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CoCos statt Bailout: Details sind entscheidend

CoCos statt Bailout: Details sind entscheidend

Es ist unbestritten, dass das Too-big-to-fail-Problem und die damit einhergehenden impliziten Garantien ein gravierendes Problem darstellen, welches zu drastischen ökonomischen Verzerrungen führen kann. Die Lösung des Problems ist aber weder einfach noch in ihrer Wirkung auf die betroffenen Institute und das Finanzsystem harmlos. Es gilt deshalb eine sorgfältige Güterabwägung vor-zunehmen zwischen der Schwere des Eingriffes, der Wirksamkeit der Operation und ihrer möglichen Nebenwirkungen auf das Finanzsystem. Kann eine zufriedenstellende Wirkung mit einer milderen Arznei erreicht werden, ist ein starkes Medikament nicht zu rechtfertigen. Es ist deshalb nachvollziehbar, dass die Expertenkommission von Grössenbeschränkungen, Einführung des Trennbankensystems, Verboten bestimmter Geschäftsarten oder anderen direkten Eingriffen in das Geschäftsmodell der betroffenen Institute Abstand genommen hat.

Neben bereits bekannten Massnahmen im Bereich der Liquidität und der Risikoverteilung hat sich die Expertenkommission für zwei komplementäre, weniger einschneidende Lösungsansätze ausgesprochen. Der erste Lösungsansatz besteht darin, systemrelevante Banken «konkursfähig» zu machen. Dies soll mit besonderen organisatorischen Massnahmen erreicht werden. Zudem sollen die Banken einen Notfallplan vorlegen, dessen Umsetzung im Konkursfall den Weiterbestand der systemrelevanten Teile der Bank ermöglicht. Die Wiederherstellung der Konkursfähigkeit ist zwar die theoretisch gründlichste Lösung des Too-big-to-fail-Problems. International tätige systemrelevante Banken auf eine geordnete Abwicklung auszurichten, ist in der Praxis allerdings ein komplexes Unterfangen mit unsicherer Erfolgsaussicht. Die dafür notwendigen strukturellen und organisatorischen Massnahmen sind für die betroffenen Banken teuer, und die Vorbereitung der Abwicklungsprozesse bedürfen auf Seiten der Behörden einer aufwändigen internationalen Zusammenarbeit. Auch wenn angenommen wird, dass die damit verbundenen Schwierigkeiten gelöst werden können, ist es höchst unsicher, ob die Politik im konkreten Fall einfach zusehen würde, wie eine grosse Bank oder ein Teil davon in Konkurs geht. Die Versuchung einzugreifen, um einen allgemeinen Vertrauensverlust zu verhindern, wäre beträchtlich.

CoCos als Ersatz für die Konkursfähigkeit


Grössere Bedeutung kommt deshalb dem zweiten Lösungsansatz zu, welche das Ziel verfolgt, das Überleben der systemrelevanten Bank auch in Krisenzeiten ohne staatliche Hilfe zu sichern. Entscheidend dabei ist das Eigenkapital der Bank, mit welchem Verluste absorbiert werden können. Da die Eigenmittelanforderungen nicht beliebig hoch angesetzt werden können, ist ein Instrument besonders vielversprechend: Contingent Convertible Bonds (CoCos). Durch die Wandlung der Schulden in Eigenkapital wird die Bilanz saniert. Die Bank ist somit auch nach existenzbedrohenden Verlusten solvent und kreditwürdig. Durch die Ausgabe grosser Mengen neuer Aktien zur Wandlung der Obligationen verlieren die Aktionäre ihr Eigentum an der Bank an die Obligationäre. Wie bei einer konkursfähigen Institution sind die Risiken wieder am richtigen Ort: bei den Aktionären und Obligationären. Das verzerrende Anreizproblem ist somit entschärft.

Praxistauglichkeit hängt von der Ausgestaltung ab


Wie gut dieses neue Instrument in der Praxis funktioniert, hängt weitgehend von seiner Ausgestaltung ab. Davon abhängig ist auch die Höhe des Zinsaufschlags, den die Banken auf diesen Wandelanleihen bezahlen müssen. Die Expertenkommission schlägt vor, den Banken gewisse Freiheiten zu lassen, zu welchem Preis die neuen Aktien bei der Wandlung den Obligationären zugeteilt werden. Diese Regelung ist zu begrüssen, denn so können sich die Banken für eine marktgängige Variante entscheiden. Die Vorgaben bezüglich des Wandlungszeitpunkts erscheinen hingegen problematischer. Die Wandlung soll bei einigen Anleihen bereits eintreten, wenn die Aktienkapitalquote von 10% auf 7% fällt. Eine so frühe Wandlung bedeutet ein relativ hohes Risiko für die Investoren, dass ihre Anleihen irgendwann in Aktien gewandelt werden. Entsprechend teuer werden sie sich dieses Risiko entgelten lassen. Besser ist es, dieses innovative Finanzierungsinstrument so auszugestalten, dass das Wandlungsrisiko für die Investoren gering bleibt, weil nur im äussersten Notfall – nach Ausschöpfung aller anderen privatwirtschaftlichen Rekapitalisierungsmöglichkeiten – gewandelt wird. In diesem Fall ist die Chance bedeutend höher, dass die CoCos bei den Anlegern auch ohne hohe Zinsaufschläge auf eine breite Akzeptanz stossen.

Zitiervorschlag: Manuel Ammann (2010). CoCos statt Bailout: Details sind entscheidend. Die Volkswirtschaft, 01. Dezember.