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Finanzielle Allgemeinbildung an Schweizer Schulen: Braucht es eine nationale Strategie?

Gemäss der Pisa-Studie 2011 belegen die Schweizer Jugendlichen im Lesen den 11. Rang unter 34 untersuchten OECD-Staaten. Welchen Rang würden sie in einer «Financial Literacy»-Rangliste belegen? Welche Gründe sprechen dafür, Finanzkompetenz auch in der Schweiz zu fördern? Welche Zielgruppen können mit welchen Massnahmen erreicht werden? Welche Institutionen engagieren sich bereits in der Förderung von Financial Literacy in der Schweiz, und welches sind die Erfolgsfaktoren etablierter Projekte und Massnahmen? Braucht es eine nationale Strategie? Und wenn ja, welche Ziele sollten damit verfolgt werden?

Während die bei Schweizer Jugendlichen aufgedeckten Defizite in Lesekompetenz mit konkreten Massnahmen auf regionaler und nationaler Ebene erfolgreich angegangen worden sind, fehlen bei Finanzkompetenz die Grundlagen für eine Beurteilung. «Financial Literacy» wurde in der Schweiz bisher weder systematisch untersucht noch gefördert. Es gibt weder Forschungsprogramme zum Wissensstand noch systematische Evaluationen der vorhandenen Angebote oder eine nationale Strategie. Initiativen und Projekte, die sich einzelnen Aspekten von Financial Literacy annehmen, gibt es dagegen viele und von sehr unterschiedlichen Anbietern.Trotzdem: Im Vergleich zu den anderen OECD-Ländern, wo bereits vor einigen Jahren nationale Strategien entwickelt, verantwortliche Behörden gegründet und umfassende Projekte umgesetzt wurden, ist das Thema in der Schweiz vergleichsweise unbeachtet geblieben. Die Gründe dafür sind vielfältig und haben in Bezug auf Bildungsmassnahmen auch mit dem dezentralen Bildungssystem zu tun
Siehe Artikel von Michael Manz auf Seite 57f. dieser Ausgabe..Dabei ist zu sagen, dass die Förderung von Financial Literacy in der Gesellschaft nicht nur der Bildung aufgetragen werden kann. Auch der zivilgesellschaftliche und der private Sektor stehen in der Verantwortung – allen voran die Finanzindustrie –, um über «einfache Produkte» und «transparente Beratung» die Konsumentinnen und Konsumenten zu unterstützen und vor Risiken zu schützen (etwa bei Abonnementsverträgen und Leasingangeboten). Nicht zuletzt trägt auch das Elternhaus eine bedeutende Verantwortung. Denn die meisten Kinder und Jugendlichen machen ihre ersten praktischen Finanz- und Budgeterfahrungen mit dem Taschengeld, welches ihnen die Eltern anvertrauen.Im Folgenden wird der Fokus auf Initiativen und Projekte gerichtet, welche sich an Jugendliche richten und über das Bildungssystem – d. h. den Unterricht an den obligatorischen und nach-obligatorischen Schulen – an diese gelangen. Zwei Fragestellungen stehen dabei im Vordergrund:1. Welche Projekte zur Förderung von Financial Literacy gibt es im Bildungswesen, und welche Erfahrungen wurden damit gemacht?2. Besteht aus Sicht des Bildungswesens (Lehrpersonen, Lernende) der Bedarf nach einer nationalen Strategie, und falls ja, welche Leistungen müsste eine entsprechende «Koordinationsstelle» erbringen?

Die Schuldenfalle bei Jugendlichen und Angebote für Schulen zu Financial Literacy


Eine umfassende Evaluation der Finanzkompetenz von Schweizer Jugendlichen liegt nicht vor, jedoch gibt es Untersuchungen zu Fragen, die gewisse Schlüsse bezüglich Finanzkompetenz zulassen. Laut der Studie Eigenes Geld – Fremdes Geld. Jugendverschuldung in Basel-Stadt
Die gesamte Studie ist in Buchform veröffentlicht: Streuli, E., Steiner, O., Mattes, Ch., Shenton, F. (2008): Eigenes Geld und fremdes Geld – Jugendliche zwischen finanzieller Abhängigkeit und Mündigkeit, Verlag Gesowip; Siehe auch Eva Schaetti, Schuldenberatungsstelle plus-minus, Basel-Stadt. haben 20–30% der Jugendlichen Schulden; 50% mit 100 Franken und mehr. Expertinnen und Experten sehen folgende Gründe für die Verschuldung:– Fehleinschätzung der Finanzen (etwa Kredite, Kreditkarten, Zahlungsverträge sowie nachfolgende Ursachen);– Einkommenseinbussen/Erwerbslosigkeit;– Krankheit/Unfall;– Sucht (beispielsweise legale/illegale Drogen, Spielsucht);– Working Poor.Die Sanierung von Schulden erweist sich als ausserordentlich schwierig und langwierig. Zu den oft massiven materiellen Einschränkungen kommen auf die Betroffenen auch psychische Belastungen zu. Und nicht selten müssen Gläubiger oder der Staat Verluste akzeptieren, damit eine Sanierung überhaupt sinnvoll durchgeführt werden kann. Wenn sich die Betroffenen früh genug von Beratungsstellen helfen lassen, könnten ernsthafte Schwierigkeiten zwar oft abgewendet werden. Ziel muss aber sein, die Jugendlichen gar nicht erst in die Schuldenfalle schlittern zu lassen: Präventionsprojekte erhalten aus diesem Grund zurzeit breite Zustimmung.Die verbreitete Verschuldungsproblematik deutet darauf hin, dass es Jugendlichen offensichtlich an Finanzwissen fehlt. Diese fehlenden Kompetenzen werden nach dem Schulaustritt kaum noch systematisch erworben, was zu negativen Konsequenzen in mehreren wichtigen Bereichen führt: Die mangelhafte Finanzkompetenz erschwert das Einschätzen von Risiken oder nachhaltiger Vorsorge. Aus volkswirtschaftlicher Sicht fällt auch das Fehlen einer soliden Basis für erfolgreiches unternehmerisches Handeln ins Gewicht. Aus staatspolitischer Sicht muss davon ausgegangen werden, dass nötige Kompetenzen für die Entscheidfindung (beispielsweise bei Abstimmungen) ungenügend vorhanden sind. Finanzielle Bildung bereits im Jugendalter lohnt sich daher.Kinder sind früh mit Geld konfrontiert und wissen, wie der Tausch funktioniert, auch wenn sie den Wert des Geldes noch nicht abschätzen können. Auf der Sekundarstufe I (7. bis 9 Schuljahr) ist Geld ein wichtiges Thema, weil zum Beispiel Modeartikel verglichen werden. Auf der Sekundarstufe II (Berufsfachschule, Maturitätsschulen) wird das erste eigene Geld verdient und die Konsummöglichkeiten steigen. Es folgt unter anderem die eigene Wohnung, die Auseinandersetzung mit Abstimmungsvorlagen und der Steuererklärung. Kinder und Jugendliche sind mit dem Thema «Geld» in vielerlei Beziehungen konfrontiert. Trotzdem thematisieren nicht alle Lehrpläne diesen Lebensbereich explizit.Welche Kenntnisse auf welcher Stufe erworben werden sollen, wurde bisher nicht in den Bildungsplänen definiert. Die Übersicht (siehe Kasten 1

Akteure zu Financial Literacy


Stiftungen

Die Schmidheiny-Stiftung fördert unternehmerisches Denken und führt mit Schulklassen Projektwochen durch. Der Verein Jugend und Wirtschaft engagiert sich für den Dialog zwischen den Jugendlichen und der Wirtschaftswelt. Pro Juventute bietet bereits Kindern Materialien, die dem Verständnis für Geld, Sparen und Budgetieren gewidmet sind.

Verbände

Neben Nonprofit-Organisationen engagieren sich auch Verbände: Die Bankiersvereinigung organisiert für Lernende Veranstaltungen, an welchen das Bankensystem und der Bankenplatz vorgestellt werden. Der Versicherungsverband konzentriert sich in den angebotenen Lernmedien auf das Verständnis von Versicherungskonzepten und -systemen.

Unternehmen und Nationalbank

Eine dritte Gruppe von Unterrichtsmedien zu finanzieller Bildung wird von Unternehmen finanziert und angeboten. Finanzinstitute sind grundsätzlich darauf angewiesen, dass ihre (potenzielle) Kundschaft über Finanzkompetenz verfügen. Die Unterrichtsmaterialien der Schweizerischen Nationalbank und von PostFinance werden im Beitrag genauer vorgestellt.

Lernmedienverlage

In Lehrmitteln von kantonalen und privaten Verlagen wird je nach Schulstufe und -typ dem Thema Finanzbildung entsprechend Platz eingeräumt. Diese Lehrmittel orientieren sich konsequenterweise am Lehrplan des jeweiligen Schultyps. Aus Gründen der langen Entwicklungszeit enthalten die Lehrpläne i. d. R. wenig «aktuell relevante» Inhalte. Daher sind Lehrpersonen an aktuellen komplementären Lernmedien von NGOs, Verbänden und Unternehmen interessiert.

) über Aktivitäten und Motivation verschiedener Akteure zeigt, welche Schwerpunkte gesetzt werden und welche Ziele bei den Projekten im Vordergrund stehen.Die meisten Projekte und Lernangebote, die im weitesten Sinn mit finanzieller Bildung zu tun haben und sich an Schulen richten, fokussieren auf ausgewählte Aspekte. Das hängt in der Regel damit zusammen, dass die Anbieter bestimmten Zielen verpflichtet sind – wie Stiftungszweck, Kommunikationsziel.Offensichtlich ist, dass die Angebote der in Kasten 1

Akteure zu Financial Literacy


Stiftungen

Die Schmidheiny-Stiftung fördert unternehmerisches Denken und führt mit Schulklassen Projektwochen durch. Der Verein Jugend und Wirtschaft engagiert sich für den Dialog zwischen den Jugendlichen und der Wirtschaftswelt. Pro Juventute bietet bereits Kindern Materialien, die dem Verständnis für Geld, Sparen und Budgetieren gewidmet sind.

Verbände

Neben Nonprofit-Organisationen engagieren sich auch Verbände: Die Bankiersvereinigung organisiert für Lernende Veranstaltungen, an welchen das Bankensystem und der Bankenplatz vorgestellt werden. Der Versicherungsverband konzentriert sich in den angebotenen Lernmedien auf das Verständnis von Versicherungskonzepten und -systemen.

Unternehmen und Nationalbank

Eine dritte Gruppe von Unterrichtsmedien zu finanzieller Bildung wird von Unternehmen finanziert und angeboten. Finanzinstitute sind grundsätzlich darauf angewiesen, dass ihre (potenzielle) Kundschaft über Finanzkompetenz verfügen. Die Unterrichtsmaterialien der Schweizerischen Nationalbank und von PostFinance werden im Beitrag genauer vorgestellt.

Lernmedienverlage

In Lehrmitteln von kantonalen und privaten Verlagen wird je nach Schulstufe und -typ dem Thema Finanzbildung entsprechend Platz eingeräumt. Diese Lehrmittel orientieren sich konsequenterweise am Lehrplan des jeweiligen Schultyps. Aus Gründen der langen Entwicklungszeit enthalten die Lehrpläne i. d. R. wenig «aktuell relevante» Inhalte. Daher sind Lehrpersonen an aktuellen komplementären Lernmedien von NGOs, Verbänden und Unternehmen interessiert.

genannten Akteure zu Financial Literacy nicht aufeinander abgestimmt sind oder koordiniert entwickelt werden. Da keine nationale Strategie vorliegt, fehlt auch auf der inhaltlich politischen Ebene eine Absprachemöglichkeit. Das Fehlen einer nationalen Strategie und einer entsprechenden Fachstelle hat aber vor allem zur Konsequenz, dass das Thema Financial Literacy über keine Lobby bei der Lehrplanentwicklung verfügt. Auffallend ist, dass immerhin eine Vielfalt von Unterlagen im weiteren Sinn zu Financial Literacy entwickelt wurde, ohne dass die Lehrpläne oder eine nationale Fachstelle dies gefordert hätten. Die Flexibilität oben genannter Organisationen ermöglicht offenbar eine schnellere Reaktion auf gesellschaftlich relevante Themen und auf die Bedürfnisse der Zielgruppe. Anhand von Porträts der zwei prominentesten und am besten eingeführten Angebote sollen im Folgenden Erfolgsfaktoren identifiziert werden, die für die Weiterentwicklung von Massnahmen zur Verbesserung der Financial Literacy in der Schweiz von Bedeutung sind. Beide Angebote sind längerfristig ausgerichtet und für Lehrpersonen insofern verlässlich. Zudem werden bei den beiden substanziellen Angeboten keine Produkte vermarktet. Während das eine (iconomix) stärker ökonomisches Grundwissen fördert, zielt das andere (EventManager) auf konkrete Anwendungen von Finanzbildung (z.B. Budgetierung).

EventManager – ein Lernspiel zum Umgang mit Geld


Das Engagement der Schweizerischen Post und PostFinance an Schulen hat eine lange Tradition. Um als privater Anbieter erfolgreich mit Schulen und Lehrkräften zusammenzuarbeiten, sind mehrere Voraussetzungen nötig:− hohe Qualität der Lehrmittel;− Lehrmittel, die auf den Schulalltag eingehen;− grosse Sensibilität des Anbieters in Bezug auf ausgeglichene Wissensvermittlung;− eine Kontinuität des Angebots, Langfristigkeit;− genügend finanzielle Ressourcen.PostFinance und Die Schweizerische Post engagieren sich seit 1997 stark in Schweizer Schulen. Mit gedruckten Lehrmitteln des konzerneigenen Verlags PostDoc, Angeboten auf dem Internet und Führungen besteht die Möglichkeit, den vielfältigen Kompetenzen der Post zu begegnen und die entsprechenden eigenen Kompetenzen zu erwerben.Eine dieser Kompetenzen ist der Umgang mit Geld. Im modernen Online-Angebot von PostFinance konnten Schülerinnen und Schüler im Jahr 2003 erstmals den Umgang mit Geld spielerisch erlernen. Die Autorinnen und Autoren dieses Angebots waren Lehrkräfte, die mit den Bedürfnissen der Schulen vertraut waren. Dabei müssten verständlicherweise die Bedürfnisse von PostFinance zum Teil in den Hintergrund treten. Diese Zurückhaltung war für den Erfolg des Angebots von zentraler Bedeutung. Es entstand ein ausgewogenes Lehrmittel, welches von Lehrkräften zum Einsatz im Unterricht ebenso geschätzt wurde wie von Schuldenberatungsstellen als Präventionswerkzeug.Das Lernspiel EventManager (vgl. Grafik 1) löste 2009 das BudgetGame ab. Als EventManager müssen die Jugendlichen ein Indoor- oder Outdoor-Event organisieren. In interaktiven Lernclips (inklusive Videosequenzen) lernen sie den Umgang mit Geld. Dabei sind Lerninhalte in die Bereiche Budgetieren, Finanzieren und Investieren aufgeteilt. Im spielerischen Teil wird das Erlernte in die Praxis umgesetzt. Ein Event benötigt ein Budget, eine solide Finanzierung und die nötigen Investitionen für die Zukunft. Alle Entscheide müssen unter Berücksichtigung der Bedürfnisse von Besuchenden und auftretenden Künstlern getroffen werden. Dieser grossen und spannenden Herausforderung haben sich in zwei Jahren gegen 20 000 junge Event Manager gestellt.PostFinance richtet ihr Angebot aber auch an Lehrkräfte: Didaktische Zusatzmaterialien wie Lehrerkommentare, Hintergrundinformationen und ganze Unterrichtseinheiten erleichtern den Lehrpersonen die Umsetzung der zum Teil komplexen Inhalte im Unterricht. Zudem erhalten die Jugendlichen die kostenlosen Lehrmittel «Budgetiert-kapiert» aus dem PostDoc-Verlag, welche das Online-Angebot ideal ergänzen.Die zwanzig besten Gruppen, die virtuell den erfolgreichsten Event erstellt haben, werden halbjährlich von PostFinance zu einem realen Event eingeladen.

Projekt «iconomix» der Schweizerischen Nationalbank


Über die Website http://www.iconomix.ch bietet die Schweizerische Nationalbank (SNB) ein umfassendes Medienangebot an, das von Lehrpersonen auf der Sekundarstufe II eingesetzt wird (siehe Grafik 2). Zusammen mit ergänzenden Dienstleistungen (wie etwa Fortbildungskurse für Lehrpersonen) bietet iconomix das umfassendste Angebot an Lernmedien für den Wirtschaftsunterricht in der Schweiz. Lehrpersonen haben an der Entwicklung von http://www.iconomix.ch einerseits direkt mitgewirkt, andererseits werden deren Rückmeldungen und Praxiserfahrungen bei der Weiterentwicklung laufend einbezogen. Neben den Praktikern stehen hinter den Medien von iconomix auch Fachpersonen, die über aktuelles theoretisches Know-how verfügen, sowie erfahrene (Lern-)Medien-Entwickler. Auf diese Weise ist in den letzten Jahren ein breites und vielseitiges Angebot an Lernmedien entstanden, das von den Lehrpersonen im Unterricht gezielt eingesetzt werden kann und zu einem modernen Ökonomieunterricht verhilft.Finanzielle Grundbildung gehört – neben ökonomischen Grundprinzipien und aktualitätsbezogenen Lehrmitteln – zu den drei inhaltlichen Schwerpunkten von iconomix. Interessant ist dabei, dass die SNB finanzielle Grundbildung sehr breit definiert, wie Grafik 4 zeigt. Das Themenspektrum reicht weit über den Umgang mit Geld hinaus und umfasst richtigerweise unter anderem die Bereiche «Finanzanlagen, Risiko, Rendite», «Einkommen, Beruf» und «Versicherung, Altersvorsorge».Zu praktisch allen diesen Themen bietet iconomix bereits heute Lehrmittel an, und das Angebot wird laufend erweitert. So soll gemäss Angebotskatalog für das Schuljahr 2011/2012 bis Ende Jahr etwa ein Online-Quiz hinzukommen, das den Lernenden die Möglichkeit bietet, ihre finanziellen Grundkompetenzen (in einem umfassenden, stufengerechten Sinn verstanden) spielerisch zu testen.Die SNB steht mit ihrem Engagement unter den Notenbanken nicht allein da. Weltweit sind die meisten Zentralbanken in der einen oder anderen Form in der ökonomischen Grundbildung tätig. Sie verstehen ihr Engagement – genauso wie die SNB – im Dienste der Volkswirtschaft, da die breite Förderung von ökonomischer und finanzieller Kompetenz in der Bevölkerung ein besseres Funktionieren der Finanzmärkte und der Geldpolitik ermöglicht.Als Anbieterin von iconomix nutzt die SNB ihre besondere Stellung optimal, um den Schulen Lernmedien anzubieten. Sie verfügt über die nötige Expertise, ist neutral und unabhängig (weil frei von kommerziellen Interessen) und zudem dem Gesamtinteresse des Landes verpflichtet. Für Lehrpersonen ist das Vertrauen in die Anbieterin von Lernunterlagen gerade beim Thema Financial Literacy besonders wichtig (siehe Kasten 3

Porträt von iconomix


http://www.iconomix.chAnbieter: Schweizerische Nationalbank− Erschienen: Seit Ende 2007 online, laufende Weiterentwicklung und Aktualisierung− Zielgruppe: Lehrpersonen der Sekundarstufe II− Angebot: Ergänzend zu den bestehenden Lehrmitteln der Verlage bietet iconomix «Module», die über mehrere Unterrichtsstunden führen und «A-la-carte-Bausteine», die als Unterrichtssequenzen eingesetzt werden können. Darüber hinaus werden verschiedene Dienstleistungen angeboten, die Lehrpersonen beim Unterrichten mit iconomix unterstützen.− Inhalt: Der Schwerpunkt liegt auf der Vermittlung von ökonomischem Grundwissen und finanzieller Grundbildung. − Didaktisches Konzept: Die iconomix-Module verfolgen einen gemässigten konstruktivistischen Ansatz und ermöglicht den Lernenden das Erleben ökonomischer Grundprinzipien.

).

Erfolgsfaktoren von zwei Initiativen zu Financial Literacy


Sowohl EventManager wie iconomix wurden von Lehrpersonen und Schulen äusserst gut aufgenommen und geniessen eine hohe Akzeptanz. Die folgenden Erfolgsfaktoren haben dazu beigetragen: – Bei der Entwicklung wurden die Zielgruppen stark mit einbezogen. So ist gewährleistet, dass Bedürfnisse aus der Praxis einfliessen und Unterrichtstauglichkeit gegeben ist.– Die angebotenen Lernmedien werden regelmässig getestet, Feedbacks fliessen in die Weiterentwicklung ein.– Die Inhalte wurden soweit möglich auf die Lehrpläne abgestimmt, damit die Angebote bei der Realisierung von Lehrplanzielen sinnvoll eingesetzt werden können.– Verfügbarkeit im richtigen Zeitpunkt (keine Verzögerung bei Lehrplanänderungen).– Die Lernmedien-Angebote sind komplementär zu bestehenden Lehrmitteln und verweisen an geeigneter Stelle auf diese.– Eine langfristige Verankerung ist gewährleistet, so dass die Lehrpersonen auch längerfristig ihren Unterricht auf die angebotenen Medien aufbauen können.– Es wurde darauf geachtet, dass qualitative hochstehende Angebote entwickelt werden, die didaktische Vielfalt in den Unterricht bringen und für die Lernenden attraktiv sind.– Bildungsangebote von hoher Qualität, Attraktivität und Praxistauglichkeit mit dem nötigen professionellen Support für Lehrpersonen haben ihren Preis. Ein wichtiger Erfolgsfaktor ist deshalb auch ein ausreichender Mitteleinsatz.Die Entstehungswege der beiden Projekte waren aber keineswegs frei von Hürden. Denn der Föderalismus des Schweizer Bildungssystems macht es zum Beispiel schwer, allen potenziellen Nutzenden gerecht zu werden. Die je nach Stufe mehr oder weniger fehlende Verankerung des Themas in den Lehrplänen erschwert das Einbringen von Financial Literacy in den Schulalltag.

Braucht es eine nationale Strategie und Fachstelle?


Aus Sicht der Bildung hätte eine Fachstelle (unabhängig von der Form der Finanzierung) das Potenzial folgende Ziele zu erreichen. – Strategie: Entwicklung einer umfassenden nationalen Strategie zu Financial Literacy, in dessen Kern ein gemeinsames Verständnis davon stehen sollte, was in der Schweiz unter Financial Literacy zu verstehen ist (im Sinne eines allgemein anerkannten nationalen Standards).– Evidenz: Eine solche Strategie sollte evidenzbasiert sein, damit in Kenntnis der bestehenden Kompetenzdefizite und -lücken die richtigen Ansatzpunkte gewählt werden können. Voraussetzung dazu bildet die systematische Erfassung des Wissensstands in der Bevölkerung und insbesondere bei den Jugendlichen, wofür ein anerkanntes Messinstrument (im Sinne eines nationalen Standards) nötig ist.– Curriculumsentwicklung: Ansprechpartner für die Verantwortlichen in der Lehrplanentwicklung und damit Sicherung der langfristigen und nachhaltigen Verankerung in den Lehrplänen der verschiedenen Schultypen und -stufen.– Fortbildung Lehrpersonen: Koordination und Unterstützung bestehender Angebote, zum Beispiel über die Fortbildung von Lehrpersonen oder die Bekanntmachung der Angebote.– Evaluation: Evaluation der durchgeführten Massnahmen in Bezug auf deren Wirkung.Damit könnten die Angebote der verschiedenen Akteure längerfristig gestützt und deren Rolle innerhalb der Bildungslandschaft sinnvoll gestärkt werden, ohne die bestehende Dynamik zu bremsen. Denn für die Qualität und Wirkung von bereits laufenden Kampagnen und Projekten sind andere Faktoren wichtig, die nicht von einer nationalen Fachstelle gesteuert werden können oder müssen.

Fazit und Ausblick


Finanzielle Allgemeinbildung ist eine wichtige Voraussetzung für eine erfolgreiche Teilnahme am wirtschaftlichen und gesellschaftlichen Leben. Das Thema wird in den nächsten Jahren kaum an Aktualität einbüssen. Es muss deshalb in Zukunft weiter aktiv dafür gesorgt werden, dass Financial Literacy an den Schulen gezielt vermittelt wird.In der Schweiz sind dank dem entschlossenen Engagement einzelner Institutionen in den letzten Jahren Bildungsangebote und Unterrichtsmedien entstanden, die den Lehrpersonen und Lernenden geeignete und qualitativ gute Unterrichtsmedien, Beratungs- und Weiterbildungsangebote bieten. Trotz fehlender institutioneller Basis bestehen damit bereits vielfältige Initiativen.Eine nationale Strategie und eine Fachstelle müssten zum Ziel haben, die längerfristige Grundlage für eine gezielte Förderung von Financial Literacy an den Schweizer Schulen zu schaffen, sich bei der Curriculumsentwicklung einzubringen, sich bei der Fortbildung von Lehrpersonen zu engagieren und regelmässig das finanzielle Wissen der Bevölkerung zu erheben.

Grafik 1: «EventManager – Lernspiel für 14–20 Jährige»

Grafik 2: «iconomix»

Grafik 3: «Dienstleistungsportfolio»

Grafik 4: «Finanzielle Grundbildung SNB»

Kasten 1: Akteure zu Financial Literacy

Akteure zu Financial Literacy


Stiftungen

Die Schmidheiny-Stiftung fördert unternehmerisches Denken und führt mit Schulklassen Projektwochen durch. Der Verein Jugend und Wirtschaft engagiert sich für den Dialog zwischen den Jugendlichen und der Wirtschaftswelt. Pro Juventute bietet bereits Kindern Materialien, die dem Verständnis für Geld, Sparen und Budgetieren gewidmet sind.

Verbände

Neben Nonprofit-Organisationen engagieren sich auch Verbände: Die Bankiersvereinigung organisiert für Lernende Veranstaltungen, an welchen das Bankensystem und der Bankenplatz vorgestellt werden. Der Versicherungsverband konzentriert sich in den angebotenen Lernmedien auf das Verständnis von Versicherungskonzepten und -systemen.

Unternehmen und Nationalbank

Eine dritte Gruppe von Unterrichtsmedien zu finanzieller Bildung wird von Unternehmen finanziert und angeboten. Finanzinstitute sind grundsätzlich darauf angewiesen, dass ihre (potenzielle) Kundschaft über Finanzkompetenz verfügen. Die Unterrichtsmaterialien der Schweizerischen Nationalbank und von PostFinance werden im Beitrag genauer vorgestellt.

Lernmedienverlage

In Lehrmitteln von kantonalen und privaten Verlagen wird je nach Schulstufe und -typ dem Thema Finanzbildung entsprechend Platz eingeräumt. Diese Lehrmittel orientieren sich konsequenterweise am Lehrplan des jeweiligen Schultyps. Aus Gründen der langen Entwicklungszeit enthalten die Lehrpläne i. d. R. wenig «aktuell relevante» Inhalte. Daher sind Lehrpersonen an aktuellen komplementären Lernmedien von NGOs, Verbänden und Unternehmen interessiert.

Kasten 2: Porträt von EventManager

Porträt von EventManager


http://www.postfinance.ch/eventmanager − Anbieter: Die Schweizerische Post, PostFinance− Erschienen: Seit 2009 online, laufender Ausbau des Angebotes− Zielgruppe: Jugendliche der Sekundarstufen I + II− Angebot: Online Lernangebot zum Umgang mit Geld und zur Steigerung der Finanzkompetenz von Jugendlichen von 14-20 Jahren. Bei Anmeldung erhalten alle kostenlos gedruckte Lehrmittel, welche das Online-Angebot ideal ergänzen. Die Inhalte können modular zusammengestellt werden. Dauer des Grundangebots: 3 Lektionen.− Inhalt: Der Schwerpunkt liegt auf der Vermittlung von finanziellem Basiswissen und in der Vermittlung von Grundkompetenzen (z. B. Erstellen eines Budgets). − Didaktisches Konzept: EventManager verfolgt einen gemässigten konstruktivistischen Ansatz im Lernteil und einen behavioristischen Ansatz im Spielteil und ermöglicht den Lernenden Grundprinzipien im Umgang mit Geld erlebbar zu machen.

Kasten 3: Porträt von iconomix

Porträt von iconomix


http://www.iconomix.chAnbieter: Schweizerische Nationalbank− Erschienen: Seit Ende 2007 online, laufende Weiterentwicklung und Aktualisierung− Zielgruppe: Lehrpersonen der Sekundarstufe II− Angebot: Ergänzend zu den bestehenden Lehrmitteln der Verlage bietet iconomix «Module», die über mehrere Unterrichtsstunden führen und «A-la-carte-Bausteine», die als Unterrichtssequenzen eingesetzt werden können. Darüber hinaus werden verschiedene Dienstleistungen angeboten, die Lehrpersonen beim Unterrichten mit iconomix unterstützen.− Inhalt: Der Schwerpunkt liegt auf der Vermittlung von ökonomischem Grundwissen und finanzieller Grundbildung. − Didaktisches Konzept: Die iconomix-Module verfolgen einen gemässigten konstruktivistischen Ansatz und ermöglicht den Lernenden das Erleben ökonomischer Grundprinzipien.

Zitiervorschlag: Andreas Hieber, Bernhard Probst, Stephan Wuethrich, (2011). Finanzielle Allgemeinbildung an Schweizer Schulen: Braucht es eine nationale Strategie. Die Volkswirtschaft, 01. Juni.