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Ein Streitgespräch über wirtschaftliche Globalisierung und ihre Wirkungen

Ein Streitgespräch über wirtschaftliche Globalisierung und ihre Wirkungen

Im Streitgespräch stehen Chancen und Risiken der wirtschaftlichen Globalisierung im Fokus. Während der Vertreter der Wirtschaft, Jan Atteslander (Economiesuisse), die Früchte der Globalisierung – insbesondere den höheren Wohlstand − in den Vordergrund stellt, sind es beim Vertreter der NGO, Thomas Braunschweig (Erklärung von Bern), die Schattenseiten, insbesondere die Verteilung des Wohlstands. Aber selbst beim NGO-Vertreter wird die Globalisierung nicht grundsätzlich in Frage gestellt, sondern eine stärkere Regulierung verlangt. Umstritten waren im Gespräch der Zeitpunkt einer optimalen Öffnung, um Wachstum zu generieren, aber auch die Notwendigkeit von Wachstum.

Die Volkswirtschaft: Die Wirtschaft sieht die Globalisierung als Chance. Herr Atteslander, auf den kurzen Nenner gebracht: Was sind aus Ihrer Sicht die grössten Früchte der Globalisierung?Atteslander: Erstens: Der Wohlstand hat, wenn auch vorerst nur in den Industrienationen, dank der Globalisierung erstmals seit der 1950er-Jahren alle Bevölkerungsschichten erreicht. Zweitens: Seit den 1980er-Jahren wuchsen die Entwicklungsländer erstmals schneller als die Industrienationen. Drittens: Nun beginnt der Wohlstand in den Schwellenländern sich auf alle Bevölkerungsschichten auszudehnen. Laut Prognosen wird erwartet, dass im Jahr 2030 60% des Welt-BIP in den Schwellenländern – besonders in Asien − generiert werden wird.Die Volkswirtschaft: Die Globalisierung hat auch ihre Schattenseiten. Wo orten Sie die Risiken, Herr Braunschweig?Braunschweig: Wir sind als NGO nicht grundsätzlich dagegen, profitieren wir doch selber stark von der kulturellen und politischen Globalisierung. Aber die wirtschaftliche Globalisierung – von der wir hier sprechen – birgt in der Tat grosse Risiken. Ein interessantes Paradox ist übrigens, dass es zwar eine intensive Globalisierung von Gütern und Kapital gibt, die nationalen Grenzzäune für Menschen aber immer höher werden. Auch auf der politischen Ebene ist die Globalisierung äusserst defizitär. Besorgnis erregend sind die steigende soziale Ungleichheit – sowohl innerhalb als auch zwischen den Ländern − und der stark zunehmende Ressourcenverbrauch.Die Volkswirtschaft: Können Sie Ihre Thesen mit Zahlen belegen?Atteslander: Das Durchschnittseinkommen eines Weltbürgers betrug 1870 kaufkraftbereinigt 1 US-Dollar. Im Jahr 1950 waren es 2,1 und 2007 8,5 US-Dollar. In den letzten 60 Jahren kam es also zu einer Vervierfachung des Pro-Kopf-Einkommens. Viel dazu beigetragen hat die starke Senkung der Zölle von damals über 40% auf heute unter 5%.Braunschweig: Es ist wissenschaftlich sehr umstritten, ob überhaupt eine starke Korrelation zwischen den Faktoren internationale Öffnung und Wachstum besteht. Ausserdem zeigen Zahlen des CEPR
Center for Economic and Policy Research. für 116 Länder, dass das BIP pro Kopf zwischen 1960 und 1980 jährlich um durchschnittlich 3,1% gewachsen ist. Im Zeitraum zwischen 1980 und 2000, in dem die grossen Liberalisierungen stattfanden, waren es aber nur 1,4%. Diese Zahlen belegen doch die umgekehrte These, wonach die grosse internationale Öffnung zu einem abgeschwächten Wachstum geführt hat. Auch zeigen umfangreiche Untersuchungen von UNU-Wider
World Institute for Development Economics Research der United Nations University., dass die soziale Ungleichheit seit den frühen 1980er-Jahren in den meisten Ländern gestiegen ist, was die Autoren mit den wirtschaftlichen Liberalisierungspolitiken in Verbindung bringen.Die Volkswirtschaft: Welche konkreten Schlüsse ziehen Sie daraus?Braunschweig: Das Beispiel der asiatischen Tiger-Staaten verdeutlicht, wie eine erfolgreiche Globalisierung ablaufen muss: Diese Staaten haben zuerst binnenwirtschaftliche Reformen durchgeführt und sich erst dann aus einer Position der Stärke heraus geöffnet. In der ersten Phase der «internen Aufrüstung» haben sie ihre so genannten Infant Industries stark gestützt und den Agrarsektor reformiert. Dazu gehören die Landverteilung und garantierte Abnahmepreise des Staates für landwirtschaftliche Güter. Ebenfalls wichtig für den Erfolg war das richtige Timing der Öffnung. Auch die Industrieländer haben zuerst ihre heranwachsenden Industrien gefördert und geschützt, bis sie auf einem international konkurrenzfähigen Niveau waren. Was für uns gut war, sollte auch für die Entwicklungsländer gelten.Atteslander: Bleiben wir bei den Fakten: Ohne Zugang zu den Weltmärkten wäre das hohe Wachstum der Tiger-Staaten nicht möglich gewesen. Für Wachstum braucht es sowohl Reformen der Binnenwirtschaft als auch die Fähigkeit und Bereitschaft, sich im Weltmarkt zu integrieren. Dazu beigetragen haben zudem der grosse Aufholbedarf im Infrastrukturbereich sowie die enormen Investitionen in die Ausbildung. Dies gilt auch für die Erfolge, die Indien erzielt hat.Die Volkswirtschaft: Gibt es weitere Faktoren, die für den Erfolg von zentraler Bedeutung sind?Atteslander: Ja, Good Governance. Wachstum braucht stabile Rahmenbedingungen. Hinzu kommt das Beta-Wachstum, das heisst der Aufbau einer breiten Mittelschicht. Dieser Faktor ist für eine nachhaltige Entwicklung sogar sehr wichtig. Wer vom Wachstum nicht profitiert, wird sich auch nicht ausbilden. Und noch ein Faktor ist sehr wichtig: die Innovationsfreude, die in Asien tief verwurzelt ist.Braunschweig: Unterstreichen möchte ich die Bedeutung von stabilen politischen und sozialen Verhältnissen, die fürs Wachstum zentral sind. Aber genau hier haben wir auch unsere Vorbehalte. Die steigende soziale Ungleichheit, die innerhalb der Länder zu beobachten ist, führt zu Instabilität. Deshalb sollten alle, die für ein nachhaltiges Wachstum sind, sich dafür einsetzen, dass die Ungleichheit möglichst klein ist. Die Volkswirtschaft: Welche Rolle spielen für Sie in der globalisierten Wirtschaft internationale Regeln?Atteslander: Erst diese international geltenden Regeln machen es möglich, dass kleinere Staaten ihre Interessen geltend machen und grosse Staaten einklagen können. Davon wird immer mehr Gebrauch gemacht, wie dies die starke Zunahme von WTO-Streitschlichtungsverfahren verdeutlicht. Dank dieser Regeln können Investoren die politischen Risiken in Schwellen- und Entwicklungsländern auch besser einschätzen.Braunschweig: In einer zusammenwachsenden Welt braucht es in der Tat internationale Regeln, insbesondere für die kleinen und schwächeren Länder. Es ist nicht zuletzt eine Frage der Fairness, dass Regeln bestehen, die für alle gelten. Deshalb befürworten wir auch eine Handelsorganisation, die solche globalen Regeln sicherstellen kann.Was zu Sorge Anlass gibt, ist das Ungleichgewicht in der Entwicklung der Regeln auf den verschiedenen Ebenen. Wir haben sehr stark entwickelte Regeln im wirtschaftlichen Bereich. Aber auf der politischen Ebene ist das Regelwerk sehr defizitär. Häufig entstehen Probleme, weil es in den beiden Bereichen so ungleiche Regelintensitäten gibt.Die Volkswirtschaft: Welche Bereiche sprechen Sie konkret an?Braunschweig: Ich denke da an die Menschenrechte. Die wichtigsten Regelwerke sind hier der Sozial- und der Zivilpakt der UNO; aber es fehlen – im Gegensatz zu den Handelsregeln – griffige Sanktionsmöglichkeiten. Daraus resultiert ein Ungleichgewicht. So tendieren die Länder dazu, in erster Linie die wirtschaftlichen Regeln zu befolgen und die Regeln in den anderen Bereichen zu vernachlässigen.Die Volkswirtschaft: Wo orten Sie gegebenenfalls Verbesserungsbedarf des internationalen Regelwerks?Atteslander: Im Bereich der Handelsregeln ist der Abschluss der Doha-Runde vordringlich. Das grösste Wachstumspotenzial verspricht der Abbau von Barrieren im Süd-Süd-Handel. Im Nord-Süd-Handel bestehen für Entwicklungsländer bereits heute sehr tiefe oder gar keine Zölle beim Marktzugang zum Norden. Wachstumshemmend ist auch der verstärkte Protektionismus. Seit zwei, drei Jahren ist eine neue Welle des Protektionismus auszumachen.Braunschweig: Ich bin nicht der Auffassung, dass die Handelsregeln ausgebaut und intensiviert werden müssen; vielmehr gilt es diese ausgeglichener zu gestalten. Die Doha-Runde war ursprünglich als Entwicklungsrunde geplant. Davon ist heute nichts mehr zu sehen, was sicherlich der Hauptgrund ist, dass die Runde auch nach fast neun Jahren noch nicht abgeschlossen werden konnte.Die Volkswirtschaft: Welche Rolle spielen bei den Doha-Verhandlungen die Zölle?Atteslander: Für viele Entwicklungsländer ist der Agrarbereich das grösste Problem, weil aufgrund der hohen Schranken – sei es durch massive Importzölle oder durch Exportsubventionen des Nordens – für sie der Weltmarkt verschlossen ist. Vorteile des Weltmarktes können, wie das Beispiel Westafrika zeigt, dann gar nicht genutzt werden. Bei den Industriezöllen profitieren die Entwicklungsländer vom Präferenzsystem.Braunschweig: Die Industriezölle sind einer der Gründe, weshalb die Schwellen- und Entwicklungsländer bisher bei den DohaVerhandlungen nicht eingelenkt haben. Sie betrachten die geforderten Zollreduktionen für Industrieländer einerseits und für die Schwellen- und Entwicklungsländer andererseits als unausgewogen. Dasselbe gilt für die sektoriellen Abkommen, die vor allem China, Indien und Brasilien unter Druck setzen. Die Schwellenländer haben sich denn auch klar gegen diese Abkommen ausgesprochen.Zu den Präferenzsystemen: Diese gelten nur für die ärmsten Entwicklungsländer und sind daher eher die Ausnahme als die Regel. Deshalb muss hier bei den Verhandlungen ein grundlegend neuer Ansatz gewählt und die Ausnahme zur Regel gemacht werden. Wenn wir schon von einer Entwicklungsrunde sprechen, müssen die Interessen der Entwicklungsländer − und dazu zähle ich auch jene der Schwellenländer − ins Zentrum gerückt werden. Warum auch die Schwellenländer? Weil Indien weltweit am meisten Arme aufweist. Über 70% der Menschen leben dort unter der Armutsschwelle. Und in China gibt es eine steigende Ungleichheit zwischen den Habenden und den Habenichtsen. Die Volkswirtschaft: Was kann und soll der Staat Schweiz allgemein tun, um international zu einer gelungenen Globalisierung beizutragen?Braunschweig: Ein klassischer Fall, bei dem die Schweiz aus einer Position der Stärke zur Solidarität gegenüber den ärmsten Ländern beitragen könnte, ist das geistige Eigentum. Die Schweiz sollte demnach darauf verzichten, diesen Ländern geistige Eigentumsrechte aufzudrängen, die für ihre Entwicklung nicht förderlich sind. Schliesslich hat die Schweiz bei ihrer Industriealisierung vom schwachen Patenschutz im eigenen Land massiv profitiert. Die Schweiz versucht heute bei bilateralen Freihandelsabkommen (FHA) auf eine sehr egoistische Weise, über die Trips-Bestimmungen der WTO hinaus die Patente zu schützen, so geschehen bei den Verhandlungen im Rahmen der Efta beim FHA mit Indien, wo Norwegen übrigens ausgestiegen ist, weil das Land aus entwicklungspolitischen Gründen nicht über die explizit von der Schweiz gewünschte Stärkung des Patentschutzes mit Indien verhandeln wollte.Atteslander: Als Denkplatz hat die Schweiz ein vitales Interesse, unsere Patente weltweit zu schützen, damit unsere Wirtschaft in diesen Ländern in F & E auch investieren kann. Die Schweizer Unternehmen bauen jetzt grosse Forschungszentren in Asien auf. Das ist Know-how, das vor Ort generiert wird. Es ist ein enormes Potenzial für die Welt, wenn der dortige Brain Power auch genutzt wird. Freihandelsverträge werden partnerschaftlich ausgehandelt. Bei dieser Diskussion gilt es zudem eines zu beachten: Gegenwärtig findet eine grosse globale Verschiebung von Brain Power statt. Indien bildet gegenwärtig fast 700 000 Personen im Bereich Technik/Naturwissenschaft pro Jahr aus, China über 500 000 − Tendenz zunehmend. Zum Vergleich: In der EU sind es gegenwärtig 470 000 Menschen, die in diesem Bereich jährlich ausgebildet werden. Deshalb ist es nur eine Frage der Zeit, bis auch in Indien und China der Bedarf an einem guten Patentschutz zentral wird. Man muss also die Dinge nüchtern betrachten.Die Volkswirtschaft: Zu einem anderen Thema: Wie beurteilen Sie die Rolle der Medien in der Globalisierungsdebatte?Atteslander: Wir hatten grosse Diskussionen in den 1960er-Jahren über politische Aktivitäten einzelner multinationaler Unternehmen. Eine zweite Welle von Diskussionen gab es vor etwa 15 Jahren. Die Kritik am Verhalten dieser Konzerne hat Früchte getragen. Viele multinationale Firmen stehen heute in einem engeren Dialog mit den lokalen und internationalen Stakeholdern als früher. Die Kommunikation läuft heute auch anders: Wie in Finanzberichten ist man auch in anderen Bereichen des Wirtschaftslebens dazu übergegangen, Wirkungen zu quantifizieren und sie proaktiv darzustellen. Dieser Prozess ist noch nicht abgeschlossen.Braunschweig: In der Tat haben multinationale Firmen grosse Fortschritte gemacht. Warum? Ich denke, dass die Fortschritte vor allem das Resultat des Druckes von zivilgesellschaftlichen Organisationen sind, beispielsweise mittels Kampagnen und Boykotten. Von zentraler Bedeutung ist dabei die verbesserte Kommunikation und Vernetzung, die dazu geführt hat, dass Misswirtschaft irgendwo auf der Welt sehr rasch bekannt gemacht werden kann und der Druck auf die Unternehmen dadurch schnell wächst.Atteslander: Die Fortschritte sind meiner Meinung nach das Resultat einer neuen Wertehaltung beim Management und nicht der NGO und ihrer Politik. Die meisten internationalen Firmen, die weit weg von ihren grossen Konsummärkten operieren, können nicht mit Kampagnen unter Druck gesetzt werden.Die Volkswirtschaft: Wie werten Sie in diesem Kontext selbstregulierende Massnahmen der Unternehmen, wie etwa von Corporate Social Responsability?Atteslander: Die Corporate Responsability ist elementar. Man muss jedoch differenzieren: Es gibt auf der einen Seite übergeordnete, politisch aufgehängte Richtlinien wie den Human Global Compact oder die OECD-Guidelines. Viel höher als bei diesen ist die Dynamik bei den branchenspezifischen Initiativen. Dabei wird in der Regel nach dem Grundsatz Leading by Example vorgegangen. Am meisten wirkt es, wenn lokale Stakeholder sehen, wie ein multinationales Unternehmen in einem schwierigen Umfeld mit neuen Managementmethoden arbeitet, motivierend mit dem Personal umgeht, hochmoderne Produktionsmethoden anwendet und dabei erst noch mehr Return on Capital oder Investment erzielt. Braunschweig: Corporate Social Responsability ist sicher notwendig, aber nicht hinreichend. Wie Unternehmen noch heute operieren, haben unlängst die verantwortungslosen Banken rund um die Finanzkrise gezeigt. Aber auch BP ist kein Ruhmesblatt, genauso wenig wie Syngenta, die nach wie vor – und trotz besseren Wissens – hochgiftige Herbizide im Süden vertreibt. Die Liste von Skandalen multinationaler Konzerne ist beliebig fortsetzbar, trotz ihrer schönen Hochglanzbroschüren in Sachen Corporate Social Responsability. Wir verlangen Corporate Accountability mit verbindlichen Regeln.Atteslander: Der Ansatz von Corporate Accountability funktioniert nicht. Schliesslich gibt es bestehende Gesetze und international gültige Regeln, an die sich die Unternehmen zu halten haben. Aufgabe der Behörden ist es, die Einhaltung zu überwachen und im Katastrophenfall, wo nötig, zwischen den Staaten die Kompetenzen rasch zu klären. Es darf nicht sein, dass bei einer sich abzeichnenden Tankerkatastrophe nationale Behörden Tage brauchen, um sich zu einigen, wer das Schiff an den Haken nimmt.Die Volkswirtschaft: Könnten mit Ihren Regeln, Herr Braunschweig, solche Unfälle vermieden werden?Braunschweig: Eine Garantie gibt es auch mit unseren Regeln nicht. Aber die Darstellung von Herrn Atteslander ist verharmlosend. Meistens steckt ein skrupelloses, einseitig gewinnorientiertes Verhalten der involvierten Firma dahinter. Was wir sagen, ist, dass mit einer Corporate Accountability, die verbindliche Regeln und Sanktionsmechanismen umfasst, die Firmen zu einem verantwortungsvolleren Agieren gezwungen würden.Die Volkswirtschaft: Gibt es noch eine Kernbotschaft, die Sie zum Abschluss unseres Gesprächs anfügen möchten?Atteslander: Ich möchte zur Industriepolitik etwas anfügen: In Phase 1 der Globalisierung wurde ein Gut in einem Land produziert, das dann global vermarktet wurde. Diese Phase ging vor etwa 20 Jahren in die Phase 2 über, in der vermehrt global produziert wurde. Deshalb muss man auch vorsichtig sein mit Konzepten aus Phase 1. Das Konzept, Infant Industries abzuschirmen, bis sie fit sind für den Weltmarkt, gehört dazu. Wenn man dieses Konzept heute anwendet, riskiert man, dass das inländische Preisniveau steigt, mit dem Effekt, dass die ganze Industrie oder sogar die ganze Volkswirtschaft nicht mehr wettbewerbsfähig ist. Es gibt heute andere Konzepte, die von China und Indien erfolgreich angewendet werden. Protektionismus kostet immer Wachstum.Braunschweig: Für mich ist es nicht zentral, wenn Protektionismus Wachstum kostet. Ein nachhaltiger Wachstumspfad der Globalisierung kann nicht jener sein, der Ressourcenverbrauch und soziale Ungleichheit massiv wachsen lässt. Diese negativen Auswirkungen anzugehen, ist von grösster Dringlichkeit. Der Fokus muss ganz klar geändert werden. Viel entscheidender als unhinterfragtes Wachstum ist der Zusammenhang zwischen wirtschaftlichem Wohlstand und Lebensqualität. Bis heute ist das Wirtschaftswachstum sehr eng an den Ressourcenverbrauch gekoppelt; von einer Abkoppelung ist nichts zu sehen. Das können wir uns in Zukunft schlichtweg nicht mehr leisten. Was wir heute brauchen, ist ein Fokus auf die Verliererinnen und Verlierer der Globalisierung, von denen es noch Hunderte von Millionen gibt.Die Volkswirtschaft: Meine Herren, ich danke Ihnen für das Gespräch.

Zitiervorschlag: Geli Spescha (2010). Ein Streitgespräch über wirtschaftliche Globalisierung und ihre Wirkungen. Die Volkswirtschaft, 01. Oktober.