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E-Government-Strategie Schweiz: Stand und Ausblick

E-Government hat zum Ziel, dass sowohl die Wirtschaft wie auch die Bevölkerung die wichtigen Geschäfte mit den Behörden elektronisch abwickeln können. Die Behörden ihrerseits sollen ihre Geschäftsprozesse modernisieren und untereinander elektronisch verkehren. Um E-Government in der Schweiz voranzutreiben, haben Bund, Kantone und Gemeinden ihre gemeinsamen Ziele in der «E-Government-Strategie Schweiz» definiert. Insbesondere für Unternehmen kann der internetgestützte Austausch mit Behörden eine deutliche Entlastung bieten.

Am 24. Januar 2007 hat der Bundesrat die E-Government-Strategie Schweiz verabschiedet. Sie wurde unter Federführung des Informatikstrategieorgans Bund (ISB) in enger Zusammenarbeit mit den Kantonen und Gemeinden entwickelt und bildet die Basis für Bund, Kantone und Gemeinden, ihre Bestrebungen auf gemeinsame Ziele auszurichten. Zudem legt sie Grundsätze, Vorgehen sowie Instrumente zu deren Umsetzung fest. Die E-Government-Strategie Schweiz verfolgt – in der Reihenfolge ihrer Bedeutung – drei Ziele:1. Die Wirtschaft wickelt den Verkehr mit den Behörden elektronisch ab.2. Die Behörden haben ihre Geschäftsprozesse modernisiert und verkehren untereinander elektronisch.3. Die Bevölkerung kann die wichtigen – d.h. häufigen oder mit grossem Aufwand verbundenen – Geschäfte mit den Behörden elektronisch abwickeln.E-Government funktioniert nur, wenn sich alle drei Staatsebenen vernetzen und zusammenarbeiten. Die Zusammenarbeit von Bund, Kantonen und Gemeinden ist in der «Rahmenvereinbarung über die E-Government-Zusammenarbeit in der Schweiz» verankert. Diese öffentlich-rechtliche Rahmenvereinbarung regelt die Organisation und das Vorgehen von Bund und Kantonen bei der Umsetzung der E-Government-Strategie Schweiz für die Jahre 2007 bis und mit 2011. Die Plenarversammlung der Konferenz der Kantonsregierungen (KdK) hat der Rahmenvereinbarung im Juni 2007 zugestimmt; bis Ende 2007 wurde sie von allen Kantonsregierungen ratifiziert. Der Bundesrat hat die Vereinbarung am 29. August 2007 verabschiedet. Durch ihre Unterschrift bringen beide Partner ihre starke Absicht für eine gemeinsame Umsetzung von E-Government in der Schweiz zum Ausdruck.Die Umsetzung der Strategie erfolgt dezentral, aber koordiniert. Die Vorhaben, welche im Rahmen der E-Government-Strategie umgesetzt werden, sind im Katalog priorisierter Vorhaben erfasst, der regelmässig durch den Steuerungsausschuss beurteilt und bei Bedarf aktualisiert wird. Im Katalog werden die Vorhaben in zwei Gruppen unterteilt:− Leistungen: Öffentliche Leistungen, die aus Sicht der Zielgruppen und der Verwaltung ein besonders gutes Kosten-Nutzen-Verhältnis ausweisen, wenn sie elektronisch erbracht werden;− Voraussetzungen: Bereitstellung von rechtlichen, prozessualen, organisatorischen oder technischen Voraussetzungen zur Bereitstellung der priorisierten Leistungen.Die Verantwortung für die koordinierte Umsetzung der E-Government-Strategie Schweiz trägt der Steuerungsausschuss E-Government Schweiz. Er besteht aus je drei Vertreterinnen oder Vertretern des Bundes, der Kantone und der Städte bzw. Gemeinden und wird vom Vorsteher oder der Vorsteherin des Eidgenössischen Finanzdepartementes (EFD) geleitet. Die Aufgaben des Steuerungsausschusses sind in der Rahmenvereinbarung Art. 7 definiert. Er ist für die Festlegung des Katalogs priorisierter Vorhaben zuständig und bestimmt insbesondere die federführenden Organisationen. Zudem steuert und überwacht er die Umsetzung der Strategie und beschliesst hierzu entsprechende Planungs- und Umsetzungsinstrumente.Aufgrund der Verschiedenartigkeit der Vorhaben aus dem Katalog priorisierter Vorhaben werden Trägerschaft und Finanzierung entsprechend den jeweiligen Anforderungen definiert. Hierzu setzt der Steuerungsausschuss geeignete Organisationen als federführend für ein priorisiertes Vorhaben ein.Die Aufgaben und Kompetenzen der federführenden Organisationen sind im Art. 16 der Rahmenvereinbarung geregelt. Sie beinhalten insbesondere die Verantwortung für die Zusammenarbeit mit weiteren beteiligten Akteuren, das Rechtsetzungskonzept, ein tragfähiges Finanzierungs- und Organisationskonzept sowie die Einhaltung von Standards und der Interoperabilität der erarbeiteten Lösungen.Als Stabsorgan des Steuerungsausschusses und des Expertenrates dient die Geschäftsstelle. Sie ist das zentrale Dienstleistungszentrum für die koordinierte Umsetzung der nationalen Strategie. Zudem dient sie als Anlaufstelle für die federführenden Organisationen, pflegt die Umsetzungsinstrumente und macht diese über Internet zugänglich. Die Geschäftsstelle wird durch den Bund finanziert und ist beim ISB angesiedelt, das zum EFD gehört.

Messung der Umsetzung von E-Government Schweiz


Der Controllingprozess für die E-Government-Strategie Schweiz misst die Fortschritte bei der Umsetzung. Er umfasst einerseits die Beschaffung und Auswertung der entsprechenden Daten sowie andererseits das Ableiten und Ergreifen von korrigierenden Massnahmen. Dieses Steuerungsinstrument unterstützt durch zielgerechte Informationsaufbereitung die Entscheidungs- und Steuerungsprozesse. Die Resultate aus dem Controllingprozess werden in Form eines Cockpits in einer Broschüre publiziert. Gemäss der aktuellen Planung werden per Ende 2011 19 der 45 priorisierten Vorhaben aus dem Katalog zu über 80% in Betrieb sein; 2013 dürften es bereits 37 sein (vgl. Grafik 2).Ein wichtiges Merkmal der E-Government-Strategie Schweiz ist die Ausrichtung auf die Bedürfnisse der Zielgruppen Wirtschaft, Verwaltung und Bevölkerung. Hierzu werden alle 1-2 Jahre entsprechende Studien durchgeführt. Im Bereich der Wirtschaft ist es die im Auftrag des Staatssekretariates für Wirtschaft (Seco) und durch das Forschungsinstitut GFS durchgeführte Studie «Firmen und E-Government». Befragt werden jeweils rund 1000 Unternehmen zum Online-Angebot der Verwaltung. Gemäss der aktuellsten Studie, welche 2009 durchgeführt wurde, schätzen 79% der Befragten das Internetangebot der Verwaltung als sehr gut oder eher gut ein (vgl. Grafik 3).

Priorisierte Vorhaben


Zu den priorisierten Vorhaben der E-Government-Strategie Schweiz zählen insbesondere folgende Vorhaben:

SuisseID


Mit der SuisseID lancierte der Bund im Mai 2010 ein wichtiges Instrument, um dem elektronischen Geschäftsverkehr in der Schweiz zum Durchbruch zu verhelfen. Die beschleunigte Einführung des elektronischen Identitätsnachweises wurde von Bundesrat und Parlament im Rahmen der dritten Stufe konjunktureller Stabilisierungsmassnahmen beschlossen. Die SuisseID ist in der Schweiz das erste standardisierte Produkt für einen sicheren elektronischen Identitätsnachweis. Geschäfte können von Privatpersonen zu Firmen, von Firmen untereinander sowie vom Bürger zur Verwaltung direkt über das Netz abgeschlossen werden. Das SuisseID-System enthält drei Elemente:− elektronischer Identitätsnachweis;− qualifizierte elektronische Signatur;− elektronischer Funktionsnachweis.Der Nutzer kann sich damit bei einem Online-Service sicher authentisieren sowie ein Dokument rechtsverbindlich elektronisch unterschreiben. Bei Bedarf schaffen Funktionsregister die notwendige Transparenz unter den Teilnehmern, wie z.B. Handlungsvollmachten, Zugehörigkeit zu Verbänden und Berufsregister. Seit Mai 2010 ist die SuisseID in Form einer Chipkarte oder eines USB-Sticks für jede natürliche Person erhältlich.Die Zahl der Einsatzmöglichkeiten ist innerhalb von 8 Monaten auf über 110 Anbieter angewachsen. Vor allem grosse Städte und Gemeinden sind in dieser Zeit hinzugestossen. Bis am 31. Dezember 2010 wurden über 271 000 SuisseID bestellt.

Swissdec


Die Unternehmen sind verpflichtet, ihre Lohndaten verschiedenen Behörden und Versicherungen regelmässig zu melden. Durch die Möglichkeit der elektronischen Übertragung ihrer Lohndaten an die zuständigen Stellen werden alle Unternehmen massgeblich von nicht wertschöpfendem Aufwand entlastet. Im Lohnprogramm der Unternehmen sind sämtliche Lohndaten vorhanden. Es erstellt für jeden Datenempfänger den ihm gesetzlich zustehenden Datensatz, der elektronisch an die gewünschten Stellen transferiert werden kann. Ein Unternehmen spart dadurch pro Jahr mehrere Stunden Arbeit ein. Auch auf Seiten der Verwaltung ist das Effizienzsteigerungspotenzial hoch. Swissdec ist ein nicht gewinnorientiertes Gemeinschaftsprojekt mehrerer staatlicher und privater Partner. Als zentrale Informationsplattform zur Standardisierung des elektronischen Datenaustausches via Lohnbuchhaltungssysteme unterstützt Swissdec Softwarehersteller bei Entwicklungsarbeiten, prüft und zertifiziert Lohnbuchhaltungen, dient dem Informationsaustausch zwischen allen Beteiligten und überwacht die gesetzlich konforme Datenübertragung. Lohnbuchhaltungssysteme mit dem Qualitätslabel Swissdec Certified erleichtern den Betrieben ihre Administration erheblich. Diese bieten eine standardisierte Form der elektronischen Übermittlung von Lohndaten der Unternehmen zu den angeschlossenen Sozialversicherungen und Behörden. So können die Kunden via Swissdec-Verteiler (Distributor) ihre einmal aufbereiteten Daten mit einem Mausklick gleichzeitig an die Empfänger senden.

Ausblick


Das Bedürfnis, dass E-Government nicht nur national koordiniert, sondern auch stärker über alle föderalen Ebenen hinweg geführt wird, entspricht einer allgemeinen Tendenz. Bei der immer höheren Komplexität der Verwaltungstätigkeiten sind klare Vorgaben und Standards unerlässlich. Die Kantone und Gemeinden müssen sich beim Ausbau ihrer E-Government-Infrastruktur auf nationale Richtlinien abstützen können. Nur so kann ein nachhaltiger Investitionsschutz gewährleistet werden. Gerade kleinere Gemeinden können sich das erforderliche IT-Fachwissen nicht in der Qualität leisten, die nötig wäre, um umfassende E-Government-Projekte individuell durchzuführen. Hierzu braucht es klare Vorgaben und eine adäquate Unterstützung.Des Weiteren stellt sich die Frage, ob nicht nur Schnittstellen und Datenaustauschformate schweizweit zu standardisieren sind, sondern auch Dienste wie Datenaustauschplattformen, Repositories für Identity- und Access-Management sowie weitere E-Government-Infrastruktur-Dienste. Durch die gegenseitige Abhängigkeit der meisten derartigen Angebote ist auch abzuklären, inwieweit die Betriebsverantwortung oder der operative Betrieb dieser Dienste von einer noch zu definierende Organisation übernommen werden soll.Die öffentlich-rechtliche Rahmenvereinbarung über die E-Government-Zusammenarbeit in der Schweiz wurde 2007 vom Bundesrat verabschiedet und von der Konferenz der Kantonsregierungen (KdK) genehmigt. Diese Rahmenvereinbarung gilt bis Ende 2011. Um die Kontinuität der E-Government-Strategie Schweiz und deren Umsetzung zu gewährleisten, hat der Steuerungsausschuss die Geschäftsstelle beauftragt, Varianten über die Erneuerung der Rahmenvereinbarung auszuarbeiten und ihm diese bis im Frühling 2011 vorzulegen. Dabei soll eine schnellere Realisierung von E-Government und eine stärkere Führungsrolle des Bundes angestrebt werden, ohne die Kantone von ihrer Umsetzungsverantwortung zu entbinden.

Grafik 1: «Umsetzungsorganisation E-Government Schweiz»

Grafik 2: «Trendanalyse Umsetzung der priorisierten Vorhaben E-Government Schweiz»

Grafik 3: «Beurteilung des Internetangebots der Verwaltung insgesamt durch Firmen in der Schweiz, 2006–2009»

Kasten 1: Geschäftsstelle E-Government Schweiz

Geschäftsstelle E-Government Schweiz


Als Stabsorgan des Steuerungsausschusses und des Expertenrates koordiniert die Geschäftsstelle die Umsetzung der E-Government-Strategie Schweiz. Sie ist sowohl für das strategische Controlling, die Kommunikation, als auch für den Informationsaustausch mit weiteren Organisationen, Forschung und Wirtschaft zuständig.

Kontakt:

Geschäftsstelle E-Government SchweizInformatik Strategieorgan Bund ISBFriedheimweg 14, 3003 BernTel. +41 31 324 79 21stephan.roethlisberger@isb.admin.chhttp://www.egovernment.ch

Kasten 2: Mitglieder des Steuerungsausschusses

Mitglieder des Steuerungsausschusses


− Bundesrätin Eveline Widmer-Schlumpf, Eidgenössisches Finanzdepartement (EFD), Vorsitz − Bundesrat Johann Schneider-Ammann, Eidgenössisches Volkswirtschaftsdepartement (EVD) − Bundeskanzlerin Corina Casanova, Bundeskanzlei (BK) − Staatsrat François Marthaler, Kanton Waadt− Regierungsrat Marcel Schwerzmann, Kanton Luzern− Staatsschreiber Rainer Gonzenbach, Kanton Thurgau − Grossrat Peter Bernasconi, Vorstandsmitglied Schweizerischer Gemeindeverband− Gemeindepräsident Roland Kuttruff, Gemeinde Tobel-Tägerschen, TG− Stadtpräsident Ernst Wohlwend, Stadt Winterthur, ZH

Zitiervorschlag: Stephan Roethlisberger (2011). E-Government-Strategie Schweiz: Stand und Ausblick. Die Volkswirtschaft, 01. März.