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Legalisierung von Testkäufen und verdeckte Ermittlungen im Gastgewerbe: Relationen sind aus den Fugen geraten

Legalisierung von Testkäufen und verdeckte Ermittlungen im Gastgewerbe: Relationen sind aus den Fugen geraten

Im Fokus der Revision des Alkoholgesetzes ist unter anderem der Jugendschutz. Im Gastgewerbe sollen Testkäufe – oder vielmehr verdeckte Ermittlungen – legalisiert werden. GastroSuisse, der Verband für Hotellerie und Restauration in der Schweiz, begrüsst grundsätzlich die gesetzlichen Bestimmungen für den Alkoholausschank an Jugendliche. Die Legalisierung von Testkäufen schiesst jedoch weit über das Ziel hinaus.

Eine der Hauptstossrichtungen der Revision des Alkoholgesetzes ist der Jugendschutz. Die Bilder von Jugendlichen, die sich wegen übermässigen Alkoholkonsums in Spitalbehandlung begeben müssen, stimmen nachdenklich. Ein öffentliches Interesse an einem funktionierenden Jugendschutz ist gegeben. Staatliches Handeln setzt denn auch ein solches öffentliches Interesse voraus, so will es Artikel 5 der Bundesverfassung.

Rechtsgrundsätze ignoriert


Eine aus dem Jugendschutz abgeleitete Massnahme ist die Legalisierung von Testkäufen. Gemäss mehreren fundierten Gerichtsurteilen (insbesondere das Bundesgerichtsurteil vom 10. Januar 2012) handelt es sich bei diesen Testkäufen klar um verdeckte Ermittlungen. Solche sind jedoch nur zulässig bei Schwerstverbrechen wie zum Beispiel Mord, Menschenhandel oder Entführung. Selbst bei diesen braucht es eine richterliche Genehmigung; dem verdeckten Ermittler ist es strengstens untersagt, die Straftat zu provozieren. Diese Rechtsgrundsätze sollen für das Gastgewerbe über Bord geworfen werden. Artikel 5 der Bundesverfassung gebietet für staatliches Handeln nicht nur ein öffentliches Interesse, sondern auch Verhältnismässigkeit. Auch bei der Revision des Alkoholgesetzes hat dieses Prinzip zu gelten. Es ist ein grosses Fragezeichen, ob dies bei der Legalisierung von Testkäufen der Fall ist.

Jugend und Alkohol


«Die Jugend von heute liebt den Luxus, hat schlechte Manieren und verachtet die Autorität. … Sie widersprechen ihren Eltern, … legen die Beine übereinander und tyrannisieren ihre Lehrer.» Diese Aussage ist nicht etwa aktuell, sondern soll von Sokrates stammen. Schon vor 2500 Jahren bestand also der Eindruck, dass es um unsere Jugend schlecht beschieden sei. Unreflektierte Behauptungen, alles werde immer schlimmer, sind grundsätzlich kritisch zu hinterfragen. Zum Thema Jugend und Alkohol steht nämlich fest: Bei 11-jährigen Jungen und Mädchen nahm der Alkoholkonsum von 1986 bis 2010 massiv ab, ebenso bei 13-jährigen Jungen. Der Konsum von 13-jährigen Mädchen hingegen blieb über die Jahre gleich hoch. Bei den 15-jährigen zeigt sich eine klare Zunahme des Alkoholkonsums. Diese trinken vor allem Bier, das erst ab 16 Jahren verkauft werden darf. Über alle Altersgruppen hinweg stellt man insgesamt jedoch eine geringe Abnahme des Alkoholkonsums fest. Definitiv falsch ist die Vermutung, dass die jugendlichen Alkoholkonsumenten immer jünger werden. Ebenso falsch ist die Vorstellung, die Jugendlichen würden immer mehr Alkohol konsumieren. Früher war es nicht besser, aber auch nicht schlechter.

Preislich attraktivere Quellen als das Gastgewerbe


Die Praxis zeigt zudem: 15-jährige Schülerinnen und Schüler besorgen ihren Alkohol nur zu einem unwesentlichen Teil im Gastgewerbe. Am häufigsten wird der Alkohol an Privatparties besorgt, bei Freunden oder bei den Eltern. Auch Einkäufe im Detailhandel und die Abgabe durch Drittpersonen finden häufiger statt als der Konsum im Gastgewerbe, der deutlich teurer ist und einer starken sozialen Kontrolle ausgesetzt ist. Die Preise im Gastgewerbe sind vergleichsweise hoch. Das hat mit der Kostenstruktur der Branche zu tun. Primär fallen die Personalkosten ins Gewicht; die Warenkosten machen nur etwa ein Viertel der Totalkosten aus. Der Kauf ausserhalb des Gastgewerbes ist preislich also deutlich attraktiver, weil nur die Warenkosten zu berappen sind.Es ist unverständlich, weshalb sich die Präventionskreise bei der Alkoholgesetzrevision nicht verstärkt auf die Abgabe von Alkohol an Privatparties, durch Freunde oder Eltern fokussieren. Hier könnten die grössten Verbesserungen erzielt werden. Das Gastgewerbe zu drangsalieren, scheint offensichtlich einfacher zu sein, als Eltern ins Gebet zu nehmen. Der starke Fokus der aufgeblähten Präventionsindustrie auf das Gastgewerbe kann nicht nachvollzogen werden. Noch unverständlicher ist es, dass man fragwürdige Testkäufe einführen will und damit den Verkauf eines Bieres an einen 15-Jährigen mit Mord, Menschenhandel und Entführung gleichstellt.

Zitiervorschlag: Bernhard Kuster (2012). Legalisierung von Testkäufen und verdeckte Ermittlungen im Gastgewerbe: Relationen sind aus den Fugen geraten. Die Volkswirtschaft, 01. Januar.