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Mit weniger Mitteln mehr produzieren

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Die Ernährung der gesamten Weltbevölkerung stellt eine der grössten Herausforderungen dar. Es muss mehr produziert werden, aber mit weniger Mitteln, sprich: weniger Wasser, weniger Energie, weniger Produktionsmitteln (Mineraldünger und Pflanzenschutzmittel). Möglicherweise werden sich durch den Druck der wirtschaftlichen Realitäten auch die Konsumgewohnheiten ändern müssen. Die Schweizer Landwirtschaft trägt auf lokaler Stufe dazu bei, diese Herausforderung anzunehmen, indem sie einen Grossteil der Nahrungsmittelversorgung ihrer Bevölkerung sicherstellt. Gleichzeitig hat sie hohe ökologische und ethologische Produktionskriterien zu erfüllen, um in der Schweiz wie auch weltweit eine nachhaltige Nahrungsmittelproduktion zu gewährleisten.

Ein globales Ernährungssystem bildet sich hauptsächlich aus der Summe der – teilweise autonomen – lokalen Märkte, zwischen denen ein Austausch stattfindet und Wechselwirkungen bestehen. Gemäss FAO werden auf internationaler Stufe nur gerade etwa 10% der landwirtschaftlichen Erzeugnisse vermarktet. Die lokale und regionale Dimension ist schwer definierbar: Es kann sich um eine Region wie das Südtirol handeln, um ein Land oder sogar um einen Kontinent wie Europa. Die Schweiz stellt einen dieser lokalen Märkte dar mit der Besonderheit, dass wir in der Ernährung zu über 40% von der Landwirtschaft anderer Länder abhängig sind.

Stabiler Selbstversorgungsgrad der Schweiz von 60%


Trotz der Bevölkerungszunahme und den hohen Produktionsauflagen in der Schweiz – insbesondere im Bereich Ökologie und Ethologie – konnte die Schweiz in den vergangenen 40 Jahren ihren Selbstversorgungsgrad von 60% aufrechterhalten. Aufgrund ihrer begrenzten Fläche und der schwierigen Produktionsbedingungen (Topografie und Höhenlage) importiert die Schweiz einen Teil ihrer Nahrungsmittel, der über die Lieferung von exotischen Produkten, die im Land nicht hergestellt werden können, hinausgeht. Dies funktioniert vor allem dank der guten Wirtschaftslage des Landes, insbesondere der grossen Kaufkraft und der hohen Wertschöpfung der konsumierten Produkte. Die Abhängigkeit der Schweiz von Nahrungsmittelimporten birgt aber auch Risiken für ihre Versorgungssicherheit. Bei auftretenden politischen, wirtschaftlichen oder auch klimatischen Problemen könnten diese weiter zunehmen.

Das Prinzip der Ernährungssouveränität in der Schweiz


Paradoxerweise wird die Schweiz wahrscheinlich eines der ersten westlichen Länder sein, welches das Prinzip der Ernährungssouveränität in der Gesetzgebung verankert, sofern die parlamentarische Initiative von Nationalrat J. Bourgeois angenommen wird. Dieses Prinzip, welches ursprünglich von La Via Campesina (Erklärung des Forums der NGO an den Welternährungsgipfel 1996) geprägt wurde, wird ganz unterschiedlich ausgelegt und muss den Schweizer Verhältnissen angepasst werden. Ernährungssouveränität heisst weder Autarkie noch Isolation; sie verbietet auch nicht den Abschluss internationaler Abkommen, die demokratisch und in voller Souveränität zustande kommen. Das Prinzip der Ernährungssouveränität verlangt aber, dass wir uns auf die Zukunft – und demzufolge auf ein nachhaltiges Entwicklungsprinzip – ausrichten. Es beinhaltet eine gewisse Entscheidungsautonomie bezüglich Agrarpolitik, um den spezifischen Voraussetzungen des Landes Rechnung zu tragen. Die entscheidende Frage lautet: Was müssen wir heute unternehmen, damit unser Ernährungssystem in Zukunft abgesichert ist, in einer Zukunft, in der es mehr Menschen zu ernähren gilt, die klimatischen Veränderungen unterliegen wird und wo Wasser-, Energie- und Bodenressourcen eingespart werden müssen? In diesem Rahmen können Überlegungen in verschiedene Richtungen angestellt werden.

Aufrechterhaltung von Kompetenzen und Know-how…


Zuerst ist den Bäuerinnen und Bauern als Hauptakteuren der Agrarproduktion ein angemessenes Einkommen zu ermöglichen, damit sie von ihrer Arbeit leben können und ihr Know-how und ihre Kompetenzen erhalten bleiben. Da Kompetenzen und Know-how nichts Statisches sind und sich ständig weiterentwickeln, bilden Forschung, Beratung und Ausbildung drei entscheidende Pfeiler zur Sicherung einer nachhaltigen landwirtschaftlichen Produktion. Dies umso mehr, als die Schweiz nur auf qualitativ hochstehende Güter mit hoher Wertschöpfung setzen kann.

… sowie landwirtschaftlicher Flächen


Zudem muss der Boden als wichtigstes Instrument der landwirtschaftlichen Produktion sowohl qualitäts- als auch mengenmässig geschützt werden. Täglich verschwinden über 10 Hektar landwirtschaftliche Fläche. Der landwirtschaftlich genutzte Boden darf nicht mehr als minderwertig angesehen werden. Verschwendung ist zu vermeiden, und Prioritäten sind dort zu setzen, wo es etwas zu schützen gilt.

Zitiervorschlag: Egger, Francis (2010). Mit weniger Mitteln mehr produzieren. Die Volkswirtschaft, 01. September.