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Die EBRD vor einer möglichen Erweiterung des Mandats in die arabische Welt

Die EBRD vor einer möglichen Erweiterung des Mandats in die arabische Welt

Seit der Gründung der Europäischen Bank für Wiederaufbau und Entwicklung (EBRD)
European Bank for Reconstruction and Development. vor zwanzig Jahren hat sich das politische und wirtschaftliche Umfeld sowohl innerhalb als auch ausserhalb ihres Operationsgebiets stark verändert, sodass sich die EBRD stetig anhand der neuen Herausforderungen hat weiterentwickeln und anpassen müssen. Mit den aktuellen Transitionsprozessen in der arabischen Welt steht die ERBD möglicherweise vor einer der bisher grössten Herausforderung für die Organisation. Die in diesem Kontext auftretende Frage der Expansion des Mandats in den südlichen und östlichen Mittelmeerraum wird über die Zukunft der EBRD entscheiden und muss daher sorgfältig angeschaut und bewertet werden, um die Erfolgsgeschichte der Institution nicht zu gefährden.

2011 ist ein besonderes Jahr für die Europäische Bank für Wiederaufabu und Entwicklung (EBRD), welche in diesem Frühling ihr 20-jähriges Bestehen feiern konnte. Gleich mehrmals steht die Bank in diesem Jahr im Fokus aktueller politischer Ereignisse. Seit ihrer Gründung vor zwanzig Jahren hat sie sich als wichtiges multilaterales Instrument zur Unterstützung der Transformation der Länder Osteuropas, der GUS sowie Zentralasiens zu Demokratie und Marktwirtschaft etablieren können (siehe Kasten 1

Europäische Bank für Wiederaufbau und Entwicklung


Die Europäische Bank für Wiederaufbau und Entwicklung wurde 1991 infolge des Falls der Berliner Mauer gegründet. Ihr Auftrag bestand darin, die ehemaligen kommunistischen Länder bei ihrem Übergang (Transition) zur Demokratie und zur Marktwirtschaft zu unterstützen. Die EBRD zählt 63 Mitgliedsländer, vereint in 23 Stimmrechtsgruppen, welche gemeinsam für die Finanzierung, den Betrieb sowie die Operationen der Bank verantwortlich sind. Ein Grossteil ihrer Aktivitäten dient der Förderung des Privatsektors. Die ERBD ist in 30 Operationsländerna tätig. Aufgrund der starken Entwicklung in den neuen EU-Mitgliedsländern hat sich der Schwerpunkt ihrer Tätigkeit seit 2006 vermehrt nach Osten (Zentralasien sowie Mongolei) und Süden (Balkan sowie Türkei) verlagert. Sie ist zurzeit die wohl wichtigste multilaterale Finanzierungsquelle dieser Region. Mit der Unterstützung im Nachgang der Finanzkrise von 2008 hat das jährliche Investitionsvolumen der EBRD 2010 einen Höchststand von 9 Mrd. Euro erreicht. Drei Grundprinzipien leiten die Arbeit der EBRD: Die Transitionswirksamkeit beurteilt den Beitrag der Projekte zur erfolgreichen Transition der Länder hin zu Demokratie und Marktwirtschaft; die Additionalität soll verhindern, dass die Bank durch ihre Tätigkeit Privatinvestoren verdrängt; das Kriterium des soliden Bankgeschäfts stellt schliesslich die finanzielle Robustheit der Investitionen (und somit auch das langfristige Überleben der EBRD) sicher.

a Siehe unter http://www.ebrd.com, Rubrik «Countries».). Mit ihrem Auftrag private und unternehmerische Initiative zu fördern, leistete die EBRD einen zentralen Beitrag zur Entwicklung der Region in diese Richtung. Als eine der grössten Einzelinvestorin dieser Region hat sich die EBRD zu einer potenten Partnerinstitution entwickelt, welche Risikokapital bereitstellen, best practices transferieren sowie andere Investoren mobilisieren kann. In den zwanzig Jahren hat die EBRD über 60 Mrd. Euro in mehr als 3000 Projekte investiert. Zudem hat sie mit ihrem besonnenen Vorgehen und dem antizyklischen Verhalten während der jüngsten Krise, einen wichtigen Beitrag zur Bewältigung der wirtschaftlichen Auswirkungen der Krise auf die Region gemacht. In den zwanzig Jahren seit ihrer Gründung hat sich die EBRD aber einem sich ständig wechselnden Umfeld anpassen müssen. Einige der Einsatzländer sind in der Zwischenzeit der Europäischen Union (EU) beigetreten und sind heute kaum mehr auf die Finanzierung der EBRD angewiesen (vgl. Grafik 1). Bis heute hat die EBRD in guten Jahren wie auch in Zeiten der Krise ihr Mandat gut erfüllt und gleichzeitig mit Anpassungsfähigkeit auf die neuen Herausforderungen reagiert.

Transitionsprozesse in der arabischen Welt


Die Bewältigung globaler Herausforderungen müssen zunehmend von der Staatengemeinschaft als Ganzes angegangen werden. Multilaterale Institutionen wie die Entwicklungsbanken sind dabei in der Lage, Herausforderungen anzugehen, die auf Grund ihrer Komplexität, ihrer politischen Sensibilität oder des erforderlichen Finanzvolumens die Möglichkeiten der bilateralen Zusammenarbeit überschreiten. Seit Anfang 2011 finden in der arabischen Welt tiefgreifende Umwälzungen statt, die hoffentlich mittelfristig zu mehr Demokratie und einer freien Marktwirtschaft führen werden. Die internationale Gemeinschaft ist dabei gewillt, die Entwicklungsbanken als Instrument zu nutzen, um diesen Transitionsprozess zu unterstützen. Zu klären ist nun aber, wie die Arbeitsteilung unter den verschiedenen multilateralen Akteuren genau ausschauen soll, damit sich das Engagement sowohl für die Region als auch für die Institutionen selbst zu einer Erfolgsgeschichte entwickelt.Angesichts der historischen Veränderungen, welche sich seit Beginn dieses Jahres in der arabischen Welt ereignen, steht die EBRD heute vor einer der grössten Herausforderungen ihrer Geschichte. Bereits 2010 hat das bisherige Mitgliedsland Ägypten beantragt, den Status eines Empfängerlandes der EBRD zu erhalten. Marokko (ebenfalls ein Mitgliedsland der Bank) beantragte dasselbe in diesem Jahr. Eine Ausweitung der Operationen der EBRD auf diese beiden Länder würde den bisherigen geographischen Fokus sprengen. Aufgrund der Veränderungen in der gesamten Region dürfte es zudem mittelfristig auch um weitere interessierte Länder gehen, welche zurzeit noch nicht einmal Mitgliedsländer der Bank sind. Mehrere wichtige Mitglieder der EBRD haben sich bereits positiv zu einer Ausweitung des Mandats geäussert.

Erfahrungen und substanzielle Kenntnisse der EBRD


Eine von der EBRD durchgeführte technische Überprüfung hat gezeigt, dass die Bank mit ihrem Geschäftsmodell, gemeinsam mit anderen Institutionen und Investoren eine Rolle bei der Unterstützung der Demokratisierungs- und wirtschaftlichen Transitionsprozesse in der arabischen Welt spielen kann. Aufgrund der Erfahrungen, welche die EBRD in den letzten zwanzig Jahren in ihren osteuropäischen Empfängerländern hat machen können, verfügt die Bank heute über Kenntnisse bezüglich dem Transitionsprozess. Diese Erkenntnisse könnten auch in einer neuen Region nutzbar gemacht werden, solange die Bank bei ihren Stärken und Kernkompetenzen bleibt: einem möglichst klaren geographischen Fokus; der Konzentration auf den Privatsektor sowie die Projektorientierung (siehe Grafik 2). Wichtig ist auch zu verstehen, dass zwar die aktuellen Demokratisierungsprozesse in der arabischen Welt gewisse Ähnlichkeiten mit den Ereignissen nach dem Fall der Mauer vor zwanzig Jahren aufweisen, diese heute allerdings in einem anderen Umfeld und Zusammenhang geschehen, sodass nur beschränkt auf dieser Erfahrung aufgebaut werden kann.

Auflagen an ein erweitertes Mandat


An der diesjährigen Jahrestagung im Mai in Astana (Kasachstan) wurde entschieden, dass der Exekutivrat einen konkreten Vorschlag für eine geographische Erweiterung der Einsatzregion der EBRD ausarbeiten soll. Da das allgemeine Bedürfnis der Region nach Unterstützung im Transitionsprozess nicht angezweifelt wird, stand insbesondere die Frage, welche Auswirkungen eine mögliche geographische Erweiterung der Aktivitäten auf die EBRD selbst hätte, im Zentrum der Diskussionen. Folgende Rahmenbedingungen wurden dabei in der Diskussion hervorgehoben:– Jede Erweiterung des geographischen Mandats der EBRD darf zu keinen zusätzlichen Kapitalaufwendungen der Teilhaber führen, da dies fiskalpolitisch im aktuellen Umfeld in den jeweiligen Parlamenten wohl kaum durchsetzbar wäre. Zudem müssen die bestehenden Verpflichtungen gegenüber den bisherigen Einsatzländern eingehalten werden. Auch längerfristig stellen sich Fragen, ob etwa für den Fall einer erneuten Krise eine Erweiterung der Bank genügend Spielraum (Reserven) lassen würde. Die optimale Höhe des finanziellen Engagements in der neuen Region sollte zudem der vorhandenen Absorptionskapazität der Länder angepasst werden, sodass die Unterstützung auch möglichst effektiv und effizient sein würde.– Ein erweitertes Engagement der EBRD muss mit den in der Region aktiven internationalen Finanzierungsinstitutionen (Weltbankgruppe, African Development Bank AfDB, Islamische Entwicklungsbank) abgestimmt werden, die bereits über finanzielle Ressourcen sowie wertvolle Länderkenntnisse und eine Präsenz vor Ort verfügen. Nur durch eine Arbeitsteilung kann die Effektivität der internationalen Anstrengungen durch die Nutzung der komparativen Vorteile jeder einzelnen Institution maximiert und die Ressourcen der Anteilseigner optimal eingesetzt werden. Die Schaffung einer zusätzlichen Entwicklungsbank für den Mittelmeerraum, wie sie von einigen Ländern vorgeschlagen wurde, würde nur zu einer weiteren Fragmentierung der Unterstützung führen und ist daher keine valable Option.– Der geographische Umfang der Erweiterung muss klar definiert werden. Artikel 1 des Übereinkommens zur Errichtung der EBRD regelt sowohl den Zweck als auch die Einsatzregion. Jegliche Erweiterung des geographischen Mandats muss also durch eine Änderung von Artikel 1 der Statuten geschehen, was nur durch eine (wohl gar nicht ganz einfach zu erhaltende) einstimmige Ratifizierung aller Aktionärsländer möglich ist. Die Positionen bezüglich der exakten geographischen Abgrenzung sind unter den bisherigen Mitgliedsländern sehr unterschiedlich. Während einige Länder von der EU-Nachbarschaft oder dem Mittelmeerraum sprechen, möchten andere Teilhaber die gesamte MENA
Mittlerer Osten und Nordafrika.-Region in die Operationen der EBRD einbeziehen. Unabhängig von der zum Schluss ausgewählten Region ist klar, dass die Bank nicht automatisch in allen Ländern dieser Region aktiv werden wird. Die Länder müssen die politischen Kriterien des Artikels 1 (Pluralismus und Demokratie) erfüllen und letztendlich wird der Gouverneursrat über die Zulassung als Empfängerland entscheiden. Gegenwärtig stehen Ägypten, Marokko und Tunesien im Vordergrund.– Bezüglich der Schaffung von Auswahlkriterien für die Aufnahme von einzelnen Ländern ist klar, dass dem Transitionsmandat der Bank höchste Priorität zukommt und das auf den Privatsektor ausgerichtete Business-Modell nicht geändert werden soll. Artikel 1 der Statuten verpflichtet Mitgliedsstaaten zudem zu Pluralismus und Demokratie. Das sind Bedingungen, welche einen sehr hohen Stellenwert besitzen und die Messlatte für die Aufnahme zukünftiger Mitgliedsstaaten sein werden. Im Falle von Ägypten werden die angekündigten Wahlen im Herbst 2011 ein wichtiger Gradmesser sein.– Die Umsetzung des Entscheids über eine mögliche Ausdehnung der Aktivitäten nach dem südlichen und östlichen Mittelmeerraum wird lange dauern. Um möglichst rasch intervenieren zu können, schlägt die Bank vor, einen speziellen Schnellstartfonds zu kreieren. Dieser würde es der EBRD ermöglichen, frühzeitige und schnelle Unterstützung in die Region zu liefern, während gleichzeitig genügend Zeit für eine sorgfältige Umsetzung (und die Durchführung der notwendigen Entscheidung durch den Gouverneursrat – eine solche Erweiterung der Einsatzregion der Bank erfordert die Ratifizierung aller Aktionäre) einer solchen Erweiterung vorhanden wäre. Dabei geht es insbesondere auch um die Frage der benötigten finanziellen und personellen Ressourcen der EBRD. Was wird der Aufbau der Infrastruktur vor Ort sowie der Einkauf und/oder Aufbau von notwendigem Wissen kosten? Welche Auswirkungen wird eine mögliche Expansion auf die Struktur der Bank (z.B. der Vertretung der Mitgliedsländer im Verwaltungsrat) haben?– Eine Ausweitung der bisherigen Einsatzregion der EBRD zieht ausserdem weiterreichende, institutionelle Auswirkungen nach sich, welche gründlich angeschaut werden müssen. Darunter befinden sich auch Fragen nach Ressourcen, Mitgliedschaft sowie der Vertretung der neuen Länder im Verwaltungsrat der Bank. Der Exekutivrat der EBRD, welcher die Mitgliedsländer in der Bank vertritt, diskutiert momentan diese Fragen und Herausforderungen. Das Ziel ist, sich per Ende Juli dieses Jahres unter anderem auf folgende Dinge zu einigen, die dann dem Gouverneursrat der Bank zur Entscheidung vorgelegt werden: Die Bedingungen und Prozeduren für die Aufnahme von neuen Mitgliedsländern; eine klare geographische Abgrenzung der möglichen Erweiterung; Klärung der finanziellen Fragen – der Frage nach einem Frühstartmechanismus – sowie Ausmass der Koordination und Kooperation unter den multilateralen Institutionen. Einen Entscheid über die Ausweitung des Mandats dürfte bis im Herbst 2011 vorliegen, währenddem erste aus dem Schnellstartfonds finanzierte Aktivitäten im Frühjahr 2012 beginnen könnten. Eine definitive Anerkennung Ägyptens und Marokkos als Operationsländer, und somit der Start ordentlicher Aktivitäten der Bank, dürfte wohl nicht vor 2013 geschehen.

Sichtweise der Schweiz


Die Schweiz sieht in den jüngsten Entwicklungen in Nordafrika und im Nahen Osten eine grosse Chance zur Förderung der Demokratisierung und zur verstärkten Umsetzung der Grundsätze der Marktwirtschaft. Gleichzeitig werden die Herausforderungen wie auch das Ausmass der erforderlichen Reformen sichtbar. Obwohl die Länder selbst die Führung über diesen Reformprozess übernehmen müssen, werden die internationalen Finanzierungsinstitutionen eine zentrale, unterstützende Rolle bei der Umsetzung dieser Entwicklungen spielen. Die bisherigen Erfahrungen und Fähigkeiten, die sich die EBRD bei der Förderung der Entwicklung des privaten Sektors in Transitionsländern angeeignet hat, legen nahe, dass sie in dieser Hinsicht einen Beitrag erbringen könnte.Die Schweiz (vgl. Kasten 2

Die Schweiz und die EBRD


Die Schweiz ist Gründungsmitglied der EBRD. Mit einem gezeichneten Kapital von knapp 480 Mio. Euro besitzt sie ein Stimmenanteil von 2,3% und ist durch einen ständigen Exekutivdirektor vertreten. Dieser leitet eine Stimmrechtsgruppe, zu welcher neben der Schweiz auch die Ukraine, Liechtenstein, Turkmenistan sowie Serbien und Montenegro gehören. Seit 1992 hat das Staatssekretariat für Wirtschaft (Seco), welches für die Beziehung der Schweiz zur EBRD zuständig ist, über 130 Mio. Euro in die KoFinanzierung von Projekten mit der EBRD (hauptsächlich im Bereich Infrastruktur und der Förderung des Privatsektors) sowie in technische Unterstützung investiert. Geographische Prioritäten der schweizerischen Unterstützung waren dabei Zentralasien und der Westbalkan. 4,35 Mio. Euro hat die Schweiz zudem zum Early Transition Countries Fund (ETCF) beigetragen, welcher Aktivitäten der Bank in den am wenigsten fortgeschrittensten Transitionsländern unterstützt. Die Schweizer Exportwirtschaft profitiert von den Aufträgen der EBRD. Alleine 2010 haben Schweizer Unternehmen über 30 Aufträge im Wert von rund 2,4 Mio. Euro erhalten. Schwerpunkte waren dabei: Kommunale Infrastruktur; Energie und Elektrizität, Finanzinstitutionen, sowie KMU Förderung.

) engagiert sich daher aktiv in den Diskussionen und prüft die Optionen sorgfältig, wie und in welchem Umfang die EBRD in Zusammenarbeit mit den anderen internationalen Finanzierungsinstitutionen ihr Wissen und ihre Fähigkeiten über ihre derzeitige Einsatzregion hinaus zur Verfügung stellen sollte. Die Schweiz hat grosses Interesse an einer starken und wirksamen EBRD. Das klare und gut fokussierte Mandat sowie das bisherige Geschäftsmodell mit der Ausrichtung auf die Förderung von Demokratie und Marktwirtschaft haben sich als Schlüsselmerkmale dieser Institution in ihrem regionalen Umfeld erwiesen, welche durch eine Erweiterung des geographischen Mandats nicht gefährdet werden sollten. Bestehende Verpflichtungen in den bisherigen Geberländer sollten auf der Grundlage ihres vorhandenen Kapitals eingehalten werden können. Wesentlich ist dabei, dass sich die Bank mit einer raschen Ausdehnung nicht übernimmt und ihren beschränkten Ressourcen Rechnung trägt. Der gesamte Ausweitungsprozess der geographischen Tätigkeit der Bank wird somit nicht von heute auf morgen passieren, sondern ein langer Prozess sein.

Fazit


Die Staatengemeinschaft will sich aufgrund der historischen Dimension der Transitionsprozesse in den Staaten der arabischen Welt umfangreich in der Region engagieren. Es steht dabei ausser Frage, dass die multilateralen Entwicklungsbanken ideale Instrumente sind, um diese Unterstützung zu ermöglichen. Gleichzeitig muss aber geklärt werden, welche der bestehenden Institutionen am besten dazu geeignet ist, sich zu engagieren. Die multilateralen Institutionen werden sich koordinieren müssen, damit jede ihren Mehrwert an Wissen und Erfahrungen beitragen kann. Wie genau und in welchem Umfang diese Zusammenarbeit konkret aussehen wird, stellt eine grosse Herausforderung dar, welche die Diskussionen und Verhandlungen der nächsten Monate lösen müssen. Die EBRD bringt aufgrund ihrer Erfahrungen im Bereich von Transitionsprozessen zur Marktwirtschaft gute Grundvoraussetzungen mit, um einen wichtigen Beitrag zur Förderung von Demokratie und Marktwirtschaft in den Ländern des arabischen Frühlings zu leisten. Allerdings fehlt ihr bisher die regionale Verankerung bzw. die Erfahrung in dieser Region. Eine Ausweitung des Mandats wird zudem das Gesicht der EBRD verändern, sodass dieser Schritt gut überlegt und vorbereitet werden muss, dies insbesondere auch im Hinblick auf die Gesamtarchitektur der Multilateralen Entwicklungsbanken. Als Mitglied im Verwaltungsrat der EBRD hat die Schweiz die Möglichkeit auf die Modalitäten dieser Ausdehnung Einfluss zu nehmen, um eine effektive und effiziente Erfüllung des Mandats der Bank zu erzielen. Dank jahrzehntelanger erfolgreicher bilateraler Handels- und Entwicklungsbeziehungen mit Ägypten kann sie ihre Erfahrungen in die Diskussion um die geographische Erweiterung einfliessen lassen. Die Schweiz wird sich daher weiterhin aktiv und konstruktiv an den Diskussionen in der EBRD bezüglich der Erweiterung des Mandats in den südlichen und östlichen Mittelmeerraum beteiligen.

Grafik 1: «Aktivitäten der EBRD nach Ländern, in % des jährlichen Geschäftsvolumens»

Grafik 2: «Kumulative Zusagen der EBRD nach Sektoren, in %»

Kasten 1: Europäische Bank für Wiederaufbau und Entwicklung

Europäische Bank für Wiederaufbau und Entwicklung


Die Europäische Bank für Wiederaufbau und Entwicklung wurde 1991 infolge des Falls der Berliner Mauer gegründet. Ihr Auftrag bestand darin, die ehemaligen kommunistischen Länder bei ihrem Übergang (Transition) zur Demokratie und zur Marktwirtschaft zu unterstützen. Die EBRD zählt 63 Mitgliedsländer, vereint in 23 Stimmrechtsgruppen, welche gemeinsam für die Finanzierung, den Betrieb sowie die Operationen der Bank verantwortlich sind. Ein Grossteil ihrer Aktivitäten dient der Förderung des Privatsektors. Die ERBD ist in 30 Operationsländerna tätig. Aufgrund der starken Entwicklung in den neuen EU-Mitgliedsländern hat sich der Schwerpunkt ihrer Tätigkeit seit 2006 vermehrt nach Osten (Zentralasien sowie Mongolei) und Süden (Balkan sowie Türkei) verlagert. Sie ist zurzeit die wohl wichtigste multilaterale Finanzierungsquelle dieser Region. Mit der Unterstützung im Nachgang der Finanzkrise von 2008 hat das jährliche Investitionsvolumen der EBRD 2010 einen Höchststand von 9 Mrd. Euro erreicht. Drei Grundprinzipien leiten die Arbeit der EBRD: Die Transitionswirksamkeit beurteilt den Beitrag der Projekte zur erfolgreichen Transition der Länder hin zu Demokratie und Marktwirtschaft; die Additionalität soll verhindern, dass die Bank durch ihre Tätigkeit Privatinvestoren verdrängt; das Kriterium des soliden Bankgeschäfts stellt schliesslich die finanzielle Robustheit der Investitionen (und somit auch das langfristige Überleben der EBRD) sicher.

a Siehe unter http://www.ebrd.com, Rubrik «Countries».
Kasten 2: Die Schweiz und die EBRD

Die Schweiz und die EBRD


Die Schweiz ist Gründungsmitglied der EBRD. Mit einem gezeichneten Kapital von knapp 480 Mio. Euro besitzt sie ein Stimmenanteil von 2,3% und ist durch einen ständigen Exekutivdirektor vertreten. Dieser leitet eine Stimmrechtsgruppe, zu welcher neben der Schweiz auch die Ukraine, Liechtenstein, Turkmenistan sowie Serbien und Montenegro gehören. Seit 1992 hat das Staatssekretariat für Wirtschaft (Seco), welches für die Beziehung der Schweiz zur EBRD zuständig ist, über 130 Mio. Euro in die KoFinanzierung von Projekten mit der EBRD (hauptsächlich im Bereich Infrastruktur und der Förderung des Privatsektors) sowie in technische Unterstützung investiert. Geographische Prioritäten der schweizerischen Unterstützung waren dabei Zentralasien und der Westbalkan. 4,35 Mio. Euro hat die Schweiz zudem zum Early Transition Countries Fund (ETCF) beigetragen, welcher Aktivitäten der Bank in den am wenigsten fortgeschrittensten Transitionsländern unterstützt. Die Schweizer Exportwirtschaft profitiert von den Aufträgen der EBRD. Alleine 2010 haben Schweizer Unternehmen über 30 Aufträge im Wert von rund 2,4 Mio. Euro erhalten. Schwerpunkte waren dabei: Kommunale Infrastruktur; Energie und Elektrizität, Finanzinstitutionen, sowie KMU Förderung.

Zitiervorschlag: Martin Shenton (2011). Die EBRD vor einer möglichen Erweiterung des Mandats in die arabische Welt. Die Volkswirtschaft, 01. Juli.