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Stossrichtungen für den Abbau administrativer Hürden

Stossrichtungen für den Abbau administrativer Hürden

Der vorliegende Artikel präsentiert die Schwerpunkte des Massnahmenpakets 2011 zum Abbau administrativer Hürden, das auf die Massnahmen von 1999, 2003 und 2006 folgt. Einen bedeutenden Platz nimmt dabei das E-Government ein. Zudem werden die wichtigsten Bewilligungsverfahren überprüft. Schliesslich nimmt eine Analyse die Regulierungskosten in fünfzehn Bereichen unter die Lupe. Ziel ist es, die Kosten zu senken und das System zu vereinfachen.



Den administrativen Aufwand für Unternehmen zu verringern, gehört seit Langem zu den Prioritäten des Bundes. 1999 und 2003 sorgten entsprechende Massnahmenpakete für eine Entlastung. Seit 2006 folgten im Rahmen der Wachstumspolitik 125 teilweise substanzielle Schritte zum Abbau administrativer Hürden.
Siehe Artikel von Martin Godel und Markus Willimann auf S. 4 ff. der vorliegenden Ausgabe. Im Rahmen der Wachstumspolitik 2008–2011 wurden diese Bestrebungen fortgesetzt. Ergänzt wird das Massnahmenpaket durch die derzeit realisierte Strategie der Schweiz im Bereich E-Government. Auch sie trägt in verschiedensten Punkten dazu bei, den Aufwand der Unternehmen zu reduzieren.Genügen diese Anstrengungen? Nicht für die FDP (die Partei hat eine Volksinitiative mit dem Titel «Bürokratie-Stopp» lanciert), und auch nicht für den Schweizerischen Gewerbeverband (SGV), bei dem die Senkung der Regulierungskosten zu den Eckpfeilern der neuen Strategie gehört. Tatsächlich besteht leider die Tendenz, dass die administrative Belastung ständig zunimmt, wenn nicht konsequent dagegen angekämpft wird. Mit diesem Problem sind sämtliche Länder konfrontiert, und es gibt dafür keine einfache Lösung. Zu diesem Schluss ist kürzlich auch die Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (OECD) gekommen.
Dies veranschaulicht der Artikel von Daniel Trnka auf Seite 27 ff. dieser Ausgabe.Zur Eindämmung des administrativen Aufwands braucht es ein ganzes Arsenal von Massnahmen. Dieses umfasst im Allgemeinen drei Bereiche:– ein Instrumentarium mit Werkzeugen, die aufzeigen, wo neue Belastungen entstehen und wie sie zu vermeiden sind;– einen Themenkatalog mit Massnahmen zur Senkung des Aufwands in Bereichen, die für die Unternehmen besonders problematisch oder kostspielig sind. Teil der Lösung ist hier das E-Government;– Institutionen in Form von Fachstellen, deren Hauptaufgabe darin besteht, administrative Hürden abzubauen.

Neues länderspezifisches Kostenmodell


Mit der Annahme der Postulate Fournier (10.3429) und Zuppiger (10.3592) zur Messung der Regulierungskosten haben der Bundesrat und anschliessend das Parlament die Verwaltung beauftragt, die Regulierungskosten bis 2013 in rund 15 Bereichen zu messen.Mit diesem Entscheid sollen aktuelle Entwicklungen und internationale Erfahrungen mit Instrumenten zur administrativen Vereinfachung genutzt werden. Vor rund zehn Jahren entwickelten die Niederlande das sogenannte Standardkostenmodell (SKM) zur detaillierten Messung der durch die Gesetzgebung verursachten administrativen Kosten. Dieses Modell kommt in zahlreichen Ländern – so auch in der Schweiz – häufig zum Einsatz. Es wurde aber auch kritisiert, vor allem, weil die administrativen Kosten allein nicht die gesamten Regulierungskosten abdecken, die gemäss Schätzungen im Allgemeinen 4- bis 5-mal höher sind.Aus diesem Grund wurde das SKM auf weitere Kostenkategorien erweitert. Entstanden ist ein neues, länderspezifisches Modell. In den Niederlanden heisst es «Substantive Compliance Cost Model», in Deutschland «Regulierungskostenmodell» und «Ermittlung des Erfüllungsaufwands», in Australien «Business Cost Calculator».Konkret werden 15 Bereiche unter die Lupe genommen. Diese decken die wichtigsten Elemente der administrativen Belastung für die Unternehmen ab und reichen von den Steuern über die Arbeitssicherheit und die Umweltbestimmungen bis zu den Sozialversicherungen (siehe Kasten 2

Schwerpunktbereiche für die Analyse der Regulierungskosten


Auf der Grundlage der bestehenden Studien und einer Umfrage bei den Wirtschaftsverbänden wurden folgende 15 Themen als prioritär für eine Reduktion der administrativen Belastung und der Regulierungskosten bestimmt:a– AHV/IV/EO;– Zweite Säule;– Rechnungslegungs- und Revisionsrecht;– Zollverfahren, Import/Export;– Baurecht, Baubewilligungen;– Mehrwertsteuer;– Unternehmensbesteuerung;– Statistiken;– Unfallversicherungsgesetz, Suva;– Arbeitssicherheit;– Berufsbildung;– Arbeitsrecht und -bedingungen;– ausländische Arbeitnehmende;– Umweltrecht;– Lebensmittelhygiene.Bei gewissen Themen ist zu berücksichtigen, dass bereits Kostenmessungen existieren oder die Messung in den Zeitraum einer Gesetzesrevision fällt.

a Die Reihenfolge der hier aufgeführten Bereiche richtet sich nicht nach der Höhe der administrativen Belastung.).Die Analyse soll sich zudem nicht auf die Messung der Kosten beschränken, sondern auch Vorschläge dazu liefern, wie sich die Gesetzgebung vereinfachen lässt, ohne ihre Ziele infrage zu stellen. Ausser in Einzelfällen geht es nämlich nicht darum, den von den Bestimmungen ausgehenden Schutz abzubauen, sondern darum, Verbesserungen in Bereichen anzubringen, von denen viele Unternehmen betroffen sind und die hohe Kosten verursachen.Die Überprüfung betrifft die geltenden Bestimmungen. Vorgesehen ist auch, regelmässige Umfragen bei den Unternehmen durchzuführen und auf dieser Grundlage ein eigentliches «Bürokratie-Barometer» zu erstellen. Im Gegensatz zur Kostenmessung, die objektive Informationen liefern muss, sollen diese Umfragen in Erfahrung bringen, wie die Unternehmen die administrative Belastung wahrnehmen. Die Bemühungen zur Verringerung des administrativen Aufwands können so künftig einerseits bei den kostspieligen Bereichen und andererseits bei denjenigen Bereichen ansetzen, die von der Wirtschaft als problematisch wahrgenommen werden.Bei der Einführung neuer Vorschriften werden die bestehenden Instrumente weiterhin verwendet und optimiert. Es handelt sich dabei insbesondere um:– die Kapitel zu den wirtschaftlichen Auswirkungen in den Botschaften ans Parlament;– vertiefte Regulierungsfolgenabschätzungen zu ausgewählten Themen;– die KMU-Verträglichkeitstests (zum Thema KMU-Forum siehe nachfolgend unter «Institutionen»). Diese verschiedenen Instrumente müssen so weiterentwickelt werden, dass sie die Regulierungskosten besser integrieren und berücksichtigen.

Wo den administrativen Aufwand prioritär senken?


Als dieser Artikel verfasst wurde, hatte der Bundesrat den definitiven Massnahmenkatalog noch nicht festgelegt. Aus diesem Grund beschränken wir uns hier darauf, nach der Kostenmessung in 15 Bereichen auf zwei Themen einzugehen, die für die Senkung des administrativen Aufwands ebenfalls massgeblich sind: die Projekte im Bereich E-Government für Unternehmen und die Einführung von Fristen für Bewilligungsverfahren. Verschiedene prioritäre Massnahmen im Bereich E-Government sollen die Unternehmen substanziell entlasten:− ein Einheitsportal für die Zollformalitäten: Davon werden insbesondere die rund 42 000 Exportfirmen profitieren. Die äusserst hohe Zahl von Zollanmeldungen (über 20 Mio. jährlich in den Bereichen Export, Import und Transit) führt das Potenzial eines solchen Einheitsschalters vor Augen, umso mehr, als heute die Ausfuhrzollanmeldungen bei weitem nicht immer elektronisch erfasst werden (im Gegensatz zu den Versandanmeldungen im Transit);− ein MWST-Portal: Auch hier ist das Entlastungspotenzial angesichts der Zahl der mehrwertsteuerpflichtigen Unternehmen hoch (über 300 000);− die elektronische Steuererklärung für die Gewinn- und Kapitalsteuer der Unternehmen;− die Erweiterung der Plattform für das öffentliche Beschaffungswesen simap: Bisher sind bereits rund 22 000 Anbieter registriert, täglich erfolgen rund 3000 Abfragen. Ein weiteres prioritäres Thema betrifft die Bewilligungsverfahren: Mit der Verabschiedung der Verordnung über Grundsätze und Ordnungsfristen für Bewilligungsverfahren (Ordnungsfristenverordnung, OrFV) am 25. Mai 2011 hat der Bundesrat entschieden, dass für bundesrechtliche Verfahren stets genau festgelegte Fristen zur Anwendung kommen. Diese Frist beträgt 10 Tage bei einfachen Fällen und 40 Tage bei komplexeren Fällen. In sehr aufwändigen Fällen teilt die Behörde die Bearbeitungszeit schriftlich mit. Die Unternehmen wissen somit, dass ihr Gesuch innerhalb einer bestimmten Frist bearbeitet wird. Dies verringert ihre Unsicherheit und die damit verbundenen Kosten.Ausserdem werden 19 für die Wirtschaft wichtige, besonders lange Bewilligungsverfahren in den nächsten drei Jahren überprüft. Konkret wird abgeklärt, ob:− sie für die Gesuchsstellenden so einfach und kurz wie möglich ausgestaltet sind;− sie durch ein Widerspruchs- oder Meldeverfahren ersetzt werden können;− alle notwendigen Schritte bezüglich E-Government getroffen wurden;− Ordnungsfristen in Anzahl Tagen angegeben sind;− die erforderlichen Formulare einfach, klar und leicht zugänglich sind.Zu den 19 überprüften Verfahren gehören namentlich gewisse Zollverfahren sowie Verfahren in den Bereichen Arbeitsrecht, Arzneimittel oder Strassenfahrzeuge.

Wichtige Rolle der Institutionen


Seit der Vergabe mehrerer Wirtschafts-Nobelpreise
Fogel und North im Jahr 1993, Ostrom und Williamson im Jahr 2009. für Arbeiten zu institutionellen Fragen ist allgemein bekannt, dass die Institutionen für die Wirtschaftsentwicklung eine wichtige Rolle spielen. Dies gilt auch für den Abbau administrativer Hürden. Internationale Erfahrungen zeigen, dass es Institutionen braucht, die sich explizit mit der Problematik des administrativen Aufwands befassen.Mit dem KMU-Forum und dem Organ zur Koordination der Politik des Bundes zugunsten kleinerer und mittlerer Unternehmen (KP-KMU) verfügt der Bund über zwei solche Institutionen – eine verwaltungsinterne und eine externe. Diese haben den Auftrag, die administrative Belastung der Unternehmen in Schach zu halten. Künftig wird sich das KMU-Forum vermehrt auf die Überwachung der Messung der Regulierungskosten konzentrieren, sowohl bei den bestehenden als auch bei neuen Vorschriften.Der Bund ist jedoch nicht allein für die administrative Belastung der Unternehmen verantwortlich. Deshalb wurde eine Arbeitsgruppe Bund-Kantone ins Leben gerufen. Sie soll das Problem auf diesen beiden politischen Ebenen koordiniert lösen. Diese Gruppe soll künftig gestärkt werden, insbesondere durch den Einbezug weiterer Kantone oder die Übertragung eines formellen Mandats. Zudem ist festzustellen, dass immer mehr Kantone ein Instrumentarium zum Abbau administrativer Hürden aufbauen. In vier Kantonen existiert bereits ein KMU-Forum; fast die Hälfte erstellt Folgenabschätzungen oder plant ein solches System.Durch die bilateralen Abkommen ist die Schweiz auch von der europäischen Gesetzgebung betroffen. In der Europäischen Kommission beschäftigt sich ebenfalls eine Stelle mit der Vereinfachung und dem Abbau der administrativen Anforderungen.

Fazit


Das beschriebene Arsenal von Massnahmen und dessen schrittweise Stärkung auf allen Ebenen ist zwar Voraussetzung zum Abbau administrativer Hürden. Diese Massnahmen allein sind aber nicht ausreichend. Denn die administrative Vereinfachung steht in Konkurrenz zu anderen staatlichen Zielen, und es wird ihr nicht immer Vorrang eingeräumt.Zwei Beispiele: Es besteht eindeutig Potenzial für eine Senkung der administrativen Belastung im Baurecht, wo unterschiedlichste kantonale und kommunale Regelungen die Aufgabe jener Unternehmen erschweren, die in mehreren Kantonen oder Gemeinden tätig sind. Bisher wurde jedoch die föderalistische Vielfalt höher gewichtet als die administrative Vereinfachung. Bei der Mehrwertsteuer würde ein Einheitssatz den administrativen Aufwand erwiesenermassen senken. Die Frage wurde im Teil B der Botschaft zur Vereinfachung der Mehrwertsteuer aufgenommen und wird derzeit noch diskutiert.Ein wirksamer Kampf gegen administrative Hürden bedingt somit, dass alle Akteure – exekutive und legislative Behörden von Bund, Kantonen und Gemeinden – am gleichen Strick ziehen.

Kasten 1: Regulierungskosten messen: Weshalb und wie?

Regulierungskosten messen: Weshalb und wie?


Die Messung der Regulierungskosten ist komplex und aufwändig. Aus praktischen Gründen ist es unabdingbar, den Anwendungsbereich der Messung einzuschränken und methodische Kompromisse einzugehen.Im Vorfeld der Arbeiten stellt sich die Frage nach dem Ziel. Denn eine Messung der Regulierungskosten bewirkt an sich noch nichts, sondern ist lediglich ein Mittel, um aufzuzeigen, wo sich die administrative Belastung mit gezielten Massnahmen verringern liesse.Praktisch umsetzbar ist eine Messung nur, wenn sich die Methodik auf Kostenkategorien konzentriert, die stark ins Gewicht fallen und messbar sind. Dies ist der Fall bei den direkten Regulierungskosten für Unternehmen, die einfacher zu bestimmen sind als die den Unternehmen entstehenden indirekten Aufwendungen oder andere mikro- und makroökonomische Kosten. Sie betreffen Personal-, Investitions-, Sach- und finanzielle Kosten.Gewisse Fragen sind so komplex, dass man sich nicht allein auf die Ergebnisse von Umfragen mittels Fragebogen abstützen kann. In diesen Fällen braucht es Gespräche mit Unternehmensvertretern für genaue Informationen über die Produktionsprozesse, die damit verbundenen Kosten und die Auswirkungen gesetzlicher Vorschriften. Deshalb beschränkt sich die Analyse gezwungenermassen auf eine begrenzte Zahl von Unternehmen. Es wurde entschieden, in einem ersten Schritt auf Expertenschätzungen abzustellen und diese dann durch detaillierte Gespräche mit einigen Unternehmen zu ergänzen. Das Ergebnis dieses Prozesses ist nicht eine Kostenmessung im statistischen Sinn, sondern eher eine Schätzung der Kosten, ergänzt durch eine Diskussion über mögliche Verbesserungen.Der Anwendungsbereich der Messung muss sich auf Bereiche beschränken, die für die Unternehmen eine substanzielle Belastung bedeuten. Danach ist der Fokus auf die aufwändigsten Verpflichtungen zu legen. Falls es sich um eine Vorschrift handelt, die hohe Kosten verursacht (mehrere 100 Mio. Franken pro Jahr), lohnt es sich, mit den verschiedenen Akteuren detailliert nach Verbesserungsmöglichkeiten zu suchen.Diese Punkte hat das Staatssekretariat für Wirtschaft (Seco) ausführlich in einem Handbuch beschrieben, das bei der Messung der Regulierungskosten als Referenzwerk dienen wird.

Kasten 2: Schwerpunktbereiche für die Analyse der Regulierungskosten

Schwerpunktbereiche für die Analyse der Regulierungskosten


Auf der Grundlage der bestehenden Studien und einer Umfrage bei den Wirtschaftsverbänden wurden folgende 15 Themen als prioritär für eine Reduktion der administrativen Belastung und der Regulierungskosten bestimmt:a– AHV/IV/EO;– Zweite Säule;– Rechnungslegungs- und Revisionsrecht;– Zollverfahren, Import/Export;– Baurecht, Baubewilligungen;– Mehrwertsteuer;– Unternehmensbesteuerung;– Statistiken;– Unfallversicherungsgesetz, Suva;– Arbeitssicherheit;– Berufsbildung;– Arbeitsrecht und -bedingungen;– ausländische Arbeitnehmende;– Umweltrecht;– Lebensmittelhygiene.Bei gewissen Themen ist zu berücksichtigen, dass bereits Kostenmessungen existieren oder die Messung in den Zeitraum einer Gesetzesrevision fällt.

a Die Reihenfolge der hier aufgeführten Bereiche richtet sich nicht nach der Höhe der administrativen Belastung.

Zitiervorschlag: Nicolas Wallart (2011). Stossrichtungen für den Abbau administrativer Hürden. Die Volkswirtschaft, 01. September.