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Ein Schritt in die richtige Richtung

Ein Schritt in die richtige Richtung

Ein Ausbau der risikotragenden Eigenmittel kann das TBTFProblem substanziell mildern, vor allem wenn künftig nebst dem Eigenkapital auch Teile des Fremdkapitals als Verlustträger eingesetzt werden können. Die neuen Eigenmittel- und Liquiditäts-Mindeststandards von Basel III zielen in diese Richtung. Es erscheint sinnvoll, die risikogewichtete Eigenmittelquote durch eine Leverage-Ratio zu ergänzen. Die Risikogewichtung wurde mit Basel III zwar neu definiert, aber sie bleibt eine Achillesferse, da sie sich weiterhin auf die Risikogutachten von Rating-Agenturen abstützt, die teilweise in Abhängigkeit von den Zulassungsstaaten sowie der beurteilten Schuldner stehen. Ebenso problematisch sind die historischen Kreditausfälle, Volatilitäten und Korrelationen, die zur Anwendung kommen. Handlungsbedarf besteht zudem bei den internen und externen Revisionsstellen sowie bei der Finanzmarktaufsicht.

Mit der Problematik des Too big to fail (TBTF) beschäftigte sich die Politik bereits 1998. Damals vertrat der Bundesrat noch die Ansicht, es würden sich keine weitergehenden Massnahmen aufdrängen, um die Eidgenossenschaft vor allfälligen faktischen Haftungsrisiken zu schützen. Die Bilanzsumme der zwei Schweizer Grossbanken erreichte bereits dannzumal 400% des Schweizer Bruttosozialproduktes. Im Zuge der Liberalisierung und Globalisierung der Finanzindustrie nahm sie bis zum Ausbruch der Finanzkrise Mitte 2007 auf einen Spitzenwert von 760% zu. Während der Finanzkrise bis Ende 2009 erfolgte ein Rückbau um 47% (UBS) bzw. 27% (CS), und das Verhältnis der Bilanzsumme zum BIP sank wieder auf 440%. Damit erfuhr das TBTF-Problem eine erste Entschärfung, auch wenn die Bilanzsummen bis Mitte 2010 wieder um rund 10% zulegten.

Die Verflechtung der Banken ist das Problem


Der ordnungspolitische Sündenfall der UBS-Rettung hat nun zu einem Umdenken und zum Einsatz einer Expertengruppe geführt. Sie soll Vorschläge ausarbeiten, um die Risiken systemrelevanter Banken auf ein für unsere Volkswirtschaft verkraftbares Ausmass zurückzuführen. Wo dieses Limit liegt, lässt sich nicht objektiv ermitteln, denn letztlich ist es nicht das Verhältnis von Bilanzsumme zum BIP, das die Systemrelevanz ausmacht. Massgebend hierfür sind die Verflechtung mit anderen Finanzinstituten, mit Zahlungsverkehr- und Handelssystemen, die Komplexität eines Finanzkonzerns und die Nettoauslandguthaben, die im Falle der Schweizer Grossbanken rund 100 Mrd. Franken betragen. Die Hypothekenkrise in den USA ist nicht wegen der Grösse einzelner Banken entstanden, sondern wegen der zu largen Überwachung der Kreditvergabe-Usanzen durch die US-Fed, insbesondere aber infolge des Verschuldungs-Herdentriebs, der von den staatsnahen Pfandbriefbanken Fannie Mae und Freddie Mac und der lockeren Geldpolitik des US-Fed gefördert wurde. Diese Ursachen müssten primär therapiert werden. Und ergänzend müsste ein internationales Konkursrecht für Finanzkonzerne geschaffen werden. Die Politik glaubt jedoch, die Systemrisiken lediglich mit einer Neuregulierung des Bankensektors eindämmen zu können. Die Diskussionen gehen dabei in zwei Richtungen. Die Zerschlagung von grossen Finanzimperien in kleinere Einheiten oder in einzelne Geschäftssparten erscheint zwar bestechend, aber das geforderte Trennbankensystem, gewissermassen staatlich verordnete Klumpenrisiken in einzelnen Geschäftssparten, ist kein erfolgsversprechender Lösungsansatz. Die gescheiterten Investmentbanken in den USA waren auf einzelne Geschäftssparten spezialisiert. Sie agierten wie unter einem Trennbankenregime. Das Gleiche gilt auch für viele kleine US-Regionalbanken, die Hypothekar- und Spargeschäfte in Monokultur betreiben und derzeit ein Massensterben erleben. Auch Holding- oder ähnliche juristische Konstrukte schützen nicht vor Haftung. Ein Finanzinstitut kann eine Tochtergesellschaft nicht wie ein Industrieunternehmen ohne schwerwiegende Konsequenzen fallenlassen. International tätige Grossbanken sind spinnennetzähnlich mit vielen Gegenparteien verbunden, und konzernintern bestehen oft komplizierte Verflechtungen. Im Insolvenzfall einer Tochtergesellschaft würden die Gegenparteien sämtliche Geschäftsbeziehungen blockieren – auch jene zum Stammhaus und zu unbeteiligten Konzerngesellschaften.

Augenmass der Behörden gefragt


Falsche, überdosierte oder voreilige staatliche Eingriffe und Neuregulierungen können zu volkswirtschaftlichen Grossschäden und internationalen Wettbewerbsverzerrungen führen. Diese Gefahr ist nicht zu unterschätzen, da sich die Behörden nicht noch einmal der Kritik mangelhafter Aufsicht aussetzen wollen. Deshalb ist zu befürchten, dass sie so hohe Eigenmittelpflichten und andere Restriktionen einführen werden, damit ihnen künftiges Krisenmanagement erspart bleibt.

Zitiervorschlag: Hans Kaufmann (2010). Ein Schritt in die richtige Richtung. Die Volkswirtschaft, 01. Dezember.