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Verwaltungsaufwand in der 2. Säule bei Vorsorgeeinrichtungen und Unternehmen

Der administrative Verwaltungsaufwand in der 2. Säule – Vermögensverwaltung, Marketing und Werbung nicht eingerechnet – beläuft sich auf rund 1,8 Mrd. Franken pro Jahr. Davon fallen gemäss einer kürzlich veröffentlichten Studie
Hornung Wirtschafts- und Sozialstudien / IC Infraconsult AG / Büro für arbeits- und sozialpolitische Studien BASS: Verwaltungskosten der 2. Säule in Vorsorgeeinrichtungen und Unternehmen, Beiträge zu sozialen Sicherheit, Forschungsbericht Nr. 4/11, Bern 2011. bei den Vorsorgeeinrichtungen 792 Mio. Franken, bei den Unternehmen 280 Mio. Franken und bei den Lebensversicherern rund 735 Mio. Franken an. Einen grossen Teil des Aufwandes verursachen Lohnänderungen, Ein- und Austritte sowie die Informationstätigkeit zugunsten der Versicherten. Im Einzelfall aufwändige Ereignisse – wie Invaliditätsfälle oder Vorbezüge zur Finanzierung von Wohneigentum – machen hingegen wegen der geringen Jahresfallzahlen nur einen kleinen Anteil am Gesamtaufwand aus.

Erhebung des Aufwandes in Anlehnung an Regulierungskostenmodell


Die demografischen Perspektiven, die Turbulenzen an den Finanzmärkten und die Diskussionen um den Umwandlungssatz bringen die Verwaltungskosten in der 2. Säule regelmässig auf die politische Agenda. Viele erhoffen sich von der Senkung des Verwaltungsaufwandes einen Beitrag zur finanziellen Gesundung der Pensionskassen. Vor diesem Hintergrund haben das Bundesamt für Sozialversicherungen (BSV) und das Staatssekretariat für Wirtschaft (Seco) eine Studie in Auftrag gegeben, um den administrativen Verwaltungsaufwand und dessen Struktur zu ermitteln und aufzuzeigen, welche gesetzlichen Handlungspflichten hinter den einzelnen Verwaltungsvorgängen stehen.Die Erhebung der Struktur des Verwaltungsaufwandes lehnt sich an die Methode des Regulierungskostenmodells (RKM) an. Mit diesem werden die Kosten von gesetzlichen Handlungspflichten geschätzt. Im Rahmen der Studie erfolgte die Messung des Aufwandes, indem die gesamte Verwaltungstätigkeit von Vorsorgeeinrichtungen und Unternehmen im Rahmen der 2. Säule in Ereignisse und in Aufgaben gegliedert wurde (siehe Kasten 1

Begriffe


− Ereignisse sind Geschehen im Leben der Versicherten, wie z.B. Eintritt in eine oder Austritt aus einer Vorsorgeeinrichtung, Eheschliessung und Pensionierung. Die Verarbeitung von Ereignissen verlangt die Ausführung von Verwaltungstätigkeiten durch die Vorsorgeeinrichtungen und/oder Unternehmen. Im Rahmen der Studie wurden 14 Ereignisse definiert (vgl. Grafik 1).− Aufgaben umfassen einmalige oder wiederkehrende Tätigkeiten, die von Vorsorgeeinrichtungen bzw. Unternehmen ausgeführt werden müssen, wie z.B. Daten- und individuelle Kontenführung und Jahresabschlussarbeiten. Die gesamte Verwaltungstätigkeit der Vorsorgeeinrichtungen wurde in 14 Aufgaben aufgeteilt. Bei den Unternehmen wurde zwischen fünf Aufgaben unterschieden (vgl. Tabelle 2).

). Durch Befragung einer Auswahl von Vorsorgeeinrichtungen und Unternehmen haben die Autoren der Studie den Zeitaufwand für die Erledigung der aus den Ereignissen und Aufgaben entstehenden Verwaltungstätigkeiten erhoben. Die daraus resultierenden Ergebnisse haben zugezogene Expertinnen und Experten in zwei Workshops validiert und ergänzt. Schliesslich wurden die konsolidierten Angaben auf die Gesamtheit der Ereignisse bzw. der Vorsorgeeinrichtungen und Unternehmen hochgerechnet.

Lohnänderungen und Personalfluktuationen verursachen den grössten ereignisbedingten Aufwand


Je nach Ereignis wird unterschiedlich viel Zeit für dessen Verarbeitung durch Vorsorgeeinrichtungen und Unternehmen benötigt. Besonders zeitintensiv ist die Verarbeitung von Invaliditäts- und Todesfällen sowie häufig auch von Vorbezügen zur Finanzierung von Wohneigentum (WEF). Eintritte und Austritte in bzw. aus Vorsorgeeinrichtungen/Unternehmen sowie Änderungen von Lohn und/oder Beschäftigungsgrad beanspruchen dagegen wenig Zeit pro Fall. Generell ist die zeitliche Belastung für die Verarbeitung von Ereignissen bei Unternehmen deutlich geringer als bei Vorsorgeeinrichtungen.Der Gesamtaufwand für die Verarbeitung der Ereignisse ergibt sich aus dem Aufwand je Ereignis multipliziert mit der Zahl der Ereignisse pro Jahr. Die weitaus häufigsten Ereignisse sind Änderungen von Lohn und/oder Beschäftigungsgrad. Sehr häufig treten auch Ein- und Austritte in bzw. aus Vorsorgeeinrichtungen und Unternehmen auf. Invaliditätsfälle und WEF-Vorbezüge sind dagegen vergleichsweise selten ( siehe Grafik 1).Die Verarbeitung aller Ereignisse durch registrierte Vorsorgeeinrichtungen und Unternehmen verursacht Kosten von rund 219 bis 239 Mio. Franken pro Jahr (dieser Betrag umfasst den direkt in Vorsorgeeinrichtungen und Unternehmen entstehenden Aufwand sowie die Kosten von beauftragten Dritten wie Treuhandfirmen, Pensionskassenexperten usw.). Von den genannten Kosten haben die Vorsorgeeinrichtungen 70% bis 75% und die Unternehmen 25% bis 30% zu tragen. Änderungen von Lohn und/oder Beschäftigungsgrad verursachen einen Aufwand von 106 bis 132 Mio. Franken pro Jahr und machen damit den grössten Anteil am Total der ereignisbedingten Kosten aus (siehe Tabelle 1). Invaliditätsfälle, die pro Fall teilweise einen hohen Verwaltungsaufwand verursachen, bleiben wegen der vergleichsweise geringen Häufigkeiten im Gesamtkontext aller Ereignisse von untergeordneter Bedeutung, ebenso die WEF-Vorbezüge. Bedeutend mehr Aufwand als die Invaliditätsfälle verursacht die Verarbeitung von Teilliquidationen, nämlich 17 bis 28 Mio. Franken pro Jahr. Die Angaben für den Zeitaufwand pro Teilliquidation differieren allerdings je nach Quelle recht stark. Über dieses Ereignis bestehen im Übrigen nur wenige statistische Informationen.

Daten- und Kontenführung sowie Informationen an Versicherte aufwändigste Aufgaben


Nicht alle Verwaltungsaufgaben, die im Rahmen der 2. Säule geleistet werden müssen, sind an Ereignisse bei Versicherten gebunden. Laufende Buchhaltungsarbeiten, Jahresabschlussarbeiten, Erlasse von Reglementen, Anpassungen von Vorsorgeplänen usw. fallen regelmässig oder sporadisch an, ohne dass damit ein Ereignis bei Versicherten gekoppelt ist. Der Aufwand für die Bearbeitung sämtlicher Aufgaben in Zusammenhang mit der 2. Säule ist damit wesentlich höher als der Aufwand für die Verarbeitung der Ereignisse. Vorsorgeeinrichtungen, Unternehmen und Lebensversicherer müssen zusammen 1,8 Mrd. Franken pro Jahr tragen. Davon fallen bei den Vorsorgeeinrichtungen 792 Mio. Franken, bei den Unternehmen 280 Mio. Franken und bei den Lebensversicherern rund 735 Mio. Franken an.
Diese Zahlen stützen sich (in der Reihenfolge der Nennungen) auf folgende Grundlagen: Pensionskassenstatistik des Bundesamtes für Statistik, Erhebungen im Rahmen der Studie von Hornung / Infraconsult / BASS, Statistik der Finanzmarktaufsicht.Wie sich der Aufwand auf die einzelnen Aufgaben verteilt, ist im Rahmen der Studie für die Vorsorgeeinrichtungen und Unternehmen näher untersucht worden (nicht aber für die Lebensversicherer). Bei den Vorsorgeeinrichtungen verursachen zwei Aufgaben einen besonders hohen Aufwand: die Daten- und individuelle Kontenführung mit rund 235 bis 255 Mio. Franken pro Jahr und Informationen und Auskünfte an aktive Versicherte und Rentnerinnen und Rentner mit rund 155 bis 180 Mio. Franken pro Jahr (siehe Tabelle 2). Diese beiden Aufgaben machen fast die Hälfte des gesamten Aufwandes der Vorsorgeeinrichtungen für die Bearbeitung aller Aufgaben aus. Laufende Buchhaltungsarbeiten, Zahlungsverkehr, Kontakte zu Dritten und Jahresabschlussarbeiten belaufen sich auf je zwischen 55 und 85 Mio. Franken (rund 30% des Gesamtaufwandes).Bei den Unternehmen ist die Aufgabe Meldung von Ereignissen bei Versicherten an die Vorsorgeeinrichtung mit dem grössten Aufwand verbunden. Die entsprechenden Kosten belaufen sich auf 74 bis 81 Mio. Franken. Nicht viel weniger kostet die Überprüfung der BVG-Lösung und der Vorsorgepläne (72 bis 77 Mio. Franken). Hier gilt zu beachten, dass – im Gegensatz zu allen anderen Aufgaben von Vorsorgeeinrichtungen und Unternehmen – keine unmittelbare gesetzliche Pflicht eine regelmässige Überprüfung verlangt. Art. 11 BVG sieht lediglich die Errichtung einer Vorsorgeeinrichtung oder den Anschluss an eine solche als Aufgabe vor. Eine mehr oder weniger regelmässige Überprüfung von BVG-Lösung und Vorsorgeplänen muss daher als freiwillige Aufgabe von Unternehmen (auch im Interesse ihrer Mitarbeitenden) gesehen werden.

Grösse führt nicht automatisch zu Skaleneffekten


Die Erhebungen der Studie zeigen im Übrigen, dass der administrative Verwaltungsaufwand pro versicherte Person je nach Typ der Vorsorgeeinrichtung unterschiedlich hoch ausfällt und dass allein die Grösse einer Vorsorgeeinrichtung nicht automatisch zu Skaleneffekten führt. Eine gewisse Arbeitgeber- bzw. Versichertennähe wirkt sich unter Umständen dämpfend auf den Verwaltungsaufwand aus. So zeigte sich, dass der Verwaltungsaufwand pro versicherte Person und Rentenbezüger in Gemeinschafts- und in Sammeleinrichtungen höher ist als in Pensionskassen der öffentlichen Hand oder in solchen von einem Arbeitgeber oder eines Konzerns. Der Grund dafür dürfte in der Vielzahl von Vorsorgeplänen und in den längeren Informationswegen bei Gemeinschafts- und Sammeleinrichtungen liegen.

Komplexe Beziehungen zwischen Rechtsnormen und Verwaltungsaufwand


Die Analyse von 19 Rechtserlassen rund um die 2. Säule hat gezeigt, dass insgesamt rund 1800 Rechtsnormen mit mehr als 640 Handlungspflichten für Vorsorgeeinrichtungen, Unternehmen und andere Akteure im Bereich der beruflichen Vorsorge bestehen. Werden diese mit den Ereignissen und Aufgaben verknüpft, resultiert eine ausserordentlich hohe Zahl von Beziehungen zwischen Rechtsnormen bzw. Handlungspflichten einerseits und den einzelnen Ereignissen und Aufgaben andererseits. Jedes einzelne Ereignis und jede einzelne Aufgabe wird durch ein ganzes Bündel von Rechtsnormen bestimmt. Umgekehrt hat praktisch jede Rechtsnorm Auswirkungen auf eine Vielzahl von Ereignissen und/oder Aufgaben. Damit ist es nicht möglich, die Kosten zu ermitteln, die ein einzelner Gesetzesartikel verursacht.

Merkliche Reduktion des Verwaltungsaufwandes nur durch einschneidende Systemveränderungen


Die einen hohen Verwaltungsaufwand verursachenden Aufgaben und Ereignisse hängen teilweise mit den Grundpfeilern der 2. Säule – wie dem Kapitaldeckungsverfahren, der Selbstständigkeit der Vorsorgeeinrichtung bzw. der Vielzahl und Vielfalt von Vorsorgeeinrichtungen und Vorsorgelösungen – zusammen. Eine markante Reduktion des Verwaltungsaufwandes wäre deshalb nur mit einschneidenden Vereinfachungen im System der beruflichen Vorsorge zu bewerkstelligen, etwa mit starken Reglementsharmonisierungen und -standardisierungen oder einer starken Reduktion der Anzahl Vorsorgeeinrichtungen. Voraussetzung für eine allfällige Reduktion des Verwaltungsaufwandes bei den Lebensversicherungsgesellschaften für die 2. Säule wäre eine punkto Verwaltungsaufwand transparentere Rechnungslegung und Statistik und damit auch eine grössere Transparenz für die Akteure auf dem Beschaffungsmarkt.

Grafik 1: «Häufigkeiten der Ereignisse pro Jahr, die bei aktiven Versicherten auftreten, 2009»

Tabelle 1: «Aufwand für die Verarbeitung der Ereignisse durch registrierte Vorsorgeeinrichtungen und Unternehmen, 2009»

Tabelle 2: «Aufwand für die Bearbeitung der Aufgaben, 2009»

Kasten 1: Begriffe

Begriffe


Ereignisse sind Geschehen im Leben der Versicherten, wie z.B. Eintritt in eine oder Austritt aus einer Vorsorgeeinrichtung, Eheschliessung und Pensionierung. Die Verarbeitung von Ereignissen verlangt die Ausführung von Verwaltungstätigkeiten durch die Vorsorgeeinrichtungen und/oder Unternehmen. Im Rahmen der Studie wurden 14 Ereignisse definiert (vgl. Grafik 1).− Aufgaben umfassen einmalige oder wiederkehrende Tätigkeiten, die von Vorsorgeeinrichtungen bzw. Unternehmen ausgeführt werden müssen, wie z.B. Daten- und individuelle Kontenführung und Jahresabschlussarbeiten. Die gesamte Verwaltungstätigkeit der Vorsorgeeinrichtungen wurde in 14 Aufgaben aufgeteilt. Bei den Unternehmen wurde zwischen fünf Aufgaben unterschieden (vgl. Tabelle 2).

Kasten 2: Lebensversicherer

Lebensversicherer


Die Leistungen der Lebensversicherer in der beruflichen Vorsorge sind sehr vielfältig und reichen von der Risikorückdeckung über Verwaltung und Geschäftsführungsmandate bis zu Vollversicherungslösungen. Rund die Hälfte der in der beruflichen Vorsorge aktiven Versicherten steht über die jeweilige Vorsorgeeinrichtung in Verbindung mit einer Lebensversicherungsgesellschaft und finanziert mit den Beiträgen die dort entstehenden Verwaltungskosten. Zur deren Struktur bestehen keine Angaben.

Zitiervorschlag: Thomas Bernhard, Daniel Hornung, (2011). Verwaltungsaufwand in der 2. Säule bei Vorsorgeeinrichtungen und Unternehmen. Die Volkswirtschaft, 01. Dezember.