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Berufsbiografien von Langzeitarbeitslosen in der Schweiz

Der folgende Beitrag zeigt erste Ergebnisse eines laufenden Forschungsprojekts, das Berufsbiografien von Langzeitarbeitslosen in der Schweiz im Jahr 2002 untersucht. Dabei werden Berufsbiografien innerhalb von drei Jahren vor und nach der Langzeitarbeitslosigkeit analysiert. Das Forschungsprojekt geht folgenden Fragen nach: Wie wird man langzeitarbeitslos? Sind spezielle Verhaltensweisen bei Langzeitarbeitslosen erkennbar? Handelt es sich bei der Langzeitarbeitslosigkeit um eine einmalige Episode, oder gibt es häufig Rückfälle? Wie vielen, wem und wodurch gelingt der Wiedereinstieg in den Arbeitsmarkt? Welche Personengruppen sind einem höheren Risiko ausgesetzt und scheiden deshalb aus dem Arbeitsmarkt aus?

 

Der tiefgreifende Wandel der Arbeitswelt beeinflusst bekanntlich auch die individuellen Berufsbiografien. Für eine wachsende Zahl von Menschen wird das Berufsleben zu einer Aneinanderreihung von teilweise komplexen beruflichen Stationen mit mehr oder weniger längeren Unterbrüchen. Phasen ohne Arbeit werden häufiger; der Status wird schneller gewechselt; und die komplexen Situationen − wie etwa mehrere Jobs sowie mehrere Jobs gleichzeitig und Arbeitslosigkeit – nehmen zu. Anders formuliert: Der individuelle Lebenslauf wird immer mehr unvorhersehbar; und zumindest für einen Teil der Menschen nimmt die Prekarisierung der Arbeitsverhältnisse zu.In diesem Themenbereich angesiedelt ist das Forschungsprojekt, welches gegenwärtig vom Amt für Statistik des Kantons Tessin (Ustat) in Partnerschaft mit der Universität Genf (Prof. Gilbert Ritschard) sowie mit Unterstützung des Bundesamts für Sozialversicherungen (BSV) und der Zentralen AHV-Ausgleichsstelle in Genf durchgeführt wird. In seinem Kern greift es auf anonymisierte Längsschnittdaten der sogenannten individuellen AHV-Konten zurück, womit Analysen von individuellen Berufsverläufen möglich werden (siehe

Kasten 1

Methodischer Rahmen


Quelle der Daten

 

Zu den Aufgaben der Zentralen Ausgleichsstelle in Genf als zentrales Ausführungsorgan der Sozialversicherungen AHV/IV/EO gehört unter anderem die Bewirtschaftung einer Reihe von Zentralregistern, die mit Daten von kantonalen und privaten Kassen übermittelt werden. Zu diesen zählt auch das Register der individuellen Konten (im weiteren IK genannt), das Informationen über die Einkommen und Beitragszeiten für die Berechnung von AHV/IV Renten sammelt. Die AHV/IV Beitragspflicht beginnt für Erwerbstätige ab dem 18. Lebensjahr und für Nichterwerbstätige ab dem 21. Lebensjahr. Für Analysezwecke stehen uns die IK-Daten der Referenzperiode 1997–2007 zur Verfügung. Somit besteht die Möglichkeit, monatliche Sequenzen von 11 Jahren zu beobachten und zu analysieren. Es sind hingegen jene Personen ausgeschlossen, die in der Referenzperiode niemals Beiträge an die erste Säule einbezahlt haben.


Variablen und methodischer Ansatz

Aus dem Register wurde die Population der 25 556 Personen (in erwerbsfähigem Alter während des gesamten Zeitraums der Analyse) ausgewählt, die einmal langzeitarbeitslos waren (Beginn der Arbeitslosigkeit im Laufe des Jahres 2002). Als Langzeitarbeitslose wurden Personen ausgewählt, welche während mindestens 12 aufeinander folgenden Monaten Arbeitslosenentschädigung gemäss AVIG bezogen haben.Die IK-Datenbank enthält folgende Variablen: Geschlecht, Alter und Nationalität der Personen, Beitragsart,a wobei anhand letzterer eine Klassifikation des Erwerbsstatus erstellt wurde, die normalerweise vier Kategorien umfasst: Lohnempfänger, selbstständig erwerbende Personen (gemäss AHV/IV-Bestimmungen), Stellenlose und beruflich Inaktive. Die ersten beiden Kategorien bilden die Beschäftigten; Beschäftigte und Stellenlose zusammen bilden die Gruppe der aktiven Personen. Der Begriff «inaktiv» unterscheidet sich von jenem, welcher häufig in der öffentlichen Statistik verwendet wird. Er bezieht sich auf alle Personen, die aus verschiedenen Gründen – Inaktivität im engeren Sinne, Auslandaufenthalt/ Rückkehr ins Ausland usw. – im Schweizer Arbeitsmarkt nicht mehr beruflich aktiv sind. Zu dieser Gruppe gehören sowohl nicht registrierte Fälle wie auch obligatorisch oder freiwillig angemeldete und beruflich inaktive Personen (z.B. Studenten).Die analysierten Biografien beziehen sich auf die 36 Monate vor Beginn der Langzeitarbeitslosigkeit und erstrecken sich auf die folgenden 36 Monate nach Austritt aus der Arbeitslosigkeit. Die Biografien decken maximal einen Zeitraum von 1999-2007 ab.In den in diesem Text enthaltenen Grafiken ist die Dauer der Langzeitarbeitslosigkeit nicht aufgeführt worden, da sich das Interesse sowohl auf die vorhergehende als auch auf die folgende Erwerbsbiografie konzentriert.

a Die IK geben keine Informationen über Wohnort, Arbeitsort, Wirtschaftszweig oder Beschäftigungsgrad der Person.). Das Projekt beschäftigt sich u.a. mit der Langzeitarbeitslosigkeit, welche das Thema des vorliegenden Beitrags ist. Im Zentrum der Analyse stehen Berufsbiografien von Personen, die im Laufe des Jahres 2002 in der Schweiz langzeitarbeitslos wurden. Dies betraf rund 15% all jener Personen, welche 2002 eine neue Rahmenfrist zum Bezug der Leistungen der ALV eröffneten.
Als langzeitarbeitslos gelten hier Personen, welche über einen Zeitraum von mindestens 12 aufeinanderfolgenden Monaten Taggelder gemäss Arbeitslosenversicherungsgesetz (AVIG) ausbezahlt erhielten. Analysiert werden deren Biografien jeweils 36 Monate vor dem Beginn und 36 Monate nach dem Ende einer Episode von Langzeitarbeitslosigkeit.

Schwieriger Wiedereinstieg nach Langzeitarbeitslosigkeit


Die Jahre 2001 und 2002 waren wirtschaftlich durch ein sehr tiefes Wirtschaftswachstum, sinkende Beschäftigung und steigende Arbeitslosigkeit geprägt. Die wirtschaftliche Erholung setzte im Verlauf von 2003 ein, während die positive Wende am Arbeitsmarkt bis 2005 auf sich warten liess. Analysiert man die langzeitarbeitslosen Personen des Jahres 2002, so ist die erste sichtbare Auswirkung dieses Ereignisses ein bedeutender Verlust an Arbeitskräften. Dieses Phänomen ist in
dargestellt. In der untersuchten Zeitspanne ist ein massiver Rückgang der Erwerbsquote zu beobachten: Drei Jahre vor Beginn der Arbeitslosigkeit lag diese bei 75% und ein Jahr zuvor bei 85%. Zwei Jahre nach einer Episode von mindestens 12-monatiger Arbeitslosigkeit pendelte sich die Erwerbsquote bei ca. 60% ein. Mit anderen Worten: Etwa zwei von acht Personen, die vorher erwerbstätig oder auf Stellensuche waren, verliessen danach den Arbeitsmarkt.
Diese Bilanz könnte sich aufgrund der Rückfälle in die Arbeitslosigkeit und des daraus resultierenden Teufelskreises, der in die Langzeitarbeitslosigkeit führt und für einige der Betroffenen den Ausstieg aus der Arbeitswelt bedeutet, noch weiter verschlechtern. Der deutliche Rückgang ist vor allem auf die Abnahme der Lohnempfänger zurückzuführen: Drei Jahre vor Beginn der Langzeitarbeitslosigkeit waren 61%, und ein Jahr vorher 80% Lohnempfänger. Ein Jahr nach Ende der Langzeitarbeitslosigkeit waren es durchschnittlich 44%. Einige Personen kamen über eine selbstständige Erwerbstätigkeit aus der Langzeitarbeitslosigkeit heraus; nach Ablauf der ersten zwölf Monate lag deren Anteil relativ stabil bei ungefähr 4%.
Dass dieses Phänomen vor einer Episode lang andauernden Arbeitslosigkeit wenig Beachtung findet, hängt mit den Bestimmungen über den Anspruch auf Arbeitslosenentschädigung zusammen.Personen, die eine Arbeitslosenentschädigung erhalten und gleichzeitig erwerbstätig sind − hier als Teilarbeitslose bezeichnet − stellen eine weitere Komponente dar, die in den Monaten unmittelbar vor und nach dem Ereignis eine wichtige Rolle spielt. Der sogenannte Zwischenverdienst dürfte dabei von grosser Bedeutung sein. Bei diesem Instrument der Arbeitslosenversicherung wird ein Arbeitseinkommen, welches etwa wegen eines zu geringen Arbeitspensums unter der vollen Arbeitslosenentschädigung liegt, durch eine Kompensationszahlung aufgestockt.
Gemäss Definition gelten Personen als teilzeitarbeitslos, die solche Zahlungen von der ALV erhalten. Zwischenverdienste scheinen sowohl vor wie nach Episoden der Langzeitarbeitslosigkeit relativ häufig zu sein. Dass die Bedeutung der Teilarbeitslosigkeit innerhalb von 12 Monaten nach der Langzeitarbeitslosigkeit abnimmt, dürfte zum einen damit zusammenhängen, dass die betroffenen Personen allmählich ihren Höchstanspruch an Taggeldern ausschöpfen. Andererseits kann es auch darauf hindeuten, dass sich die betreffenden Personen in ihrer Beschäftigungsposition mit der Zeit besser behaupten können.Vom Rückgang der Erwerbsbeteiligung infolge einer länger andauernden Arbeitslosigkeit sind Männer wie Frauen betroffen, Männer allerdings etwas ausgeprägter (siehe
). Aus Grafik 2 ist ebenfalls das Risiko eines Arbeitsmarktaustritts ersichtlich, welches stark mit dem Alter der Personen zusammenhängt.
Die Altersangabe bezieht sich auf den Beginn der Arbeitslosigkeitsepisode. Ältere Personen sind von diesem Schicksal öfter betroffen. Gründe dafür sind etwa Umschulungsschwierigkeiten, geringere Flexibilität, höhere Lohnkosten oder mangelnde Bereitschaft seitens der Arbeitgeber. Die Erwerbsquote von Personen ab 55 Jahren halbiert sich mit einer Episode der Langzeitarbeitslosigkeit von rund 90% auf rund 45%.
Die Personen wurden so ausgewählt, dass sie in der beobachteten Zeitspanne in erwerbsfähigem Alter waren. Jüngeren Personen scheint der Wiedereinstieg in den Arbeitsmarkt deutlich leichter zu fallen. Allerdings haben auch 25–54-Jährige Mühe, ganz an die Situation vor der Arbeitslosigkeit anzuknüpfen, obwohl in der untersuchten Periode recht viele Personen von der Option der Selbstständigkeit Gebrauch gemacht haben. Bei den 21–24-Jährigen stieg die Erwerbsquote in den drei Jahren nach der Langzeitarbeitslosigkeit stetig an, weshalb man hier am ehesten davon ausgehen kann, dass später wieder eine Erwerbstätigkeit aufgenommen wurde.
Um Auswirkungen von Migrationsflüssen auszuschliessen, wurde die Analyse auch für die Schweizer Bevölkerung durchgeführt. Diese Resultate zeigten keine bedeutungsvollen Abweichungen von den hier präsentierten Gesamtergebnissen.

Analyse individueller Übergänge


Die weiter oben beschriebenen Veränderungen des beruflichen Status der Population vor und nach einer Dauererwerbslosigkeit sind das Ergebnis individueller Berufsbiografien mit teilweise häufigen Übergängen von einem Erwerbsstatus in den anderen. Anhand von sogenannte Transitionsmatrizen können solche Passagen identifiziert werden und nützliche Informationen über die Entstehung der oben wiedergegebenen Momentaufnahmen gewonnen werden. Aus den Daten (siehe
) geht hervor, wie die deutliche Zunahme der beruflich nicht aktiven Personen von 15% auf 43% (und die Abnahme der Erwerbsquote von 85% auf 56,6%) zustande kommt. Der Rückgang von Arbeitskräften um 28,4 Prozentpunkte ist nicht nur mit dem Ausscheiden von Erwerbstätigen aus der Arbeitswelt (7264 von 25 556 Personen) zu erklären. Vielmehr verbergen sich dahinter verschiedene Statuspassagen (siehe
): 9088 vorher erwerbstätige Personen (35,6 Prozentpunkte) werden zu beruflich Inaktiven, was teilweise dadurch aufgefangen wird, dass umgekehrt 1824 Personen, die vorher beruflich inaktiv waren, ein Jahr nachdem sie aus der Phase längerer Arbeitslosigkeit herausgefunden hatten, nun wieder erwerbstätig waren (7,1%).Gemäss
besteht eine höhere Wahrscheinlichkeit, dass Personen den Arbeitsmarkt verlassen, die bereits 12 Monate vorher beruflich inaktiv (52,5%) oder arbeitslos (46,8%) waren, als bei ehemaligen Lohnempfängern (41,7%). Von den 56,6% welche 12 Monate nach einer Langzeitarbeitslosigkeit zur Erwerbsbevölkerung gehörten, waren 50,5% Lohnempfänger, 3,9% Selbständigerwerbende und 2,2% weiterhin stellensuchend. Personen, welche vor der Langzeitarbeitslosigkeit selbständig waren, waren zu 13,1% auch ein Jahr nach der Langzeitarbeitslosigkeit wieder bzw. weiterhin selbständig erwerbstätig. Auch ehemalige Lohnempfänger (4,2%), ehemalige Stellenlose (3,2%) sowie Personen, die beruflich inaktiv waren (2,1%) nahmen zum Teil später eine selbständige Erwerbstätigkeit auf, wobei vor allem Männer von dieser Möglichkeit gebrauch machten.
5,4% der Männer üben 12 Monate nachdem sie langzeitarbeitslos waren eine selbstständige Tätigkeit aus, während es bei den Frauen nur 2,2% sind. Diese Variante kommt praktisch nur für Frauen in Frage, die in den 12 Monaten vorher Lohnempfängerinnen oder bereits Selbstständigerwerbende waren. Neun von zehn Personen, die nach einer Langzeitarbeitslosigkeit selbständig erwerbstätig waren, waren zuvor Lohnempfänger. Nur die Hälfte der Lohnempfänger und der beruflich inaktiven Personen befanden sich 12 Monate nach der Episode der Arbeitslosigkeit wieder in der gleichen beruflichen (oder nicht beruflichen) Situation wie 12 Monate zuvor. Dies zeigt, dass die Mobilität insgesamt stark ausgeprägt ist. Die wichtigsten Statuspassagen fanden beim Übergang vom Lohnempfänger zur beruflich inaktiven Person statt: Von den knapp 21 000 Personen, die 12 Monate bevor sie arbeitslos wurden noch zur Gruppe der Lohnempfänger gehörten, waren 12 Monate danach 8676 beruflich inaktiv. Demgegenüber fanden 1674 der vorher beruflich inaktiven Personen den Weg wieder zurück in eine unselbstständige Erwerbstätigkeit. Allerdings ist der Übergang in den neuen Status 12 Monate nach dem Ende einer Episode der Arbeitslosigkeit alles andere als endgültig. Analysiert man die Entwicklung im Zeitraum von 12-36 Monaten nach Ende der Arbeitslosigkeit genauer, wird deutlich, dass 32% der Personen weiterhin mobil sind oder im Vergleich zu 24 Monaten vorher ihren Status erneut gewechselt haben. Wenn man die Statuspassagen von beruflich aktiven und inaktiven Personen miteinander vergleicht, dann ergibt sich ein Übergangssaldo zu Gunsten der ersten Gruppe. Das bedeutet, dass die deutliche Abnahme an Arbeitskräften mit der Zeit teilweise noch kompensiert werden kann (die Erwerbsquote steigt von 56,6% auf 60,7%) − allerdings weniger durch eine Zunahme der Beschäftigung als durch Wiedereintritte in die Arbeitslosigkeit.
Den 2115 Eintritten in die Arbeitslosigkeit (1665 Lohnempfänger, 13 selbstständig erwerbende Personen, 69 Stellenlose und 368 vorher beruflich inaktive Personen) stehen 559 Austritte gegenüber.

Einzelereignis oder Rückfallgefahr?


Drei Fünftel der Personen (62,4%) waren in den drei Jahren bevor sie langzeitarbeitslos wurden nie stellenlos. Auch wenn man die Personen vernachlässigt, die sich schon längere Zeit am Rande des Arbeitsmarktes befanden,
Bei Rückfällen handelt es sich hier um Personen, die in mindestens 24 von 36 Monaten beruflich inaktiv waren. ändert sich das Bild nicht wesentlich (siehe
): 58,8% der Personen waren in den drei Jahren bevor sie ihre Arbeitsstelle verloren nie arbeitslos; 27% der Personen waren in diesem Zeitraum einmal, 9,6% zweimal, 3,2% dreimal arbeitslos; die restlichen 1,4% Personen waren viermal oder mehr (bis zu dreizehnmal) arbeitslos. Bei zwei von fünf Langzeitarbeitslosen handelte es sich um einen Rückfall. Dieses Ergebnis ist unabhängig von Geschlecht und Altersklasse gültig.In 70% der Fälle kommt es in den drei Berufsjahren nach der Episode der Langzeitarbeitslosigkeit zu keiner erneuten Arbeitslosigkeit. Wenn man auch hier jene Fälle vernachlässigt, die in den drei Jahren nach ihrer Arbeitslosigkeit wenigstens zwei Jahre lang keine Tätigkeit mehr ausgeübt haben, so sinkt dieser Anteil auf 55,2%.
Wie schon erwähnt, als Folge des bedeutsamen Phänomens des Ausscheidens aus der Arbeitswelt nach einer Episode lang andauernden Arbeitslosigkeit. In 31,7% der Fälle kommt es in den drei folgenden Jahren einmal zu einem Rückfall, in 9,3% zweimal, in 2,7% dreimal und in den restlichen 1,1% viermal oder mehr. Rückfälle sind demnach hier als Phänomen nicht zu übersehen; sie sind etwa Folge eines niedrigen Qualifikationsprofils oder der schwerwiegenden Hypothek der Langzeitarbeitslosigkeit in den Augen der Arbeitgeber und/oder des geringen Erfolgs der Massnahmen, die zur Wiedereingliederung durchgeführt wurden. In Bezug auf Geschlecht und Alterklasse passt nur die Gruppe der jungen Männer (Altersklasse 21–24 Jahre) nicht in das soeben beschriebene Bild, da bei ihnen die Rückfälle im Vergleich zur aktiven Bevölkerung nach der Episode der Arbeitslosigkeit überdurchschnittlich hoch (51,8%) ausfallen. Bei 35,7% gibt es einen Rückfall, bei 11,6% zwei,
Bei Frauen und Männern in höherem Alter entspricht die Zusammensetzung in etwa dem allgemeinen Bild nach Abzug des recht grossen Anteils an Austritten aus dem Arbeitsmarkt. bei 3,1 drei und bei 1,5% vier oder mehr.

Schlussfolgerung


Durch die hier verwendeten Längsschnittdaten wird das potenzielle Analysefeld des Arbeitsmarktes dahingehend erweitert, dass es möglich wird, einen weiten Bogen vom Ausschluss aus der Arbeitswelt bis hin zur Wiedereingliederung zu spannen. Es geht dabei um ein Potenzial, das wir in nächster Zukunft nutzen wollen − und zwar durch eine Ausweitung der beobachteten Bevölkerung; durch die Verbindung der Datenbanken der Arbeitslosenversicherung und des Registers der individuellen Konten, die zusätzliche Informationen zur Arbeitslosigkeit liefern sowie durch andere administrative Datenbanken, mit deren Hilfe sich etwa die Übergänge zwischen Schule und Arbeitswelt oder das Schicksal von ausgesteuerten Personen erfassen und analysieren lassen.

 

 

 

 

 

Kasten 1: Methodischer Rahmen

Methodischer Rahmen


Quelle der Daten

Zu den Aufgaben der Zentralen Ausgleichsstelle in Genf als zentrales Ausführungsorgan der Sozialversicherungen AHV/IV/EO gehört unter anderem die Bewirtschaftung einer Reihe von Zentralregistern, die mit Daten von kantonalen und privaten Kassen übermittelt werden. Zu diesen zählt auch das Register der individuellen Konten (im weiteren IK genannt), das Informationen über die Einkommen und Beitragszeiten für die Berechnung von AHV/IV Renten sammelt. Die AHV/IV Beitragspflicht beginnt für Erwerbstätige ab dem 18. Lebensjahr und für Nichterwerbstätige ab dem 21. Lebensjahr. Für Analysezwecke stehen uns die IK-Daten der Referenzperiode 1997–2007 zur Verfügung. Somit besteht die Möglichkeit, monatliche Sequenzen von 11 Jahren zu beobachten und zu analysieren. Es sind hingegen jene Personen ausgeschlossen, die in der Referenzperiode niemals Beiträge an die erste Säule einbezahlt haben.

Variablen und methodischer Ansatz

Aus dem Register wurde die Population der 25 556 Personen (in erwerbsfähigem Alter während des gesamten Zeitraums der Analyse) ausgewählt, die einmal langzeitarbeitslos waren (Beginn der Arbeitslosigkeit im Laufe des Jahres 2002). Als Langzeitarbeitslose wurden Personen ausgewählt, welche während mindestens 12 aufeinander folgenden Monaten Arbeitslosenentschädigung gemäss AVIG bezogen haben.Die IK-Datenbank enthält folgende Variablen: Geschlecht, Alter und Nationalität der Personen, Beitragsart,a wobei anhand letzterer eine Klassifikation des Erwerbsstatus erstellt wurde, die normalerweise vier Kategorien umfasst: Lohnempfänger, selbstständig erwerbende Personen (gemäss AHV/IV-Bestimmungen), Stellenlose und beruflich Inaktive. Die ersten beiden Kategorien bilden die Beschäftigten; Beschäftigte und Stellenlose zusammen bilden die Gruppe der aktiven Personen. Der Begriff «inaktiv» unterscheidet sich von jenem, welcher häufig in der öffentlichen Statistik verwendet wird. Er bezieht sich auf alle Personen, die aus verschiedenen Gründen – Inaktivität im engeren Sinne, Auslandaufenthalt/ Rückkehr ins Ausland usw. – im Schweizer Arbeitsmarkt nicht mehr beruflich aktiv sind. Zu dieser Gruppe gehören sowohl nicht registrierte Fälle wie auch obligatorisch oder freiwillig angemeldete und beruflich inaktive Personen (z.B. Studenten).Die analysierten Biografien beziehen sich auf die 36 Monate vor Beginn der Langzeitarbeitslosigkeit und erstrecken sich auf die folgenden 36 Monate nach Austritt aus der Arbeitslosigkeit. Die Biografien decken maximal einen Zeitraum von 1999-2007 ab.In den in diesem Text enthaltenen Grafiken ist die Dauer der Langzeitarbeitslosigkeit nicht aufgeführt worden, da sich das Interesse sowohl auf die vorhergehende als auch auf die folgende Erwerbsbiografie konzentriert.

a Die IK geben keine Informationen über Wohnort, Arbeitsort, Wirtschaftszweig oder Beschäftigungsgrad der Person.

Zitiervorschlag: Maurizio Bigotta, Gilbert Ritschard, Eric Stephani, Fabio B. Losa, (2011). Berufsbiografien von Langzeitarbeitslosen in der Schweiz. Die Volkswirtschaft, 01. Juli.