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Die öffentlichen Finanzen der Schweiz 2009–2012

Die Finanzstatistik der Eidg. Finanzverwaltung (EFV) veröffentlichte Ende Februar 2011 erste Resultate der öffentlichen Haushalte für das Rechnungsjahr 2009. Des Weiteren hat sie aktualisierte Schätzungen für die Jahre 2010-2012 präsentiert. Trotz der Rezession im Jahr 2009 schliessen Bund und Kantone ihre Finanzierungsrechnungen mit ordentlichen Gewinnen von je über 2 Mrd. Franken ab. Auch die Gemeinden trotzten mit einem ausgeglichenen Haushalt der konjunkturellen Abschwächung. Lediglich die Sozialversicherungen mussten im Jahr 2009 vor dem Hintergrund der steigenden Arbeitslosigkeit ein Defizit melden. Für den Gesamtstaat resultierte ein konsolidierter Überschuss von 0,8 % des Bruttoinlandprodukts.

Rechnungsabschlüsse 2009 gemäss FS-Modell


Für die nationale Vergleichbarkeit werden in der Finanzstatistik die Rechnungsabschlüsse der öffentlichen Haushalte im sogenannten FS-Modell in eine einheitliche Struktur gebracht. Dieses Modell basiert auf dem neuen harmonisierten Rechnungslegungsmodell für Kantone und Gemeinden HRM2.Tabelle 1 zeigt die Ergebnisse der Finanzierungsrechnung in den Jahren 2008–2012 nach dem FS-Modell.Nach den sehr guten Ergebnissen im Rechnungsjahr 2008 wirkte sich im Jahr 2009 die schlechtere Wirtschaftslage sichtbar auf die Abschlüsse der öffentlichen Haushalte aus. Insbesondere bei Bund und Kantonen ist in der Finanzierungsrechnung jeweils ein starker Rückgang des ordentlichen Saldos festzustellen. Allerdings schliessen sowohl der Bund als auch die Kantone trotz des konjunkturellen Abschwungs und dank der sehr positiven Ergebnisse der Vorjahre mit einem Überschuss ab. Durch den ausserordentlichen Verkauf der UBS-Pflichtwandelanleihe beträgt der Einnahmeüberschuss beim Bund rund 9,4 Mrd. Franken. Der durch die Rezession bedingte Rückgang der Fiskaleinnahmen führte jedoch dazu, dass der ordentliche Saldo um rund 4,3 Mrd. Franken auf 2,3 Mrd. zurückging. Für die Gemeinden erwartet die Finanzstatistik im Jahr 2009 wie bereits im Vorjahr einen in etwa ausgeglichen Haushalt. Bei den Sozialversicherungen liegt das Defizit von 632 Mio. Franken ebenfalls im Bereich des Vorjahres. Für den gesamten Staatssektor resultiert zwischen 2008 und 2009 ein Rückgang des ordentlichen Saldos um 7,4 Mrd. Franken. Dass die konsolidierte Finanzierungsrechnung dennoch mit einem ordentlichen Überschuss von 3,9 Mrd. Franken abschliesst unterstreicht, dass die öffentlichen Haushalte der Schweiz der Rezession mit sehr guten Voraussetzungen begegneten.Gemäss den aktuellen Schätzungen der Finanzstatistik dürfte der Saldo des gesamten Staatssektors im Jahr 2010 die Talsohle erreicht haben. Während der Bund, die Kantone und die Gemeinden im Vergleich zum Vorjahr ihre Ergebnisse in etwa bestätigen, zeigt sich bei den Sozialversicherungen die verzögerte Wirkung der Rezession in einem Defizit von fast 3 Mrd. Franken. In der Periode 2011–2012 erwartet die Finanzstatistik vor dem Hintergrund der ab 2010 einsetzenden konjunkturellen Erholung bei den Kantonen, Gemeinden und Sozialversicherungen eine leichte Verbesserung der Rechnungsergebnisse. Diese vermögen die beim Bund sich abzeichnenden Defizite in den Jahren 2011 und 2012 mehr als zu kompensieren, wodurch sich für den gesamten Staatssektor ein stetiger Wiederanstieg des ordentlichen Rechnungssaldos ergibt.

Rechnungsabschlüsse der Kantone


Die Kantone und Konkordate weisen im Jahr 2009 in der Erfolgsrechnung einen Überschuss von 1,9 Mrd. Franken aus. Im Vergleich zum Vorjahr ist das Ergebnis um 958 Mio. Franken zurückgegangen. Das Ergebnis ist hauptsächlich ordentlicher Natur. Es ist jedoch zu berücksichtigen, dass zurzeit noch sehr wenige Kantone zwischen ordentlichem und ausserordentlichem Haushalt gemäss HRM2 unterscheiden. Das Ergebnis ist vor allem durch einen höheren Aufwand bedingt, während zum Beispiel die Fiskalerträge trotz der Rezession in etwa konstant blieben.Netto haben die Kantone im Jahr 2009 4,3 Mrd. Franken investiert, rund 790 Mio. Franken mehr als im Vorjahr. Diese Zunahme ist hauptsächlich durch tiefere Investitionseinnahmen in der Höhe von rund 590 Mio. Franken bedingt, wobei sowohl die Investitionsbeiträge als auch die Übertragungen von Sachanlagen in das Finanzvermögen eine Reduktion aufweisen. Die Investitionsausgaben von rund 6,7 Mrd. Franken haben hingegen im Vergleich zum Vorjahr mit rund 200 Mio. Franken nur geringfügig zugenommen. Die konsolidierte Finanzierungsrechnung der Kantone und Konkordate schliesst 2009 mit einem Einnahmenüberschuss von 2,2 Mrd. Franken ab. Die Veränderung gegenüber dem Jahr 2008 beträgt –1,1 Mrd. Franken.Tabelle 2 zeigt die Ergebnisse der einzelnen Kantone im Jahr 2009. Die Mehrheit der Kantone weisen Überschüsse in der Erfolgs- und Finanzierungsrechnung aus. Defizite in der Erfolgsrechnung verzeichnen hingegen die Kantone Schwyz, Basel-Landschaft, Neuenburg und Tessin. Wie im Vorjahr präsentieren die Kantone Obwalden, Appenzell Innerrhoden und Jura eine ausgeglichene Erfolgsrechnung. In der Finanzierungsrechnung sticht insbesondere das sehr positive Ergebnis des Kantons Waadt hervor. Der hohe Finanzierungsüberschuss in diesem Kanton ist auf stark steigende Fiskaleinnahmen zurückzuführen. Die Kantone Basel-Landschaft, Neuenburg, Tessin, Genf und Jura verzeichnen hingegen im Jahr 2009 Finanzierungsdefizite.

Finanzpolitische Kennzahlen gemäss GFS-Modell


Die von der Finanzstatistik ausgewiesenen Kennzahlen der öffentlichen Haushalte umfassen fünf Aggregate, welche jeweils im Verhältnis zum Bruttoinlandprodukt (BIP) ausgedrückt werden. Sie dienen dazu, die Entwicklung der Finanzen der öffentlichen Haushalte zu berechnen. Die finanzpolitischen Kennzahlen werden nach Standards des Internationalen Währungsfonds gemäss dem Government Finance Statistics Model 2001 ausgewiesen. Eine Ausnahme bildet die Schuldenquote, welche zusätzlich gemäss den Maastricht-Kriterien der Europäischen Union berechnet wird. Zu diesen Quoten liegen – analog zu den Daten des FS-Modells – provisorische Ergebnisse für das Jahr 2009 für den Bund, die Kantone und die öffentlichen Sozialversicherungen vor. Die Tabelle 3 zeigt die finanzpolitischen Kennzahlen im Überblick.Die Wirtschaftskrise wirkt sich im Jahr 2009 unterschiedlich auf die Kennzahlen der einzelnen Staatssektoren aus. Beim Bund sind in erster Linie die Fiskaleinnahmen betroffen: 2009 sinkt die Fiskalquote vor allem aufgrund eines Rückgangs bei den Verrechnungssteuern. Bei den Kantonen zeigen sich 2009 die Folgen des konjunkturellen Abschwungs vorerst ausgabenseitig. Die Gemeindefinanzen reagieren hingegen weniger stark auf die Konjunkturschwankungen; dies zeigen die provisorischen Ergebnisse der Städte und Kantonshauptorte.
Siehe http://www.efv.admin.ch, Rubriken «Dokumentation», «Zahlen und Fakten», «Finanzstatistik», «FS-Modell: Öffentliche Haushalte im Vergleich».Das Jahr 2008 war für alle Staatsebenen von sehr positiven Rechnungsergebnissen geprägt. Die Überschussquote des Sektors Staat beträgt 2,0%. Im Jahr 2009 verzeichnen der Bund und die Sozialversicherungen relativ stark sinkende Quoten von jeweils 0,5 Prozentpunkten. Auch die Kantone verbuchen einen Rückgang der Überschussquote, während die Gemeinden voraussichtlich unverändert ausgeglichen abschliessen werden. Der Saldo des konsolidierten Gesamtstaates wird 2010 im Vergleich zum BIP weiter sinken. Hauptursache dafür ist, dass der wirtschaftliche Abschwung bei den Sozialversicherungen verzögert wirkt und zu einen weiteren Rückgang der Defizitquote (–0,4 Prozentpunkte) führen wird. Die Kantone und Gemeinden werden die Rezession voraussichtlich gut überstehen und konstante Quoten bis 2012 ausweisen. Im Jahr 2011 wird die konjunkturelle Erholung bei den Sozialversicherungen sichtbar, während beim Bund auf Grund hoher ausserordentlicher Ausgaben (Einlage in die Pensionskasse SBB) ein Defizit prognostiziert wird. Der Gesamtstaat weist gemäss Prognosen für das Jahr 2011 eine Überschussquote von 0,3% aus. Die Fremdkapitalquote stellt die Bruttoschulden gemäss der Definition des Internationalen Währungsfonds (IWF) in Prozenten des BIP dar. Sie umfasst mehr Bilanzpositionen als die Maastricht-Schuld und ist daher prinzipiell grösser als letztere. Ein weiterer gewichtiger Unterschied besteht darin, dass der IWF die Marktbewertung des Fremdkapitals fordert. Dadurch ist die Fremdkapitalquote auch wesentlich stärkeren Schwankungen unterworfen als die Schuldenquote nach Maastricht, in welcher die Schulden zum Nominalwert eingehen.Dank der positiven Ergebnisse der Vorjahre konnten die einzelnen Staatsebenen ihre Schulden reduzieren; entsprechend weisen auch die beiden Quoten einen sinkenden Verlauf auf. Die Bruttoschuldenquote befindet sich auf dem tiefsten Stand seit 1991 und beträgt im Jahr 2009 erstmals seit 1992 wieder weniger als 40% des BIP. Auch in den Folgejahren ist eine Reduktion dieser Quoten zu erwarten. Gemäss Prognose wird die Fremdkapitalquote im Jahr 2012 erstmals seit 1993 wieder unter 50% des BIP sein.Die Fiskalquote des Gesamtstaates ist seit dem Jahr 2000 relativ stabil bei rund 30%. Der temporäre Anstieg auf 29,7% im Jahr 2009 zeigt sich aufgrund des konjunkturellen Abschwungs (des starken Rückgangs des BIP). Die Fiskalquoten der einzelnen Staatsebenen reagieren sehr unterschiedlich auf die Rezession. Die Fiskaleinnahmen der Kantone reagierten ohne zeitliche Verzögerung gegenüber dem Konjunkturverlauf im Jahr 2008 mit einem Rückgang der Quote auf 7,1% (–0,2 Prozentpunkte). Im Jahr 2009 stieg die Fiskalquote der Kantone jedoch erneut auf 7,3% an, während der Bund einen leichten Rückgang um 0,2 Prozentpunkte verzeichnete. Bei den Sozialversicherungen nimmt die Fiskalquote erst im Jahr 2010 verzögert ab. Auf Grund dieser unterschiedlichen Entwicklungen wird die Fiskalquote des Sektors Staat in den Jahren 2009–2012 keine grossen Veränderungen aufweisen. Die bei der Reform der Finanzstatistik revidierte Abgrenzung des Staatssektors hatte im Jahr 2008 vor allem auf Kantons- und Gemeindeebene zu einem Strukturbruch mit einem starken Rückgang der Staatsquote geführt. Für das Jahr 2009 erwartet die Finanzstatistik einen Anstieg der Staatsquote des konsolidierten Gesamtstaates von über 2 Prozentpunkten auf 34,4% − dies als Folge eines Ausgabenwachstums (u.a. aufgrund von konjunkturpolitischen Massnahmen) und eines sinkenden Bruttoinlandprodukts. Die Staatsquote dürfte auch bis 2011 leicht wachsen, danach tendenziell wieder sinken.

Fazit


Die provisorischen Rechnungsergebnisse 2009 der öffentlichen Haushalte zeigen, dass die Rezession keine tiefgreifenden Spuren hinterlässt. Die Rezession hat zwar zu einem starken Rückgang der ordentlichen Rechnungssaldi von Bund und Kantone geführt, die ursprünglich erwarteten Defizite blieben jedoch aus. Auch die Städte und Kantonshauptorte haben, mit Ausnahme der Städte Zürich und Winterthur, im Jahr 2009 die Auswirkungen der globalen Finanz- und Wirtschaftskrise relativ gut überstanden.

Tabelle 1: «Rechnungsabschlüsse gemäss FS-Modell, 2008–2012»

Tabelle 2: «Rechnungsabschlüsse der Kantone gemäss FS-Modell, 2009»

Tabelle 3: «FS-Modell: Rechnungsabschlüsse 2008–2012»

Zitiervorschlag: Adrian Bruelhart (2011). Die öffentlichen Finanzen der Schweiz 2009–2012. Die Volkswirtschaft, 01. April.

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