Produktivität und Finanzierung von Verkehrsinfrastrukturen: Im Gespräch mit BR Doris Leuthard
Noch vor ihrem Wechsel vom Eidg. Volkswirtschaftsdepartement (EVD)zum Departement für Umwelt, Verkehr, Energie, und Kommunikation (Uvek) hat Bundesrätin Doris Leuthard die Studien zu «Produktivität und Finanzierung von Verkehrsinfrastrukturen» initiiert, die im Monatsthema vorgestellt werden. Im Gespräch mit dem Magazin «Die Volkswirtschaft» kommt Bundesrätin Leuthard zum Schluss, dass deren Befunde die laufende Verkehrsplanung des Bundes im Grossen und Ganzen bestätigen. Die Studien böten aber eine gute Grundlage, um die Auswirkungen auf die verschiedenen Verkehrsträger bei der laufenden Ausarbeitung der Vorlage Finanzierung und Ausbau der Infrastruktur (Fabi) noch besser zu berücksichtigen.
Die Volkswirtschaft: Sie haben noch in Ihrer Funktion als Chefin des EVD ein Seco-Ressortforschungsprogramm zu «Produktivität und Finanzierung von Verkehrsinfrastrukturen» angestossen, deren Resultate wir im Monatsthema dieser Ausgabe vorstellen. Wie ist Ihr frühes Interesse an Infrastrukturfragen zu erklären?Leuthard: Schon seit längerem ist bekannt, dass Infrastrukturen ein Wachstumstreiber, aber auch ein Wachstumshemmnis sein können. Der Bundesrat hat denn auch seinerzeit in seinem Wachstumsbericht ausdrücklich die Infrastrukturen erwähnt. Das war der eigentliche Anstoss, sich den Fragen zu stellen: Sind die heutigen Verkehrsinfrastrukturen nicht nur qualitativ gut, was wir wissen, sondern auch effizient organisiert? Wo liegen die Schwachstellen, speziell der Finanzierungsmodelle? Wie werden sich die Bedürfnisse weiterentwickeln? Es hat sich schon damals abgezeichnet, dass die heutigen Finanzierungsinstrumente nicht ausreichen − und zwar sowohl bei der Bahn als auch bei der Strasse. Die Studien sollten uns Erkenntnisse darüber liefern, wie gross die Preissensitivität ist, ab wann bei Tariferhöhungen allenfalls die Verlagerung auf die Schiene gefährdet ist, und was gute Infrastrukturen für die Regionen bewirken. Diese Erkenntnisse sollen in unsere Planung einfliessen.Volkswirtschaft: Die Studie von Polynomics zeigt, dass eine Verbesserung der Ertragslage bei SBB und BLS kaum möglich ist, da die Schweizer Bahnen bereits heute im internationalen Vergleich zu den effizientesten gehören. Dies gilt insbesondere für die technische Effizienz und – wenn auch eingeschränkter − für die Kosteneffizienz. Welche Konsequenzen ziehen Sie aus diesen Erkenntnissen?Leuthard: Die Schweizer Bahnen sind effizient. Dennoch bin ich überzeugt, dass es noch Potenzial für Produktivitätsgewinne gibt. Ich sehe diese vor allem beim Unterhalt und im Beschaffungswesen, wo es noch gewisse Teilmonopole gibt. Auch die Bahnunternehmen sagen mir, dass sie Komponenten zum Teil relativ teuer einkaufen müssen, weil der Markt nur beschränkt spielt. Sie sind jedenfalls gewillt, hier mitzuziehen, weil sich die Unterhaltskosten enorm auf die Preise niederschlagen. Die Volkswirtschaft: Dennoch ist ein höherer Kostendeckungsgrad bei den Verkehrsträgern in erster Linie über einen Preisaufschlag zu erreichen. Obwohl die Mobilität in der Schweiz heute vergleichsweise billig ist, geht aber bei den Nutzerinnen und Nutzern immer wieder ein Sturm der Entrüstung durch die Reihen, wenn eine sie betreffende Preis- oder Gebührenanhebung bevorsteht. Keine leichte Aufgabe für die zuständige Verkehrsministerin. Wie wollen Sie die sehr schwierige Aufgabe der nötigen Preisaufschläge angehen?Leuthard: Ich habe Verständnis für die Reaktionen der Betroffenen. Es geht ja uns allen so: Niemand bezahlt gerne mehr. Wenn man aber die höheren Preise mit einer besseren Leistung begründen kann, dann sind unsere Bürgerinnen und Bürger auch bereit, einen höheren Preis zu bezahlen. Das ist genau das, was der Bundesrat mit dem Konzept zur Finanzierung und zum Ausbau der Bahninfrastruktur (Fabi) will, das Anfang 2012 dem Parlament vorgelegt wird. Wir müssen darüber entscheiden, ob wir bei der bestehenden Infrastruktur bleiben oder aber diese weiter ausbauen wollen. Mit dem Ausbau verbunden sind mehr Doppelstockzüge und mehr Linien in die Regionen, also eine klare Verbesserung des Angebots. Das hat seinen Preis. Wir müssen dabei natürlich schauen, dass das Bahnfahren für Familien finanziell tragbar bleibt und dass es keine Verlagerung hin zur Strasse gibt. Die Studien bieten hier eine gute Grundlage, um solche Aspekte bei der Ausarbeitung der Fabi-Botschaft mit zu berücksichtigen.Die Volkswirtschaft: In den letzten 50 Jahren ist das Verkehrsaufkommen in der Schweiz beim Personenverkehr auf der Strasse um das 5-fache gestiegen, im Güterverkehr auf der Strasse sogar um das 8-fache. Laut Prognosen soll das Verkehrsaufkommen bis ins Jahr 2030 nochmals deutlich steigen – sowohl auf der Strasse wie auf der Schiene. Der prognostizierte Verkehr lässt sich nicht ohne grosse Investitionen bewältigen. Aber nicht alles, was nachgefragt wird, ist ökonomisch auch sinnvoll. Um das Nützliche vom Wünschbaren zu trennen: Welche konkreten Ausbauvorhaben schaffen hier eine Rentabilitätsschwelle?Leuthard: Es ist für Strecken in weniger dicht besiedelten Regionen vermessen, Rentabilität zu erwarten. Grundlage für Entscheidungen ist der gesetzliche Auftrag. Die geltende Regel besagt, dass auf dem am schwächsten belasteten Teilstück einer Linie durchschnittlich mindestens 32 Personen pro Tag befördert werden müssen, damit der Bund sich an einer Mindesterschliessung von vier Kurspaaren beteiligt. Man wird aber auch bei höheren Frequenzen mit den Kantonen darüber sprechen müssen, ob etwa ein Stundentakt in jedem Fall notwendig ist oder ob das gute Angebot auf die Stosszeiten beschränkt werden kann. Auch die Wahl des Verkehrsmittels ist zu prüfen. Im Kanton Appenzell-Innerrhoden zum Beispiel wurden sehr gute Erfahrungen mit einem Posttaxi gemacht, das einen sogar bis vor die Haustüre bringt. Insofern gibt es schon noch Innovationspotenzial. Man kann den Service Public durchaus aufrecht erhalten und trotzdem die Verkehrsstrukturen effizienter gestalten.Die Volkswirtschaft: Inwieweit können wir uns Grossinvestitionen leisten, die nur minime Zeitgewinne bringen?Leuthard: Man muss wohl etwas von der Philosophie abrücken, weitere Milliarden für 3 oder 5 Minuten Zeitgewinn zu investieren. Das scheint mir angesichts der hohen Summen, die für Substanzerhalt und Engpassbeseitigung nötig sind, nicht mehr der richtige Ansatz zu sein. Wir brauchen das Geld dort, wo die Menschen im Pendlerverkehr keinen Sitzplatz mehr haben und neues Rollmaterial angeschafft werden muss, um den Verkehr nachhaltig bewältigen zu können, und weniger für eine kleine Beschleunigung von A nach B. Das ist auch die Haltung des Bundesrats. Wir wollen künftig «Step by Step» vorgehen, wie wir auch das Programm dazu genannt haben. Das bedeutet: Wir müssen aus all den Projekten, die an den Bundesrat herangetragen werden, die wichtigsten bestimmen und Prioritäten setzen. Das Parlament soll dann jeweils in 4-Jahres-Tranchen entscheiden können, was wir mit dem vorhandenen Geld finanzieren. Dafür werden die Kantone Verständnis haben; sie wissen, dass nicht alles gleich prioritär ist.Die Volkswirtschaft: Wie beurteilen Sie aus dieser Perspektive den Bau der Neat?Leuthard: Der Gotthard-Basistunnel ist der längste Eisenbahntunnel der Welt. Das Pionierland Schweiz hat hier eine Spitzenleistung der Ingenieurkunst vollbracht. Mit der Schaffung des FinöV-Fonds wurde das Projekt auch finanziell vorbildlich abgesichert. Ziel ist, mit der Neat die Verlagerung des alpenquerenden Schwerverkehrs zu erreichen. Dieses Ziel ist nach wie vor gegeben. Ob wir es erreichen werden, wird sich erst einige Jahre nach Inbetriebnahme herausstellen, wenn die Zufahrtslinien in Betrieb sind. Für den Erfolg sind somit auch unsere beiden Nachbarstaaten Deutschland und Italien entscheidend.Die Volkswirtschaft: Und wie beurteilen Sie die grosszügig geplanten Anschlüsse der Schweiz ans internationale Hochgeschwindigkeitsnetz?Leuthard: Sie sind in der Tat sehr wichtig. Wir haben mit der neuen TGV-Verbindung erreicht, dass die Strecke Zürich/Basel-Paris ab Dezember 2011 um eine halbe Stunde schneller wird. Das ist vor allem für den Kanton Jura sehr bedeutend, der vom neuen Zugshalt in Belfort-Montbéliard profitiert. Vom Kanton Jura aus ist man in zweieinhalb Stunden in Paris. Das ist für diese Wirtschaftsregion wichtig, aber auch für den Standort Schweiz und die Städte Basel und Zürich. Denn viele Geschäftsleute und Touristen bewegen sich von Grossstadt zu Grossstadt. In diesen Zeitdimensionen ist die Bahn oft effizienter als die Reise per Flugzeugmit ihren Abfertigungs- und Transferzeiten. Darüber hinaus sind diese Investitionen auch ökologisch sinnvoll. Die Schweiz beteiligt sich an diesen HGV-Verbindungen dort, wo es für unsere internationale Anbindung von Bedeutung ist. Das Parlament unterstützt diese Projekte. Die Volkswirtschaft: Ein weiteres Feld sind die anstehenden Ausbauten in den Knoten bei den Nationalstrassen.Leuthard: Rechtsgrundlage für die Engpassbeseitigung im Nationalstrassenbau bildet der Infrastrukturfonds. Es ist bereits absehbar, dass das vorhandene Geld nicht ausreichen wird. Seit der Bund mit dem Neuen Finanzausgleich Träger der Nationalstrassen ist, stellen wir fest, dass aus einigen Kantonen teure Wünsche kommen. Auch die Lärmproblematik bei Ein- und Ausfahrten führt zu Mehrkosten. Insofern besteht bei der Engpassbeseitigung nicht nur das Problem, dass der Infrastrukturfonds generell unterdotiert ist, sondern auch, dass die laufenden Projekte teurer werden als ursprünglich geplant. Noch ist es nicht so weit, dass unbedingt eine Lösung vorliegen muss. Aber wir müssen uns Gedanken machen, wie wir mit den sich beim Nationalstrassenbau abzeichnenden finanziellen Engpässen umgehen wollen.Die Volkswirtschaft: Zwischen den grösseren Zentren soll es auf der Schiene in Zukunft noch den Viertelstundentakt geben. Wie prioritär sind diese Ausbauschritte aus Ihrer Sicht?Leuthard: Es gibt viele Städte, die noch nicht einmal den Halbstundentakt haben. Es geht daher zunächst darum, da Verbesserungen zu realisieren. Das hat für mich aus Gründen der Fairness Priorität. Es gibt allerdings auch stark frequentierte Strecken, wo der Viertelstundentakt ein Thema ist. Zuerst müssen wir überprüfen, was mit Doppelstockzügen bewirkt werden kann. Wo dies nicht ausreicht, kann der Viertelstundentakt eine Möglichkeit sein. Die Volkswirtschaft: Für die Preisfestsetzung ist der Verband öffentlicher Verkehr (VöV) zuständig. Der Bundesrat hat unlängst entschieden, die Trassenpreise zu erhöhen. Was bedeutet das für den Bahnkunden?Leuthard: Diese Frage lässt sich nicht leicht beantworten, die Festlegung der Tarife obliegt ja wie erwähnt den Unternehmen des öffentlichen Verkehrs. Der Bund ist für die Trassenpreise verantwortlich. Die Vernehmlassungsvorlage sah vor, den Preis für die Benutzung der Schienen 2013 und 2017 in zwei Schritten um insgesamt 300 Mio. Franken jährlich zu erhöhen. Den ersten Schritt machte der Bundesrat mit der Revision der Netzzugangsverordnung Ende August 2011. Hinzu kommen betriebliche Investitionen, welche die Bahnen auf die Kunden überwälzen. Diese kann der Bund nicht gross beeinflussen. Wir stehen aber in Kontakt mit dem VöV, um die Preiserhöhungen so moderat wie möglich zu halten. Es liegt auch im Interesse der Bahnunternehmen, an Effizienz und Produktivität zuzulegen, damit die Preissteigerungen tragbar bleiben.Die Volkswirtschaft: Bei den Strassenbenützern und den Verbänden wird immer wieder die Querfinanzierung von der Strasse zur Schiene kritisiert. Eine Studie von Ecoplan sagt aber, dass es unrealistisch sei, in Zukunft auf eine Querfinanzierung zu verzichten. Teilen Sie diese Auffassung? Und wo ist der Punkt erreicht, wo die Querfinanzierung zu weit geht?Leuthard: Es gehört zur Schweiz, dass auch dünner besiedelte Gebiete mit dem öffentlichen Verkehr erreichbar sind. Um eine gewisse Querfinanzierung von der Strasse zur Schiene kommen wir daher nicht herum – zumal die Schiene die Strasse entlastet und dadurch Staus verhindert, beispielsweise in den Agglomerationen oder im Güterverkehr durch die Alpen. Wir wollen die Gelder des Finöv-Fonds nun in den Bahninfrastruktur-Fonds (BIF) übertragen. Beim Güterverkehr wollen wir unter anderem mit der Leistungsabhängigen Schwerverkehrsabgabe (LSVA) den alpenquerenden Transitverkehr möglichst auf die Schiene bringen. Davon profitiert auch der Binnengüterverkehr, da so weniger Laster auf der Strasse unterwegs sind. Mittlerweile erkennen die meisten, dass es falsch ist, Strasse und Schiene gegeneinander auszuspielen. Die Logistiker gehen zunehmend vom kombinierten Verkehr aus. Die Kunden wollen, dass ihre Ware termingerecht und preisgünstig von A nach B transportiert wird. Wie das vor sich geht, und welche Verkehrsmittel dabei zum Einsatz kommen, ist für sie sekundär. Es ist deshalb wichtig, künftig verstärkt von einem Gesamt-Verkehrsansatz auszugehen. Man muss den Strassenbenutzern dankbar sein, dass sie zur Querfinanzierung beitragen. Die VCS-Initiative liegt deshalb völlig quer in der Landschaft, weil sie die Strasse zusätzlich belasten möchte, ohne ihr die notwendigen Mittel zur Verfügung zu stellen. Das ist für den Bundesrat keine Lösung. Das austarierte System Strasse-Schiene stützt sich gegenseitig und ist deshalb zu erhalten. Die Volkswirtschaft: Wer eine ökologische Verkehrspolitik anstrebt, möchte möglichst viel von der Strasse auf die Bahn verlagern. Wie beurteilen Sie die Umweltbelastung der beiden Verkehrsträger im Vergleich? Und wo liegen für Sie die Möglichkeiten und Grenzen einer Verkehrsverlagerung?Leuthard: Wir werden Ende 2011 wie alle zwei Jahre einen Verlagerungsbericht publizieren. Er wird den heutigen Stand gegenüber dem Verfassungsziel von 650 000 Lastwagen pro Jahr aufzeigen. Bereits jetzt ist klar, dass dieses Ziel sehr ambitiös ist. Der Hafen von Rotterdam wird massiv ausgebaut. Die damit verbundene Zunahme des Nord-Süd-Verkehrs können wir nicht beeinflussen. Das sind neue Entwicklungen, welche die Verlagerungspolitik betreffen. Wir können auf das bisher Erreichte dennoch stolz sein: In der Schweiz werden rund 64% des alpenquerenden Güterverkehrs auf der Schiene transportiert. Im internationalen Vergleich sind wir damit einsame Spitze; Österreich und Deutschland liegen bei 32% und Frankreich bei 12%. Das Verlagerungsziel ist wichtig. Doch angesichts der Mobilitätszunahme, die man zum Zeitpunkt der Volksabstimmung nicht einschätzen konnte, stellt sich die Frage, ob es noch möglich ist, die mit dem Alpenschutzartikel gesetzte Marke zu erreichen. Der Verlagerungsbericht wird dazu Grundlagen liefern. Wir müssen sodann den Erfolg des Gotthard-Basistunnels abwarten, bevor eine abschliessende Beurteilung vorgenommen werden kann. Die Diskussion dürfte aber schon im nächsten Jahr lanciert werden.Die Volkswirtschaft:Eine Studie von BAK Basel errechnet die volkswirtschaftliche Rentabilität von grossen Verkehrsinfrastrukturprojekten über die verbesserte ÖV-Erreichbarkeit. Die volkswirtschaftliche Rendite liegt über der betriebswirtschaftlichen Rendite. Im Lichte der hohen Investitionskosten und der langen Amortisationszeiten stellen die Autoren zum Schluss dennoch die Frage, ob die knappen Ressourcen des Staates nicht gewinnbringender in die Senkung der Steuern oder ins Bildungswesen investiert würden, ohne die Frage «wissenschaftlich» näher untersucht zu haben. Wie beurteilen Sie diese Frage aus politischem Winkel?Leuthard: Internationale Vergleiche zeigen, dass gute Infrastrukturen ein wichtiger Standortfaktor und für die Wettbewerbsfähigkeit eines Landes absolut zentral sind. Überfüllte, unpünktliche Züge oder stundenlange Staus und verstopfte Strassen schaden der Wettbewerbsfähigkeit jeder Nation. In der Studie kommt das ebenfalls zum Ausdruck – für die Regionen ist eine gute Anbindung mit Verkehrsinfrastrukturen ein Standortvorteil. Nicht alles kann in Franken genau gemessen werden. Doch Verschlechterungen bei den Verkehrsinfrastrukturen würden wegen der daraus resultierenden Zeitverluste und Hindernisse relativ schnell zur Abwanderung von Unternehmen – und damit zu einem BIP-Rückgang – führen. Das können wir uns nicht leisten.Die Volkswirtschaft: Gibt es noch etwas, das Ihnen im Kontext mit der künftigen Verkehrsinfrastrukturpolitik im Bereich Schiene und Bahn wichtig scheint und bisher noch nicht zur Sprache gekommen ist?Leuthard: Bisher haben wir Infrastrukturen immer etwas isoliert betrachtet. Wir haben Angebote geschaffen und dann gebaut. Die künftige Infrastrukturpolitik muss sich viel stärker an der Raum- und Siedlungsentwicklung orientieren. Darauf müssen wir – zusammen mit den Kantonen und Regionen – hinarbeiten. Wenn wir zuerst jeweils ein Angebot kreieren und uns erst dann Gedanken zur Siedlungsentwicklung machen, kommt das teuer zu stehen. Auch im Sinne eines haushälterischen Umgangs mit dem Boden und einer nachhaltigen Wirtschaft ist es notwendig, Raumentwicklung und Infrastrukturausbau eng miteinander zu verknüpfen. Die Volkswirtschaft: Kein einfacher Prozess…Leuthard: Es ist in der Tat anspruchsvoll, denn es braucht viel Kooperation zwischen den verschiedenen Staatsebenen und setzt ein Denken in Räumen voraus, die meistens kantonsübergreifend sind. Entscheidend ist aber der politische Wille und die Bereitschaft, Natur und Erholungsraum künftig besser zu erhalten und nicht alles verbauen zu wollen.Die Volkswirtschaft: Frau Bundesrätin Leuthard, ich danke Ihnen für das Gespräch.
Zitiervorschlag: Spescha, Geli (2011). Produktivität und Finanzierung von Verkehrsinfrastrukturen: Im Gespräch mit BR Doris Leuthard. Die Volkswirtschaft, 01. Oktober.