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Too big to fail: Internationale Entwicklungen und Lösungen

Too big to fail: Internationale Entwicklungen und Lösungen

Die Finanz- und Wirtschaftskrise der letzten drei Jahre löste umfangreiche Reformbemühungen auf nationaler und internationaler Ebene aus: Nach dem LehmanKonkurs durfte kein grösseres Finanzinstitut mehr scheitern. Die damit verbundenen Reformbemühungen zeigten aber auch die Grenzen der politischen und finanziellen Tragfähigkeit staat-licher Rettungsaktionen auf. Ohne glaubwürdige Massnahmen, welche die Wahrscheinlichkeit erneuter staatlicher Rettungsaktionen deutlich mindern, werden Marktteilnehmer weiterhin darauf vertrauen, dass der Staat ein solches Institut niemals untergehen lässt. Der vorliegende Beitrag behandelt die Arbeiten des Financial Stability Board (FSB) und seinen jüngsten Empfehlungen an die G20.

Nationale Politiken bezüglich systemrelevanter Finanzinstitute


Am Gipfel in Pittsburgh im September letzten Jahres beauftragten die G20-Staaten das Financial Stability Board (FSB, siehe Kasten 1

Financial Stability Board


Das Financial Stability Board (FSB) ist ein globales Gremium hochrangiger Vertreter von Finanzministerien, Notenbanken und Aufsichtsbehörden sowie internationalen Standardsettern und Finanzorganisationen. Es geht auf das 1999 unter dem Eindruck der Asienkrise gegründete Financial Stability Forum (FSF) zurück und wurde im April 2009 in das FSB umgewandelt. Bereits im März 2009 wurde die Mitgliedschaft des FSF auf alle G20-Staaten ausgedehnt. Am G20-Gipfel in London erweiterten die Staats- und Regierungschef der G20 das Mandat des FSF mit dem Ziel, seine Rolle als Koordinator der Arbeiten der nationalen Aufsichtsbehörden und internationaler Standardsetter zu stärken. Die Umbenennung in Financial Stability Board sollte diese erweiterte Rolle sichtbar machen. Seine Aufgabe, die Stabilität des internationalen Finanzsystems zu fördern, nimmt das FSB durch das Plenum, einen Steuerungsausschuss sowie drei ständige Ausschüsse und verschiedene Arbeitsgruppen wahr. Die Governance-Struktur des FSB ist in der anlässlich des G20-Gipfeltreffens in Pittsburgh verabschiedeten Charta genauer beschrieben. Als Präsident des FSB amtiert derzeit der Gouverneur der italienischen Notenbank, Mario Draghi. Das FSB erstellt regelmässig Fortschrittsberichte über die Umsetzung der G20-Empfehlungen zur Stärkung des internationalen Finanzsystems. Diese sind auf der Website des FSB unter http://www.financialstabilityboard.org erhältlich. Im FSB sind folgende Länder und Territorien vertreten: Argentinien, Australien, Brasilien, China, Deutschland, Frankreich, Grossbritannien, Hongkong, Indien, Indonesien, Italien, Japan, Kanada, Korea, Mexiko, die Niederlande, Russland, Saudi Arabien, die Schweiz, Singapur, Spanien, Südafrika, Türkei, die USA.

), innert eines Jahres konkrete Empfehlungen zur Verminderung des TBTF-Problems bezüglich systemisch relevanter Finanzinstitute – Systemically Important Financial Institutions (Sifis) – vorzulegen. In ihrer Toronto-Erklärung vom 27. Juni 2010 unterstrichen die Staatschefs der G20 die Notwendigkeit von Reformen, um das Moral-Hazard-Risiko zu vermindern. Im Nachfolgenden werden die vom FSB entwickelten Lösungsansätze vorgestellt. Diese bilden den Kern des Massnahmenpakets, welches das FSB den G20 anlässlich des Gipfels in Korea unterbreitete. Das FSB stipuliert als grundlegendes Prinzip, dass alle Länder geeignete Massnahmen ergreifen sollen, um die Risiken systemischer Institute zu vermindern.
«All FSB jurisdictions should put in place a policy framework to reduce the risks associated with domestic and global systemically important financial institutions in their jurisdiction.» Dabei sollen insbesondere für die grössten global tätigen Institute (sogenannte Global Sifis) höhere Massstäbe gelten. Denn diese Institute sind eng im internationalen Finanzsystem vernetzt, weshalb ihr Scheitern erhebliche Ansteckungsgefahren mit sich bringt. Das FSB wird ge-meinsam mit den nationalen Behörden und Standardsettern den Geltungsbereich seiner Empfehlungen für globale Sifis festlegen. Es wird sich dabei auf die Arbeiten des Basler Ausschusses stützen, welche die vom FSB, der Bank für Internationalen Zahlungsausgleich (BIZ) und dem Internationalen Währungsfonds (IWF) formulierten Kriterien zur Definition von systemischen Instituten, Märkten und Finanzinstrumenten weiterentwickeln und verfeinern.
Vgl. FSB, BIZ, IWF (Oktober 2009). Dies sind Grösse, Vernetzung im System sowie das Fehlen von Ersatz für bestimmte Funktionen. Regel-mässige Peer Reviews sollen sicherstellen, dass alle globalen Sifis gleichermassen erhöhten Anforderungen unterliegen und die internationale Wettbewerbsgleichheit möglichst gewahrt bleibt. Die FSB-Empfehlungen nennen die folgenden Kernbestandteile nationaler Sifi-Politiken (siehe Tabelle 1): − Verfahren zur geordneten Abwicklung von Finanzinstituten; für alle globalen Sifis zusätzlich eine Pflicht zur Krisenplanung (Recovery and Resolution Planning) und Aushandlung institutsspezifischer Zusammenarbeitsvereinbarungen zwischen Heimat- und Gastlandbehörden (Firm-specific Cooperation Agreements);− zusätzliche prudenzielle Anforderungen, die insbesondere bei globalen Sifis über die Anforderungen des Basler Ausschusses hinausgehen sollen;− intensivierte Überwachung und verstärk-te Zusammenarbeit im Rahmen von Aufsichtskollegien von globalen Sifis;− Stärkung der Finanzmarktinfrastrukturen.

Krisenmanagement


Während der Finanzkrise boten sich den Behörden angesichts des drohenden Zusammenbruchs eines systemkritischen Instituts letztlich nur zwei Handlungsoptionen: Sie konnten mittels ausserordentlicher Liquiditätshilfe, staatlicher Garantien und Kapitalspritzen sowie der Ausgliederung proble-matischer Aktiva versuchen, eine Insolvenz abzuwenden. Die Alternative war, das Institut in Konkurs gehen zu lassen. Damit gingen sie allerdings das Risiko eines massiven Vertrauensverlusts und Run auf ähnlich situierte Institute ein. Die vorhandenen bankaufsichtsrechtlichen Instrumente sowie herkömmliche Konkursverfahren erwiesen sich als wenig geeignet, ein systemkritisches Finanzinstitut in einem geordneten Verfahren zu sanieren oder abzuwickeln. Daher die Suche nach geeigneten Instrumenten, welche die marktdisziplinierenden und marktbereinigenden Wirkungen eines Konkursverfahren mit einer systemschonenden Abwicklung ohne systemischen Ansteckungseffekten vereinen. In ihren Erklärungen anlässlich der vergangen Gipfeltreffen bekräftigten die G20 wiederholt ihren Willen zu den notwendigen Reformen und gaben in ihrer Erklärung in Toronto (siehe Kasten 2

Erklärung des G20-Gipfels von Toronto, Anhang II (Reform des Finanzsektors)


«…Wir halten an unserer Zusage fest, Moral-Hazard-Risiken im Finanzsystem zu mindern. Wir sind entschlossen, ein System zu schaffen und umzusetzen, mit dem wir über die Befugnisse und Instrumente verfügen, in Krisenzeiten sämtliche Arten von Finanzinstituten zu restrukturieren oder abzuwickeln, ohne dass die Steuerzahler letztlich die Last zu tragen haben. Diese Befugnisse sollten sowohl eine Restrukturierung von Kapital und Liquidität im Falle der Fortführung des Geschäftsbetriebs (Going Concern) als auch eine Restrukturierung und Abwicklungsmassnahmen im Falle einer Insolvenz (Gone Concern) erleichtern. Wir haben zugestimmt und uns verpflichtet, unsere nationalen Befugnisse und Instrumente zur Abwicklung so einzusetzen, dass die Finanzstabilität gewahrt bleibt, und verpflichten uns, die vom BCBS im März 2010 veröffentlichten zehn wichtigen Empfehlungen zur Liquidierung international tätiger Banken umzusetzen. In diesem Zusammenhang unterstützen wir Änderungen nationaler Abwicklungs- und Insolvenzverfahren und -vorschriften, wo dies erforderlich ist, um die zuständigen nationalen Behörden mit der Befugnis auszustatten, bei grenzüberschreitenden Abwicklungsmassnahmen zusammenzuarbeiten und diese zu koordinieren. Wir sind übereingekommen, dass Abwicklungsregimes Folgendes beinhalten sollten: − richtige Zuordnung von Verlusten, um Moral-Hazard-Risiken zu mindern und die Steuerzahler zu schützen; − Fortführung entscheidender Finanzdienstleistungen, einschliesslich ununterbrochene Bedienung versicherter Einleger; − Glaubwürdigkeit des Abwicklungsregimes am Markt; − weitestgehende Vermeidung von Ansteckungseffekten; − Vorausplanung für eine ordentliche Abwicklung und die Übertragung vertraglicher Beziehungen sowie− effektive Zusammenarbeit und Austausch von Informationen auf nationaler Ebene sowie auf zwischenstaatlicher Ebene im Falle des Zusammenbruchs eines international tätigen Instituts.»

) die Leitplanken für die Reformen nationaler Abwicklungsverfahren für Finanzinstitute vor. Die vom FSB vorgeschlagenen Massnahmen sollen diese Leitplanken konkretisieren und umsetzen. Sie lassen sich in drei Kernbereiche untergliedern: − die Verbesserung nationaler Verfahren zur Abwicklung systemrelevanter Finanzinstitute;− die Stärkung der grenzüberschreitenden Zusammenarbeit;− die Krisenvorbereitung und Ausarbeitung von Notfallplänen (Living Wills).Ziel dieser Massnahmen ist es, die Abwicklungsfähigkeit (Resolvability) eines jeden systemkritischen Instituts zu gewährleisten. Mit anderen Worten: Es muss die Möglichkeit gegeben sein, ein Institut auf systemschonende Weise zu sanieren oder zu liquidieren. Dabei muss die Weiterführung der systemrelevanten Funktionen gewährleistet und sichergestellt sein, dass die Eigner und ungesicherten Gläubiger und nicht die Steuerzahler die Verluste tragen.

Wirksame Abwicklungsverfahren


Ein Verfahren, das erlaubt, Finanzinstitute, die in Schieflage geraten sind, in einem geordneten Verfahren zu sanieren oder zu liquidieren, soll Wert erhalten und Gläubiger schützen. Es verfolgt im Wesentlichen zwei Ziele: − Einerseits soll es die Marktdisziplin, d.h. die unternehmerische Verantwortung des Managements, der Gläubiger und Eigner stärken. − Anderseits soll es die Stabilität des Finanzsystems schützen. Beide Zielsetzungen sind in der Regel eng miteinander verknüpft. Allerdings können sie zu einem Zeitinkonsistenz-Problem führen, nämlich wenn Regierungen – aus Sorge um Ansteckungsgefahren und einen Run auf Institute mit ähnlichen Geschäftsmodellen – auch ungesicherte Gläubiger schützen, die ansonsten Verluste einstecken müssten. Dies würde auf Kosten des Moral Hazard in der Zeit nach der Krise gehen. Laufende Reformbemühungen des Basler Ausschusses und des FSB konzentrieren sich auf zwei Aspekte von Abwicklungsverfahren: Zum einen geht es darum, die zuständigen nationalen Behörden mit dem notwendigen Instrumentarium auszustatten, um ein Institut sanieren oder liquidieren zu können, ohne dass dadurch systemisch relevante Funktionen – z.B. der Zahlungsverkehr oder das Einlagengeschäft – beeinträchtigt werden. Dazu gehören die Befugnisse, Aktiva, Passiva und einzelne Geschäftsbereiche wie das gesamte Einlagen- und Hypothekengeschäft auf einen neuen Rechtsträger – etwa ein Brückeninstitut (Bridge Bank) oder eine Zweckgesellschaft (Bad Bank) – zu übertragen. Eine von der Eidg. Finanzmarktaufsicht (Finma) und der amerikanischen Federal Deposit Insurance Corporation (FDIC) geleitete Arbeitsgruppe des Basler Ausschusses hatte bereits im März 2010 Mindestvorgaben für die Gestaltung von Abwicklungsmechanismen für Banken und Bankgruppen und die grenzüberschreitende Zusammenarbeit formuliert.
Vgl. BCBS (März 2010). Aufbauend auf diesen Vorgaben wird das FSB diese weiter konkretisieren und ergänzen sowie besondere Vorgaben für die Abwicklung systemkritischer Institute formulieren. Insbesondere sind Instrumente zu entwickeln, die eine rasche Sanierung und Rekapitalisierung selbst eines grossen, komplexen Instituts erlauben. Es geht darum, Handlungsalternativen zu schaffen, die unter gewissen Umständen eine schonende Sanierung erlauben, um die mit Liquidationen verbundenen Wertvernichtungen zu vermeiden. Ein Beispiel ist eine Sanierung mittels Abschreibung des Kapitals und eine rasche Rekapitalisierung durch Umwandlung von Gläubigerpositionen in Eigentumsrechte (Bail-in), welche die Eigenkapitalbasis wiederherstellt und so die vorübergehende oder dauerhafte Fortführung der Geschäftstätigkeit ermöglicht. Verschiedene Ansätze werden derzeit diskutiert und sollen im Laufe des folgenden Jahres vom FSB und Basler Ausschuss
Vgl. BCBS (August 2010). weiter vertieft werden. Diese bestehen in der Ausgabe von Zwangswandelanleihen (Contingent Capital Instruments, CoCos) in verschiedenen Ausgestaltungen.
Der Basler Ausschuss unterscheidet zwischen Going Concern Contingent Capital (Fremdkapital, das bei Unterschreiten bestimmter vordefinierter Schwellenwerte in Eigenkapital umgewandelt wird) und Gone Concern Contingent Capital (bei dem eine Abschreibung oder Wandlung in Eigenkapital auf staatliche Intervention hin zu einem Zeitpunkt erfolgt, wenn das Institut in seinem Bestand gefährdet ist). Auch Gegenstand weiterer Arbeiten ist das sogenannte Statutory Bail-in, eine behördliche Zwangssanierung, wobei die Umwandlung aufgrund einer gesetzlichen Befugnis erfolgt, unter bestimmten Bedingungen Schulden abzuschreiben oder umzuwandeln. Die Ausgestaltung dieser Mechanismen wirft eine Reihe von Fragen sowohl rechtlicher wie politischer Natur auf: Bei welchen Gläubigerkategorien soll eine gesetzliche Befugnis zur Umwandlung angewendet werden? Welche Auswirkungen haben derartige Mechanismen auf die Finanzierungskosten der Institute? Werden von den Instituten emittierte Zwangswandelanleihen einen Markt finden? Wie können Bail-in-Mechanismen auf eine grenzüberschreitend tätige Gruppe angewendet werden? Wie kann die Abschreibung oder Umwandlung durch ausländische Gerichte oder Behörden sichergestellt werden, wenn Schuldtitel in einem Drittland verbucht sind oder unter das Recht eines Drittlandes fallen? Konkrete Vorschläge sollen im Verlauf des nächsten Jahres erarbeitet werden.

Grenzüberschreitende Zusammenarbeit


Die Abwicklungsfähigkeit eines globalen Sifi wird wesentlich durch Verhältnisse in anderen Rechtsordnungen, wo das Institut tätig ist, mitbestimmt. So erschweren Unterschiede in den Abwicklungsinstrumenten und -ansätzen, fehlende Möglichkeiten der grenzüberschreitenden Anerkennung und Umsetzung sowie gegensätzliche Interessenlagen aufgrund einer ungleichen Verteilung von Aktiva und Passiva im Herkunftsland und den Gastländern eine geordnete Abwicklung im grenzüberschreitenden Verhältnis. Die gemeinsame Erarbeitung von Minimalstandards soll zu einer Angleichung na-tionaler Verfahren führen und so auch die grenzüberschreitende Koordination erleichtern. Zwar könnten staatsvertragliche Vereinbarungen mehr Verbindlichkeit und Rechtssicherheit bringen. Doch sind Staaten kaum bereit, ihren Handlungsspielraum zum Voraus in Bereichen einzuschränken, die direkt die Stabilität ihres Wirtschafts- und Finanzsystems betreffen können. Das FSB empfiehlt den Abschluss institutsspezifischer Zusammenarbeitsvereinbarungen, welche im Einzelnen die Befugnisse und Zuständigkeiten der Heimat- und Gastlandbehörden in Bezug auf das jeweilige Institut sowie die Modalitäten für den Informationsaustausch und die Krisenplanung regeln. Diese Vereinbarungen werden in der Regel die Form eines rechtlich unverbindlichen Memorandum of Understanding annehmen. Ziel ist es, einen Koordinierungsrahmen zu schaffen und einen Prozess zu initiieren, der das Zusammenarbeitsverhältnis in der Krisenvorbereitung – und damit das Vertrauensverhältnis zwischen Behörden – stärkt. Die Zusammenarbeit in den bereits bestehenden institutsspezifischen Krisenmanagementkollegien (Cross-Border Crisis Management Groups), welche in Folge der FSB-Prinzipien zum Krisenmanagement vom April 2009 geschaffen wurden, soll weiter verbessert werden. Insbesondere sollen na-tionale Gesetzgeber die zuständigen Abwicklungsbehörden mit einem klaren gesetzlichen Auftrag ausstatten, wonach sich die Behörden um ein koordiniertes Vorgehen in der Krise zu bemühen haben. Bis Ende 2011 sollen die zuständigen nationalen Behörden für die grössten global tätigen Sifis entsprechende Kooperationsvereinbarungen abgeschlossen haben.

Kontinuierliche Krisenplanung


Das FSB betrachtet eine kontinuierliche Krisenplanung und Erarbeitung von Sanierungs- und Abwicklungsplänen (Recovery and Resolution Plans; Living Wills) als wesentlich, um die Abwicklungsfähigkeit von Instituten zu verbessern. Alle global tätigen Sifis sollen zur Krisenplanung verpflichtet werden, wonach sie darzulegen haben, welche Massnahmen sie ergreifen würden, um Liquiditätsprobleme zu bewältigen, Kapital zu beschaffen oder Risiken zu mindern. Sie müssten zudem aufzeigen, wie die in einer Krise erforderlichen Informationen rasch bereitgestellt werden können und wie die Abtrennung oder Weiterführung wesentlicher Funktionen möglich ist. Nationale Behörden sollen befugt sein, strukturelle Massnahmen oder Änderungen an Geschäftspraktiken oder rechtlichen und organisatorischen Strukturen vorzuschreiben, beispielsweise mit dem Ziel einer funktionalen oder geografischen Strukturierung einer Finanzgruppe, die eine geordnete Abwicklung im geltenden Rechtsrahmen erleichtert. In der Ausübung dieser Befugnis sollen nationale Behörden auch berücksichtigen, inwiefern eine geordnete Sanierung oder Liquidation im grenzüberschreitenden Verhältnis durch Veränderungen von Geschäftspraktiken, rechtlicher oder organisatorischer Strukturen erleichtert werden könnte. Laufende Arbeiten im FSB befassen sich mit den Auswirkungen von Verbuchungspraktiken, Informationssystemen, Zahlungssystemen und konzerninternen Garantien auf die Abwicklungsfähigkeit und untersuchen, inwiefern Verbesserungen in diesen Bereichen möglich sind. Die Ergebnisse dieser Arbeiten sowie ein Bericht über Fortschritte in Bezug auf die Abwicklungsfähigkeit globaler Sifis sollen bis Ende 2011 vorliegen.

Institute sollen krisenresistenter werden


Robuste Abwicklungsmechanismen sind kein Ersatz für präventive Regulierung und Aufsicht, zumal es kaum möglich sein wird, bei der Sanierung – insbesondere der teilweisen oder gesamthaften Liquidation eines grossen Instituts – schädliche Auswirkungen auf das Finanzsystem gänzlich zu vermeiden. Solange diese Abwicklungsmechanismen nicht auf eine Bewährungsprobe gestellt wurden, könnten weiterhin gewisse Zweifel an ihrer Glaubwürdigkeit im Markt bestehen. Diese gilt es durch erhöhte regulatorische Anforderungen zu kompensieren. Basel III bringt bereits eine Verbesserung der Qualität des Kapitals und eine generelle Verschärfung der Kapitalanforderungen.
Vgl. BCBS (Oktober 2010). Darüber hinaus sollen systemrelevante Finanzinstitute zusätzliche Kapitalanforderungen erfüllen, die über die Anforderungen des Basler Ausschusses hinausgehen. Diese erhöhte Kapazität, Verluste zu absorbieren (Higher Loss Absorbency Capacity), soll je nach nationalen Verhältnissen durch eine Kombination von zusätzlichen Kapitalanforderungen und Formen der Zwangswandelanleihen erfüllt werden. Das FSB kann weitere Massnahmen, wie namentlich Liquiditätsanforderungen, Begrenzungen von Klumpenrisiken oder strukturelle Massnahmen, als geeignet anerkennen, um diesem Erfordernis nachzukommen. Das FSB wird gemeinsam mit dem Basler Ausschuss Arbeiten weiterführen, um den Umfang dieser erhöhten Fähigkeit, Verluste zu absorbieren, festzulegen, und bestimmen, wie diese zu erfüllen sind.

Verstärkte Finanzmarktaufsicht


Eine starke Finanzmarktaufsicht ist eine grundlegende Voraussetzung für ein stabiles Finanzsystem. Die Finanzkrise war in einem nicht geringen Mass auf Aufsichtsversagen zurückzuführen. Aufsichtstechniken haben mit den raschen Entwicklungen und der zunehmenden Komplexität im Finanzsektor nicht mitgehalten. Die G20 forderten daher den IWF und das FSB auf, konkrete Empfehlungen zu erarbeiten. Ein nun vorliegender Bericht des FSB
Vgl. FSB (2. November 2010). enthält 32 Empfehlungen zur Verbesserung der nationalen Aufsichts-systeme. Sowohl die Intensität wie auch Frequenz von Aufsichtshandlungen sollten erhöht und auf die mit dem Institut verbundenen Risiken abgestimmt werden. Dies erfordert einen klaren gesetzlichen Auftrag, Unabhängigkeit von Einflüssen aus Politik und den regulierten Instituten selbst und moderne invasive Aufsichtsmethoden. Insbesondere sollen auch die rechtlichen und organisatorischen Voraussetzungen für eine wirksame konsolidierte Überwachung von Finanzgruppen und -konglomeraten geschaffen werden. Dazu müssen Hindernisse bei der Informationsbeschaffung und beim Informationsaustausch unter den zuständigen Behörden beseitigt und die Zusammenarbeit und Koordination bei der Risikoerfassung und -bewertung in Aufsichtskollegien verbessert werden.Bis spätestens 2012 sollen die zuständigen Standardsetter (BCBS, IAIS, Iosco) die Kernprinzipien zur wirksamen Aufsicht in allen drei Sektoren (Banken, Versicherungen, Wertschriften) überarbeiten und zudem auch konkrete Vorschläge zur Verbesserung der Funktionsweise von Aufsichtskollegien für Sifis vorlegen.

Robuste Finanzmarktinfrastrukturen


Der hohe Grad der Vernetzung von Sifis untereinander, verbunden mit einem Mangel an Transparenz der Gegenparteipositionen einzelner Finanzmarktakteure, erhöht die Gefahr, dass der Ausfall eines Marktteilnehmer zu Kettenreaktionen im Finanzsystem führt. Diesen Risiken soll insbesondere durch die zentralisierte Abwicklung standardisierter OTC-Derivatkontrakte sowie Reporting von Transaktionen an zentrale Datenbanken begegnet werden. Eine vom FSB eingesetzte Arbeitsgruppe zu OTC-Derivativen veröffentlichte Empfehlungen zur konkreten Umsetzung dieser Massnahmen.
Vgl. FSB (Oktober 2010). CPSS und Iosco sind zudem daran, die internationalen Standards für Marktinfrastrukturen, wie namentlich Zahlungssystemen und Abwicklungssystemen sowie zentrale Gegenparteien, zu überarbeiten. Diese Arbeiten sollen bis Ende 2011 abgeschlossen sein.

Ausblick


Die TBTF-Massnahmen bilden nur einen Teil des umfangreichen Massnahmenkatalogs von FSB und G20. Andere wichtige Massnahmen betreffen Reformen im Bereich der Governancestrukturen und den Anreizsystemen von Finanzinstituten, Ratingagenturen und Markttransparenz.
Vgl. FSB (November 2010b). Als Teil seines zukünftigen Arbeitsplanes hat das FSB zudem angekündigt, den bisher wenig regulierten Schattenbankensektor unter die Lupe zu nehmen.
Vgl. FSB (20. Oktober 2010). Dies angesichts der Gefahr, dass gerade die Sifi-Reformen eine Abwanderung risikobehafteter Aktivitäten in den wachsenden Schattenbankensektor bewirken könnten. Die Reform der Regulierungsarchitektur steht somit erst am Anfang. Zur Umsetzung bedarf es politischer Entschlossenheit und eines koordinierten Vorgehens auf internationaler Ebene. Allerdings reichen Reformen der institutsbezogenen Regulierung allein nicht aus. Die Finanzstabilität wird wesentlich vom makroökonomischen Umfeld mitbestimmt. Es ist daher wichtig, die systemweite Perspektive bei der Regulierungsdiskussion zu berücksichtigen. Diese beinhaltet beispielsweise die Untersuchung der makroökonomischen Auswirkungen neuer Regulierung und auch die möglichen Auswirkungen von Krisenplänen und deren Umsetzung in schwierigen Zeiten.
Makroprudenzielle Instrumente und Policies sind daher ein weiteres wichtiges Thema auf der FSB-Agenda des FSB (vgl. FSB, 20. Oktober 2010.)

Tabelle 1: «Die wichtigsten Sifi-spezifischen Massnahmen im Überblick»

Kasten 1: Financial Stability Board

Financial Stability Board


Das Financial Stability Board (FSB) ist ein globales Gremium hochrangiger Vertreter von Finanzministerien, Notenbanken und Aufsichtsbehörden sowie internationalen Standardsettern und Finanzorganisationen. Es geht auf das 1999 unter dem Eindruck der Asienkrise gegründete Financial Stability Forum (FSF) zurück und wurde im April 2009 in das FSB umgewandelt. Bereits im März 2009 wurde die Mitgliedschaft des FSF auf alle G20-Staaten ausgedehnt. Am G20-Gipfel in London erweiterten die Staats- und Regierungschef der G20 das Mandat des FSF mit dem Ziel, seine Rolle als Koordinator der Arbeiten der nationalen Aufsichtsbehörden und internationaler Standardsetter zu stärken. Die Umbenennung in Financial Stability Board sollte diese erweiterte Rolle sichtbar machen. Seine Aufgabe, die Stabilität des internationalen Finanzsystems zu fördern, nimmt das FSB durch das Plenum, einen Steuerungsausschuss sowie drei ständige Ausschüsse und verschiedene Arbeitsgruppen wahr. Die Governance-Struktur des FSB ist in der anlässlich des G20-Gipfeltreffens in Pittsburgh verabschiedeten Charta genauer beschrieben. Als Präsident des FSB amtiert derzeit der Gouverneur der italienischen Notenbank, Mario Draghi. Das FSB erstellt regelmässig Fortschrittsberichte über die Umsetzung der G20-Empfehlungen zur Stärkung des internationalen Finanzsystems. Diese sind auf der Website des FSB unter http://www.financialstabilityboard.org erhältlich. Im FSB sind folgende Länder und Territorien vertreten: Argentinien, Australien, Brasilien, China, Deutschland, Frankreich, Grossbritannien, Hongkong, Indien, Indonesien, Italien, Japan, Kanada, Korea, Mexiko, die Niederlande, Russland, Saudi Arabien, die Schweiz, Singapur, Spanien, Südafrika, Türkei, die USA.

Kasten 2: Erklärung des G20-Gipfels von Toronto, Anhang II (Reform des Finanzsektors)

Erklärung des G20-Gipfels von Toronto, Anhang II (Reform des Finanzsektors)


«…Wir halten an unserer Zusage fest, Moral-Hazard-Risiken im Finanzsystem zu mindern. Wir sind entschlossen, ein System zu schaffen und umzusetzen, mit dem wir über die Befugnisse und Instrumente verfügen, in Krisenzeiten sämtliche Arten von Finanzinstituten zu restrukturieren oder abzuwickeln, ohne dass die Steuerzahler letztlich die Last zu tragen haben. Diese Befugnisse sollten sowohl eine Restrukturierung von Kapital und Liquidität im Falle der Fortführung des Geschäftsbetriebs (Going Concern) als auch eine Restrukturierung und Abwicklungsmassnahmen im Falle einer Insolvenz (Gone Concern) erleichtern. Wir haben zugestimmt und uns verpflichtet, unsere nationalen Befugnisse und Instrumente zur Abwicklung so einzusetzen, dass die Finanzstabilität gewahrt bleibt, und verpflichten uns, die vom BCBS im März 2010 veröffentlichten zehn wichtigen Empfehlungen zur Liquidierung international tätiger Banken umzusetzen. In diesem Zusammenhang unterstützen wir Änderungen nationaler Abwicklungs- und Insolvenzverfahren und -vorschriften, wo dies erforderlich ist, um die zuständigen nationalen Behörden mit der Befugnis auszustatten, bei grenzüberschreitenden Abwicklungsmassnahmen zusammenzuarbeiten und diese zu koordinieren. Wir sind übereingekommen, dass Abwicklungsregimes Folgendes beinhalten sollten: − richtige Zuordnung von Verlusten, um Moral-Hazard-Risiken zu mindern und die Steuerzahler zu schützen; − Fortführung entscheidender Finanzdienstleistungen, einschliesslich ununterbrochene Bedienung versicherter Einleger; − Glaubwürdigkeit des Abwicklungsregimes am Markt; − weitestgehende Vermeidung von Ansteckungseffekten; − Vorausplanung für eine ordentliche Abwicklung und die Übertragung vertraglicher Beziehungen sowie− effektive Zusammenarbeit und Austausch von Informationen auf nationaler Ebene sowie auf zwischenstaatlicher Ebene im Falle des Zusammenbruchs eines international tätigen Instituts.»

Kasten 3: Begutachtung durch einen Peer Review Council

Begutachtung durch einen Peer Review Council


Die Umsetzung der beschriebenen Massnahmen und gesetzgeberischen Reformen wird zum Teil Jahre in Anspruch nehmen. Die detaillierte Ausgestaltung der Reformen sowie der institutsspezifischen Massnahmen wird zum Teil von den unterschiedlichen Verhältnissen sowie den konkreten Strukturen und Geschäftsmodellen von Sifis in den jeweiligen Ländern bestimmt. Damit die von den verschiedenen nationalen Behörden getroffenen Massnahmen kohärent sind und nicht zu Wettbewerbsverzerrungen oder regulatorischer Arbitrage führen, sollen sie einer kritischen Begutachtung durch einen Peer Review Council (PRC) unterzogen werden. Diese Begutachtung umfasst insbesondere die konkret geltenden zusätzlichen prudenziellen Anforderungen, die Wirksamkeit der Krisenplanung und Koordinationsbemühungen im Rahmen der institutsspezifischen Krisenmanagementkollegien. Der PRC setzt sich aus Vertretern von Herkunfts- und Gastlandaufsichtsbehörden globaler Sifis zusammen und soll per Ende 2011 operativ sein. Bis dann soll auch feststehen, welche Institute in einer ersten Runde in 2012 in die Kategorie der globalen Sifis fallen werden. Während der Schwerpunkt hier bisher im Bankensektor liegt, soll dieser Prozess in einer nächsten Phase auf weitere Finanzinstitute, wie Versicherungsunternehmen und Infrastrukturen ausgeweitet werden.

Kasten 4: Literatur

Literatur


− Basel Committee on Banking Supervision (BCBS): The Basel Committee’s Response to the Financial Crisis: Report to the G20, Oktober 2010.− BCBS: Basel Committee Proposal to Ensure the Loss Absorbency of Regulatory Capital at the Point of Non-Viability, August 2010 − BCBS: Report and Recommendations of the Cross-border Bank Resolution Group, März 2010.− Financial Stability Forum Principles for Cross-Border Cooperation on Crisis Management, 2. April 2009.− Financial Stability Board (FSB) Charter, September 2009.− FSB, BIZ, IWF: Guidance to Assess the Systemic Importance of Financial Institutions, Markets and Instruments: Initial Considerations – Report to the G20 Finance Ministers and Central Bank Governors, Oktober 2009.− FSB Interim Report on Reducing the Moral Hazard Caused By Systemically Important Financial Institutions, Juni 2010 (a).− FSB Report on Overview of Progress in the Implementation of the G20 Recommendations for Strengthening Financial Stability, Juni 2010 (b).− FSB Press Release on the FSB Meeting in Seoul, 20. Oktober 2010.− FSB Report on Implementing OTC Derivatives Market Reform, 26. Oktober 2010.− FSB, Report on Intensity and Effectiveness of SIFI Supervision, 2. November 2010− FSB Recommendations for Enhancing Supervisory Intensity and Effectiveness, 4. November 2010.− FSB Recommendations for Reducing the Moral Hazard Posed by Systemically Important Financial Institutions, November 2010 (a).− FSB Report on Progress in Implementation of the G20 Recommendations, November 2010 (b).

Zitiervorschlag: Eva Huepkes (2010). Too big to fail: Internationale Entwicklungen und Lösungen. Die Volkswirtschaft, 01. Dezember.