Suche

Abo

Wirtschaftliche Entwicklungszusammenarbeit des Seco: Neue Herausforderungen

Der Bundesrat hat 2010 entschieden, wichtige mehrjährige Finanzbeschlüsse (Rahmenkredite) mit der Legislaturperiode zu harmonisieren. Deshalb werden die vier bestehenden Botschaften (humanitäre Hilfe, Osthilfe, Entwicklungshilfe und wirtschaftliche Zusammenarbeit), welche den Bereich der Entwicklungszusammenarbeit (EZA)betreffen, künftig in einer einzigen zusammengefasst. Diese wird den Zeitraum 2013–2016 abdecken und die Strategie der internationalen Zusammenarbeit der Schweiz präsentieren. Wirtschafts- und handelspolitische Massnahmen stehen mehr denn je im Zentrum. Das Staatssekretariat für Wirtschaft (Seco) will den neuen Herausforderungen mit einer gezielten Strategie begegnen, die in Einklang mit seinen Kompetenzen und mit den wirtschaftspolitischen Zielen des Bundes steht.

Die Krise hat das Wirtschaftsumfeld verändert


Seit der Verabschiedung der letzten Botschaft zur wirtschaftlichen Entwicklungszusammenarbeit aus dem Jahr 2008 hat sich der internationale Kontext – namentlich durch die Finanz- und Wirtschaftskrise – grundlegend verändert. Das Seco hat daraus die Lehren gezogen und die Tätigkeiten angepasst. Die Krise hat unter anderem gezeigt, dass eine stärkere wirtschaftliche Integration nicht nur Risiken birgt, sondern auch Chancen bietet. Risiken wie Chancen wurden gerade im internationalen Handel deutlich: Dieser wurde erstes Opfer der Rezession, wirkte später aber auch als wichtigste Treibfeder für den Aufschwung dank einer starken Nachfrage der Schwellenländer und eines dynamischen Süd-Süd-Handels.Beim Kapitalverkehr sorgten historisch niedrige Zinssätze in den entwickelten Ländern nach der Krise dafür, dass sich ein bedeutender Teil der Finanzflüsse in Richtung Schwellenländer verlagerte. Die Investitionen in den ärmsten Ländern hingegen gingen zurück, worunter die Finanzierung wichtiger Infrastrukturprojekte litt. Die globale Finanz- und Wirtschaftslage war in den letzten Jahren geprägt von volatilen Finanzflüssen, staatlichen Verschuldungskrisen, aber auch von angespannten Rohstoff- und Lebensmittelpreisen sowie einer zunehmenden Kluft zwischen den einzelnen Ländern. Aufgrund dieser Risiken ist es für die Schweiz wichtig, Strukturreformen in den Partnerländern zu unterstützen, damit diese ihre Wachstumsquellen diversifizieren können.Konkret braucht es in zahlreichen Ländern Reformen zur Steigerung der Produktivität und der Wettbewerbsfähigkeit der Wirtschaft. Nur so können diese Länder das Wachstum langfristig aufrechterhalten, Arbeitsplätze schaffen, die Armut bekämpfen und ihren Rückstand langfristig verringern. Auch wenn sich global gesehen die Staatshaushalte in den Schwellen- und Entwicklungsländern weniger ungünstig entwickelt haben als in den Industrieländern, besteht in vielen ärmeren Ländern sehr wenig politischer Spielraum für Verbesserungen. Deshalb bleibt nur die Möglichkeit, öffentliche Mittel effizienter einzusetzen.

Entwicklungsperspektiven leiden unter kurzfristigen Trends


Für die wirtschafts- und handelspolitische Zusammenarbeit des Seco zentral ist, dass die finanz- und handelspolitische Globalisierung vorangetrieben wird. Leider nimmt derzeit der Protektionismus eher zu; Ausdruck davon sind etwa die schwierigen Verhandlungen in der WTO und unilaterale Massnahmen. In den internationalen Finanz- und Wirtschaftsorganisationen haben sich die Machtzentren verschoben − im Wesentlichen zugunsten der grossen Schwellenländer der G20. Entscheidend ist hier, ob die fortschreitende Globalisierung im Rahmen allgemein verbindlicher Regeln und Normen erfolgt oder ob sich die neuen Wirtschaftspole in einem weniger geordneten und transparenten Prozess herausbilden werden. Diese Gewichtsverschiebungen beeinflussen auch Politikgestaltung und Finanzarchitektur der wirtschaftlichen Entwicklungszusammenarbeit. Damit die Schweiz im neuen Gefüge ihren Platz findet, ist der multilaterale Teil ihrer Zusammenarbeit – etwa Fragen, die in den internationalen Finanzinstitutionen (wie Weltbank und IMF) diskutiert werden – von besonders grosser Bedeutung.Die Schweiz wird sich auch künftig für die Stärkung des internationalen Ordnungsrahmens einsetzen, etwa durch die Erarbeitung von Regeln und Standards, die aus umgebungsbedingter, sozialer und finanzieller Betrachtungsweise zu nachhaltigem Wachstum und Handel beitragen. Dies wird sich insofern auf die wirtschaftliche Entwicklungszusammenarbeit auswirken, als die Entwicklungsländer in der Umsetzungsphase eines neuen Regelwerks Unterstützung benötigen werden.Ein wichtiger Teil des neuen Regelwerks betrifft die finanzielle Globalisierung. Nachdem sich die Investitionen in der Krise verlangsamten, gilt es, die Kapitalflüsse wieder zu intensivieren, damit sie ihr Potenzial als wichtige Finanzierungsquelle für die Entwicklung wahrnehmen können. Die wirtschaftliche Zusammenarbeit des Seco berücksichtigt diesen Faktor und versucht, mit der öffentliche Hilfe, die im Vergleich zu den übrigen Finanzflüssen relativ bescheiden bleiben wird, eine Hebelwirkung für die privaten Kapitalflüsse zu erzielen, beispielsweise über günstigere Rahmenbedingungen für Investitionen.Die Globalisierung ist nach wie vor geprägt von einem hohen Druck auf die natürlichen Ressourcen – und damit auf Klima und Umwelt, was langfristig Risiken birgt. Hier muss die wirtschaftliche Entwicklungszusammenarbeit darauf hinwirken, dass sie ihre Ziele im Bereich des nachhaltigen Wachstums erreicht. Dazu muss eine effizientere und wirksamere Nutzung der Ressourcen − und damit verbunden der Transfer von umwelt- und klimafreundlichen Technologien − gefördert werden. Hier setzt sich das Seco im Rahmen der wirtschaftlichen Zusammenarbeit dafür ein, dass kurzfristige Gewinne aus Bergbau- und Erdölressourcen langfristig und unter Berücksichtigung der Bedürfnisse künftiger Generationen investiert werden. Schliesslich ist aus sozialer Sicht die tiefe soziale Kluft ein wichtiger Aspekt. Die jüngsten politischen Ereignisse in Nordafrika zeigen, dass auch ein dynamisches Wirtschaftswachstum nicht automatisch mit einem Stellenwachstum einhergeht, was häufig zu Spannungen und Instabilitäten führt. Andere Analysen verdeutlichen, dass eine allzu ungleiche Einkommensverteilung Risiken und Ungleichgewichte hervorrufen kann, was bei der Finanzkrise der Fall war. Die wirtschaftliche Entwicklungszusammenarbeit hat aus diesen Ereignissen verschiedene Lehren gezogen: Dazu gehört die Erkenntnis, dass der Fokus auf einer produktiven Beschäftigung liegen muss. Ebenfalls ein wichtiges Thema in der Zusammenarbeitsstrategie des Seco ist das regionale Gefälle in Ländern mit einer teilweise ungeordneten Urbanisierung.

Wachstum gegen Armut und Ungleichheiten


Die internationale Entwicklungszusammenarbeit der Schweiz ist in zwei Bundesgesetzen geregelt: im Bundesgesetz über die internationale Entwicklungszusammenarbeit und humanitäre Hilfe sowie im Bundesgesetz über die Zusammenarbeit mit den Staaten Osteuropas. Das allgemeine Ziel dieser Gesetze besteht darin, die Armut und das Wohlstandsgefälle in einem marktwirtschaftlichen Umfeld zu reduzieren. Auf dieser Grundlage trägt das Seco mit ihrer Wirtschafts- und Handelspolitik dazu bei, dass sich die Partnerländer langfristig in die Weltwirtschaft integrieren und Rahmenbedingungen schaffen können, welche für Privatinvestitionen attraktiv sind. Über den Zugang zu den internationalen Märkten können die Partnerländer einen dynamischen Wachstumspfad beschreiten, was zur Verminderung von Armut und sozialer Ungleichheit unabdingbar ist.Wachstum allein reicht jedoch nicht. Damit möglichst viele Menschen davon profitieren können, muss Wachstum mit einer höheren produktiven Beschäftigung einhergehen. Es braucht also sowohl quantitatives Wachstum, das neue Arbeitsplätze schafft, als auch qualitatives Wachstum, das für eine höhere Arbeitsproduktivität und mehr Einkommen für einen möglichst grossen Teil der Bevölkerung sorgt. Ein wichtiger Erfolgsfaktor ist dabei die Diversifizierung der Wachstumsquellen und Schaffung wettbewerbsfähiger Märkte, insbesondere Arbeitsmärkte.

Chancen der Globalisierung nutzen…


Ziel der Wirtschafts- und Handelspolitik des Seco ist es, den Partnerländern eine Beteiligung an der Weltwirtschaft zu ermöglichen, aber auch die Wettbewerbsfähigkeit dieser Volkswirtschaften zu stärken, damit sie die Chancen der Globalisierung nutzen können. Damit dies den Partnerländern gelingt, versucht der Leistungsbereich Wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung des Seco die Wettbewerbsfähigkeit des jeweiligen Wirtschaftsstandorts zu stärken, namentlich durch die Mobilisierung in- und ausländischer Privatinvestitionen. Dieses Ziel führt unter anderem über einen verbesserten Marktzugang, eine nachhaltige Nutzung der Produktionsfaktoren (Rohstoffe, Energie, Wasser) und stabile, berechenbare Rahmenbedingungen für die Wirtschaftsakteure.Welchen Umfang an Investitionen es für ein nachhaltiges Wachstum braucht, hängt von der Rendite und den vorhandenen Rahmenbedingungen ab. Ungünstige Voraussetzungen belasten die Wettbewerbsfähigkeit einer Volkswirtschaft und betreffen im Allgemeinen folgende Punkte: − Staat: Ordnungspolitik, Transparenz und Wirksamkeit bei der Verwaltung der öffentlichen Mittel und Steuergelder, Stabilität der Finanzpolitik (Geld- und Budgetpolitik, Regulierung der Finanzmärkte).− Unternehmen: Kosten einer Geschäftstätigkeit, mikroökonomische Investitionshemmnisse (Eigentumsordnung, Informationsasymmetrien, Korruption, Besteuerung usw.), Zugang der Unternehmen zu Finanzierungen;− Nachhaltigkeit der Infrastruktur und Produktionsfaktoren (Rohstoffe, Wasser, Energie) und der Urbanisierungspolitik;− Zugang zu den internationalen Märkten für Waren und Dienstleistungen;− Förderung eines nachhaltigen Wachstums aus klimatischer und ökologischer Sicht, namentlich durch den Zugang zu «grünen» Technologien.

…und Risiken entschärfen


Die Globalisierung ist auch mit gewissen Risiken verbunden, sowohl im eigenen Land als auch weltweit. Das Seco arbeitet deshalb darauf hin, die Risiken im Zusammenhang mit der Globalisierung zu entschärfen und langfristige Investitions- und Handelsbeziehungen zu fördern. Zum Erreichen dieser Ziele versucht das Seco gemeinsam mit anderen Stellen, die internationale Finanzstabilität zu stärken und einen Regel- und Normenrahmen für den internationalen Handel aufzubauen, der ökologische und soziale Ziele berücksichtigt und eine koordinierte Eindämmung der Gefahren im Zusammenhang mit dem Klimawandel anstrebt.

Schwerpunktthemen des Seco


Zur Bewältigung dieser Herausforderungen und einer optimalen Nutzung seiner Ressourcen konzentriert sich das Seco auf fünf Schwerpunktthemen:1. Stärkung der Wirtschafts- und Finanzpolitik der Partnerländer.2. Besserer Zugang zu Infrastrukturleistungen für die Wirtschaft (Wasser, Energie, Verkehr), v.a. im städtischen Umfeld.3. Förderung der Privatwirtschaft in den Partnerländern.4. Förderung des internationalen Handels und nachhaltiger Produktionstechnologien.5. Entwicklung von Mechanismen, die zum Schutz der natürlichen Ressourcen und des Klimas beitragen und auf marktwirtschaftlichen Grundsätzen beruhen.Diese thematische Konzentration entspricht den Schlüsselkompetenzen, die dem Seco im Zusammenhang mit seinem allgemeinen Auftrag übertragen wurden. Sie steht zudem in Einklang mit den Zielen der schweizerischen Wirtschaftspolitik. Der Leistungsbereich Wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung setzt deshalb auf die Stärkung der Rahmenbedingungen als Ergebnis einer Politik, welche sich an den Grundsätzen der Marktwirtschaft orientiert und die Mechanismen der Ressourcenallokation möglichst wenig verzerrt. Entsprechend sollen die Projekte des Seco im Bereich der wirtschaftlichen Entwicklungszusammenarbeit folgende Schwächen korrigieren:− Marktversagen: Mit wirtschafts- und handelspolitischen Massnahmen lässt sich unter anderem die Gefahr mindern, dass der Markt versagt. Beispiele für solche Massnahmen sind die Bekanntmachung von guten Praktiken zur Internalisierung externer Kosten, zur Wettbewerbsregulierung oder zur Informationstransparenz.− Versagen der Rechtsbestimmungen oder der Wirtschaftspolitik:
Während ein Marktversagen relativ einheitlich definiert wird (Externalitäten und öffentliche Güter, Marktdominanz und Informationsasymmetrien), gibt es keine «lehrbuchmässige» Definition für ein politisches Versagen. Das Versagen kann sowohl das (wirtschaftliche) Ziel betreffen als auch den Umsetzungsprozess. Die Partnerländer werden darin unterstützt, ihre staatlichen Leistungen effizienter zu gestalten und ihre Steuer-, Subventions- und Reglementierungspolitik so auszurichten, dass sie möglichst wenig Verzerrungen verursacht.

Auf die Wachstumspolitik abgestimmte Entwicklungszusammenarbeit


Das Development Assistance Committee (DAC) der OECD prüft regelmässig die Entwicklungspolitik ihrer Mitglieder und die Kohärenz der wirtschafts- und handelspolitischen Massnahmen. Die im Rahmen der wirtschaftlichen Entwicklungszusammenarbeit (EZA) des Seco getroffenen Massnahmen stehen namentlich in Einklang sowohl mit den aussenpolitischen Zielen als auch mit der Aussenwirtschaftspolitik des Bundesrates (siehe Grafik 2), die hauptsächlich darauf abzielt, das Wirtschaftswachstum in der Schweiz zu stärken, indem der Zugang zum Weltmarkt verbessert wird. Die Aussenwirtschaftliche Strategie beruht auf drei Pfeilern:− Zugang zu den Aussenmärkten− Zugang zum Binnenmarkt− Einbezug weiterer Länder in die Weltwirtschaft.Die wirtschafts- und handelspolitischen Massnahmen im Rahmen der Entwicklungszusammenarbeit des Seco tragen zur Umsetzung des dritten Pfeilers dieser Strategie bei. Das langfristige Ziel der Strategie – dynamisches, nachhaltiges Wachstum in der Schweiz – steht in Einklang mit den Zielen der Gesetze zur internationalen Zusammenarbeit, da sich der Einbezug der ärmsten Partnerländer positiv auf den Wohlstand in den betroffenen Ländern und in der Schweiz auswirkt. Von der Umsetzung der Strategie profitieren deshalb beide Parteien.Das Seco engagiert sich in der Entwicklungspolitik ausserdem für eine verbesserte Abstimmung mit der Schweizer Handelspolitik. Namentlich geschieht dies durch die Berücksichtigung der Entwicklungs- und Nachhaltigkeitsziele bei multilateralen und bilateralen Verhandlungen. Diese Parallelität ist ebenfalls auf der Ebene des innenpolitischen Dialogs erkennbar. So ist die EZA des Seco kohärent mit der schweizerischen Wachstumspolitik 2008-2011, welche auf drei Säulen beruht:− Optimierung der Funktionsweise der Marktwirtschaft;− Förderung des Wirtschaftsstandorts (Zugang zu den internationalen Märkten, Reformen bei den Infrastrukturdiensten, Abbau der administrativen Hürden, Steuer- und Budgetpolitik); − Stärkung der Partizipation am Arbeitsmarkt (Mobilität, Bildung, langfristige Sicherung der Sozialwerke).Diese Ziele, insbesondere die beiden erstgenannten, decken sich mit den Prioritäten der wirtschaftlichen Entwicklungszusammenarbeit. Das Seco konzentriert sich entsprechend auf die Verbesserung der Wettbewerbs- und Marktbedingungen in den Partnerländern: Es unterstützt beispielsweise die Finanzierung zahlreicher Unternehmen oder trägt dazu bei, dass die Wirtschaftsakteure gleich lange Spiesse haben.Der wirtschaftliche Teil der nächsten Botschaft zur internationalen Entwicklungszusammenarbeit wird einen Strategierahmen vorsehen, der die aktuellen Herausforderungen in der Entwicklung aufnimmt. Er wird die bewährten Kompetenzen des Seco ins Zentrum stellen und in Einklang mit der allgemeinen Wirtschaftspolitik der Schweiz stehen.

Grafik 1: «Ziele des Seco in der Entwicklungszusammenarbeit»

Grafik 2: «Strategischer Rahmen des Bundes für die Entwicklungszusammenarbeit»

Tabelle 1: «Beispiele aus der wirtschaftlichen Zusammenarbeit des Seco»

Zitiervorschlag: Jean-Luc Bernasconi (2011). Wirtschaftliche Entwicklungszusammenarbeit des Seco: Neue Herausforderungen. Die Volkswirtschaft, 01. Juli.