Suche

Abo

Im Gespräch mit Peter Siegenthaler, Präsident der Expertenkommission Too big to fail

Schriftgrösse
100%

Am 30. September 2010 hat die aus Vertretern von Behörden, Wissenschaft und Privatindustrie bestehende Expertenkommission Too big to fail (TBTF) ihren einstimmig verabschiedeten Schlussbericht dem Bundesrat vorgelegt. Das vorgeschlagene Massnahmenpaket soll verhindern, dass der Staat erneut in eine Zwangslage gerät und zur Rettung einer systemrelevanten Bank grosse finanzielle Risiken eingehen muss. Im Gespräch mit dem Magazin «Die Volkswirtschaft» äussert sich der Präsident der Expertenkommission, der ehemalige Direktor der Eidg. Finanzverwaltung, Peter Siegenthaler, zu Motiven und Arbeitsweise der Kommission und würdigt das erreichte Resultat.

Die Volkswirtschaft: Die Expertenkommission TBTF hat sich mit der Frage auseinandergesetzt, wie die Schweiz künftig mit systemrelevanten Unternehmen umgehen soll, mit Unternehmen also, die für eine Volkswirtschaft so wichtig sind, dass man sie nicht untergehen lassen kann. Wie lassen sich die wesentlichen Vorschläge der Kommission, die sie zur Lösung des Problems dem Bundesrat unterbreitet hat, aus der Sicht ihres Präsidenten auf den Punkt bringen?Siegenthaler: Die Expertenkommission war einhellig der Meinung, dass mit TBTF ein echtes volkswirtschaftliches Problem vorliegt. Zweitens war sie sich dessen bewusst, dass es keine Nullrisiko-Lösung gibt. Mit zwei wirtschaftlich so bedeutenden Grossbanken, wie die Schweiz sie hat, bleibt immer ein gewisses Restrisiko. Drittens war die Kommission der Überzeugung, dass das Risiko nicht mit einer einzelnen Massnahme wirksam begrenzt werden kann. Dazu braucht es ein Paket von verschiedenen Massnahmen, die zusammenspielen. Und viertens die Haupterkenntnis der Expertenkommission: Das Massnahmenpaket soll die Bereiche Eigenmittel, Liquiditätsanforderungen, Risikoverteilung und organisatorische Vorkehrungen für den Notfall regeln. In der Expertenkommission haben wir dazu eine gesetzliche Grundlage erarbeitet, verbunden mit der Empfehlung, diese möglichst rasch umzusetzen.Die Volkswirtschaft: Einzelne Mitglieder der Kommission haben betont, dass das Paket nicht auseinandergenommen werden soll. Diese politische Empfehlung ist doch recht aussergewöhnlich. Wieso ist es wichtig, dass das Paket in der Form, wie es die Kommission vorschlägt, beibehalten wird?Siegenthaler: Es liegt der Expertenkommission fern, Bundesrat und Parlament Vorschriften zu machen. Wir wollten damit vielmehr darauf hinweisen, dass das Zusammenspiel der verschiedenen Massnahmen für die Entfaltung der Wirkung in allen Phasen entscheidend ist: Die höheren Eigenmittel, die strengeren Liquiditätsanforderungen sowie die Reduktion der Klumpenrisiken sind präventive Massnahmen, die verhindern sollen, dass ein Finanzinstitut überhaupt in eine Schieflage kommt. Innerhalb der Kapitalvorschriften ist ein Kapitalpuffer vorgesehen, der seine Funktion dann erfüllt, wenn das Institut Verluste erleidet und es diese Verluste aufzufangen gilt. Mit dem neuen Instrument des Vorratskapitals sollen die Voraussetzungen für die rechtzeitige Kapitalerhöhung durch die Generalversammlung in der Stabilisierungsphase geschaffen werden. Und für den Fall, dass ein Finanzinstitut trotz all dieser Vorsichtsmassnahmen in Schieflage gerät, sind organisatorische Massnahmen vorgesehen, damit die systemrelevanten Funktionen der Bank erhalten und die übrigen Teile ebenfalls saniert oder sonst ordnungsgemäss abgewickelt werden können. Dazu braucht es das Geld einer dritten, progressiven Eigenmittelkomponente, welche erlaubt, die Übertragung der systemrelevanten Funktionen auf einen neuen Rechtsträger zu finanzieren. Nur so kann es letztlich gelingen, das Problem des TBTF wirksam einzugrenzen.Die Volkswirtschaft:Der Bericht begrenzt die systemrelevanten Unternehmen der Schweiz auf die beiden Grossbanken. Doch was ist beispielsweise mit der Zürcher Kantonalbank? Würde sie der Bund wirklich untergehen lassen?Siegenthaler: Die Expertenkommission hat die Systemrelevanz mit Hilfe von drei Kriterien definiert: Das erste ist eine Kombination von Grösse und Marktkonzentration, das zweite die Vernetzung und das dritte Kriterium ist, ob die Dienstleistungen, welche die Bank erbringt, in einer genügend kurzen Frist durch andere Marktteilnehmer ersetzt werden können. Anhand dieser Kriterien hat die Kommission festgehalten, dass unsere beiden Grossbanken diese Kriterien ganz klar erfüllen. Die beiden Grossbanken sind sehr gross − auch gemessen an unserer Wirtschaftsleistung − und ausserordentlich eng mit dem ganzen Finanzsektor vernetzt, was Dominoeffekte auslösen kann. Wir waren auch der Überzeugung, dass ihre Dienstleistungen nicht rasch genug ersetzt werden können. Die Kommission hat im Weiteren festgehalten, dass einige wenige andere Bankinstitute einzelne dieser Kriterien ebenfalls erfüllen. Beispielsweise haben sie in einem bestimmten Geschäftsbereich einen hohen Marktanteil − sei das im Hypothekargeschäft oder in der Finanzierung von kleinen und mittleren Unternehmen (KMU). Doch sie erfüllen nicht gleichzeitig alle Kriterien. Die Expertenkommission hat aber auch gesagt, dass die Bank nicht zwingend sämtliche Kriterien erfüllen muss. Deshalb hat sie festgehalten, dass eine Einstufung anderer Bankinstitute als TBTF für die Zukunft nicht ausgeschlossen ist. Gemäss unserem Vorschlag wird die Schweizerische Nationalbank (SNB) zuständig sein für die Einschätzung, ob ein Institut TBTF ist, dies auf der Basis einer Verordnung des Bundesrates.Die Volkswirtschaft: Die Schweiz ist eng mit der Weltwirtschaft verflochten. Die direkten Konkurrenten der beiden Grossbanken sind zudem in verschiedenen Ländern zu Hause. Inwiefern wurden die Regulierungsbestrebungen in entsprechenden Regionen bei der Entscheidungsfindung berücksichtigt?Siegenthaler: Erstens basieren wir auf den Mindeststandards von Basel III, die für alle Banken – und nicht nur für systemrelevante – gelten. Um die Entscheide des Basler Ausschusses mitnehmen zu können, haben wir denn auch das Erscheinen des Berichts um einen Monat verschoben. Daneben gibt es die Berichte des Financial Stability Board (FSB), welche die Grundsätze einer Politik gegenüber systemrelevanten Banken oder Funktionen formulieren. Auch diese Grundsätze haben wir berücksichtigt. Über die Minimalstandards von Basel III hinaus bleibt aber den einzelnen Ländern ein Spielraum, wie sie die Politik gegenüber Grossbanken definieren wollen. Nicht jedes Land wird die genau gleichen Massnahmen treffen, weil auch der Finanzsektor für jedes Land von unterschiedlicher Bedeutung ist. Mit der hohen Bedeutung, welche die Grossbanken für unsere Volkswirtschaft haben, ist das Interesse, unsere Politik frühzeitig zu fixieren, gross. Letztlich ist eine gute, starke Kapitalbasis – und das ist der Kern unserer Massnahmen – für einen bedeutenden Vermögensverwaltungsplatz wie die Schweiz kein eigentlicher Nachteil, sondern längerfristig sogar ein komparativer Vorteil.Die Volkswirtschaft: Die USA setzen auf die so genannte «Volcker Rule», welche den Banken mit Kundeneinlagen den spekulativen Eigenhandel verbietet. Wieso taugt diese Lösung nicht auch für die Schweiz?Siegenthaler: Unsere Lösung besteht in den höheren Risikogewichten, welche mit Basel III fixiert und die per Januar 2011 in die entsprechende Verordnung des Bundesrates übernommen werden sollen. Mit einem Verbot könnte der Eigenhandel in Spezialgesellschaften, die weniger stark beaufsichtigt werden, ausgelagert werden. Deshalb, so die eindeutige Meinung der Kommission, ist es sinnvoller, hier die richtigen Anreize zu setzen.Die Volkswirtschaft: Gemäss Vorschlag der Expertenkommission sollen die Eigenmittel der Banken auf 19% des risikogewichteten Kapitals erhöht werden, deutlich mehr als der internationale Standard. Warum dieser Swiss Finish?Siegenthaler: Unser Ansatz war: Wir wollen eine glaubwürdige Massnahme, welche das Risiko wesentlich reduziert. Angesichts der relativen Grösse unserer Grossbanken und des spezifischen TBTF-Problems sind unsere hohen Anforderungen vernünftig. Ob einzelne Länder für ihre systemrelevanten Banken auf den 10,5% von Basel III ebenfalls einen Zuschlag erheben werden, ist im Moment nicht bekannt. Auf der anderen Seite verzichten wir aber auf direkte Eingriffe in das Geschäftsfeld, in Produkte und in die Organisationsstrukturen.Die Volkswirtschaft: Die Eigenmittelvorschriften müssen erst auf Januar 2019 umgesetzt werden. Warum diese lange Frist?Siegenthaler: Was die Eigenmittel betrifft, halten wir uns an den Fahrplan von Basel III. In dieser Zeitspanne passiert aber nicht einfach nichts, sondern es erfolgt ein stufenweiser Aufbau. Die beiden Grossbanken werden ihre Passivseite recht stark umstrukturieren müssen; das braucht Zeit. Sie werden zuerst ihr Aktienkapital aufstocken müssen. Erst dann werden sie auch das Wandlungskapital, die so genannten Contingent Convertible Bonds (CoCos), begeben können. Im Moment liegen sie noch zu nahe an den Schwellenwerten, welche die Wandlung der Anleihen in Aktien auslösen. Alle Untersuchungen haben gezeigt, dass die Auswirkungen auf die Volkswirtschaft und die Kreditversorgung durchaus tragbar sind, wenn genügend Zeit für diesen Prozess vorhanden ist. Ich bin aber überzeugt, dass die beiden Grossbanken ehrgeizig genug sind, die Anforderungen früher als gefordert zu erreichen.Die Volkswirtschaft: Ergänzend zu den Erhöhungen der Eigenmittelvorschriften befürwortet die Kommission eine maximale Verschuldungsgrenze, die so genannte Leverage Ratio. Welchen Zweck soll sie primär erfüllen?Siegenthaler: Das ist ein absolut zentraler Punkt. Die Expertenkommission verfolgt hier einen doppelten Ansatz: Zum einen wird die Aktivseite der Bilanz risikogewichtet und eine Eigenmittelquote in Prozenten dieser risikogewichteten Anteile verlangt. Das sind diese 19%. Zum anderen verlangen wir ein bestimmtes Verhältnis zwischen den Eigenmitteln und der Bilanzsumme. Damit kann der Gefahr, dass man sich bei den Risikogewichten täuscht, entgegengewirkt werden. Bei der Leverage Ratio ist keine Risikogewichtung vorgesehen. Somit kann auch nichts verfälscht oder unwirksam werden, nur weil die Risiken falsch eingeschätzt worden sind, was ja in der letzten Krise ein Problem gewesen ist. Deshalb scheint mir eine Ergänzung durch die Leverage Ratio absolut zwingend.Die Volkswirtschaft: Neu müssen Banken Notfallpläne für die Herauslösung der nicht systemrelevanten Teile vorlegen. Besteht nicht die Gefahr von internationalen Problemen, wenn schliesslich nur der inländisch systemrelevante Teil gerettet wird?Siegenthaler: Die Expertenkommission sagt klar, dass auch für die Restbank, die nach der Herauslösung der systemrelevanten Teile verbleibt, eine Lösung gefunden werden muss. Dabei ist ganz entscheidend, dass eine Gleichbehandlung der Gläubiger garantiert werden kann, weil sonst Anfechtungsklagen zu erwarten sind. Dazu formuliert die Expertenkommission verschiedene Kriterien, die es zu erfüllen gilt. Insbesondere müsste die Brückenbank, welche die systemrelevanten Dienstleistungen übernimmt, im gleichen Ausmass finanziert sein wie die Restbank. Dafür benötigen wir die dritte Eigenmittelkomponente.Die Volkswirtschaft: Kann das TBTF-Problem mit den Vorschlägen wirklich gelöst werden, wenn die systemrelevanten Teile nach wie vor nicht in Konkurs gehen können?Siegenthaler: Ich glaube ein Restrisiko wird so lange bestehen, wie es kein internationales Insolvenzrecht gibt, das in allen Ländern mit massgeblichen Finanzplätzen Gültigkeit hat. Erst dann wird es möglich sein, diese grossen systemrelevanten Institute zu liquidieren wie andere Unternehmen auch. Davon sind wir aber noch etliche Schritte entfernt; und es ist nicht zu erwarten, dass eine Realisierung in näherer Zukunft gelingen wird.Die Volkswirtschaft: Die Vorschläge sehen ein neues Instrument vor: die so genannten CoCos, eine spezielle Form von Wandelanleihen. Wie sollen diese genau funktionieren?Siegenthaler: Das Instrument der Wandelanleihen existiert bereits heute. Es beinhaltet im Normalfall das Recht des Gläubigers, eine Obligation in Aktien zu wandeln, wenn es für ihn interessant ist. Bei den CoCos geht der Anleihenzeichner eine Verpflichtung ein, dass diese Obligation in Aktienkapital gewandelt wird, sobald bestimmte Eigenmittelquoten unterschritten werden. Das wird bedeuten, dass der Zeichner solcher CoCos eine Risikoprämie verlangen wird; sie werden also höher zu verzinsen sein als die heute bekannten Anleihen. Beim Auslöser, dem so genannten Trigger, stellen wir auf Eigenkapitalquoten ab. Wenn der Wert unterschritten wird, wandeln die Anleihen automatisch in Aktienkapital. Wir haben verschiedene Kategorien definiert: solche, die bereits bei einem höheren Wert der Eigenmittelquote wandeln, und solche, die erst ab einem tieferen Wert wandeln.Die Volkswirtschaft: Besteht beim Auslöser eines Triggers und der Wandlung dieser CoCos nicht die Gefahr einer Panik auf den Märkten?Siegenthaler: Wie gesagt gibt es bei den CoCos zwei Kategorien. Die erste Kategorie ist Teil des Kapitalpuffers. Sie werden bereits bei einem Wert, der weit oberhalb des Minimalstandards von Basel III liegt, gewandelt. Hier wird die Auslösung eines Triggers sicher keine Panik auslösen, vor allem weil mit der Auslösung die Gesellschaft wieder sehr gut kapitalisiert sein wird. Zudem ist das Geld ja bereits vorhanden; es wird einfach Schuld in Eigenkapital gewandelt. Bei der anderen Kategorie von CoCos handelt es sich um die dritte Komponente der Eigenmittel. Mit ihnen sollen die systemrelevanten Funktionen herausgelöst und die Restbank rekapitalisiert werden können. Durch den Kurs dieser CoCos erhalten wir einen relativ verlässlichen Indikator über die finanzielle Gesundheit dieser Bank. Das wird die betreffenden Unternehmen dazu zwingen, rechtzeitig zu handeln.Die Volkswirtschaft: Mit den CoCos entsteht ein ganz neuer Markt. Welche Investoren sollen diese Papiere kaufen?Siegenthaler: Solange der Markt nicht besteht und die genaue Ausprägung der CoCos noch nicht feststeht, ist diese Frage schwierig zu beantworten. Grundsätzlich können es aber in etwa die gleichen Gruppen sein, die heute an hybriden Kapitalformen interessiert sind, über welche die Banken in grosser Zahl verfügen. Es wird ja nicht einfach nur die Passivseite verlängert. Formen des Fremd- bzw. Eigenkapitals, die heute nicht verlusttragend sind, werden umgewandelt in Formen, die Verluste tragen. Somit befinden wir uns sicher im Segment der institutionellen Anleger. Welche davon schlussendlich in Frage kommen, wird von der genauen Ausgestaltung der CoCos abhängen, insbesondere ob sie in gewisse Grundindizes aufgenommen werden oder nicht. Je nachdem kann deren Kreis etwas weiter oder enger sein. Grundsätzlich wird eine gut finanzierte Bank keine grossen Schwierigkeiten haben, ihre CoCos zu platzieren. Deshalb glaube ich, dass es für unsere beiden Grossbanken nicht schwierig sein wird, Abnehmer zu finden. Allenfalls werden sie eine etwas höhere Risikoprämie zu bezahlen haben.Die Volkswirtschaft: Die Vorschläge wurden in den Medien weitgehend als vernünftig und ausgewogen aufgenommen. Denken Sie, dass andere Länder deshalb der Schweiz folgen werden?Siegenthaler: Was ich bisher gehört habe, waren die internationalen Reaktionen durchwegs anerkennend und positiv. Doch es ist nicht wegzudiskutieren, dass vermutlich an den wichtigsten Finanzplätzen jeweils eine etwas differenzierte Policy gegenüber den eigenen systemrelevanten Banken gewählt werden wird. Das FSB hat festgelegt, dass jeder Finanzplatz über eine solche Policy gegenüber systemrelevanten Finanzinstitutionen (Sifi-Policy) verfügen muss. Und man hat auch definiert, dass eine Peer Review − also eine Überprüfung dieser Policy durch die Gremien des FSB − stattfinden soll. Aber wir müssen uns bewusst sein, dass gerade in Kontinentaleuropa weniger der Weg über zusätzliche Eigenmittelanforderungen beschritten werden wird. Das wird etwa noch in England der Fall sein; in Deutschland und Frankreich erwarte ich dies nicht im gleichen Ausmass wie bei uns.Die Volkswirtschaft: Die TBTF-Kommission war die letzte und zugleich grösste Kommission, die Sie als Direktor der Eidg. Finanzverwaltung (EFV) präsidiert haben. Was war das Besondere an der Arbeit in dieser Kommission, etwa verglichen mit der Swissair-Krise?Siegenthaler: Das Besondere an der TBTF-Expertenkommission war, dass alle massgeblich Betroffenen und Beteiligten darin vertreten waren. Das ist ausserordentlich, weil selbstverständlich jeder seine eigenen Ziele und Interessen sowie den eigenen Rechtfertigungszusammenhang hatte. So musste dann jeder wieder nach Hause gehen und erklären, wozu er alles ja gesagt hat. Das war nicht ganz trivial. Um aber wirklich eine Lösung zu bringen und der Politik eine brauchbare Vorlage zu liefern, war die Einstimmigkeit doch relativ wertvoll. Andernfalls wäre die ganze Auseinandersetzung über die Ausgestaltung vor allem bei den Eigenmitteln voll ausgebrochen, und zwar nach der eigentlichen Arbeit der Expertenkommission.Die Volkswirtschaft: Wie viel staatsmännische Kunst haben Sie benötigt, um dennoch eine Einstimmigkeit zu erzielen?Siegenthaler: Das war in keiner Art und Weise mein alleiniges Verdienst. Es lag an der Konstellation. Sowohl von der Bankenseite wie auch auf Seite der Behörden hat man es als besser angeschaut, im Rahmen der Kommission eine gemeinsame Lösung zu finden, als in einem anderen Zusammenhang die Auseinandersetzungen führen zu müssen. Meine Aufgabe war es vor allem, gut zuzuhören und den gemeinsamen Nenner zu finden.Die Volkswirtschaft: Worauf kommt es nun an?Siegenthaler: Im Interesse der Stabilität unseres Finanzplatzes ist es wichtig, dass die Beratung und Umsetzung der Vorschläge jetzt sehr kontrolliert und rasch abläuft. Wir haben zurzeit das offene Fenster, um einer guten Lösung zum Durchbruch zu verhelfen, und das sollte genutzt werden. Wenn man die Sache auf die lange Bank schiebt, wird die Lösung sicherlich nicht besser werden.Die Volkswirtschaft: Herr Siegenthaler, ich danke Ihnen für das Gespräch.

Zitiervorschlag: Spescha, Geli (2010). Im Gespräch mit Peter Siegenthaler, Präsident der Expertenkommission Too big to fail. Die Volkswirtschaft, 01. Dezember.