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Von der sozialen zur volkswirtschaftlichen Verantwortung: Wie die Finanzmarktkrise die Reputationsdynamik verändert

Die Finanzmarktkrise von 2008 und die späteren Folgekrisen haben die Reputationsdynamik fundamental verändert. Dies zeigen Befunde eines Messinstruments zur Erfassung langfristiger Reputationsentwicklungen: Zum einen haben die Ereignisse die Reputationsschere zwischen Real- und Finanzwirtschaft geöffnet. Zum anderen verschaffen sie dem Deutungsmuster der «volkswirtschaftlichen Verantwortung» massiven Auftrieb. Erwartet wird von den Unternehmen in verstärktem Mass die Übernahme einer gesamtgesellschaftlichen Verantwortung, die glaubwürdig mit der Kernkompetenz des jeweiligen Unternehmens verbunden ist.

 

Die Finanzmarktkrise von 2008, die globale Wirtschaftskrise und die Schuldenkrise danach haben den Terminus der Reputation zu einem zentralen Begriff der öffentlichen Debatte erhoben. Seit dem Reputationsgau von «Wallstreet-Banken», einzelnen Versicherungsunternehmen, Ratingagenturen, Aufsichtsbehörden und ganzer Volkswirtschaften ist ein regelrechter Boom um den Begriff festzustellen – medial, im wissenschaftlichen Fachdiskurs, aber auch in der Beratungspraxis.Tatsächlich erfüllt Reputation für die Wirtschaft und Gesellschaft fundamentale Funktionen. Von zentraler Bedeutung ist insbesondere, dass Reputation das Ausmass der gesellschaftlichen Kontrolle bestimmt: Je angeschlagener die Reputation von gesellschaftlich relevanten Institutionen, Organisationen und Personen ist, desto mehr müssen rechtlich einklagbare, formalisierte Regulationen dieses Reputationsvakuum ausgleichen, und desto mehr müssen staatliche Organe Überwachungsfunktionen übernehmen. Es erstaunt deshalb nicht, dass sämtliche grossen Regulationsschübe der neueren Wirtschaftsgeschichte durch einschneidende Reputationskrisen verursacht wurden. So sind beispielsweise der Sarbanes-Oxley Act und die Regulationsflut auf den Linien der Corporate Governance ohne die grossen Bilanzfälschungsskandale und die Managementexzesse um die Jahrtausendwende nicht zu erklären. In erster Linie hat die Finanzmarktkrise eine Fülle neuer Regulationsaktivitäten ausgelöst. Reputation wirkt aber nicht nur gesellschaftlich; sie übernimmt auch unmittelbar betriebswirtschaftliche Funktionen. Eine positive Reputation dient etwa als Markteintrittsbarriere für neue Wettbewerber; sie erleichtert die Kundenbindung und die Rekrutierung fähiger Mitarbeiter; sie erhöht aber auch die Zufriedenheit und Motivation der Angestellten und erleichtert den Zugang zum Kapitalmarkt.Trotz ihrer zentralen Bedeutung ist bei vielen öffentlichen Akteuren ein nur mangelhaftes Verständnis von Reputation festzustellen. So etwa darüber, wo und über welche zentralen Dimensionen Reputation entsteht und zerfällt (vgl. Kasten 1

Reputationsdimensionen


Reputation setzt sich stets aus drei Komponenten zusammen, egal aus welcher Sphäre – Politik, Wirtschaft, Wissenschaft etc. – der Reputationsträger stammt: Die funktionale Reputation misst, wie gut eine Organisation dem Zweck dient, für den sie geschaffen wurde. Reputation ist in dieser Dimension ein Indikator für Erfolg, Fachkompetenz und plausibles Handeln entlang dem Organisationszweck. Die soziale Reputation unterliegt gesamtgesellschaftlichen Bewertungsmassstäben. Reputation wird in dieser Dimension zum Indikator für rechtlich und moralisch korrektes Verhalten.Bei der expressiven Reputation interessiert, wie überzeugend, attraktiv und authentisch das spezifische Profil eines Akteurs erscheint.

). Beim Reputationsmanagement der Unternehmen, Behörden und anderer Akteure des öffentlichen Lebens wird immer noch zu stark auf das Bauchgefühl abgestellt. Insbesondere fehlen Instrumente, um langfristige Reputationsdynamiken valide zu erfassen, auf die das Reputationsmanagement zum Vorteil der Organisation abgestellt werden kann. Auf diesen Schwachpunkt reagiert dieser Beitrag mit einem Reputationsansatz, der die langfristig gewachsenen Reputationsdynamiken ins Zentrum stellt. Das verwendete Verfahren zeigt, dass die Finanzmarktkrise und die krisenhaften Beben danach die Reputationsdynamik fundamental verändert haben.

Das Wo, Wie und Was des Reputationsmanagements


1. Das Wo: Reputation ist unmittelbar mit der öffentlichen Kommunikation verbunden. Reputation entsteht und zerfällt überall dort, wo Informationen über die Vertrauenswürdigkeit eines Akteurs in Arenen öffentlicher Kommunikation zirkulieren, sei dies in traditionellen Massenmedien oder den neuen Medien im Internet. Messinstrumente zur Erfassung relevanter Reputationsdynamiken müssen deshalb prioritär auf die Untersuchung der öffentlichen Kommunikation abstellen. Die medial hergestellte Öffentlichkeit ist auch der Ort, wo mit geeigneten Massnahmen agiert werden muss, bevor sich allenfalls schädliche öffentliche Meinungsdynamiken fest in den Köpfen relevanter Bezugsgruppen abgelagert haben.2. Das Was: Reputationsmanagement ist kein Beauty-Contest. Vielmehr geht es darum, die Glaubwürdigkeit des eigenen Organisationsprofils zu erhalten und alles zu unterlassen, was die Authentizität des eigenen Profils unterminiert. Vorbildliches Reputationsmanagement kann deshalb bedeuten, öffentliche Kritik dann bewusst in Kauf zu nehmen, wenn die öffentlichen Erwartungshaltungen und Trends in Widerspruch zum inneren Wesenskern und zum Werdegang der Organisation stehen.3. Das Wie: Reputationspflege erfordert eine langfristige Perspektive. Nichts schadet der Reputation eines Akteurs mehr, als in inflationärer Weise rasch wechselnden, kurzlebigen Trends nachzueilen. Reputationsmanagement bedeutet, die wirklich entscheidenden, langfristig gewachsenen Reputationsdynamiken valide zu erfassen und diese in authentischer Weise mit dem eigenen Organisationsprofil in Einklang zu bringen. Fehlen geeignete Instrumente, um den langfristigen Wandel relevanter Reputationsdynamiken zu modellieren, läuft das Steuern der Reputation Gefahr, zentrale Trends zu übersehen oder falsch zu gewichten.An diesem Punkt setzt ein neuartiges Verfahren zur Erfassung langfristiger, sogenannt sedimentierter Reputationsdynamiken an (vgl. Kasten 2

MRRI / Sedimentierte Reputation


Der Memorizing Resonance-ReputationIndex (MRRI) dient der Modellierung der historisch gewachsenen, im öffentlichen Gedächtnis verankerten Reputation. Das von der Firma commsLAB in Zusammenarbeit mit dem fög / Universität Zürich entwickelte Verfahren erlaubt die Darstellung von langfristigen, sedimentierten Reputationsentwicklungen.Der MRRI trägt dem Umstand Rechnung, dass langfristig vor allem resonanzstarke Schlüsselereignisse (wie die Finanzmarktkrise) die Reputationsdynamik bestimmen. Er basiert auf der Verrechnung der relevanten Medienresonanz mit den sich daraus ergebenden Bewertungseffekten. Die MRRI-Verrechnung erfolgt über die Zeit und berücksichtigt – auf Tages- oder Wochenbasis – die Werte der Vorperioden jeweils unter Einschluss einer Vergessensrate. Der MRRI ist eingepasst in eine Skala von +100 (ausschliesslich positive Resonanz) bis –100 (ausschliesslich negative Resonanz).

). Das Verfahren dient der Modellierung der historisch gewachsenen, im öffentlichen Gedächtnis verankerten Wahrnehmung eines Unternehmens oder anderer, in der Öffentlichkeit stehender Akteure. Die angewandte Methodik folgt der Einsicht, dass die Reputation eines Akteurs nicht nur durch aktuelle Ereignisse definiert wird, sondern immer auch zu einem gewissen Grad und für eine bestimmte Zeit durch vergangene Ereignisse, die für öffentliche Aufmerksamkeit gesorgt haben.Um genau solche, resonanzstarke Schlüsselereignisse handelt es sich bei der Finanzmarktkrise und den Folgekrisen. Deren Langzeit-Reputationseffekte werden auf der Basis des skizzierten Messverfahrens im Folgenden vorgestellt und diskutiert. Untersucht wurde die reputationsrelevante Berichterstattung aller SMI-Unternehmen seit 2008 in zentralen Schweizer Leitmedien. Dabei zeigt sich erstens, dass die dem Finanzsektor zugeordneten SMI-Unternehmen (vgl. Grafik 1) – entgegen ihrer effektiven Börsenkapitalisierung – die Reputationsdynamik bis heute massgeblich beeinflussen. Zweitens lässt sich erkennen, dass die soziale Reputationsdimension über das Deutungsmuster der «volkswirtschaftlichen Verantwortung» massiv an Bedeutung gewonnen hat.

Überformung der Reputationsdynamik durch die Finanzwirtschaft


Grafik 2 vergleicht die sedimentierte Reputationsentwicklung der SMI-Unternehmen der Realwirtschaft (blaue Kurve) mit derjenigen der Finanzwirtschaft (orange Kurve). Gleichzeitig wird die jeweils zuordenbare mediale Resonanz anteilmässig nach Realwirtschaft (blaue Fläche) und Finanzwirtschaft (orange Fläche) aufgeteilt. Integriert ist ausserdem der Börsenverlauf des SMI, also des bedeutendsten Aktienindexes der Schweiz (grüne Kurve).Die Finanzmarktkrise – Schlüsselereignisse sind Bear Stearns, Lehman Brothers, UBS-Krise – verändert die Reputationsdynamik im Schweizer Meinungsmarkt fundamental. Die Finanzdienstleistungsbranche wird für die Krisendynamik verantwortlich gemacht. Skandalisiert werden kurzfristiges Shareholder Value-Denken, kurzfristige Geschäftsmodelle, unverantwortliche Risikopolitiken sowie die Dominanz von derivativen Finanzprodukten, an deren ökonomische Potenz man im sprichwörtlichen Sinne «glauben» musste. Insgesamt öffnet die Finanzmarktkrise die Reputationsschere zwischen Real- und Finanzwirtschaft respektive zwischen Werk- und Finanzplatz. Eine Schere, die sich bis heute nicht geschlossen hat. Die Reputation der SMI-Unternehmen im Bereich Finanzwirtschaft erreicht am 26. Februar 2009 ihren Tiefstwert von rund –40; rund zwei Wochen früher als der SMI (Tiefststand am 9. März 2009 mit 4307,70 Punkten). Zum genannten Zeitpunkt beträgt die sedimentierte Medienresonanz zur Finanzwirtschaft 74% gegenüber nur 26% im Bereich Realwirtschaft. Diese massive Überformung der kollektiven Wahrnehmung durch die Finanzbranche hält bis heute – also auch nach weitgehenden Überwindung der Krise – an. Dies bleibt nicht ohne Auswirkungen: Die Finanzwirtschaft bestimmt seit Ausbruch der Finanzmarktkrise massgeblich die grundsätzlichen Erwartungen der Öffentlichkeit sowie von Analysten und Investoren gegenüber der künftigen gesamtwirtschaftlichen Prosperität. Entgegen ihrer effektiven Börsenkapitalisierung bildet die Reputationsentwicklung der Finanzbranche denn auch einen wesentlichen Indikator für die Performance des hier abgebildeten SMI. Es zeigt sich, dass die Reputationsdynamik der Finanzbranche in hoch signifikanter Weise mit dem Börsenkurs der SMI-Unternehmen korreliert. Wie zu zeigen sein wird, beschränkt sich diese Bedeutung nicht nur auf ökonomische (funktionale) Aspekte, sondern greift zunehmend auch in gesellschaftlichen (sozialen) Kontexten (vgl. Kasten 1

Reputationsdimensionen


Reputation setzt sich stets aus drei Komponenten zusammen, egal aus welcher Sphäre – Politik, Wirtschaft, Wissenschaft etc. – der Reputationsträger stammt: Die funktionale Reputation misst, wie gut eine Organisation dem Zweck dient, für den sie geschaffen wurde. Reputation ist in dieser Dimension ein Indikator für Erfolg, Fachkompetenz und plausibles Handeln entlang dem Organisationszweck. Die soziale Reputation unterliegt gesamtgesellschaftlichen Bewertungsmassstäben. Reputation wird in dieser Dimension zum Indikator für rechtlich und moralisch korrektes Verhalten.Bei der expressiven Reputation interessiert, wie überzeugend, attraktiv und authentisch das spezifische Profil eines Akteurs erscheint.

).

Von der sozialen zur volkswirtschaftlichen Verantwortung


Grafik 3 vergleicht die soziale Reputationsentwicklung der SMI-Unternehmen (orange Kurve) mit der funktionalen (blaue Kurve). Gleichzeitig wird die jeweils zuordbare mediale Berichterstattung anteilmässig nach sozialer (orange Fläche) und funktionaler Resonanz (blaue Fläche) aufgeteilt. Abgebildet ist wiederum der Börsenverlauf des SMI (grüne Kurve).Am 14. Juni 2010 erreicht die soziale Reputation der im SMI zusammengefassten Unternehmen mit einem Wert von -66 ihren absoluten Tiefststand. Im gleichen Zeitraum klettert das soziale Aufmerksamkeitsvolumen auf den Rekordwert von 37% der gesamten erfassten Beitragsmenge (=Resonanz). Dies entspricht einer Berichterstattungszunahme von über 260% gegenüber dem Tiefstwert im Mai 2008. Dass diese Zunahme massgeblich auf die SMI-Unternehmen der Finanzbranche zurückzuführen ist, zeigt Grafik 4: So beträgt am Ende des Untersuchungszeitraums (30. April 2011) der soziale Berichterstattungsanteil für SMI-Unternehmen der Finanzbranche satte 41%, während er für die Unternehmen der Realwirtschaft mit 19% deutlich geringer ausfällt.Es zeigt sich somit, dass der soziale Resonanzanteil – also jene Berichterstattung, in der die Unternehmen in gesellschaftlichen, moralischen oder politisch-regulatorischen Zusammenhängen thematisiert werden – ab Mitte 2008 sukzessive und ab 2010 markant an Bedeutung gewinnt.Die soziale Reputationsdimension legt aber nicht nur quantitativ zu, sie wird auch inhaltlich einem fundamentalen Bedeutungswandel ausgesetzt. Vor dem Hintergrund der Perspektive, dass die Finanzmarktkrise die nationalen Volkswirtschaften an den Rand des Ruins geführt hat – etwa Island und Irland –, steigt der Erwartungsdruck nicht nur an die Banken, sondern an die Unternehmen generell, volkswirtschaftliche Verantwortung zu übernehmen. Die soziale Verantwortung wird also in eine Richtung rekodiert, wonach die erste soziale Verantwortung der Unternehmen darin besteht, ihren jeweiligen Wirtschaftsstandorten zu dienen respektive diese vor Schaden zu bewahren. Diese Erwartungshaltung lässt sich auch daran ablesen, dass Indikatoren wie Steuerleistung, Dividendenzahlungen oder Aktienpreisentwicklungen − also Leistungsindikatoren, von denen die jeweiligen Wirtschaftsstandorte, aber auch gesamtgesellschaftliche Einrichtungen wie Vorsorgeeinrichtungen profitieren − als Reputationstreiber markant an Bedeutung gewinnen. Gleichzeitig wird mit dem Begriff der volkswirtschaftlichen Verantwortung die soziale Verantwortung in eine Richtung umgedeutet, wonach diese zwingend mit der ökonomischen Kompetenz verbunden sein muss, um glaubwürdig zu erscheinen. Es geht nicht darum, irgendwie karitativ oder gemeinnützig zu wirken, sondern die eigene ökonomische Leitungsfähigkeit und Kompetenz zum Wohl prioritär der nationalen Volkswirtschaft, aber auch jener Länder einzusetzen, die dem Unternehmen Gastrecht gewähren. Dass die soziale Reputationsdimension – verstanden als volkswirtschaftliche Verantwortung – nicht nur nice-to-have ist, sondern auch die ökonomischen Zukunftserwartungen sehr direkt beeinflusst, wird daran deutlich, dass die SMI-Entwicklung von der positiven funktionalen Reputationsdynamik ab Mitte 2010 kaum profitieren kann. Grund ist die soziale Reputationsentwicklung, die deshalb im stark negativen Bereich verläuft, weil volkswirtschaftliche Erwartungen namentlich durch die Bankenbranche in der öffentlichen Wahrnehmung zu wenig bedient werden und durch regulatorische Diskurse überformt sind.

Fazit


Das diesem Beitrag zugrundeliegende Instrument zur Erfassung langfristiger Kommunikationsdynamiken zeigt, dass die Finanzmarktkrise von 2008 und die krisenhaften Folgebeben danach die Reputationsdynamik grundsätzlich verändert haben. Die für Unternehmen zentrale, an ökonomischen Leistungskriterien orientierte funktionale Reputation verliert als Folge der Finanzmarktkrise sukzessive an Gewicht – und zwar zugunsten von umfassenderen, gesellschaftlichen Erwartungen. Gesamtgesellschaftliche Erwartungshaltungen werden in sämtlichen Wirtschaftszweigen zum zentralen Reputationstreiber. Allerdings unterliegen sie derzeit noch einer wesentlich fremdbestimmten Wahrnehmung. Im sozialen Kontext bestimmen vor allem politische und regulatorische Akteure die Reputationsdynamik. Kaum einem Unternehmen gelingt es bislang, hier zu punkten und vom volkwirtschaftlichen Revival zu profitieren. Eine Ausnahme bildet die Schweizer Uhrenindustrie, der es nach der schweren Krise der 1970er- und 1980er-Jahre gelungen ist, ihre internationale Geschäftstätigkeit nachhaltig mit nationalen und volkswirtschaftlichen Interessen zu verbinden. Die meisten anderen Wirtschaftszweige bleiben dagegen in ihrer sozial-volkswirtschaftlichen Reputationsentwicklung limitiert. Erforderlich sind somit seitens der Unternehmen eine deutliche Verstärkung gesamtgesellschaftlicher Aktivitäten und eine selbstbestimmtere Beeinflussung der sozialen Reputationsdimension. Diese aktive Beeinflussung und damit die Wiedererlangung einer grösseren Handlungsfreiheit kann wirkungsvoll durch eine Handlungspraxis erreicht werden, die sich an den Grundsätzen der volkswirtschaftlichen Verantwortung orientiert. Ziel ist es, die eigene ökonomische Kompetenz zum Vorteil der jeweiligen Wirtschaftsstandorte einzubringen. Dieses Vorhaben macht nicht nur aus Reputationsgesichtspunkten Sinn, sondern verspricht auch handfeste ökonomische Vorteile. Wie gezeigt wurde, öffnet sich in der Reputationsentwicklung der SMI-Unternehmen seit 2010 eine Schere zwischen funktionaler Reputation und tatsächlicher Kursentwicklung. Kurshemmend wirkt sich jene soziale Thematisierung aus, die von den betroffenen Unternehmen bislang kaum aktiv adressiert wird. Eine verstärkte Übernahme volkswirtschaftlicher Verantwortung kann darum einen wirkungsvollen Weg darstellen, um nicht nur das eigene Reputationsprofil nachhaltig zu befestigen, sondern auch um die genannte Schere wieder zu schliessen und damit zusätzliches ökonomisches Potenzial zu erschliessen.

Grafik 1: «SMI-Unternehmen: Börsenkapitalisierung versus sedimentierte Resonanz»

Grafik 2: «Reputationsentwicklung SMI-Unternehmen Real- versus Finanzwirtschaft»

Grafik 3: «Sedimentierte Reputationsentwicklung SMI-Unternehmen: Funktional/Sozial»

Grafik 4: «Sedimentierte Resonanzverteilung Real- und Finanzwirtschaft, per 30.04.2011»

Kasten 1: Reputationsdimensionen

Reputationsdimensionen


Reputation setzt sich stets aus drei Komponenten zusammen, egal aus welcher Sphäre – Politik, Wirtschaft, Wissenschaft etc. – der Reputationsträger stammt: Die funktionale Reputation misst, wie gut eine Organisation dem Zweck dient, für den sie geschaffen wurde. Reputation ist in dieser Dimension ein Indikator für Erfolg, Fachkompetenz und plausibles Handeln entlang dem Organisationszweck. Die soziale Reputation unterliegt gesamtgesellschaftlichen Bewertungsmassstäben. Reputation wird in dieser Dimension zum Indikator für rechtlich und moralisch korrektes Verhalten.Bei der expressiven Reputation interessiert, wie überzeugend, attraktiv und authentisch das spezifische Profil eines Akteurs erscheint.

Kasten 2: MRRI / Sedimentierte Reputation

MRRI / Sedimentierte Reputation


Der Memorizing Resonance-ReputationIndex (MRRI) dient der Modellierung der historisch gewachsenen, im öffentlichen Gedächtnis verankerten Reputation. Das von der Firma commsLAB in Zusammenarbeit mit dem fög / Universität Zürich entwickelte Verfahren erlaubt die Darstellung von langfristigen, sedimentierten Reputationsentwicklungen.Der MRRI trägt dem Umstand Rechnung, dass langfristig vor allem resonanzstarke Schlüsselereignisse (wie die Finanzmarktkrise) die Reputationsdynamik bestimmen. Er basiert auf der Verrechnung der relevanten Medienresonanz mit den sich daraus ergebenden Bewertungseffekten. Die MRRI-Verrechnung erfolgt über die Zeit und berücksichtigt – auf Tages- oder Wochenbasis – die Werte der Vorperioden jeweils unter Einschluss einer Vergessensrate. Der MRRI ist eingepasst in eine Skala von +100 (ausschliesslich positive Resonanz) bis –100 (ausschliesslich negative Resonanz).

Zitiervorschlag: Mark Eisenegger, Daniel Kuenstle, (2011). Von der sozialen zur volkswirtschaftlichen Verantwortung: Wie die Finanzmarktkrise die Reputationsdynamik verändert. Die Volkswirtschaft, 01. Juli.