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Aargau: Vom Industriekanton zum international kompetitiven Hightechstandort

Der Kanton Aargau als grosser Industrie- und Technologiekanton verfügt über vielfältige Stärken für Unternehmen und Wohnbevölkerung. Er weist eine Reihe von wettbewerbsfähigen Standortfaktoren – wie Bildungs-, Forschungs- und Innovationssysteme – sowie eine hohe Lebensqualität auf. Die gute Ausgangsbasis genügt jedoch für eine erfolgreiche Entwicklung des Standorts nicht. Eine aktive Wirtschaftspolitik soll die Gefahren des quantitativen Wachstums vermeiden und die nachhaltige Wertschöpfung innerhalb des Kantons erhöhen.



Zahlreiche bekannte Unternehmen – wie ABB, Alstom, Syngenta oder Roche – tragen mit ihren Aktivitäten wesentlich zur Wertschöpfung im Kanton Aargau bei. Sowohl die internationalen Konzerne als auch eine Vielzahl von KMU schätzen die Vorteile des Kantons. Als attraktive Wirtschaftsregion bietet der Aargau 280 000 Menschen in 30 500 Unternehmen Arbeit.Die internationale Rating-Agentur Standard&Poor’s hat die Bonität des Kantons in ihrem neusten Bericht zum vierten Mal in Folge mit dem bestmöglichen Rating AAA bewertet. Diese Bewertung widerspiegelt die stabile Finanzlage, die starke Wirtschaft, die tiefe Arbeitslosenrate, die geografisch günstige Lage und den hohen Lebensstandard des Aargaus. Im Rating der Credit Suisse für die Standortattraktivität belegt der Kanton Aargau zum zweiten Mal hintereinander den dritten Platz im Kantonsvergleich.Der Aargau liegt mitten in der stärksten Wirtschaftsregion der Schweiz. Er befindet sich im Schnittpunkt der Hauptverkehrsachsen von Bahn und Strasse zwischen den Wirtschaftszentren Basel, Bern und Zürich. Eine gemeinsame Grenze verbindet ihn mit Deutschland. Auch als Wohnkanton hat der Aargau einiges zu bieten: Dank der guten Verkehrsanbindung, der landschaftlichen Schönheit und des grossen kulturellen Angebots ist die Lebensqualität sehr hoch.Diese Stärken und die im Vergleich zu den umliegenden Zentren – wie Zürich, Basel oder Zug – hohe Verfügbarkeit von Wohn- oder Betriebsflächen zu tieferen Kosten führen zum Teil zu unerwünschten Wirkungen auf die Struktur der Wohnbevölkerung und der Betriebe. Ziel der aargauischen Wirtschaftspolitik ist es, die Standortvorteile und das Entwicklungspotenzial des Kantons Aargau als Wirtschafts- und Wohnstandort gezielt auszuschöpfen.Der globalisierte Markt setzt die Kantone einem wachsenden Wettbewerb um zunehmend mobile Unternehmen und Arbeitskräfte – d.h. um gutes Steuersubstrat – aus. Hinzu kommt ein grundlegender Strukturwandel, der dem Dienstleistungssektor zu Aufschwung verholfen hat, für die produzierende Industrie jedoch eine grosse Herausforderung darstellt. Dieser Strukturwandel geht teilweise auf Kosten von bisherigen Arbeitsplätzen, bietet jedoch auch Chancen für Wachstum und Erneuerung. Wie muss die kantonale Wirtschaftspolitik ausgestaltet sein, damit die Chancen des Strukturwandels genutzt werden können und sich die Rahmenbedingungen für Unternehmen und Wohnbevölkerung verbessern? Wie kann das qualitative Wachstum und dadurch das Volkseinkommen pro Kopf gesteigert werden?

Wachstumsinitiative und Neuausrichtung der Wirtschaftspolitik


Im Juni 2005 lancierte der Regierungsrat ein Paket mit 25 Massnahmen, um die Rahmenbedingungen für das qualitative Wachstum der aargauischen Wirtschaft zu verbessern und das Volkseinkommen zu erhöhen. Die nationale und internationale Konkurrenzfähigkeit des Standorts Aargau sollte damit weiter gestärkt werden. Die regierungsrätliche Politik richtete sich konsequent auf die Erhaltung und Verbesserung der wichtigsten Standortfaktoren aus. Die Massnahmen der Wachstumsinitiative waren departementsübergreifend angelegt und verteilten sich auf die sechs Handlungsfelder Forschungspolitik, Bildungspolitik, Binnenmarktliberalisierung, Raumentwicklungs- und Verkehrspolitik, Steuerpolitik sowie wirtschaftspolitische Begleitmassnahmen.Das Projekt konnte 2009 erfolgreich abgeschlossen werden. Die steuerliche und administrative Entlastungen von Unternehmen, die Förderung des Tourismus zur Verbesserung der Lebens- und Freizeitqualität, die Ansiedlung einer internationalen Schule und die Einführung eines Standortförderungsgesetzes sind Beispiele aus dem Wachstumspaket. Die Wachstumsinitiative signalisierte aber auch eine Neuausrichtung der Wirtschaftspolitik im Kanton Aargau: Seither wird departementsübergreifend eine verstärkt auf qualitatives Wachstum ausgerichtete Wirtschaftspolitik verfolgt.

Weiterführung der Wachstumspolitik


Der Regierungsrat hat in seinem Entwicklungsleitbild 2009–2018 festgehalten, dass er die Ausrichtung der Wirtschaft auf wertschöpfungsstarke Branchen zusätzlich unterstützen will, damit der Kanton Aargau seine Wettbewerbsfähigkeit erhalten und verbessern kann. Im Entwicklungsleitbild sind dazu folgende Elemente explizit festgehalten:– Stärkung der Standortfaktoren für die wertschöpfungsintensiven Branchen Biotechnologie, Energie, Pharma, Chemie und Medizinaltechnologie;– Umsetzung einer Hightechstrategie zur Bündelung der Kräfte aus Wirtschaft, Wissenschaft und Bildung.– Bildungsmöglichkeiten mit international anerkannten, mehrsprachigen Abschlüssen für Angehörige international ausgerichteter Unternehmen.

Hightechstrategie für eine innovative Zukunft …


Mit der Hightechstrategie, wie sie vom Regierungsrat im Juli 2011 in die kantonale Anhörung geschickt wurde, soll der 2005 begonnene Weg zur Unterstützung einer nachhaltigen Wachstumsstrategie fortgeführt werden. Basierend auf den Leitplanken, wie sie im Entwicklungsleitbild festgehalten sind, und in Fortführung und Weiterentwicklung der Massnahmen der Wachstumsinitiative hat ein interdepartementales Team die wesentlichen Eckpunkte einer Hightechstrategie entwickelt. Eine zentrale Zielsetzung dieser Strategie ist es, die industrielle Positionierung des Kantons zu stärken und den im Kanton ansässigen industriellen und gewerblichen Unternehmen ein attraktives Umfeld für den Zugang zu neuen Technologien zu bieten. Über möglichst ideale Rahmenbedingungen – insbesondere im Bereich des Wissens- und Technologietransfers (WTT) – soll die heutige und zukünftige Konkurrenzfähigkeit der einheimischen Produzenten auf dem Weltmarkt gestärkt werden. Der Fokus der Strategie liegt auf WTT. Weitere Stossrichtungen liegen im Bereich der Forschungsprojektfinanzierung und der Forschungsförderung am PSI. Ein zunehmendes Problem in der Schweiz ist die Verfügbarkeit von Land oder Immobilien für industrielle Zwecke. Eine weitere Stossrichtung der Initiative ist deshalb die Absicht, über entsprechende Massnahmen (z.B. Entwicklung von Arealen und Industriebrachen) Produktionsflächen verfügbar zu machen.

… im Rahmen des Masterplan Cleantech des Bundes


Der Bundesrat hat Mitte Oktober 2010 beschlossen, klima- und ressourcenschonende Technologien stärker zu fördern. Der Masterplan Cleantech, welcher im November 2010 an einer nationalen Innovationskonferenz vorgestellt und vom Bundesrat im September 2011 definitiv verabschiedet wurde, umfasst konkrete Vorschläge zur Stärkung der Wettbewerbsfähigkeit des Werkplatzes Schweiz durch Cleantech-Innovationen. Er zeigt auf, wie die Schweiz zum führenden Cleantech-Standort werden kann. Der Begriff Cleantech versammelt Technologien, Herstellverfahren und Dienstleistungen, die zum Schutz und zur Erhaltung der natürlichen Ressourcen und Systeme beitragen. Der Kanton Aargau nimmt diese zukunftsweisende Strategie zum Anlass, um im eigenen Kantonsgebiet entsprechende Anstrengungen zu unterstützen und Produktinnovationen verstärkt zu fördern. Im Zentrum stehen dabei der WTT zwischen Forschung/Bildung und produzierenden Unternehmen sowie innovationsfördernde Rahmenbedingungen. Mit Hightech Aargau werden bedeutende Elemente des Masterplans Cleantech des Bundes aufgenommen. Gleichzeitig wird der Energiestandort Aargau gestärkt und im Hinblick auf ressourcenschonende Verfahren und Produkte weiterentwickelt.

Energiekanton Aargau


Die Energiebranche hat für den Aargau eine hohe volkswirtschaftliche Bedeutung. Sie bietet einige tausend Arbeitsplätze, und der Kanton profitiert in vielfältiger Weise davon. Der Massnahmenplan Hightech Aargau leistet einen wichtigen Beitrag zur Bewältigung der sich – im Zusammenhang mit den Diskussionen über die Kernenergie – abzeichnenden Veränderungen in der Energiewirtschaft. Der Regierungsrat will mit Hightech Aargau die neue Energiepolitik mitgestalten und fordert vom Bund und von den Energieunternehmen entsprechende Unterstützung ein. Der Massnahmenplan ist ein wichtiges Instrument, um die strukturellen Veränderungen in der Energiewirtschaft zu begleiten und zu steuern. Der Regierungsrat will die Kompetenzen und das Know-how der im Aargau vorhandenen Industrie- und Energieunternehmen, Forschungsinstitutionen, Bildungsanstalten und Arbeitskräfte für neue, innovative Energieprojekte nutzen. Hightech Aargau ermöglicht es dem Regierungsrat, regionale und technologiespezifische Akzente – zum Beispiel mit der Hightech-Region und dem Hightech-Zentrum – zu setzen, damit der Aargau auch künftig der führende Energiekanton unter neuen, innovativen Vorzeichen bleibt.

Entwicklung von Wachstumsinitiative und Hightechstrategie


Bei der Entwicklung solcher Grossprojekte in der Verwaltung spielt der Einbezug der verschiedenen Departemente eine entscheidende Rolle – nicht zuletzt, um am Schluss in der Regierung sowie im Parlament Mehrheiten dafür zu finden. Die Entwicklung beider Projekte – also der Wachstumsinitiative 2005 und Hightechstrategie 2010 – erfolgte unter Einbezug aller betroffenen Departemente. Mit der Projektführung durch eine neutrale Institution (Staatskanzlei) können in der kritischen Anfangsphase des Projekts viele Hürden vermieden werden. Eine departementsübergreifende Projektorganisation erlaubt zusätzlich die Verkürzung von langwierigen Mitberichtsverfahren. Der frühzeitige Einbezug der Regierung verhindert unnötige Aufwendungen und führt zu einer hohen Akzeptanz des Projekts durch die einzelnen Departementsvorsteher in einer frühen Phase. Projekte dieser Art generieren häufig eine hohe Dynamik, welche auch unkonventionelle Lösungen zulässt.

Stand des Projektes Mitte Oktober 2011


Die Initiative Hightech Aargau war bis Oktober 2011 in der kantonalen Anhörung. Im Grundsatz wurde die Initiative von den angehörten Parteien, Verbänden und Institutionen begrüsst. Bei der Umsetzung und Ausgestaltung der einzelnen Massnahmen müssen die Resultate der Anhörung eingebaut werden; eine gewisse Verschiebung der Gewichtungen ist aufgrund der Anhörungsergebnisse zu erwarten. Der Grosse Rat wird im Sommer 2012 die Hightechstrategie beraten. Die definitive Umsetzung ist von den politischen Entscheiden abhängig.

Grafik 1: «Struktur der Hightech-Massnahmen»

Tabelle 1: «Übersicht über die wichtigsten Massnahmen der Wachstumsinitiative, 2005-2009»

Kasten 1: Innovation durch Forschungsförderung: Der Forschungsfonds

Innovation durch Forschungsförderung: Der Forschungsfonds


Der Forschungsfonds (http://www.forschungsfonds-aargau.ch) soll die Innovation in der aargauischen Wirtschaft fördern und zugleich den Standort Aargau für neue Firmen attraktiver machen. Mit dem Forschungsfonds unterstützt der Kanton gemeinsame angewandte Forschungs- und Entwicklungsprojekte von Hochschulen – wie ETH, PSI, Universitäten und Fachhochschulen aller Kantone – in Zusammenarbeit mit Aargauer Unternehmen. Der Kantonsbeitrag kommt dabei den Hochschulen zugute; von den beteiligten Firmen wird ein Eigenbeitrag verlangt. Die Projektauswahl und -begleitung erfolgt durch die Förderstiftung Technopark Aargau mit Sitz in Windisch.Gegründet wurde der Forschungsfonds 2008 im Rahmen der Wachstumsstrategie des Kantons. Einerseits werden dadurch bereits etablierte Unternehmungen im Aargau unterstützt; anderseits werden auch Anreize geschaffen, dass innovative Firmen den Kanton Aargau ganz bewusst als Standort wählen. Beiträge aus dem Forschungsfonds werden in einem Selektionsverfahren vergeben. Die Beurteilung der Projekte erfolgt durch eine Fachjury. Darin sind nebst dem Kanton die Förderstiftung Technopark Aargau, die Wirtschaft und der Forschungsbereich vertreten. Die Beurteilung der Projektanträge erfolgt nach folgenden Kriterien:− fachliche Qualität;− Innovationsgehalt;− Marktwirkung und Bedeutung für den Wirtschaftsstandort Aargau;− wirksamer Wissens- und Technologietransfer.Projektpartner ist stets eine Firma aus dem Aargau (oder eine Firma, welche ihr Domizil in den Aargau verlegen wird) und ein Partner aus dem Feld der Schweizer Hochschulen. Die Förderbeiträge aus dem Forschungsfonds gehen an den Hochschulpartner. Der Wirtschaftspartner selbst muss mindestens 50% der Projektkosten als Eigenleistung erbringen.Die Kantonsmittel bewegen sich pro Projekt in einer Grössenordnung von 50 000 bis 100 000 Franken. Gefördert werden Projekte mit hohem Innovationsgehalt. Projekteingaben interessierter Unternehmer für den Forschungsfonds des Kantons Aargau sind jeweils bis am 31. März bzw. 31. August einzureichen. Für 2011 stehen insgesamt 600 000 Franken an Fördermitteln bereit; für 2012 sind 800 000 Franken bewilligt.

Zitiervorschlag: Thomas Buchmann, Daniele Zatti, (2011). Aargau: Vom Industriekanton zum international kompetitiven Hightechstandort. Die Volkswirtschaft, 01. Dezember.