Suche

Abo

Die NFA auf dem Prüfstand: Ein Streitgespräch zwischen Ursula Gut und Markus Stadler

Zwei Jahre nach Inkrafttreten der Neugestaltung des Finanzausgleichs hat der Bundesrat einen ersten Wirkungsbericht abgeliefert. «Die Volkswirtschaft» hat die Gelegenheit dazu benutzt, mit zwei Kantonsvertretern über die NFA in ihrer heutigen Form zu diskutieren. Beide sind in besonderer Weise dazu legitimiert: Frau Regierungsrätin Ursula Gut als Finanzdirektorin des grössten Geberkantons und Ständerat Markus Stadler als ehemaliger Finanzdirektor des finanzschwächsten Kantons und Mitglied der Arbeitsgruppe, welche die Grundlagen der NFA erarbeitet hat. Wenn auch nicht alle Parteien am Tisch vertreten waren, hat die Diskussion doch interessante Aspekte der NFA gezeigt: Das Werk ist für das Funktionieren des Föderalismus von zentraler Bedeutung. Soll aber das Solidaritätswerk auch in Zukunft Bestand haben, gilt es den Rahmenbedingungen und Zusammenhängen mehr Beachtung zu schenken.

Die Volkswirtschaft: Der Bundesrat hat einen ersten Wirksamkeitsbericht zur Neugestaltung des Finanzausgleichs verabschiedet. Was ist für Sie der erste Eindruck?Gut: Der Bericht ist in der zentralen Frage des belastungsgerechten Lastenausgleichs sehr enttäuschend ausgefallen. Offensichtlich ist der Bundesrat nicht bereit, die den faktischen Verhältnissen entsprechende Korrektur des Lastenausgleichs vorzunehmen. Die Volkswirtschaft: Eine harte Kritik.Gut: Der Kanton Zürich hat seit Beginn des Inkrafttretens der NFA verlangt, dass die Dotierung des Lastenausgleichs auf statistischen Grundlagen basieren soll. Der Bundesrat hat zwar immer wieder bekräftigt, dass er dieses Versprechen einlösen will, es aber nicht eingelöst. Und was macht er jetzt? Im Bericht wird das Problem der Unterdotierung des soziodemografischen Topfs mit keinem Wort erwähnt. Es scheint, als ob der Bundesrat nicht bereit wäre, die Realitäten anzuerkennen, was mich persönlich sehr enttäuscht. Ich bin auch erstaunt, wie blauäugig er die Praxis der Kantone, die einseitig auf Steuerwettbewerb setzen, beurteilt.Stadler: Zuerst eine Vorbemerkung: Wir diskutieren hier stellvertretend für finanzstarke und finanzschwache Kantone. Am Tisch fehlt aber ein Vertreter der nicht besonders belasteten Kantone. Es sind die Kantone, die keine Zentrums- und keine Peripheriekantone sind. Eine der wichtigen Erkenntnisse der NFA-Vorarbeiten war, dass es zwei Arten von Kantonen mit besonderen Lasten gibt: einerseits die Zentrumskantone und andererseits die Gebirgskantone. Die Kantone im «Zwischenfeld» haben weder die einen noch die anderen überdurchschnittlichen Lasten. Sie können am Wochenende in die Berge und unter der Woche ins Stadttheater, ohne dass sie in vollem Umfang dafür bezahlen müssen.Die Volkswirtschaft: Und zum Wirkungsbericht?Stadler: Für einen Wirkungsbericht ist die Beobachtungszeit von zwei Jahren eigentlich zu kurz. Nun ist aber der Wirkungsbericht da. Inhaltlich bin ich mit den Grundaussagen des Berichts einverstanden: Die NFA hat sich bewährt, die Finanzautonomie der Kantone wurde gestärkt. Fast alle Kantone konnten ihre Steuern senken, auch die finanzstarken. Einzelne finanzstarke Kantone konnten sogar Reserven für Unvorhergesehenes bilden. Mindestens in der kurzen Beobachtungsfrist haben sich die Befürchtungen der finanzstarken Geberkantone nicht bewahrheitet. Auf der anderen Seite ist es gelungen, alle Kantone auf eine minimale Ressourcenausstattung von 85% anzuheben, mit Ausnahme meines Kantons, der es nicht ganz geschafft hat.Die Volkswirtschaft: Wollen Sie, Frau Gut, dass die finanzstarken Kantone noch mehr gestärkt und die finanzschwachen Kantone noch mehr geschwächt werden?Gut: Zu den Fakten: Es werden 50% in den geografisch-topografischen und 50% in den soziodemografischen Topf verteilt. Dieses Dotationsverhältnis begünstigt die ressourcenschwachen Gebirgs- und Landkantone, denn die geografisch-topografischen Sonderlasten sind nicht gleich hoch, sondern dreimal tiefer als die soziodemografischen Lasten der Zentrumskantone. Allerdings verlangt der Kanton Zürich nicht, dass der geografisch-topografische Topf verringert wird und die Bergkantone – wie der Kanton Uri – mit weniger Geld aus der NFA auskommen sollen. Was wir verlangen, ist, dass die Lasten durch den Bund korrekt abgegolten werden. Übrigens verstehen wir auch nicht, weshalb der Härteausgleich gemäss Bundesrat 28 Jahre lang dauern soll. Das ist eine unglaublich lange Übergangszeit. Besonders befremdend ist es, wenn gewisse Kantone vom neuen System profitieren und trotzdem noch Härteausgleich kassieren.Stadler: Auf den ersten Blick scheint der geografisch-topografische Topf im Verhältnis zu den Zentrumslasten etwas hoch dotiert zu sein. Betrachtet man aber die Einzelausgaben, relativiert sich das Ganze. Wenn am Susten- oder Klausenpass für 40 Mio. Franken grössere Arbeiten anstehen, so bedeutet das die Hälfte einer Jahressteuer des Kantons Uri. Unser Kanton kann nicht einfach in einem Gebiet, in dem praktisch kein Mensch wohnt, die Hälfte der Jahressteuer verbrauchen. Für diesen Fall muss irgendwann eine Lösung gefunden werden, die bis anhin nur hinausgeschoben wurde; ansonsten heisst die Alternative «geschlossen wegen …». Trotzdem habe ich ein gewisses Verständnis für die Aussage von Frau Gut bezüglich der hohen Belastung der Zentrumskantone, zumal sie nicht den geografisch-topografischen Ausgleichstopf angreift.Die Volkswirtschaft: Die Zahlen des Wirksamkeitsberichts zeigen keine steigende Belastung der finanzstraken Kantone. Frau Gut, Sie haben da eine grundlegend andere Optik. Warum?Gut: Es stimmt, unsere Zahlen sehen ganz anders aus als jene im Bericht: Sie belegen, dass die Beiträge der Geberkantone zwischen 2008 und 2011 um 22%, jene des Bundes hingegen nur um 17% gestiegen sind. Zur Verdeutlichung noch eine andere Zahl, welche die wachsende Belastung der finanzstarken Kantone unterstreicht: Wir haben uns in der Stellungnahme zur dritten NFA-Botschaft mit dem Aufteilungsverhältnis 72,5% (vertikaler Ressourcenausgleich) zu 27,5% (Lastenausgleich) einverstanden erklärt. Heute hat sich das Verhältnis auf 75% zu 25% verschoben. Im Nachgang zur Schaffung des soziodemografischen Topfs wurde zudem die Verteilung der Bundessteuer an die Kantone reduziert. Die Volkswirtschaft: Wie erklären Sie, Herr Stadler, die unterschiedlichen Zahlen und die unterschiedliche Optik?Stadler: Um einen anschaulichen Vergleich zu ziehen: Die Kantone können als Ballone in der Luft betrachtet werden. Im Bericht wird die Differenz zwischen den Ballonen gemessen, und nicht diejenige der Ballone zum Boden. Anders gesprochen: Wird der Frankenbetrag pro Einwohner, der ausgeglichen wird, gemessen, ist es durchaus möglich, dass Frau Gut recht hat. Wenn Sie die relative Seite anschauen, ob die Kantone ärmer oder reicher geworden sind, stimmt der Bericht. Der Bundesrat hat sich an der Konvergenz und Harmonisierung orientiert und gesagt: Die finanzstarken Kantone sind − im Vergleich zur früheren «Ballonsituation» − nicht ärmer geworden.Die Volkswirtschaft: Möchten Sie, Frau Gut, am liebsten die NFA wieder abschaffen?Gut: Nein, das will ich nicht. Auch ich bin für die NFA und erachte diese in vielem als eine gute Lösung. Die NFA hat ein unbefriedigendes System abgelöst. Es ist ein Solidaritätswerk. Deshalb bin ich auch absolut damit einverstanden, dass der Kanton Uri seine Opportunitäten daraus ziehen kann. In Übereinstimmung mit den Geberkantonen beantragen wir, dass der Beitrag der ressourcenstarken Kantone auf das verfassungsmässige Mindestmass von zwei Dritteln des Bundesbeitrags herabgesetzt wird. Zusätzlich verlangen wir, dass eine «Anti-DumpingRegelung» bei den Steuersätzen vorzusehen ist. Um den nationalen Steuerwettbewerb auf eine faire Grundlage zu stellen, sollen die NFA-Beiträge an ressourcenschwache Kantone herabgesetzt oder gestrichen werden, wenn sie die steuerlichen Mindestsätze der Geberkantone – auch in steuerlichen Nischenbereichen – unterbieten.Stadler: Mit dem Begriff Dumping muss man aufpassen. Er bedeutet Verkauf unter den Einkaufs- oder Gestehungskosten. Das aber kann den Kantonen, welche die Steuern besonders stark gesenkt haben, nicht vorgeworfen werden. Der Kanton Uri ist zur Zeit der ressourcenschwächste Kanton. Es ist deshalb nicht erstaunlich, dass ich gegen jede Bewegung bin, die darauf gerichtet ist, die Beiträge der Geber zu plafonieren oder zu verkleinern. Die Schere zwischen ressourcenstarken und ressourcenschwachen Kantonen würde dadurch noch grösser. Die Folge wäre eine Abwanderung von jungen Leuten und Unternehmungen aus Uri, wie wir es auch schon erlebt haben. Ein solcher Kanton wäre damit in seiner Existenz bedroht.Die Volkswirtschaft: Der Vorschlag der Einführung von Mindest-Steuersätzen für ressourcenschwache Kantone erweckt den Eindruck, dass der Kanton Zürich gegen Steuerwettbewerb ist. Warum der Widerstand, Frau Gut?Gut: Ich bin für den Steuerwettbewerb, weil er uns eine massvolle Steuerquote ermöglicht, was der Wirtschaft und dem Wohlbefinden der Leute in unserem Kanton und in unserem Land nützt. Aber der Steuerwettbewerb muss fair sein. Es kann nicht sein, dass das Solidaritätswerk NFA von ressourcenschwachen Kantonen dazu ausgenützt wird, unsere Steuersätze zu unterbieten. Natürlich ermöglicht die NFA diesen Kantonen, im Steuerwettbewerb mitzumachen. Dagegen habe ich nichts. Aber nicht grenzenlos. Da braucht es Korrekturen im Sinne der Kernideen des NFA, die auf Solidarität, Korrektheit und Fairness gründen.Stadler: Wenn die Nehmerkantone aus dem Ressourcenausgleich Geld bekommen, können sie damit grundsätzlich drei Dinge tun, die alle ihre Standortattraktivität erhöhen: Schulden zurückzahlen, Leistungen ausbauen oder Steuern reduzieren. Darin sind sie rechtlich frei, und sie müssen es auch sein. So gut wie eine Begrenzung bei der Besteuerung könnte man von den Nehmerkantonen eine Begrenzung beim Leistungsausbau oder beim Schuldenabbau verlangen. Im Prinzip ist das das gleiche. Auf diese Idee kommt aber niemand, weil sie auch nicht Sinn macht. Sie sehen also, was ich von diesem Vorschlag halte. Soweit die rechtliche Dimension.Die Volkwirtschaft: Aber genügt die rein rechtliche Betrachtung?Stadler: Nein, wir müssen auch die politische Dimension berücksichtigen. Und hier haben die Nehmerkantone auch eine gewisse Verpflichtung, zu schauen, wie es bei den Gebern ankommt, wenn sie dies oder das tun. Es entspricht auch meiner Auffassung, dass man als Nehmer nicht alles tun soll, was man tun kann. Der Schluss, den ich daraus ziehe: Das Missbehagen verstehe ich als Appell an die zuständige Regierungskonferenz, so etwas wie Verhaltensregeln für die Nehmerkantone zu schaffen. Selbstverständlich wären die Geberkantone und die Aspekte Leistungsangebot und Schuldenhöhe einzubeziehen. Warum keine rechtlichen Regeln? Mit verbindlichen Regeln zulasten der Nehmerkantone, einzig auf den Aspekt der Steuerbelastung bezogen und mit Sanktionen verbunden, wird das NFA-System aus den Angeln gehoben.Gut: Die Freiheit der Nehmerkantone kann – wie ich schon betont habe – nicht grenzenlos sein. Die Zustimmung der grössten Geberkantone zur NFA wäre damals nicht erfolgt, wenn die Bürger dieser Kantone gewusst hätten, dass damit ihre Steuersätze unterboten werden. Ich kenne jedenfalls keinen Zürcher, der – unabhängig seiner politischen Ausrichtung – damit einverstanden gewesen wäre. Grundsätzlich habe ich nichts gegen Verhaltensregeln. Aber ich bin etwas skeptisch, dass diese Verhaltensregeln überhaupt verabschiedet werden könnten. In der Finanzdirektorenkonferenz, wo wir über die Steuerproblematik diskutiert haben, habe ich bisher keine Bereitschaft der betreffenden Kantone ausmachen können, ihre Haltung zu überdenken, auch nicht bezüglich Verteilung der Töpfe, die ja erwiesenermassen nicht den Lasten entspricht. Mit dieser Haltung, so befürchte ich, wird der Zusammenhalt in der Schweiz geschwächt.Die Volkswirtschaft: Andere ressourcenschwache Kantone setzen einseitig auf attraktive Steuern. Welche Rolle spielt der Steuerwettbewerb für den Kanton Uri?Stadler: Noch vor wenigen Jahren gehörte Uri zu den Kantonen mit der höchsten Steuerbelastung. Wir haben mittlerweile zwar die Steuern deutlich gesenkt, aber ohne der Illusion zu verfallen, damit viele Reiche anzuziehen zu können. In Klammer: Das bekannte Swiss-Alps-Projekt von Herr Sami Sawiris in Andermatt läuft auf einer ganz anderen Schiene. Heute pendeln viele junge Leute nach Zug, Zürich, Luzern. Der tägliche Vergleich mit steuerlich deutlich attraktiveren Wohnorten hat die Abwanderung im Kanton Uri bis vor kurzem bedrohlich ansteigen lassen, so dass die Behörden handeln mussten. Heute hat sich bezüglich Abwanderung die Lage stabilisiert bzw. ins Gegenteil entwickelt. Die angepasste Steuerbelastung ist ein mitbestimmender Grund dafür.Gut: Dafür habe ich grosses Verständnis. Was mich stört, sind die acht Kantone, die ihre Steuersenkungen ausdrücklich mit der NFA begründet haben. Wir wissen, dass der Kanton Zürich nicht an der vordersten Front der steuertiefen Kantone mitspielen kann, weil wir schliesslich als attraktiver Wirtschaftsstandort auch grössere Kosten haben. Dafür haben wir auch die Vorteile.Die Volkswirtschaft: Blicken wir auf die Anfänge der NFA und die Erwartungen der Gründer zurück. Herr Stadler, Sie waren damals dabei. Wurden die Erwartungen der Expertenkommission erfüllt?Stadler: Bei der Schaffung der NFA wurde erwartet, dass die Niedrigsteuerkantone wie Zug und Nidwalden ihre Steuern etwas erhöhen müssen, und Hochsteuerkantone − wie etwa Jura oder Uri − ihre Steuern etwas senken können. Das ist nicht eingetroffen. Was wir auch nicht erwartet haben, ist, im welchem Masse das unterschiedliche Staatsverständnis in den Kantonen die Steuerpolitik weiterhin prägt. In der Romandie erwarten die Bürger – über die Parteien hinweg – mehr Leistungen vom Staat als in der Deutschschweiz. Entsprechend wird das Senken von Steuern dort nicht als gleich dringend und wichtig erachtet. Der Kanton Jura hat denn auch seine Steuern nicht im gleichen Ausmass senken können wie etwa der Kanton Obwalden, der voll auf die Schiene Steuersenkungen setzt.Die Volkswirtschaft: Zu einem anderen Aspekt der NFA: Welche Rolle spielt aus Ihrer Sicht die Qualität der Daten für den Finanzausgleich?Gut: Es ist ein Anliegen aller Kantone, über gute Daten zu verfügen. Das Vertrauen in die Daten ist für die NFA zentral. Wenn die Datenqualität nicht stimmt, leidet die Zustimmung. Deshalb laufen richtigerweise auf verschiedenen Ebenen Kontrollen zur Sicherung der Datenqualität.Stalder: Es gilt die Regel, dass nur das miteinander verglichen werden soll, was miteinander verglichen werden kann. Um es an einem Beispiel zu verdeutlichen: Bei der jüngsten Neuschätzung der Grundstücke sind wir im Kanton Uri mit der Schätzungshöhe nahe an den effektiven Verkehrswert herangekommen. Ich bin der Auffassung, dass man im Vergleich der Kantone Korrekturfaktoren einsetzen sollte, wenn die Differenzen erheblich sind, und das sind sie. Für die Statistik des Ressourcenausgleichs hat man als Kanton einen Anreiz, möglichst tief zu schätzen; aber es gibt ja nicht nur das Steuerharmonisierungsgesetz, das eine wertrichtige Schätzung verlangt, sondern auch den Gedanken des Ausschöpfens des eigenen Potenzials. Deshalb sollte die echte Vergleichbarkeit mit einem aktualisierten Korrekturfaktor hergestellt werden.Die Volkswirtschaft: Welche Bedeutungen hat die NFA für ein gut funktionierendes Steuersystem der Schweiz? Und welches sind die wichtigsten Rahmenbedingungen, dass es auch wirklich funktioniert?Gut: Die NFA ist ein wichtiges Solidaritätswerk. Sie ist ein klarer Fortschritt gegenüber dem alten System. Nun geht es darum, dass auch weiterhin alle zur NFA ja sagen können. Das setzt voraus, dass die Rahmenbedingungen so gesetzt werden, dass auch das ursprüngliche Ziel des Solidaritätswerks erreicht und die Geber auch in Zukunft dazu stehen werden.Stadler: Wenn man die Schweiz so nimmt, wie sie ist, mit 26 Kantonen und ihren grossen Unterschiedlichkeiten, dann braucht es zwingend einen Finanz- und Lastenausgleich, damit ein Standort- und Steuerwettbewerb überhaupt erst möglich wird. Wir haben es früher erlebt, als es die NFA noch nicht gegeben hat. Wenn ein so finanzschwacher Kanton wie Uri nur ungenügend mit finanziellen Mitteln ausgestattet ist, wird der Abstand zur übrigen Schweiz immer grösser. Ohne Finanzausgleich bleibt den ärmeren Kantonen dann nur die Wahl, Bern um Hilfe – um Übernahme der eigenen Aufgaben und deren Finanzierung – zu bitten. Das würde die Vertreter der ärmeren Kantone zu Zentralisten machen, auch wenn ihnen das eigentlich zuwider sein sollte. Wenn es nun viele solcher Kantone gibt, dann schafft sich die Schweiz in der jetzigen Form ab.Die Volkswirtschaft: Wie interpretieren Sie auf dem Hintergrund des Steuerwettbewerbs das Abstimmungsresultat über die SP-Volksinitiative für mehr Steuergerechtigkeit?Stadler: Mit dem Abstimmungsresultat bin ich zufrieden. Die Argumente sind bekannt. Es ist wichtig, dass die Errungenschaften der NFA, die eine Wiederbelebung des Föderalismus anstrebt, nun nicht seitens der Geberkantone in Frage gestellt werden. Denn ein vertretbarer Steuerwettbewerb und ein wirksamer Finanz- und Lastenausgleich gehören in der Schweiz zusammen – das eine kann ohne das andere nicht überleben.Gut: Die Mehrheit der Stimmberechtigten ist mit dem heutigen System zufrieden. Die Steuerhoheit der Kantone hat sich bewährt, indem sie für einen Steuerwettbewerb sorgt, der zu eine Begrenzung der Steuerquote führt. Die Initiative war mit vielen Unklarheiten behaftet, denen man sich nicht aussetzen wollte. Auch die Aussicht, noch mehr in die NFA einzuzahlen, wirkte für die Stimmbürgerinnen und Stimmbürger im Kanton Zürich in ihrer Mehrzahl nicht motivierend, der Initiative zuzustimmen.Die Volkswirtschaft: Frau Gut, Herr Stadler, ich danke Ihnen für das Gespräch.

Zitiervorschlag: Die Volkswirtschaft (2010). Die NFA auf dem Prüfstand: Ein Streitgespräch zwischen Ursula Gut und Markus Stadler. Die Volkswirtschaft, 01. Dezember.