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Teilzeitarbeit in der Schweiz: Eine Quelle von Ungleichheiten, aber auch von Möglichkeiten

Die Schweiz liegt bezüglich Anteil von Teilzeit Arbeitenden im europäischen Vergleich hinter den Niederlanden auf dem zweiten Rang. Beinahe 60% der Frauen zwischen 24 und 55 Jahren und jede dritte aktive Person arbeitet Teilzeit. Insgesamt ist Teilzeit stetig im Vormarsch. Gleichzeitig ist der Unterschied zwischen Männern und Frauen mit 44 Prozentpunkten einer der weltweit höchsten. Der folgende Artikel beschreibt die Auswirkungen dieser Situation auf den Arbeitsmarkt sowie die Herausforderungen, mit denen ein grosser Anteil der Bevölkerung konfrontiert sind.

Grosse Kluft zwischen Männern und Frauen


Seit mehr als drei Jahrzehnten nimmt in der Schweiz der Anteil von Beschäftigten mit einem Teilzeitpensum ständig zu. Vor allem Frauen wählen diese Beschäftigungsform: 57% der Frauen – gegenüber 13% bei den Männern – arbeiten Teilzeit, etliche davon mit einem Pensum von unter 50% (siehe Grafik 1). Auch der Anteil Teilzeit arbeitender Männer nimmt Jahr für Jahr zu; der Zuwachs bei den Frauen übertrifft diesen Anstieg allerdings bei weitem. Der Unterschied zwischen den Geschlechtern beträgt mittlerweile 44 Prozentpunkte, was weltweit zu den höchsten Werten gehört. Diese Besonderheit des schweizerischen Arbeitsmarktes ist umso erstaunlicher, als die geschlechtsspezifischen Unterschiede beim Bildungsniveau immer kleiner werden. Teilzeitarbeit ist denn auch nicht mit einer Zwangslage (etwa aus konjunkturellen Gründen) gleichzusetzen, sondern wird gemäss Erhebungen auf breiter Basis von der aktiven Bevölkerung explizit gewünscht. Ein Grossteil der Teilzeit Beschäftigten sind hoch qualifizierte Frauen, die Familie und Beruf unter einen Hut bringen möchten. Der hohe Anteil Teilzeit arbeitender Mütter zeigt zudem eine positive Korrelation mit dem Bildungsstatus (siehe Grafik 2).

Gleiche Ausbildung, ungleiche Karrieren


Seit den 1980er-Jahren hat das Bildungsniveau der Frauen einen anhaltenden Aufschwung erlebt. Seit 1995 sind die Maturandinnen zahlreicher als Maturanden. An der «gläsernen Decke» jedoch, welche die Frauen am Aufstieg in die höheren Funktionen der privaten und öffentlichen Unternehmen hindert, hat sich seit 20 Jahren nichts geändert. Frauen sind in den höheren Führungsfunktionen nach wie vor stark untervertreten.Frauen und Männer sind heute fast gleich mit Humankapital (Ausbildung und Berufserfahrung) ausgestattet. Dies sollte eigentlich dazu führen, dass Frauen den gleichen Zugang zu Positionen haben, die bis anhin den Männern vorbehalten waren. Doch trotz der menschlich erfüllenden Dimension bedeutet eine Mutterschaft nach wie vor einen mehr oder weniger deutlichen Bruch in den beruflichen Entfaltungsmöglichkeiten. Im Gegensatz dazu hat eine Vaterschaft praktisch keine Auswirkungen auf die Karriere. Dieses soziokulturelle Erbe zeigt, dass die Moralvorstellungen und die familiäre Rollenteilung in der Schweiz auf traditionellen Werten basieren, die sich kaum modernisiert haben. Sobald das erste Kind da ist, reduziert die Frau tendenziell ihr Arbeitspensum, während der Mann seine Arbeitszeit nicht oder nur wenig verringert. Da und dort besteht für das Paar die Möglichkeit, die Kinderbetreuung mit Kinderkrippen oder anderen Betreuungsformen ganz zu externalisieren, was jedoch selten in Betracht gezogen wird. Die erhobenen Zahlen zeigen eindeutig: Teilzeitarbeit ist hoch im Kurs. Zahlreiche Männer würden eigentlich ebenfalls gerne Teilzeit arbeiten, um Beruf und Familie besser miteinander vereinbaren zu können. Dieser Wunsch geht indes selten in Erfüllung, weil es auf hierarchisch höheren Positionen an Beispielen fehlt und die Ablehnung in der Arbeitswelt noch immer weit verbreitet ist.

Vertikale Segregation – eine tief verankerte Realität


Das Dilemma zeigt sich in seinem ganzen Ausmass, wenn man die Auswirkungen von Teilzeitarbeit auf die Beförderung in eine höhere Hierarchiestufe analysiert. Zur Untersuchung haben wir breite Datensätze – wie die Schweizerische Lohnstrukturerhebung (LSE)
Die LSE umfasst Angaben zu rund 1,3 Mio. Beschäftigten, die alle zwei Jahre systematisch bei den privaten und öffentlichen Unternehmen der Schweiz auf der Basis eines schriftlichen Fragebogens erhoben werden. Diese Daten decken etwa ein Viertel der aktiven Bevölkerung der Schweiz ab und stellen damit eine der zuverlässigsten Datenbasen dar (siehe BFS, LSE 2006, 2008). – verwendet. In einer quantitativen Analyse wurde in einem ersten Schritt die vertikale Segregation zwischen zwei Bevölkerungsgruppen untersucht: Teilzeit- und Vollzeitangestellte aller Branchen (vertikale Analyse). Die Segregation wird hier definiert als ungleiche Verteilung dieser beiden Gruppen auf den unterschiedlichen hierarchischen Stufen der privaten und öffentlichen Unternehmen
Es wurden fünf verschiedene hierarchische Stufen in der Analyse unterschieden: vom Angestellten ohne Führungsaufgabe bis hin zum Direktionsmitglied eines Unternehmens bzw. einer Behörde. und basiert auf einem Dissimilaritätsindex (Duncan-Index). Die Quoten sind aufschlussreich: Um eine ausgeglichenere Verteilung auf den verschiedenen hierarchischen Ebenen zu erreichen, müsste man in privaten Unternehmen 17,8% Teilzeitangestellte in Kaderpositionen verschieben (im öffentlichen Sektor sind es 15,2%). Eine so ungleiche Verteilung ist indes noch nicht gleichbedeutend mit Diskriminierung. Um festzustellen, ob eine solche vorliegt, haben wir eine ökonometrische Simulation durchgeführt, in welcher der Gruppe der Vollzeit- und Teilzeitangestellten jeweils die gleichen Beförderungskriterien zugeordnet wurden (siehe Kasten 2

Zerlegung der vertikalen Segregation durch ökonometrische Simulation


Dieses ökonometrische Modell zerlegt das Mass der vertikalen Segregation in den betrachteten Gruppen (hier: Teilzeit/Vollzeit) in einen deskriptiven und einen simulierten Teil. Jedes Individuum hat aufgrund seiner Eigenschaften (z.B. Ausbildung, Erfahrung) eine bestimmte Wahrscheinlichkeit, einer der fünf hierarchischen Gruppen zuzugehören. Diese Wahrscheinlichkeit wird mit Hilfe von Koeffizienten geschätzt, welche mit einem Ordinal-Probit-Verfahren ermittelt worden sind. Anschliessend werden die Koeffizienten der Vollzeit Beschäftigten per Hierarchiestufe auf die Teilzeit Beschäftigten angewandt, um die Zugehörigkeitswahrscheinlichkeit per Hierarchiestufe direkt vergleichen zu können. Um danach die erklärbaren und unerklärbaren Anteile festzustellen, wird der Dissimilaritäts-Index erneut berechnet: für die Vollzeit Beschäftigten auf Basis der effektiven Anteile und für die Teilzeit Beschäftigten auf Basis der simulierten Anteile. Auf diese Wiese können die erklärbaren Anteile der Segregation, die mit den individuellen Eigenschaften zu tun haben, von den unerklärbaren (d.h. «ungerechtfertigten») Anteile, welche einzig auf den Erwerbsstatus zurückzuführen sind, separiert werden. Letztere können von internen Politiken (z.B. Nichteintreten auf Teilzeit- oder Jobsharing-Bewerbungen) herrühren, die nicht auf objektiven Kriterien der Bewertung von Humankapital basieren und eine Teilzeit arbeitende Person am Aufstieg in Führungspositionen hindern.

). Das Resultat weist eine unerklärbare Differenz von 65% im privaten Sektor (52% im öffentlichen Sektor) auf. Das weist darauf hin, dass die Teilzeitarbeitenden einer inkohärenten Politik ausgesetzt sind, welche den Zugang zu Führungspositionen erschwert. Um es anders auszudrücken: Teilzeitarbeitende sind für ihre Stellen oft überqualifiziert. Angesichts des hohen Prozentanteils der Teilzeit arbeitenden Frauen sind es vor allem sie, welche von diesem Verlust an Möglichkeiten betroffen sind. Dies erklärt unter anderem, weshalb in den höchsten Etagen der Verwaltung oder der Wirtschaft nur wenige Frauen anzutreffen sind, zumal in der Schweiz gegen 60% der hoch qualifizierten, berufstätigen Mütter Teilzeit beschäftigt sind (siehe Grafik 2). Somit scheidet ein beträchtlicher Teil der Frauen im Rennen um die höheren Positionen aus.

Lohnunterschiede und verpasste Möglichkeiten


Teilzeitarbeit hat nicht nur Auswirkungen auf die Beförderungschancen, sondern auch auf die Löhne. Die meisten ökonometrischen Untersuchungen zu den Lohndisparitäten berücksichtigen die Unterschiede zwischen Frauen und Männern. Sie betrachten Teilzeitarbeit vor allem als eine der erklärenden Variablen der getesteten Modelle. Wenn man diese exogene Variable entfernt und zwei Bevölkerungsgruppen (Teil- und Vollzeitbeschäftigte) unterscheidet, zeigen sich bei der Analyse der Wirkung auf die Löhne weitere interessante Aspekte. Mit einer von Lohngleichungen separierten Schätzung für beide betrachteten Gruppen − unter Berücksichtigung aller anderen erklärenden Variablen (Humankapital, Beschäftigung und individuelle Charakteristika) − können die direkten Wirkungen auf die Stundenlöhne sowie eventuelle unerklärbare Lohnunterschiede festgestellt werden. Dank der Lohnzerlegungsmethode nach Oaxaca-Blinder
Diese Lohnzerlegungsmethode konzentriert sich auf die Lohndifferenzen, welche durch die individuellen Merkmale innerhalb der Bevölkerungsgruppe erklärt werden können, und die Unterschiede der Erträge aus diesen Merkmalen (unerklärter Anteil). Durch eine Simulation der mit den Charakteristika korrelierten Koeffizienten können die Gruppen anhand der Gleichung direkt miteinander verglichen werden. Damit lassen sich die erklärbaren und unerklärbaren Anteile bestimmen. ist es möglich, die erklärbaren und unerklärbaren Lohndifferenziale zu messen. Wendet man diese auf die LSE sowie die Schweizerischen Arbeitskräfteerhebung (Sake)
Die Sake basiert auf einer Stichprobe von über 48 000 Personen, die auf der Basis telefonischer Befragungen jährlich bei den Beschäftigten des privaten und öffentlichen Sektors erhoben werden. Verglichen mit der LSE ist die Stichprobe geringer; dafür ist die Anzahl der qualitativen Variablen grösser. an, zeigen sich bis zu 20% unerklärbare Lohndifferenzen,
Diese Lohndifferenz beträgt 16,3% bei der LSE und19,9% bei der Sake. welche eine Diskriminierung der Teilzeit Arbeitenden darstellen könnten. Diese Ansicht ist jedoch dahingehend zu relativieren, dass Teilzeitarbeit letztlich eine persönliche Wahl darstellt und deshalb eher von verpassten Möglichkeiten zu sprechen ist. Doch auch bei freier Wahl sind es vor allem Frauen, die einem sozialen Druck zur Teilzeitarbeit ausgesetzt sind (ein soziokulturelles Erbe, das in der Schweiz besonders verbreitet ist). Eine Schichtung nach Geschlechtern verdeutlicht überdies das grosse Gewicht der männlichen Stichprobe. Das lässt darauf schliessen, dass Teilzeit arbeitende Männer von den Lohnunterschieden stärker betroffen sein könnten. Dies könnte damit erklärt werden, dass sie in den betroffenen Branchen untervertreten sind und die Elastizität von Beschäftigungszeit/Einkommen dort oft sehr ausgeprägt ist. Teilzeit Arbeitende werden denn auch pro Stunde tendenziell schlechter bezahlt, je kleiner ihr Pensum ist.Ein weiterer Grund für diese Unterschiede könnte in einer möglichen Arbeitsmarktsegmentierung liegen, d.h. in einer Aufteilung in ein Segment, in dem die Ausbildung und die Berufserfahrung valorisiert wird (primäres Segment) und ein solches, in dem diese Eigenschaften ungenügend valorisiert werden (sekundäres Segment). Teilzeit Arbeitende fallen demnach eher in das zweite Segment, mit den entsprechenden negativen Auswirkungen auf den Stundenlohn. Die Lohnunterschiede und Disparitäten im Zugang zu Führungspositionen sollten ein Ansporn sein, um sich darüber Gedanken zu machen, wie die Kluft zwischen Männern und Frauen in der Schweiz reduziert werden kann und wie neue Arbeitsformen, welche den heutigen Bedürfnissen mehr entsprechen, gefördert werden können.

Optimierung der Teilzeit: Funktionale Flexibilität und Jobsharing


Die vollständige Externalisierung der Kinderbetreuung, um eine Vollzeitbeschäftigung der Mütter zu ermöglichen, wird derzeit vor allem in den skandinavischen Ländern – insbesondere Finnland – praktiziert. So interessant diese Lösung ist, sie bedingt spezielle Rahmenbedingungen. In der Schweiz sind die Kosten der Kinderbetreuung sowie die Stundenpläne der Schulen nicht vergleichbar. Zudem möchten hier die berufstätigen Mütter zwar auf dem Arbeitsmarkt bleiben, sich aber auch bei der Erziehung ihrer Kinder engagieren.
In der Schweiz werden regelmässig Meinungsumfragen durchgeführt mit dem Ziel, die Erwartungen und Wünsche der berufstätigen Mütter festzustellen. Über die Hälfte geben an, Teilzeit arbeiten zu wollen, um sich parallel zu ihrer Erwerbstätigkeit auch ihren Kindern widmen zu können.Ein realistischerer und innovativerer Ansatz besteht darin, Teilzeitarbeit auf allen hierarchischen Ebenen zu nutzen. Bei gleichen Aufstiegschancen würden sich auch vermehrt Männer für Teilzeit- oder Jobsharing-Stellen bewerben. Dadurch könnte eine ausgeglichenere Aufteilung der Erziehungsaufgaben zwischen den Geschlechtern erreicht werden. Um dies zu erzielen, ist die Arbeitsorganisation grundsätzlich zu überdenken: Einführung neuer Managementformen, Optimierung der Teilzeitarbeit durch grössere funktionelle Flexibilität und Möglichkeiten des Jobsharings innerhalb des Unternehmens (siehe Kasten 3

Funktionale Flexibilität und Jobsharing


Unter funktionaler Flexibilität wird in der betriebswirtschaftlichen Literatur eine Unternehmenspolitik verstanden, welche das Potenzial der so genannt flexiblen Mitarbeitenden stärken will: etwa Teilzeit Arbeitende mit gewisser Flexibilität der Arbeitszeiten, hoher Spezialisierung/Ausbildungsgrad, breiter Berufserfahrung und Teamfähigkeit. Durch funktionale Flexibilität kann das Unternehmen den Anforderungen des Marktes besser gerecht werden, indem das vorhandene Humankapital in diversifizierter Weise genutzt wird: Die individuellen Leistungen der Beschäftigten – bzw. die Funktionen – werden quer durch die hierarchischen Stufen des Unternehmens mittels Bündelung von Aufgaben in Projekten und direkter Beteiligung an der Entscheidungsfindung erbracht. Diese unternehmensinterne Organisation begünstigt die interne Rotation der flexiblen Mitarbeitenden, das Jobsharing und die Aufteilung von Aufgaben (Jobsplitting) im Rahmen eines Projekts. Sie rückt damit vom traditionellen Hierarchiekonzept und vom klassischen Modell des Top-down-Management ab.Jobsharing kann auch darin bestehen, zwei funktionelle Einheiten unter einen Hut zu bringen: jene des Mitarbeiters und jene des Vorgesetzten (diverse Beispiele in der Bundesverwaltung: 2 mal 70%; die Personen bekleiden eine 50%-Stelle als Vorgesetzte und den Rest der Arbeitszeit als Mitarbeitende). Zwei Personen können so eine Führungsaufgabe übernehmen, ohne Vollzeit arbeiten zu müssen. Die Führungsrolle wird entweder wochenweise oder auch über längere Zeiträume – monats- oder quartalsweise – eingenommen. Damit sind vielfältige Zusammenarbeitsformen möglich.

).

Jobsharing: Doppelte Kompetenz für einen Arbeitsplatz


Der grosse Vorteil von Jobsharing gegenüber der Teilzeitarbeit ist, dass zwei Personen jeweils eine Vollzeitstelle besetzen, die sonst nicht für Teilzeitarbeit in Frage käme. Damit erweitert sich das Jobangebot um eine Palette von attraktiveren Stellen, darunter auch Führungsaufgaben (Topsharing). Daraus resultieren unmittelbar zwei positive Wirkungen: Einerseits ist es ein Beitrag dazu, dass eine grössere Anzahl Frauen in Führungspositionen gelangt; andererseits wird dadurch die Teilzeitarbeit für Männer attraktiver. Es gilt auch Vorstellungen wie «Ein fähiger Chef muss zu 100% präsent sein» zu überwinden: Viele Führungskräfte besetzen mehrere Funktionen und stehen deshalb ihrem Unternehmen nur teilweise zur Verfügung.Jobsharing hat zahlreiche Vorteile, kann aber auch Nachteile bergen (siehe Tabelle 1). Wer sich für Jobsharing interessiert, muss gewisse Grundqualitäten mitbringen: Flexibilität, Grosszügigkeit, berufliches Engagement, Gesprächsbereitschaft, Machtteilung und Vertrauen in den Berufspartner. Eine individualistische Persönlichkeit ist dafür nicht prädestiniert. Ein hilfreiches Instrument, um die Zusammenarbeit zu fördern, ist die gemeinschaftliche Evaluation: Sie basiert auf dem erreichten Resultat − und nicht auf den individuellen Leistungen. Kurz: Für den Arbeitgeber werden die Kosten und Risiken des Jobsharing (zeitliche Koordination, Verdopplung des Arbeitsplatzes, Führung einer statt zwei Personen, Konfliktrisiko) in der Regel durch die positiven Effekte überkompensiert, wie z.B. erhöhte Produktivität, höhere Motivation und mehr Innovation dank Zusammenarbeit, weniger Burn-out,
Vgl. die empirischen Studien des European Inquiry, European Inquiry on Stress, Kelly Services, UK, 2005.grössere Auswahl an Kandidaten und weniger Personalrotation.

Welche Instrumente braucht es in der Schweiz?


Um sich im Jobsharing bewerben zu können, braucht es vor allem einen guten Berufspartner. Zur Erleichterung der Suche kommen verschiedene Instrumente in Frage: Potenziell interessierte Personen können sich in einer unternehmensinternen Plattform oder – im grösseren Rahmen – auf einer spezialisierten Internetseite eintragen. Davon gibt es im Moment zwei: http://www.jobsharit.com und http://www.teilzeitkarriere.ch. Ein geeignetes Networking erhöht ebenfalls die Begegnungsmöglichkeiten. In der Bundesverwaltung wurden in einigen Ämtern Initiativen ergriffen; eine übergreifende Plattform ist noch zu schaffen.Bei der Einführung sollte Jobsharing aktiv gefördert werden:− Systematische Erwähnung in den Stellenangeboten, um auf die Möglichkeit eines Teilzeitpensums von 80% bis 90% oder des Jobsharing hinzuweisen (Beispiel: Stellenangebote des Seco);− Einbindung der Personalabteilung, um die Vorstösse abzustützen und zögernde Vorgesetzte zu ermutigen;− Schaffung eines freiwilligen Equity-Labels wie Full-time/Part-time oder Part-time friendly;− Sensibilisierung der Jugendlichen während der Schulzeit.Aus unserer dreijährigen Erfahrung mit Jobsharing in einem internationalen Kontext können wir bestätigen, dass Jobsharing nicht nur möglich, sondern auch speziell motivierend ist. Neue Formen der Aufteilung und Flexibilisierung von Funktionen sind überfällig und entsprechen einem echten gesellschaftlichen Bedürfnis. Es ist zu hoffen, dass mehr private und öffentliche Unternehmen von der Einführung solcher Partnerschaften auf allen hierarchischen Ebenen überzeugt werden können und den Mut haben, neue Wege zu erforschen. Unternehmen signalisieren damit Dynamik und Innovationsfähigkeit und ziehen damit Arbeitskräfte an, die bereit sind, ihr gesamtes Potenzial dem Betrieb zur Verfügung zu stellen.

Grafik 1: «Beschäftigungsgrad nach Geschlecht und in % der Erwerbsquote»

Grafik 2: «Mütter (mit mindestens einem Kind unter 15 Jahren) nach Arbeitsmarktstatus und Bildungsniveau (in%)»

Tabelle 1: «Vor- und Nachteile des Jobsharings bei Kaderfunktionen»

Kasten 1: Aus eigener Erfahrung

Aus eigener Erfahrung


Die Autorinnen dieses Artikels vertreten hier ausschliesslich ihre persönliche Meinung. Seit mehr als drei Jahren arbeiten beide Frauen im Jobsharing als Programmverantwortliche im internationalen Bereich (Entwicklungshilfe und Handelsförderung) des Seco. Sie teilen sich demzufolge Projekte sowie öfters Berufsmissionen im Ausland auf. In diesem Artikel zeigen die Autorinnen unter anderem auf, wie wichtig die Umsetzung von Jobsharingmodellen ist, um Teilzeitarbeit in der Schweiz in Zukunft zu optimieren. Die ökonometrischen Abschnitte stammen aus einer Doktorarbeit an der Universität Genf: Krone-Germann I., Part-time Employment in Switzerland, Relevance, Impact and Challenges, Peter Lang Hg., 2011, Bern.

Kasten 2: Zerlegung der vertikalen Segregation durch ökonometrische Simulation

Zerlegung der vertikalen Segregation durch ökonometrische Simulation


Dieses ökonometrische Modell zerlegt das Mass der vertikalen Segregation in den betrachteten Gruppen (hier: Teilzeit/Vollzeit) in einen deskriptiven und einen simulierten Teil. Jedes Individuum hat aufgrund seiner Eigenschaften (z.B. Ausbildung, Erfahrung) eine bestimmte Wahrscheinlichkeit, einer der fünf hierarchischen Gruppen zuzugehören. Diese Wahrscheinlichkeit wird mit Hilfe von Koeffizienten geschätzt, welche mit einem Ordinal-Probit-Verfahren ermittelt worden sind. Anschliessend werden die Koeffizienten der Vollzeit Beschäftigten per Hierarchiestufe auf die Teilzeit Beschäftigten angewandt, um die Zugehörigkeitswahrscheinlichkeit per Hierarchiestufe direkt vergleichen zu können. Um danach die erklärbaren und unerklärbaren Anteile festzustellen, wird der Dissimilaritäts-Index erneut berechnet: für die Vollzeit Beschäftigten auf Basis der effektiven Anteile und für die Teilzeit Beschäftigten auf Basis der simulierten Anteile. Auf diese Wiese können die erklärbaren Anteile der Segregation, die mit den individuellen Eigenschaften zu tun haben, von den unerklärbaren (d.h. «ungerechtfertigten») Anteile, welche einzig auf den Erwerbsstatus zurückzuführen sind, separiert werden. Letztere können von internen Politiken (z.B. Nichteintreten auf Teilzeit- oder Jobsharing-Bewerbungen) herrühren, die nicht auf objektiven Kriterien der Bewertung von Humankapital basieren und eine Teilzeit arbeitende Person am Aufstieg in Führungspositionen hindern.

Kasten 3: Funktionale Flexibilität und Jobsharing

Funktionale Flexibilität und Jobsharing


Unter funktionaler Flexibilität wird in der betriebswirtschaftlichen Literatur eine Unternehmenspolitik verstanden, welche das Potenzial der so genannt flexiblen Mitarbeitenden stärken will: etwa Teilzeit Arbeitende mit gewisser Flexibilität der Arbeitszeiten, hoher Spezialisierung/Ausbildungsgrad, breiter Berufserfahrung und Teamfähigkeit. Durch funktionale Flexibilität kann das Unternehmen den Anforderungen des Marktes besser gerecht werden, indem das vorhandene Humankapital in diversifizierter Weise genutzt wird: Die individuellen Leistungen der Beschäftigten – bzw. die Funktionen – werden quer durch die hierarchischen Stufen des Unternehmens mittels Bündelung von Aufgaben in Projekten und direkter Beteiligung an der Entscheidungsfindung erbracht. Diese unternehmensinterne Organisation begünstigt die interne Rotation der flexiblen Mitarbeitenden, das Jobsharing und die Aufteilung von Aufgaben (Jobsplitting) im Rahmen eines Projekts. Sie rückt damit vom traditionellen Hierarchiekonzept und vom klassischen Modell des Top-down-Management ab.Jobsharing kann auch darin bestehen, zwei funktionelle Einheiten unter einen Hut zu bringen: jene des Mitarbeiters und jene des Vorgesetzten (diverse Beispiele in der Bundesverwaltung: 2 mal 70%; die Personen bekleiden eine 50%-Stelle als Vorgesetzte und den Rest der Arbeitszeit als Mitarbeitende). Zwei Personen können so eine Führungsaufgabe übernehmen, ohne Vollzeit arbeiten zu müssen. Die Führungsrolle wird entweder wochenweise oder auch über längere Zeiträume – monats- oder quartalsweise – eingenommen. Damit sind vielfältige Zusammenarbeitsformen möglich.

Zitiervorschlag: Irenka Krone-Germann, Anne Aymone de Chambrier, (2011). Teilzeitarbeit in der Schweiz: Eine Quelle von Ungleichheiten, aber auch von Möglichkeiten. Die Volkswirtschaft, 01. Januar.