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Rohstoffpreisentwicklung und Wirkungen auf das Potenzialwachstum

Die jüngsten Turbulenzen auf den Rohstoffmärkten und die verschiedenen grossen Umweltkatastrophen haben das Interesse am Zusammenhang zwischen Rohstoffpreisen und volkswirtschaftlichem Wachstum massiv vergrössert. Aus Theorie, empirischen Studien und diversen langfristigen Modellprognosen geht hervor, dass der Einfluss von Energie- und Rohstoffpreisen insbesondere für die kurze bis mittlere Frist von Bedeutung ist. Langfristig können sich Marktwirtschaften an unterschiedliche Preisniveaus flexibel anpassen. Rohstoffpreise wirken auf das Potenzialwachstum vor allem indirekt über die sektorale Struktur einer Wirtschaft und die induzierte Kapitalbildung.

Auf den Rohstoffmärkten sind Angebot und Nachfrage in der kurzen Frist typischerweise wenig elastisch, was grosse Preisausschläge fördert. Langfristig ist die absolute Knappheit der natürlichen Ressourcen das dominante Thema – sofern die Wirtschaftssubjekte in der Lage sind, die Begrenzungen des natürlichen Angebots richtig vorauszusehen. Ein grundlegendes Resultat der Ressourcenökonomie besagt, dass Besitzer von nicht erneuerbaren Ressourcen einen Preisaufschlag auf die Produktionskosten erzielen und damit eine Knappheitsrente beziehen, die über die Zeit kontinuierlich wächst. Viele andere Einflussfaktoren – wie politische Institutionen und regionale Konflikte – überlagern allerdings diesen Zusammenhang stark, so dass er empirisch nur schwer nachgewiesen werden kann. Immerhin sind die Erdölpreise seit 2003 massiv gestiegen, und der Trend zeigt weiterhin nach oben. Damit müssen sich private und staatliche Entscheidungsträger auf weiterhin hohe Rohstoffpreise und in der Zukunft sogar auf noch höhere Preise einstellen.

Ressourcen und Wachstum


Die Voraussagen für Wirkungen der zunehmenden Rohstoffknappheit auf Einkommen und Wachstum waren im Laufe der letzten Jahrzehnte sehr unterschiedlich. Bekannt wurden die ersten Prognosen des Club of Rome, der für die baldige Zukunft einen wirtschaftlichen Kollaps der Weltwirtschaft voraussagte. Im Zusammenhang mit den Klimaproblemen wurde prominent darauf hingewiesen, dass die Übernutzung der natürlichen Lebensgrundlagen langfristig wirtschaftlich grosse Schäden anrichtet. Ein Weg, um diese Schäden zu verringern, ist die Verteuerung der Rohstoff- und Energiepreise durch politische Massnahmen, was in den folgenden beiden Abschnitten behandelt wird.

Empirische Ländervergleiche


Die verschiedenen Länder haben ganz unterschiedliche Energiepreise für die Endverbraucher, was sich fast zu 100% aus der unterschiedlichen Steuerbelastung erklären lässt. Es ist keineswegs so, dass Länder mit höheren Energiepreisen tiefere Wachstumsraten aufweisen. Höhere Rohstoffpreise führen nämlich dazu, dass Innovationen und Investitionen induziert werden, die für das Wachstum wichtig sind. Empirisch lässt sich deshalb feststellen, dass – zumindest für die reichen Länder – höhere Energiepreise langfristig für das Wachstum nicht schädlich sind.
Vgl. Bretschger, 2006. Es kann aus den Daten gefolgert werden, dass die Länder mit billiger Energie im Durchschnitt weniger Investitionen tätigen, was das Wachstum schwächt.

Prognosen für die Schweiz


Mit Hilfe eines grossen Simulationsmodells für die Schweizer Wirtschaft wurde der Effekt von steigenden CO2-Preisen auf das wirtschaftliche Wachstum berechnet.
Bretschger, Ramer und Schwark, 2010. Dabei ergibt sich als zentrales Resultat, dass die Schweizer Wirtschaft auch mit einer ambitionierten Energie- und Klimapolitik weiterhin wachsen kann. Sowohl der gesamte Konsum als auch die einzelnen Branchen werden bei einem deutlichen Anstieg der Energiepreise und einer Reduktion der CO2-Emissionen langfristig zunehmen. Eine Politik der Preiserhöhung für fossile Brenn- und Treibstoffe verursacht in der mittleren Frist moderate, aber nicht vernachlässigbare Kosten. Damit sind die Aussichten zwar sehr optimistisch, aber gleichwohl etwas moderater als in einer Studie für die EU,
Vgl. Jäger et al., 2011. die für eine scharfe Klimapolitik ausschliesslich Gewinne bei Wachstum und Beschäftigung prognostiziert. Es kann insgesamt gefolgert werden, dass sich über eine Erhöhung der Ressourcenpreise ein Strukturwandel ergibt, welcher den Umweltverbrauch senkt und die Innovationstätigkeit stärkt. Dadurch wird das Potenzialwachstum langfristig eher gestärkt.

Kasten 1: Literatur

Literatur


− Bretschger, Lucas (2006): Energy Prices, Growth, and the Channels in Between: Theory and Evidence, Economics Working Paper Series 06/47, ETH Zurich.− Bretschger, Lucas, Roger Ramer and Florentine Schwark (2010): Long-Run Effects of Post-Kyoto Policies: Applying a Fully Dynamic CGE model with Heterogeneous Capital, Economics Working Paper Series 10/129, ETH Zurich.− Jäger Carlo C., Leonidas Paroussos, Diana Mangalagiu, Roland Kupers, Antoine Mandel, and Joan David Tàbara (2011): Generating Prosperity and Jobs in the Low-Carbon Economy, Synthesis Report Study commissioned by the German Federal Ministry for the Environment, Nature Conservation and Nuclear Safety, Potsdam, 2011.

Zitiervorschlag: Lucas Bretschger (2011). Rohstoffpreisentwicklung und Wirkungen auf das Potenzialwachstum. Die Volkswirtschaft, 01. Juni.