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Welche Strategie für die Schweizer Entwicklungszusammenarbeit?

Im Laufe der letzten Jahrzehnte ist die Entwicklungszusammenarbeit der Schweiz zu einem Supertanker geworden. Um die Schlagkraft der Entwicklungszusammenarbeit (EZA) zu erhöhen, ist eine Beschränkung auf wenige Themen notwendig, die weltweit Ausdruck der Stärke unseres Landes sind und als Produkt «Made in Switzerland» angeboten werden. Dazu zählen etwa wissensintensive Tätigkeiten, eine gute Regierungsführung und das duale Bildungssystem. Stattdessen hat sich unsere EZA zum einen auf die Bedürfnisse der Empfängerländer ausgerichtet und zum anderen – wohl nicht weniger wichtig – an den Kompetenzen der Schweizer Entwicklungsorganisationen. Der Entwurf der aktuellen Botschaft geht zwar einen Schritt in die richtige Richtung. Aber der Supertanker EZA muss immer noch auf zu viele Bedürfnisse Rücksicht nehmen.

Welche Strategie für die Schweizer Entwicklungszusammenarbeit?

 

Bei der Schweizer EZA hat sich ein System gegenseitiger Abhängigkeiten etabliert. Am deutlichsten ist jenes zwischen der Deza und den Entwicklungsorganisationen. Entsprechend kritisierte die Geschäftsprüfungskommission des Ständerates in ihrem Bericht 2009 die mangelhafte Transparenz bei der Projektvergabe der Deza und dass die Ausschreibungen nicht nach wettbewerblichen Kriterien erfolgen. Zum Selbsterhalt der EZA gehört auch ein gut funktionierendes Lobbying der Interessenvertreter. Dazu gehört auch, dass die EZA gegenüber der Schweizer Bevölkerung immer wieder mit aufwändigen Kommunikationsprojekten vermittelt wird.Die Selbsterhaltung ist zu einem zentralen Ziel der EZA geworden. Eine klare Strategie für die EZA kann unter diesen Umständen nicht erwartet werden. Trotz den wiederkehrenden politischen Forderungen auf eine Fokussierung der EZA wird weiterhin an Metathemen wie die Armutsbekämpfung festgehalten, die einen grossen diskretionären Spielraum erlauben und darüber diskutiert, was die optimale Zahl der Schwerpunktländer ist oder ob es überhaupt zweckmässig ist, die EZA mit einem bestimmten Land weiterzuführen. Auch das gegenseitige Ausspielen der beiden zuständigen Departemente ist beliebt. So verteidigen die Entwicklungsorganisationen Strategie und Mittel der Deza vehement und kritisieren gleichzeitig ebenso fordernd das Seco. Das dominante Thema aber ist die Jagd nach einer Erhöhung der Mittel für die EZA, wobei die OECD, die Weltbank und der IWF willkommene Schützenhilfe leisten. Statt über Strategien kämpft man erfolgreich für höhere Quoten.

Wie könnte die auf wenige Produkte fokussierte Strategie aussehen?


Produkt 1:Schulen. Nach dem Vorbild der Schweizer Schulen im Ausland könnten in vielen Ländern Schulen unter dem langfristigen Patronat der Schweiz teilfinanziert werden. Da gerade das duale Berufsbildungssystem ein Erfolg ist, bieten sich auch gewerbliche Berufsschulen unter direktem Einbezug der lokalen Unternehmen an. Dabei ginge es nicht nur um Infrastruktur oder Unterrichtsmaterial: Die Schweizer EZA würde die Schulführungen übernehmen. Produkt 2:Handelsförderung. Die Schweiz verfügt über viel Kenntnis im Bereich Handel und Logistik. Die bessere Integration in die Weltmärkte ist der zentrale Treiber für die Wohlstandsentwicklung eines Landes. Hier kann die Schweiz eine professionelle Unterstützung bieten. Produkt 3:Finanzdienstleister. Die Schweiz verfügt über hohe Kompetenzen bei den Finanzdienstleistern. Die EZA kann vom Know-how der Banken- und Versicherungsbranche profitieren, indem sie Hilfestellungen beim Aufbau eines stabilen Banken- und Versicherungssystems liefert. Produkt 4:Abwasserreinigung. Die Schweizer EZA kann auf das Wissen in der Schweiz zurückgreifen und die Abwasserreinigung in grösseren Dörfern und Städten konzipieren und anbieten. Produkt 5:Recht. Das schweizerische Rechtssystem hat eine lange Tradition und hat durch die liberale Ausrichtung wesentlich zur Wirtschaftsentwicklung der Schweiz beigetragen. Der Export von Rechtserlassen im Zusammenhang mit Fragen der Gouvernanz ist eine Chance, einen langfristigen positiven Einfluss auszuüben. Da die Unsicherheit bei der Eigentumsfrage die wirtschaftliche Entwicklung hemmt, kann die Schweiz ihr Wissen im Bereich Grundbuch und Vermessung als Produkt anbieten. Damit die Produkte in den Entwicklungsländern bekannt sind, ist die Information darüber zu verstärken. Statt ein Deza- oder Seco-Büro vor Ort wäre es wohl zielführender, die Botschaften mit ständigem Schweizer Personal mit wirtschaftlichen Kompetenzen auszubauen. Damit lassen sich auch langfristige Beziehungen zu den Entscheidungsträgern aufbauen.

Fazit


Die Vorgehensweise Chinas Entwicklungsländern günstige Infrastrukturen gegen Rohstoffe anzubieten, ist inhaltlich für uns kein Vorbild. Aber das Vorgehen Chinas lässt eine klare Strategie erkennen, die auf den Stärken der chinesischen Volkswirtschaft aufbaut. Diesem methodischen Muster sollte auch die Schweiz folgen.

Zitiervorschlag: Rudolf Minsch (2011). Welche Strategie für die Schweizer Entwicklungszusammenarbeit. Die Volkswirtschaft, 01. Juli.