Suche

Abo

Rasche und umfassende Lösung des Too-big-to-fail-Problems

Rasche und umfassende Lösung des Too-big-to-fail-Problems

Nach mehrmonatigen intensiven Beratungen haben sich die Mitglieder der vom Bundesrat eingesetzten Expertengruppe TBTF Ende September 2010 einstimmig auf ein Bündel von aufeinander abgestimmten Massnahmen geeinigt. Diese betreffen die zentralen Bereiche Eigenmittel, Organisation, Liquidität und Risikoverteilung. Im Zentrum der Empfehlungen stehen die verschärften Eigenmittelanforderungen. Diese sind von der Struktur her (Basis, Puffer und progressive Komponente) zwar mit den neuen internationalen Anforderungen kompatibel. Quantitativ gehen sie aber weit darüber hinaus. Zudem hat die Expertengruppe für die systemrelevanten Schweizer Grossbanken UBS und CS bereits konkrete Vorgaben für den zusätzlichen Aufschlag auf ihrem Eigenkapital vorgeschlagen. Der zusätzliche Eigenmittelbedarf ist auch im internationalen Vergleich ausserordentlich hoch.

Am G20-Gipfel in Seoul Mitte November 2010 wurde das neue internationale Regelwerk des Basel-III-Abkommens unterzeichnet. Welche Banken auf globaler Ebene aber als systemrelevant gelten und wie stark die zusätzlichen Anforderungen ausfallen, soll erst später festgelegt werden. Den regulatorischen Rahmen für den Umgang mit ihnen werden das Financial Stability Board (FSB) und der Basler Ausschuss wohl kaum vor Ende 2011 festlegen.

Vorreiterrolle der Schweiz


Demgegenüber hat in der Schweiz die Expertengruppe bereits konkrete Vorschläge zur Ausgestaltung der verschärften Eigenmittelanforderungen bei den systemrelevanten Banken ausgearbeitet. Demnach kann ein Teil des Puffers und die progressive Komponente aus bedingten Pflichtwandelanleihen (CoCos) bestehen. Diese werden beim Unterschreiten vordefinierter Eigenkapitalquoten automatisch (Trigger) in Eigenkapital umgewandelt. Ergänzend kommen strengere Liquiditätsvorschriften sowie eine Begrenzung der Verflechtungen und Klumpenrisiken im Finanzsektor zum Zuge. Zudem sollen vorbereitete und von der Finanzmarktaufsichtsbehörde (Finma) begutachtete organisatorische Massnahmen im Krisenfall unverzichtbare Dienstleistungen im Zahlungsverkehr sowie im Einlagen- und Kreditgeschäft sicherstellen. Weil organisatorische Massnahmen erhebliche Eingriffe in die Wirtschaftsfreiheit und die Eigentumsgarantie nach sich ziehen, ist es richtig, dass das Subsidiaritätsprinzip zur Geltung kommen soll. Demnach wird es Aufgabe der jeweiligen Banken sein, sich so zu organisieren, dass die Weiterführung der systemrelevanten Funktionen im Hinblick auf den Krisenfall gewährleistet ist. Wenn eine Bank die Weiterführungsfähigkeit der systemrelevanten Funktionen aber nicht nachweisen kann, soll die Aufsichtsbehörde die notwendigen organisatorischen Massnahmen anordnen.Die in der Schweiz vorgeschlagenen Massnahmen sind damit sehr umfassend und international anerkannt. Einerseits wird mit präventiven Massnahmen die Krisenresistenz erhöht. Das Risiko einer Insolvenz bei den als systemrelevant eingestuften Grossbanken wird dadurch erheblich gemildert. Andererseits sollen gescheiterte Banken auch dann liquidiert werden können, wenn sie systemrelevant sind. Dies ist mit Blick auf die Glaubwürdigkeit der marktwirtschaftlichen Ordnung wichtig.

Strenger Swiss Finish


Das von der Expertenkommission präsentierte Massnahmenpaket orientiert sich daran, das TBTF-Problem zu lösen und dabei die zusätzlichen Kosten für die Schweizer Volkswirtschaft moderat zu halten. Insgesamt gehen ihre Vorschläge aber weit. So sollen die Schweizer Grossbanken künftig fast doppelt so viel Gesamteigenkapital halten müssen als nach den Mindestanforderungen von Basel III. Damit fällt der «Swiss Finish» im internationalen Verhältnis markant aus. Auf internationaler Ebene erheben insbesondere Deutschland, Frankreich und Japan Einwände gegen zu starke Eigenkapitalvorschriften. Sie weisen darauf hin, dass sich restriktive Kapitalvorschriften für Banken negativ auf die Kreditgewährung auswirken würden. Mit dem strengen Swiss Finish dürften jedenfalls die Umsetzungs- und Folgekosten der Regulierung in der Schweiz höher ausfallen als im Ausland. Demgegenüber ist zu erwarten, dass die Reputation des schweizerischen Finanzplatzes und der beiden Grossbanken gestärkt wird. Dieser Umstand ist angesichts der weltweiten Verunsicherung mit zu berücksichtigen. Die im Policy-Mix der Expertenkommission enthaltenen Massnahmen sind aufeinander abgestimmt. Sie sollten deshalb unverändert und vor allem ohne weitere Auflagen umgesetzt werden. Angesichts der Umsetzungskosten und der Sicherstellung der Wettbewerbsfähigkeit sind die geforderten Übergangsfristen im Einklang mit Basel III gerechtfertigt. Dies gilt umso mehr, als auf internationaler Ebene eher Verzögerungen und materielle Abschwächungen bei der TBTF-Regulierung zu erwarten sind.

Zitiervorschlag: Gerold Buehrer (2010). Rasche und umfassende Lösung des Too-big-to-fail-Problems. Die Volkswirtschaft, 01. Dezember.