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Impulse aus den Regionen für die Innovationstätigkeit der Schweiz

Innovation ist in entwickelten Volkswirtschaften ein Schlüsselfaktor für das Produktivitätswachstum. Innerhalb eines Landes präsentiert sich die Innovationslandschaft dabei nicht einheitlich, da die Regionen eine wichtige Rolle spielen. Die Schweiz gehört zu den fortgeschrittensten Volkswirtschaften mit einer hohen Innovationstätigkeit in verschiedenen Bereichen. In gewissen Regionen stagniert jedoch das Wachstum der Arbeitsproduktivität. Im schweizerischen Kontext, der jüngst von der OECD untersucht wurde, könnten geeignete staatliche Strategien – wie eine engere interkantonale Zusammenarbeit und eine innovationsgetriebene Politik für die Regionalentwicklung – die gesamtschweizerische Innovationspolitik ergänzen und der Innovationstätigkeit des Landes Impulse verleihen.

Globale Innovationstrends


Die OECD hat in ihrer «Innovationsstrategie» eine Reihe von Trends ausgemacht, was den Innovationsprozess, die Innovationspolitik und die Rolle der Regionen betrifft.− Die Globalisierung hat den weltweiten Innovationsprozess verändert und wirkt sich in den Regionen in zweifacher Hinsicht aus: Einerseits wird es immer wichtiger, potenzielle Wachstumsquellen in der Region zu identifizieren und beispielsweise Unternehmen und qualifizierte Arbeitskräfte zu binden. Andererseits eröffnen sich damit neue Möglichkeiten zur grenzüberschreitenden Forschung und Produktion, was die Mobilität qualifizierter Arbeitskräfte und die internationale Zusammenarbeit fördert.− Zusammenarbeit und Netzwerke gewinnen für die Innovation an Bedeutung: Unternehmen sind seit jeher auf externe Produktionsquellen und Ideengeber für Innovationen angewiesen. Neu ist die höhere Geschwindigkeit, die Zahl der potenziellen Partner und die geografische Reichweite dieser Zusammenarbeit. Die Schweizer Regionen zum Beispiel sind an sehr vielen internationalen Erfindungen beteiligt. Firmen mit innovationsorientierten Kooperationen mit anderen Unternehmen geben mehr für Innovationen aus als solche, die auf gemeinsame Projekte verzichten. Die Produktion von wissenschaftlichem Wissen verlagert sich zunehmend von Einzelpersonen zu Gruppen, von einzelnen Institutionen zu mehreren, von nationalen zu internationalen Foren. Dank eingehender Kenntnisse der lokalen Akteure und der Nähe zu diesen können regionale Behörden die Rolle von Fazilitatoren und Vermittlern spielen und sowohl lokale Initiativen in den Regionen unterstützen als auch den Zugang zu globalen «Pipelines» erleichtern. − Die wissenschaftlichen Disziplinen arbeiten enger zusammen und Forschung erfolgt verstärkt multi- bzw. interdisziplinär: Karten zu wissenschaftlichen Aktivitäten zeigen, dass Innovationen immer häufiger das gemeinsame Ergebnis mehrerer wissenschaftlicher Disziplinien und Technologien sind. Nanotechnologie zum Beispiel hat sich an der Schnittstelle zwischen zwei anderen Disziplinen (Physik und Chemie) entwickelt. Umweltforschung ist ein multidisziplinäres Forschungsgebiet. Zur Unterstützung solcher Trends müssen Räume für Interaktionen und eine gegenseitige Befruchtung verschiedener Wissensgebiete geschaffen werden. Regionen können als Drehscheibe für solche Interaktionen agieren und Fachgebiete einander näherbringen, die traditionell nicht unbedingt zusammenarbeiten.− Innovation ist mehr als F&E: In einigen Ländern ist die Wahrscheinlichkeit, dass ein Unternehmen eine Marktneuheit lanciert, nicht davon abhängig, ob in F&E investiert wird. Die meisten innovativen Firmen führen sowohl neue Produkte und Verfahren als auch Marketing- oder Organisationsneuheiten ein. In Ländern wie Finnland, Schweden und den USA wird mehr in immaterielle Vermögenswerte investiert, die über F&E hinausgehen (Software, Humankapital oder neue Organisationsstrukturen) als in Realkapital (Maschinen und Ausrüstungen). Eine britische Studie zeigt, dass rund 75% der Innovationen aus Investitionen resultieren, die nicht traditionelle F&E betreffen – wie beispielsweise in Kompetenzen, Organisation und Design.

Regionen spielen für die Innovation eine wichtige Rolle


Daten belegen, dass vielfältige regionale Wirtschafts- und Innovationsprofile existieren: Die Regionen und ihre Innovationssysteme unterscheiden sich in ihren Entwicklungswegen. Innerhalb eines Landes sowie zwischen verschiedenen Ländern existieren verschiedene regionale Innovationssysteme nebeneinander (siehe Grafik 1). Das regionale Bild zur technologiebasierten Innovation präsentiert sich uneinheitlich. Rund 13% der OECD-Regionen kommen für die Hälfte der gesamten F&E-Investitionen im OECD-Raum auf. Die Konzentration an F&E und Patenten ist in den Top-Regionen der wissensintensiven OECD-Mitgliedsländer am höchsten. Diese Regionen haben sich teilweise auf bestimmte Technologien spezialisiert – etwa auf Biotechnologie, IKT und grüne Technologien. Neue Regionen in fortgeschritteneren und in aufstrebenden Ländern treten in Erscheinung und formen die globale Innovationslandschaft neu. Bei gewissen Produktionssystemen entsteht der Mehrwert zudem nicht in erster Linie durch eine technische Vorreiterrolle, sondern durch Investitionen in nicht-technologische Innovationen, Personal und Kreativität.Die Vielfalt an regionalen Innovationsprofilen hat Auswirkungen auf die Innovationspolitik: Wenn eine landesweite Innovationspolitik regionale Unterschiede ausblendet, besteht die Gefahr, dass gewisse Ziel nicht erreicht werden. Die Regionen wiederum können aufgrund ihrer Besonderheiten nicht einfach Lösungen aus anderen Gebieten übernehmen und dieselben Ergebnisse erwarten.

Zwei politische Trends verstärken die Rolle der Regionen


Zwei politische Trends tragen zur aufstrebenden Rolle der Regionen in der Innovationspolitik bei: Einerseits handelt es sich dabei um einen Paradigmenwechsel in der Regionalentwicklungspolitik: Der Ansatz der OECD-Länder verlagert sich schrittweise von einer Umverteilung zu einer Regionalentwicklung und zu regionalem Wettbewerb. Eine solche Politik mobilisiert regionale Wachstumsquellen und stellt Innovation ins Zentrum der regionalen Entwicklungsagenda. Die Neue Regionalpolitik (NRP) der Schweiz setzt bei der Innovationsförderung einen Schwerpunkt. Weniger ausgeprägte regionale Unterschiede werden einem härteren Wettbewerb zwischen den Regionen zugeschrieben. Diese neue Ausrichtung nimmt Empfehlungen des Territorialexamens der OECD von 2002 für die Schweiz auf.Andererseits tragen die Länder der regionalen Dimension in der Innovationspolitik vermehrt Rechnung: Innovationspolitik wird auch zunehmend zur Verbesserung der sozialen Wohlfahrt und der ökologischen Nachhaltigkeit eingesetzt. In solchen Feldern haben regionale Behörden den Spielraum und den Auftrag, aktiv zu handeln. Zum Beispiel sind regionale Behörden in der OECD durchschnittlich für 65% der öffentlichen Investitionen eines Landes verantwortlich, was enorme Auswirkungen im Hinblick auf eine umweltverträglichere Infrastruktur hat. Neben dem klassischen Argument des Marktversagens findet als Rechtfertigung für die Innovationspolitik auch das Motiv des «Systemversagens» vermehrt Zuspruch. Bei einem Ansatz, der von einem Systemversagen ausgeht, kommt ein breiteres Spektrum von Interventionen in Frage als bei den traditionellen Instrumenten, die aus F&E-Subventionierung oder der Finanzierung öffentlicher Forschungseinrichtungen bestanden haben. Mit der zunehmenden Bedeutung von Netzwerken und Vernetzungen für die Innovationstätigkeit steigt auch der Einfluss regionaler Innovationssysteme. Die Regierungen müssen zunehmend Rechenschaft darüber ablegen, welchen wirtschaftlichen Nutzen ihre Investitionen für Wissenschaft, Technologie und Innovation erbringen. Die regionale Dimension der Innovationsdynamik und die Aufgabe der regionalen Behörden, die Produktivität dieser Investitionen zu verbessern, spricht ebenfalls für eine verstärkte Anerkennung der Regionen.

Rolle der Regionalbehörden


Die wichtigste Rolle der Regionalbehörden besteht in jedem Fall darin, Chancen für eine Transformation zu identifizieren. Diese Suche nach neuen regionalen Stärken erfordert die Beteiligung der Privatwirtschaft und der Zivilgesellschaft und profitiert in der Regel von Ergänzungen durch die weiter gefasste nationale Strategie. Damit die Regionen «Change Agents» werden, müssen sie eine gezieltere Politik verfolgen. Dazu sollten die Regionen:− Innovationspolitische Erkenntnisse durch genauere Messmethoden, Evaluationen und Erfahrungswerte verbessern;− Eine Vision und eine strategische Road Map zur Innovationsförderung erarbeiten, die auf den bestehenden Stärken aufbaut und einen gesellschaftlichen und wirtschaftlichen Transformations- bzw. Aufholprozess unterstützt;− Einen durchdachten Politikmix mit Instrumenten aus verschiedenen politischen Bereichen entwickeln (Innovation, Bildung, Unternehmertum usw.);− Geeignete Strukturen in einem mehrstufigen staatlichen System erarbeiten, das verschiedenste öffentliche und private Akteure einbezieht.

Schweizer Regionen im internationalen Vergleich


Die Schweiz gehört zu den wirtschaftlich fortgeschrittensten Ländern der Welt. Sie belegt innerhalb der OECD einen der ersten fünf Plätze beim Pro-Kopf-BIP und schneidet auch bei Indikatoren zu Beschäftigung, Bildung und anderen Bereichen gut ab. Die Rahmenbedingungen für Innovationen sind günstig. Im Innovationsranking der EU (Leistungsanzeiger der Innovationsunion) von 2010 schneidet die Schweiz besser ab als die EU-Länder. Verschiedene Schweizer Regionen wie Basel-Stadt, Zug und Schaffhausen liegen bei den Patentanmeldungen pro Kopf (nach Anmelder) an der Spitze aller OECD-Regionen (siehe Grafik 2).Diese starke Position vieler Schweizer Kantone gilt nicht nur für die regionale Präsenz von Erfindern mit Spezialwissen, sondern auch für Patentanmelder, ein Indikator dafür, dass ein potenzieller wirtschaftlicher Nutzen resultiert. Die Schweizer Regionen erreichen innerhalb der OECD eine beeindruckende Wirtschaftsleistung, sind erfolgreich im Export und verfügen über eine hervorragend ausgebildete Bevölkerung. Die Unterschiede zwischen den Regionen sind relativ begrenzt.

Mögliche Schwachstellen


Ein Hinweis auf eine mögliche Schwachstelle ist das Wachstum der Arbeitsproduktivität, welches sich in den vergangenen zehn Jahren in mehreren Kantonen verhalten entwickelte. Mit Ausnahme der Kantone Basel-Stadt und Zug weisen die meisten Schweizer Kantone ein Produktivitätswachstum auf, das im Vergleich zu anderen OECD-Regionen relativ niedrig ist, auch zu solchen mit ähnlichen Einkommen. Auf ein Verbesserungspotenzial weisen noch weitere Indikatoren hin: Die Schweiz gehört zu den führenden Ländern in Wissenschaft, Technologie und Innovation; doch F&E und die Innovationstätigkeit wachsen nur schwach. Hindernisse für die Unternehmenstätigkeit und eine beschränkte Verbreitung der Innovation über Regionen und Sektoren hinweg – vor allem bei gewissen KMU – dürften gewisse Wachstumschancen ungenutzt lassen. Dies gilt insbesondere für traditionelle Sektoren ausserhalb der städtischen Zentren. Die Schweizer Industrie verdankt ihre Wettbewerbsfähigkeit qualifiziertem Personal und Spitzentechnologie, ähnlich wie die Niederlande, Schweden und andere Länder. Dieselben Technologien und dasselbe Know-how sind jedoch zunehmend auch in anderen führenden Regionen und Ländern der Welt zu finden. F&E-Investitionen sind hart umkämpft. Aufstrebende Volkswirtschaften sind in der globalen Wertschöpfungskette aktiver und ziehen vermehrt auch F&E- und Innovationstätigkeiten an. Bemerkenswert war in den letzten fünf Jahren etwa die Patentbilanz im Rahmen von Netzwerken in führenden Ländern wie China und Indien im Bereich der grünen Technologien.

Empfehlungen für die Stärkung der Innovationstätigkeit in Schweizer Regionen


Das Territorialexamen 2011 der OECD für die Schweiz gibt Einblicke in die Besonderheiten der Innovationstätigkeit und der Regionen in der Schweiz. − In der Schweiz existiert auf regionaler Ebene keine explizite Innovationspolitik: Die Kantone entwickeln im Rahmen ihrer Wirtschaftsförderung verschiedenste eigene Initiativen zur Unterstützung der Innovationstätigkeit. Bei diesen kantonalen Programmen bestehen jedoch Defizite bei der Sichtbarkeit und der Qualitätsmessung. Die Neue Regionalpolitik (NRP) verleiht einigen dieser Initiativen Impulse. Bereiche, in denen Schweizer Regionen eine besondere Rolle zukommt, könnten Gegenstand regionaler Innovationspolitiken sein, die auch im Rahmen der NRP unterstützt werden.− Im mehrstufigen staatlichen System sollte der Bund weiterhin eine wirksame Politik in Wissenschaft und Technologie betreiben: Er sollte sich darauf konzentrieren, wissenschaftliche Tätigkeiten, Technologietransfers und gemeinsame F&E-Projekte des öffentlichen und privaten Sektors in der ganzen Schweiz zu unterstützen. Die Innovationspolitik des Bundes und insbesondere die Instrumente der Förderagentur für Innovation des Bundes (KTI) gehen sehr gut auf die Bedürfnisse der wissenschafts- und technologiebasierten Innovatoren ein, die auch künftig ihre Zielgruppe bleiben sollten. Wissens- und Technologietransfernetzwerke (KTT) könnten dabei eine nationale Dimension erhalten und eher zu bestimmten Themen als auf regionaler Basis definiert werden.− Die regionale Innovationsförderung sollte die gesamtschweizerische ergänzen: Die Regionen sollten die Aufnahmefähigkeit der traditionelleren Unternehmen und Sektoren für neues Know-how unterstützen. Zielgruppen sollten diejenigen Sektoren sein, in denen Innovation durch «Learning by doing» und «Learning by interacting» erfolgt. Ausserdem könnten die Regionen Unternehmen unterstützen, die ohne F&E innovativ oder die bei anderen Innovationsformen aktiv sind (z.B. Organisationsinnovation), die nicht durch die KTI-Instrumente des Bundes abgedeckt werden. Um den Bedürfnissen solcher Firmen gerecht zu werden, ist Nähe noch wichtiger. Es gibt auch Fälle mit einem unnötigen Wettbewerb und fehlender Koordination zwischen Initiativen des Bundes und der Kantone, wie etwa bei Start-up-Förderungen, bei denen die Kantone dieselben Leistungen anbieten wie die KTI-Initiativen.− Die interkantonale Ebene ist für die Innovationsförderung auf regionaler Stufe am relevantesten: Aufgrund der geringen Grösse vieler Schweizer Kantone und der räumlichen Dimension von funktionalen Beziehungen im Innovationsbereich wäre eine engere interkantonale Koordination von Vorteil. In der Innovationspolitik werden wenige gemeinsame Initiativen umgesetzt. Die NRP sollte ihr Hebelpotenzial nutzen, um die interkantonale Zusammenarbeit zu fördern, indem der Anteil der Mittel für gemeinsame Programme und Projekte erhöht wird. Das Potenzial grenzüberschreitender Innovationen sollte angesichts der engen wirtschaftlichen Beziehungen gewisser Kantone mit Regionen in Nachbarländern ebenfalls besser ausgeschöpft werden. Die Koordination zur Unterstützung von Regionen mit gemeinsamen Themen – sogenannte «Funktionalregionen» – hat zwar ihren Preis. Im zunehmenden globalen Wettbewerb können die Kosten jedoch höher ausfallen, wenn auf eine Zusammenarbeit verzichtet wird.

Grafik 1: «Regional unterschiedliche Innovationsprofile»

Grafik 2: «Viele Schweizer Regionen schneiden bei den Patentanmeldungen hervorragend ab»

Kasten 1: Weiterführende Literatur

Weiterführende Literatur


– OECD (2011), Regions and Innovation Policy, OECD Publishing, Paris.- OECD (2011), OECD Territorialexamen: Schweiz, OECD Publishing, Paris. – OECD (2010a), The OECD Innovation Strategy: Getting a Head Start on Tomorrow, OECD Publishing, Paris.- OECD (2010b), Measuring Innovation: A New Perspective, OECD Publishing, Paris.- OECD (2006), OECD Reviews of Innovation Policy: Switzerland, OECD Publishing, Paris.

Zitiervorschlag: Rolf Alter, Karen Maguire, (2011). Impulse aus den Regionen für die Innovationstätigkeit der Schweiz. Die Volkswirtschaft, 01. Mai.