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Überhöhte Preise: Kampf gegen Windmühlen?

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Die Schweiz mit ihrer hohen Kaufkraft lädt seit langem ausländische Konzerne ein, diese abzuschöpfen. Die Frankenstärke hat ein strukturelles Problem bloss akzentuiert. Internationale Hersteller, die den Schweizer Handel zwingen, die Ware über den Schweizer Ableger in Schweizer Franken zu beziehen, geben die Währungsvorteile nur teilweise weiter. Aber auch die Preise für Lebensmittel in der Schweiz sind überhöht: Es besteht akuter Handlungsbedarf.

Die Hochpreisinsel Schweiz und die damit verbundene Marktabschottung ist ein seit über zehn Jahren schwelendes Problem. 1999 gewährte das Bundesgericht Kodak mit einem wegweisenden Entscheid praktisch das patentrechtliche Einfuhrmonopol und gewährte ihm dadurch das Recht, die höhere Schweizer Kaufkraft durch überhöhte Preise abzuschöpfen. Dieses umstrittene Urteil löste eine Kaskade von politischen Vorstössen zur Hochpreisinsel Schweiz aus. Trotz hartem Widerstand – auch von Seiten der Wirtschaft – gelang es mit vereinten Kräften, das faktische Parallelimportverbot patentgeschützter Güter aufzuheben. Nach diesem Durchbruch stimmte das Parlament auch der Übernahme des Cassis-de-Dijon-Prinzips zu. Dies zeigte Wirkung: Die Preise kamen – dank hartem Wettbewerb und im internationalen Vergleich hoher Produktivität des Schweizer Detailhandels – massiv ins Rutschen.

Frankenproblematik macht vorherige Anstrengungen zunichte


Die Frankenhausse hat mit einem Schlag die Preisdifferenzen zum Ausland ins öffentliche Bewusstsein gerückt. Konsumentenfunktionärinnen heizten die Stimmung an, indem sie Produkte einer deutschen Billig-Drogerie, die wegen unterentwickelter sozialer Sensibilität in Gewerkschaftskreisen als schwarzes Schaf galt, mit jenen eines Schweizer Markenartikelhändlers verglichen. Der Unmut bei gewissen Konsumentinnen und Konsumenten entlud sich im verstärkten Gang nach Konstanz, Weil und Thoiry. Die Kleinräumigkeit unseres Landes erlaubt es den mobilen Kunden dabei relativ leicht, ennet der Grenze zu posten. Dieser Trend ist nicht nur ökologisch bedenklich, wie die langen Autoschlangen an den Zollämtern belegen, sondern auch volkswirtschaftlich. BAK Basel Economics rechnet damit, dass die Schweizer Haushalte im laufenden Jahr deutlich mehr für Lebensmittel im grenznahen Ausland ausgeben als im vergangenen Jahr. Alleine für Fleisch fliessen gemäss Schätzungen des Schweizerischen Fleischfachverbandes SFF schätzungsweise 900 Mio. Franken ins Ausland.Für die überhöhten Schweizer Preise gibt es – nebst dem allgemein hohen Kostenniveau – objektive Gründe. So haben internationale Hersteller, die den Schweizer Handel zwingen, die Ware über den Schweizer Ableger in Schweizer Franken zu beziehen, die Währungsvorteile nur teilweise weitergeben, was in diversen Fällen zu grotesken Differenzen führte. Sie haben ihr Geschäftsmodell der überrissenen Preisdifferenzierungen verfeinert und schliessen, weil sie die Warenflüsse beherrschen, den Graumarkt weitgehend aus.

Must-in Stock-Problematik muss politisch gelöst werden


Gerade bei den Topmarken spielt der von Ökonomen gepriesene Interbrand-Wettbewerb nicht. Die meisten nassrasierenden Männer kaufen eben die G-Marke; und wenn sie ins Ausland ausweichen, bleiben sie ihr treu. Deshalb führt der wachsende Einkaufstourismus – entgegen den Prophezeiungen von amtlicher Seite – nicht dazu, dass die Preise etwa auf Edelrasierklingen sinken. Der G-Hersteller verkauft dann etwas weniger davon in der Schweiz, dafür etwas mehr in Deutschland. Deshalb muss die sogenannte Must-in-Stock-Problematik politisch gelöst werden. Es kann nicht sein, dass gewisse Produkte im Extremfall beim Harddiscounter in Deutschland billiger angeboten werden als zum Einstandspreis in der Schweiz. Würden sich deutsche Behörden im umgekehrten Fall solche Preismissbräuche tatenlos gefallen lassen? Mit Sicherheit nicht.

Überhöhte Lebensmittelpreise


In der ganzen Debatte werden die hohen Schweizer Nahrungsmittelpreise erstaunlich wenig thematisiert, obwohl die Konsumenten im Gegensatz zu Rasierklingen fast täglich Nahrungsmittel einkaufen. Dieses Preisniveau ist politisch gewollt, um den hohen Schweizer Agrarschutz aufrecht zu erhalten. Doch auch hier gilt: Die Differenzen sind zu gross; es herrscht Handlungsbedarf, wie auch der Bundesrat erkannt hat. Die Migros hat sich politisch stets für Wettbewerb und gegen Marktabschottung eingesetzt. Sie befürwortet die Verhandlungen über ein Agrarabkommen mit der EU. Und sie unterstützt das Referendum gegen die Buchpreisbindung aus übergeordneten Gründen, denn das Buch ist ja nicht ihr Kerngeschäft.

Zitiervorschlag: Buchwalder, Gabi (2011). Überhöhte Preise: Kampf gegen Windmühlen? Die Volkswirtschaft, 01. November.