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Bedeutung der internationalen Arbeitsnormen für die nachhaltige Entwicklung

In den verschiedenen Direktionen des Staatssekretariats für Wirtschaft (Seco) sind mehrere Kompetenzbereiche vertreten. So arbeiten der Leistungsbereich Wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung sowie die Direktion für Arbeit seit über zehn Jahren eng zusammen, um Synergien zwischen institutionellem Know-how und technischen Kompetenzen im Sozialbereich zu nutzen und um Projekte zu realisieren, die zur Unterstützung von nachhaltigen Unternehmen in den Schwerpunktländern der wirtschaftlichen Entwicklungszusammenarbeit dienen.
Kolumbien, Südafrika, Ghana, Vietnam, Indonesien, China und Indien. Die Förderung der internationalen Arbeitsnormen erfolgt in diesen Ländern im Rahmen von zwei speziellen Programmen: Better Work und Score.

Die internationalen Arbeitsnormen richten sich an Staaten; doch diese haben teilweise weder die erforderlichen Kapazitäten noch den politischen Willen, um deren Umsetzung zu gewährleisten. Dank der vom Seco unterstützten und von der Internationalen Arbeitsorganisation (IAO) realisierten Projekte sind die internationalen Arbeitsnormen heute in den Unternehmen etabliert. Dies gilt sowohl für Sozialpartner als auch für institutionelle Akteure. In diesem Zusammenhang hielt die damalige Bundespräsidentin Doris Leuthard 2010 in Jakarta fest. Das Engagement aller Beteiligten – d. h. der Sozialpartner, der nationalen Behörden, des Seco und der IAO – weise darauf hin, dass die Normen der IAO konkrete Folgen hätten nämlich direkte und positive Auswirkungen auf die Verbesserung der Arbeitsbedingungen durch die Sozialpartnerschaft.

Internationale Arbeitsnormen und besseren Marktzugang fördern


In den Entwicklungsländern (EL) sind Unternehmen mit einer zweifachen Herausforderung konfrontiert: Sie müssen nicht nur eine wettbewerbsfähige Produktion aufrechterhalten, sondern auch die Rechte der Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer beachten, die im jeweiligen innerstaatlichen Recht und in den fundamentalen Übereinkommen der IAO
Die acht fundamentalen Übereinkommen der IAO: Übereinkommen Nr. 87 über die Vereinigungsfreiheit und den Schutz des Vereinigungsrechtes, 1948; Übereinkommen Nr. 98 über das Vereinigungsrecht und Kollektivverhandlungen, 1949; Übereinkommen Nr. 29 gegen die Zwangsarbeit, 1930; Übereinkommen Nr. 105 über die Aufhebung von Zwangsarbeit, 1957; Übereinkommen Nr. 138 über das Mindestalter in der Beschäftigung, 1973; Übereinkommen Nr. 182 über die schlimmsten Formen der Kinderarbeit, 1999; Übereinkommen Nr. 100 über die Gleichheit des Entgelts, 1951; Übereinkommen Nr. 111 gegen die Diskriminierung (Beschäftigung und Beruf), 1958. festgehalten sind. Die von der IAO geförderten internationalen Normen werden häufig in freiwillige und private Standards sowie in Verhaltenskodizes übernommen. Ihre Einhaltung ist somit gewissermassen eine Voraussetzung für den Zugang zu den internationalen Märkten. Dieser Umstand bildet die Grundlage der Partnerschaft zwischen der IAO – einer internationalen Organisation, die aufgrund ihrer tripartiten Zusammensetzung grosse Legitimität geniesst – und dem Seco, das mit der wirtschaftlichen Zusammenarbeit und Entwicklung der Schweiz beauftragt ist. Konkret besteht diese Partnerschaft aus zwei Projekten für die wirtschaftliche Entwicklung: Better Work und Score,
Siehe http://www.betterwork.org und http://www.ilo.org/score. mit dem Ziel, nachhaltige, wettbewerbsfähige und verantwortungsbewusste Unternehmen zu fördern.

Das Programm Better Work


Das Programm Better Work entstand aus einer Partnerschaft zwischen der IAO und der International Finance Corporation. Better Work ist hauptsächlich auf die Textilbranche in den EL ausgerichtet, in der die Arbeitsstandards nachhaltig verbessert werden sollen. Die Programmstrategie beruht auf Marktanreizen. Mit der Internationalisierung der Versorgungsketten ist die soziale Verantwortung der Unternehmen zu einem bedeutenden Marketingkriterium gegenüber den Konsumentinnen und Konsumenten geworden, die für diese Fragen immer stärker sensibilisiert sind. Die privaten Unternehmen haben einen grösseren Einfluss auf die Arbeits- und Produktionsbedingungen ihrer ausländischen Zulieferer – insbesondere in den EL – und damit auch eine grössere Verantwortung. Sie legen neue Verhaltenskodizes fest und führen eine Vielzahl von Audits durch, wobei die Ergebnisse nicht immer überzeugend sind. Das Programm Better Work ermöglicht diesbezügliche Einsparungen beim zeitlichen und finanziellen Aufwand, indem ein umfassendes System für die Steuerung der Arbeitsnormen eingeführt wird. Better Work unterstützt die Regierungen bei ihren Anstrengungen, Standards der IAO in lokalen Unternehmen anzuwenden. Damit wird einerseits das Interesse der internationalen Abnehmer an diesen Unternehmen und andererseits die Schaffung von angemessenen, akzeptablen Arbeitsplätzen gefördert.Das Programm hat zwei Stossrichtungen: Zum einen die Förderung des sozialen Dialogs zwischen Regierungen, Gewerkschaften, Arbeitgebern und internationalen Abnehmern – hauptsächlich durch die Schaffung einer tripartiten Konsultativkommission und eines Abnehmerforums, die regelmässig zusammentreten. Zum anderen die Einführung von praktischen Mess- und Beratungsinstrumenten im Zusammenhang mit der Anwendung der internationalen Arbeitsnormen in den Unternehmen. Konkret umfassen diese Instrumente folgende Elemente:− ein umfassendes System für die Online-Verwaltung der Informationen – Supply Chain Tracking of Assessments and Remediation, Star –, welches Daten zu Arbeitsstandards, zur Wettbewerbsfähigkeit und zu Auswirkungen der verschiedenen Massnahmen in den Unternehmen erfasst, die am Programm teilnehmen;− eine Standardevaluation, mit der die Einhaltung der Arbeitsnormen im Verhältnis zu den fundamentalen Übereinkommen der IAO und den innerstaatlichen Rechtsvorschriften beurteilt werden kann;− Vorlagen von politischen Handlungskonzepten und von empfehlenswerten Vorgehensweisen für Unternehmen;− auf lokaler Ebene Ausbildungs- und Beratungsdienste in Unternehmen;− innovative Kommunikationsmittel, welche die Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer über ihre Rechte und Pflichten informieren.Auf diese Weise gibt Better Work den lokalen Unternehmen die Möglichkeit, den Abnehmern klare Informationen über ihre Anstrengungen zur Einhaltung der Arbeitsnormen zu liefern. Damit sichert ihnen das Programm nachhaltig Zugang zu den internationalen Märkten.

Score


Mit grundsätzlich demselben Ansatz wie Better Work fokussiert das Programm Score spezifisch auf kleine und mittlere Unternehmen (KMU) sowie auf Zulieferer. Dieses Programm wird von der Schweiz und Norwegen unterstützt und operiert in den Bereichen industrielle Fertigung und Dienstleistungen (Textilindustrie, Automobilindustrie und Tourismus). Über Branchenverbände und Arbeitgebervereinigungen ermöglicht Score die Einführung von optimalen Vorgehensweisen, mit denen Arbeitsnormen in die KMU integriert werden. Konkret wird eine integrierte Methodik angewandt, die fünf Module umfasst:− Zusammenarbeit am Arbeitsort;− Management der Produktivität und der Qualität;− Gestaltung eines gesünderen und sichereren Arbeitsumfelds;− Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter;− Steuerung der umweltbezogenen Auswirkungen der Geschäftstätigkeit von Unternehmen; dieser Punkt ist Gegenstand einer bestehenden Partnerschaft zwischen der IAO und der Organisation der Vereinten Nationen für industrielle Entwicklung (UNIDO).Indem Experten der guten Arbeitspraktiken ausgebildet werden, schafft das Programm ein Kompetenzzentrum im Bereich der sozialen Verantwortung von Unternehmen. Kennzeichnend für Score ist somit ein innovativer und integrierter Ansatz, der innerhalb von Unternehmen in Entwicklungsländern soziale, wirtschaftliche und ökologische Verbesserungen ermöglicht.

Fazit


Wettbewerbsfähigkeit und Produktivität sind nicht zwangsläufig mit einem geringeren sozialen Engagement verbunden, ganz im Gegenteil: Optimale Verfahren im Bereich der Arbeitswelt und eine Organisation, die auch den menschlichen Werten Rechnung trägt, sind gleichbedeutend mit besserer Effizienz und höheren Gewinnen der Unternehmen.Die Steigerung der Produktivität eines Unternehmens hängt nicht nur von neuen Technologien oder revolutionären Produktionsmethoden, sondern auch von einer uneingeschränkten Mitwirkung und vom Engagement aller Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter ab. Bei der Gestaltung des Warenaustausches mit dem Ausland legt die Schweiz auch grossen Wert auf ein soziales und solidarisches Engagement, wobei sie sowohl auf der Ebene der privaten Unternehmen als auch auf der Ebene der Institutionen entsprechende Massnahmen realisiert. Denn nachhaltiges Wirtschaften erfordert nicht nur einen Ausbau der wirtschaftlichen Kapazität, sondern auch eine Verbesserung der Arbeitsbedingungen, indem langfristig soziale und ökologische Beeinträchtigungen innerhalb der Unternehmen beseitigt und die Staaten bei der Umsetzung der internationalen Arbeitsnormen unterstützt werden.

Kasten 1: Durch nachhaltige Institutionen regulierter Arbeitsmarkt

Durch nachhaltige Institutionen regulierter Arbeitsmarkt


Der Ausbau der Kapazitäten der Unternehmen gehört zu den Prioritäten einer nachhaltigen Entwicklung. Trotzdem sind weitere Massnahmen und günstige Rahmenbedingungen erforderlich. Daher hat das Seco vor kurzem beschlossen, die institutionellen Kapazitäten derjenigen Länder zu unterstützen, auf welche die wirtschaftliche Entwicklungszusammenarbeit ausgerichtet ist. Dies soll ihnen ermöglichen, sich an Schwankungen des Arbeitsmarktes anzupassen und Instrumente für die Begrenzung der Risiken zu entwickeln. In diesem Zusammenhang unterstützt das Seco ein Projekt, das von der Weltbanka und der IAO gemeinsam realisiert wird: Labor markets, Job creation & Economic growth. Die politischen Entscheidungsträger der betreffenden Länder haben einen zunehmenden Bedarf nach neuen Strategien für ihren jeweiligen Arbeitsmarkt. Ein nachhaltiges Wachstum erfolgt über wirtschaftliche Regeln, in deren Rahmen die Schaffung von Arbeitsplätzen Priorität hat. Die finanzielle Stabilität muss folglich mit sozialer Stabilität einhergehen. Die Wettbewerbsfähigkeit zu erhalten ist unzureichend; um ein Wirtschaftswachstum zu ermöglichen, müssen auch Institutionen zur Verfügung stehen, die einen sozialen Dialog und Kollektivverhandlungen gewährleisten. Diese Art von Programm ist nicht nur von Bedeutung, um Arbeitslosigkeit zu verhindern, sondern auch um Anpassungen an Marktschwankungen zu erleichtern. Vor diesem Hintergrund ist eine ausgewogene Entwicklung der Arbeitsmärkte und der Beschäftigung eine wesentliche Voraussetzung für eine nachhaltige globale Wirtschaft.

a Siehe http://go.worldbank.org/1GNNDFIY50.

Zitiervorschlag: Valerie Berset Bircher, Sarah Vollenweider, (2011). Bedeutung der internationalen Arbeitsnormen für die nachhaltige Entwicklung. Die Volkswirtschaft, 01. Juli.