der privaten Vermittlungskanäle.Im März 2010 waren bei den RAV 231 497 Stellensuchende gemeldet. Im gesamtschweizerischen Durchschnitt erfolgten im Jahr 2009 zwei Drittel aller Abmeldungen aufgrund eines Stellenantrittes. Drei Viertel davon haben eine Stelle selber gefunden (wobei durchaus möglich ist, dass auch RAV oder private Arbeitsvermittler beigezogen wurden); knapp ein Fünftel wurde durch die RAV vermittelt. Dieses Verhältnis bleibt über die Jahre stabil, unabhängig davon, ob die Wirtschaftslage gut oder schlecht ist. Die Saisonalität hat einen grossen Einfluss auf den Indikator «Abmeldungen mit Stellenantritt». Deshalb variiert die Summe der Abmeldungen von Quartal zu Quartal stark.

Zusammenarbeitsmodell in der Praxis


Laut einer nicht repräsentativen Umfrage – befragt wurden 191 Personalberater aus 20 Kantonen – des Verbandes der Personaldienstleister der Schweiz (Swissstaffing) bei seinen Mitgliedern kann die Zusammenarbeit zwischen öffentlicher und privater Arbeitsvermittlung grundsätzlich als positiv bezeichnet werden. In gewissen Bereichen besteht jedoch Verbesserungspotenzial.Im Informationssystem für die Arbeitsvermittlung und Arbeitsmarktstatistik (AVAM) erfassen die Personalberater der RAV alle für die Arbeitsvermittlung notwendigen Daten. Seit März 2004 können die privaten Arbeitsvermittler über eine passwortgeschützte Online-Schnittstelle (AVAMSTS
Internetdatenbank, die den privaten Stellenvermittlern vermittlungsrelevante Daten von stellensuchenden Personen, die dafür ihr Einverständnis gegeben haben, bereitstellt.) auf diese tagesaktuellen Daten zugreifen. Voraussetzung ist, dass die Stellensuchenden ihre Daten zur Publikation freigegeben haben. Je nach erteilter Erlaubnis des betroffenen Stellensuchenden werden die Daten in anonymisierter Form (d.h. mit Angabe des zuständigen RAV-Personalberaters) oder offener Form (d.h. mit Personalien und Kontaktdaten) veröffentlicht. Ende März 2010 waren die Daten von 85 302 Stellensuchenden mit Personalien und Adresse/Telefonnummer sowie von 75 403 Stellensuchenden anonym für die privaten Arbeitsvermittler verfügbar, welche über eine AVG-Bewilligung verfügen und beim Seco einen Account beantragt hatten. Die Statistik für das Jahr 2008 weist insgesamt 4641 bewilligte Vermittlungs- und Verleihbetriebe auf. Von diesen haben bisher 826 den Zugriff auf die Internetdatei beim Seco verlangt und auch erhalten. Es herrscht also noch ein beachtliches Steigerungspotenzial. In der Praxis bestehen – je nach Strategie der Kantone und der privaten Arbeitsvermittler – unterschiedliche Zusammenarbeitsmodelle. Auf der Grundlage von Artikel 85 Absatz 1 Buchstabe a, Artikel 85b Absatz 2 AVIG und Artikel 119cbis AVIV können die Kantone zu Lasten ihrer Vollzugskostenentschädigungsbudgets die privaten Stellenvermittler für die vereinbarten Dienstleistungen entschädigen. Der Kanton hat also die Kompetenz zu entscheiden, ob er beispielsweise mehr RAV-Personalberater anstellen oder die Zusammenarbeit mit den privaten Stellenvermittlern intensivieren möchte.

Handlungsfelder


Sowohl die private als auch die öffentliche Arbeitsvermittlung sind daran interessiert, die Zusammenarbeit künftig weiter auszubauen. In diesem Sinne wurde gemeinsam mit Kantonsvertretern und Swissstaffing beschlossen, in vier Handlungsfeldern konkrete Verbesserungsvorschläge zu erarbeiten (siehe Grafik 3):

Potenzial von AVAMSTS besser nutzen


Alle privaten Arbeitsvermittler, welche eine AVG-Bewilligung haben, sollen in Zukunft die Datenbank AVAMSTS verstärkt nutzen. Zurzeit hat – wie oben erwähnt – nur jeder fünfte private Arbeitsvermittler Zugriff auf diese Datenbank. Auf Wunsch der privaten Partner werden künftig die Suchkriterien erweitert und optimiert, um den Vermittlungsprozess zu vereinfachen. Auf der anderen Seite soll der Anteil der Stellensuchenden, die einverstanden sind, ihre Daten an die privaten Arbeitsvermittler weiterzugeben, erhöht werden. Momentan nehmen 70% der Stellensuchenden diese zusätzliche Dienstleistung in Anspruch. Mit guten Argumenten – zum Beispiel zusammengefasst in einem Merkblatt – sollen die RAV-Personalberatenden die Stellensuchenden vermehrt davon überzeugen, ihre Daten zu veröffentlichen. Dies trägt dazu bei, ihre Wiedereingliederungschance zu erhöhen. Gleichzeitig wird das monatliche Monitoring von AVAMSTS durch das Seco in einem Standardreporting sichergestellt. Die Datenqualität bezüglich der Kontaktdaten sowie der Publikationscodes der Stellensuchenden wird geprüft und den Kantonen gemeldet.

Erreichbarkeit und Reaktionsgeschwindigkeit der RAV erhöhen


Um die Erreichbarkeit und die Reaktionsgeschwindigkeit der RAV zu erhöhen, könnten in Zukunft vermehrt Key Account Manager für die privaten Partner in den RAV eingesetzt werden. Diese müssten in die jeweilige kantonale Struktur passen. Damit könnten nicht nur die Kundenprozesse optimiert, sondern auch die Marktnähe sichergestellt werden. Für die noch nicht zugeteilten privaten Arbeitsvermittler wäre möglicherweise eine Hotline aufzubauen. Diese würde den Key Account aktivieren. Die bisherigen Erfahrungen der Kantone, welche Key Account Manager einsetzen, sind positiv. Um den interkantonalen Wissenstransfer zu stimulieren, soll diese Thematik im Rahmen des bereits bestehenden institutionalisierten Erfahrungsaustauschs der Vollzugsstellen diskutiert werden. Dieser Ansatz bringt folgende Vorteile sowohl für Arbeitgeber als auch für die privaten Partner:– intensiven Kundenkontakt;– einen zentralen Ansprechpartner;– einheitliche Dienstleistungsstandards;– Zeitersparnis für Stellenmeldung;– schnelle und effiziente Vermittlung;– und letztlich Einsparungen für die Arbeitslosenversicherung.

Einführung eines finanziellen Anreizsystems für private Stellenvermittler


Swissstaffing schlägt ein Bonusmodell vor, mit dem die Zusammenarbeit zwischen privater und öffentlicher Arbeitsvermittlung intensiviert werden könnte. Pro Vermittlung einer beim RAV gemeldeten stellensuchenden Person in ein unbefristetes Beschäftigungsverhältnis erhält der private Arbeitsvermittler gemäss diesem Vorschlag eine Provision von 1000 Franken. Für Vermittlungen in Temporäreinsätze wünschen die privaten Arbeitsvermittler eine Entschädigung von 2 Franken pro geleistete Arbeitsstunde.Das Anreizmodell wurde durch das Seco geprüft. Weil die Zusammenarbeit bereits heute gut funktioniert und die Gefahr von Mitnahmeeffekten besteht, lehnt das Seco den oben beschriebenen Vorschlag ab. Unter den geltenden gesetzlichen Bestimmungen und aufgrund der bisherigen Erfahrungen dürften die kantonalen Vollzugsstellen kaum bereit sein, nennenswerte Mittel aus ihren Verwaltungskostenbudgets für ein solches Anreizsystem zur Verfügung zu stellen. Entsprechend sind für die Arbeitslosenversicherung negative finanzielle Auswirkungen zu erwarten. Deshalb neigt das Seco dazu, finanzielle Anreize nur für die Vermittlung von Stellensuchenden zu gewähren, die eine verminderte Vermittlungsfähigkeit aufweisen. Damit könnten die Mitnahmeeffekte minimiert werden. Ein Pilotversuch gemäss Artikel 75a AVIG erscheint somit nur für eine bestimmte Zielgruppe von schwierig vermittelbaren Stellensuchenden sinnvoll. Ob ein Kanton für einen solchen Versuch gewonnen werden kann, wird zurzeit durch Swissstaffing abgeklärt.

Einführung eines gemeinsamen Verhaltenskodexes


Um die Zusammenarbeit zwischen der öffentlichen und privaten Arbeitsvermittlung weiter zu fördern, soll die zurzeit geltende Rahmenvereinbarung zwischen dem Seco und Swissstaffing durch einen Verhaltenskodex abgelöst werden. Zurzeit wird durch den Verband Schweizerischer Arbeitsämter (VSAA) und Swissstaffing ein erster Entwurf ausgearbeitet. Der Verhaltenskodex soll als Grundlage für künftige Rahmenvereinbarungen zwischen den kantonalen Vollzugsstellen und den privaten Arbeitsvermittlern dienen. Gleichzeitig könnte er dem Seco zur Qualitätssicherung der Zugriffserteilung auf die Datenbank AVAMSTS dienen.

Fazit


Eine enge und intensive Kooperation von privater und öffentlicher Arbeitsvermittlung ist ein wichtiger Erfolgsfaktor für einen effizienten Arbeitsmarktausgleich. Sie ermöglicht, dass offene Stellen schnell und passgenau besetzt und die Stellensuchenden möglichst rasch und dauerhaft in den Arbeitsmarkt integriert werden können. Aus diesem Grund ist es besonders wertvoll, wenn die bisher schon gute Zusammenarbeit zwischen beiden Partnern weiter ausgebaut und verbessert wird.

Grafik 1: «Abmeldungen mit Stellenantritt, 1. Quartal 2004–1. Quartal 2010»

Grafik 2: «Weitergabe der Daten an private Arbeitsvermittler»

Grafik 3: «Beschlossene Handlungsfelder»

Kasten 1: Praxisbeispiel: Zusammenarbeit im Kanton Freiburg

Im Kanton Freiburg besteht eine enge Zusammenarbeit mit den privaten Arbeitsvermittlern. Zwischen dem kantonalen Amt für Arbeit, seinen RAV und der Association fribourgeoise des entreprises de placement privé et de travail temporaire (Afept) finden regelmässig Gespräche statt. Jährliche Treffen sind mit den Hauptvermittlern des Kantons organisiert.Zurzeit gibt es im Kanton Freiburg rund 70 bewilligte Vermittlungs- und Verleihbetriebe. Von diesen haben bisher 65 Benutzer den Zugriff auf die Internetdatei beim Seco beantragt und auch erhalten. Entsprechend werden die Stellensuchenden im Rahmen der kantonalen Vermittlungsstrategie auf private Vermittlungsagenturen aufmerksam gemacht. Dank dieser klaren Ausrichtung bewerben sich mehr als 50% der Stellensuchenden regelmässig oder spontan bei privaten Arbeitsvermittlern.

Grundlage der Zusammenarbeit

Zwischen den RAV und den privaten Vermittlern besteht keine formale Vereinbarung, welche die Zusammenarbeit regelt. Beide Partner sind der Meinung, dass die regelmässigen Kontakte eine ausreichende Grundlage für eine gute und nutzbringende Zusammenarbeit sind. Fast die Hälfte der 70 Vermittlungs- und Verleihbetriebe steht regelmässig mit dem Amt für Arbeit des Kantons Freiburg in Kontakt. Ein Viertel der offenen Stellen werden durch die privaten Arbeitsvermittler und drei Viertel werden durch die Arbeitgeber gemeldet oder direkt vom Personalberater akquiriert. Laut Aussage von beiden Partnern besteht eine konstruktive Zusammenarbeit. Die RAV und die privaten Arbeitsvermittler folgen dem gleichen Ziel, nämlich die Stellensuchenden rasch und dauerhaft in den Arbeitsmarkt zu reintegrieren.

Prozess der Zusammenarbeit

– Die privaten Stellenvermittler erstellen und verschicken die gesuchten Profiltypen an die RAV-Personalberater, die für den Kontakt mit den Firmen zuständig sind.– Die privaten Stellenvermittler melden parallel dazu auch die offenen Stellen nach Branchen an den zuständigen RAV-Personalberater.– Nach einer Überprüfung der Datenqualität werden die offenen Stellen in die Datenbank AVAM aufgenommen.– Die Bewerbungen werden durch den zuständigen RAV-Personalberater ausgewählt und eine Liste mit passenden Kandidaten wird den privaten Vermittlungsagenturen zugestellt.

Schwierigkeiten der Zusammenarbeit

– Es bleibt schwierig, die Zusammenarbeit zu standardisieren, da die Personalfluktuation bei den privaten Arbeitsvermittlern vergleichsweise hoch ist.– Die von den privaten Arbeitsvermittlern gesuchten Kandidaten sind oft schwierig auf dem Arbeitsmarkt zu finden. Deswegen suchen sie die Hilfe der RAV, die teilweise aber auch nicht über die geeigneten Kandidaten verfügen.– Der Stand der Vermittlungen der privaten Stellenvermittler wird den RAV nicht immer kommuniziert, sodass es schwierig ist, die Datenbank à jour zu halten.

Verbesserungsmassnahmen

Aus der Sicht der öffentlichen Arbeitsvermittlung wäre es wünschenswert, regelmässig Rückmeldungen über die Leistungen der privaten Vermittler – insbesondere über den Status der abgeschlossenen Vermittlungen – zu erhalten, um Doppelspurigkeiten zu vermeiden.

Zitiervorschlag: Simon Röthlisberger, Damien Yerly, (2010). Effiziente Zusammenarbeit zwischen öffentlicher und privater Arbeitsvermittlung zu Gunsten der Stellensuchenden. Die Volkswirtschaft, 01. Juni.