Alkoholprävention – zum Wohl!
Die meisten Personen in der Schweiz geniessen Wein, Bier, Spirituosen und Cocktails. Nicht selten wird die Schwelle des Genusses, der Harmlosigkeit aber überschritten. Der Kreis der Betroffenen kann sich dann sehr schnell ausweiten. Denn der Alkoholmissbrauch bringt Gefahren auf die Strasse und in Betriebe; er mindert Leistung und Ertrag in Unternehmen und lässt Gesundheitskosten steigen. Gemeinsam setzen sich staatliche und private Stellen im Rahmen des Nationalen Programms Alkohol (NPA) dafür ein, dass alkoholbedingte Probleme eingedämmt und schädigende Folgen für Wirtschaft und Gesellschaft gemindert werden. Das Programm, das sich auf die föderalen Strukturen der Schweiz stützt, hat bereits Erfolge zu verbuchen.
Rund 13% der Bevölkerung trinken rund die Hälfte des gesamten konsumierten Alkohols. Das ist nicht nur ein privates Problem. Es wirkt sich auch negativ auf die Gesellschaft und die Wirtschaft aus. Jährlich werden durch übermässigen Alkoholkonsum Kosten von rund 2,3 Mrd. Franken verursacht. Darin enthalten sind Gesundheitskosten für ärztliche Leistungen und Versorgung in Spitälern sowie für Arbeitsausfälle. Allein in der Wirtschaft fallen jährlich rund 1 Mrd. Franken wegen Fehlzeiten, Unfällen und Produktivitätsverlusten an. Dies hat eine Umfrage im Jahr 2011 unter 1300 Personalverantwortlichen in Unternehmen gezeigt. Bis Anfang des 20. Jahrhunderts waren hierzulande Infektionskrankheiten die wichtigste Todesursache. Fortschritte im Hygienebereich sowie die Entwicklung von Impfungen und Antibiotika führten zur Verbesserung der Gesundheit und zu einer längeren Lebenserwartung. Heute kämpfen wir mit Herz-Kreislauf-Krankheiten, Krebserkrankungen oder Diabetes. In unserem Land sind diese nicht übertragbaren Krankheiten verantwortlich für 90% der vorzeitigen Todesfälle und führen zu chronischen Erkrankungen mit hohen Kosten für das Gesundheitssystem. Problematischer Alkoholkonsum ist – neben Tabakkonsum sowie dem Ernährungs- und Bewegungsverhalten – einer der grössten Risikofaktoren für diese Krankheiten. Jährlich sterben in der Schweiz über 2000 Menschen an den Folgen des Alkoholmissbrauchs.
Schäden betreffen alle
Alkohol bringt auch andere gesellschaftliche Probleme mit sich. Er macht Montagehallen und Baustellen sowie Strassen und Wege gefährlich: So ist beispielsweise jeder sechste tödliche Unfall auf der Strasse auf Alkoholisierung zurückzuführen. Neuste Berechnungen zeigen, dass in der Schweiz zwischen 250 000 und 300 000 Personen alkoholabhängig sind. Von einer Abhängigkeit ist auch das Umfeld betroffen, wachsen doch je nach Schätzung 50 000 bis 110 000 Kinder und Jugendliche mit einem alkoholabhängigen Elternteil auf.Der Rausch bedroht auch die Entwicklung vieler Jugendlicher. Jugendliche beginnen früher als vor 20 Jahren mit dem Alkoholkonsum und trinken in exzessiveren Mengen. Je früher sie anfangen, desto grösser ist die Wahrscheinlichkeit, dass sie ein ungesundes Konsumverhalten entwickeln. Jährlich werden über 2000 Jugendliche und junge Erwachsene zwischen 10 und 23 Jahren in Schweizer Spitälern wegen Alkoholvergiftung oder -abhängigkeit behandelt. Wiederholter Rausch beeinträchtigt die Entwicklung von Hirn und Nervensystem. Bei Problemen in der Schule und Ausbildung spielt Alkohol eine wesentliche Rolle. Kinder und Jugendliche unter 16 Jahren, denen von Gesetzes wegen noch gar kein Alkohol verkauft werden dürfte, erreichen im Handel einen jährlichen Umsatz von ca. 150 Mio. Franken. Eine negative Bilanz, denn an anderen Stellen entstehen dadurch erhebliche Kosten.
Ein Engagement für alle
Wegen der wirtschaftlichen und sozialen Folgen des problematischen Alkoholkonsums hat der Bund im Jahr 2008 das Nationale Programm Alkohol (NPA) ins Leben gerufen. Es vernetzt, bündelt, beurteilt und entwickelt das Engagement staatlicher und privater Stellen. Seither ist eine eigentliche Allianz entstanden, die sich gemeinsam um ein wichtiges Anliegen zur Erhaltung einer wettbewerbsfähigen Schweiz kümmert.Dieser Allianz gehören kantonale und kommunale Behörden, Verbände und Vereine an. Auf Bundesebene sorgen das Bundesamt für Gesundheit (BAG), die Eidgenössische Alkoholverwaltung (EAV) und die Eidgenössische Kommission für Alkoholfragen (Ekal) unter Beteiligung der Kantone für den zielorientierten, transparenten und wirkungsvollen Einsatz der Präventionsmittel.
Gemeinsame Erfolge
Im Rahmen des NPA hat sich inzwischen eine differenzierte Praxis entwickelt, Alkoholmissbrauch und Alkoholismus zu vermindern und dadurch die Gesundheit und die öffentliche Sicherheit zu fördern. Zum Massnahmenkatalog gehören die Unterstützung der Früherkennung, Behandlungs- und Therapieangebote, Verbesserung des Vollzugs für den Alkoholverkauf an Jugendliche wie auch Informationsangebote und Praxisaustausch für die kantonalen Behörden.In den drei Jahren ihres Bestehens hat die durch das NPA vernetzte Allianz bereits konkrete Teilerfolge erzielt. Schulungen von Verkaufspersonal tragen dazu bei, dass die Jugendschutzbestimmungen in Warenhäusern, Tankstellenshops oder an Sportveranstaltungen besser eingehalten werden, und sie erhöhen die Schwelle für den schädigenden Konsum. Auch Testkäufe zeigen Wirkung: Nicht zulässige Verkäufe an Jugendliche sanken seit 2001 von 80% auf rund 30%. Konkret bedeutet dies, dass heute noch bei drei von zehn gemachten Testkäufen Alkohol an Jugendliche verkauft wird. Dieser Rückgang ist unter anderem auf das besser geschulte und für die Problematik sensibilisierte Verkaufspersonal zurückzuführen. Zudem machen Ausbildungen für Leitungspersonen von Jugendverbänden und didaktische Hilfsmittel die Gefahren des Alkohols in Schulen und Lagern zum Thema. In Unternehmen existieren betriebliche Präventionsprogramme, die griffige Instrumente zur Bekämpfung von Alkoholproblemen am Arbeitsplatz umfassen (siehe Kasten 2
Teurer Alkohol am Arbeitsplatz
Problematisches Trinkverhalten kostet Schweizer Unternehmen jährlich rund 1 Mrd. Franken, grösstenteils durch Produktivitätsverluste. Dies geht aus einer Studie aus dem Jahr 2011 hervor, welche das BAG zusammen mit dem Staatssekretariat für Wirtschaft (Seco) und der Suva in Auftrag gegeben hat. Befragt wurden Personalverantwortliche von über 1300 Unternehmen. Die gleiche Befragung hat gezeigt, dass Präventionsprogramme am Arbeitsplatz Wirkung zeigen. Der professionelle Umgang mit alkoholbedingten Problemen soll in immer mehr öffentlichen und privaten Unternehmen zu einem festen Bestandteil der Personalpolitik werden. Die Sensibilisierung und Unterstützung von Unternehmensleitungen, Personalverantwortlichen und Vorgesetzten ist eine der Aktivitäten des NPA. Unter http://www.alkoholamarbeitsplatz.ch sind Grundlagen, Instrumente für den Aufbau eines Präventionsprogramms sowie weitere Informationen über den Umgang mit Alkohol am Arbeitsplatz zu finden.
).
Ein wirkungsvoller und wirtschaftlicher Weg für die Zukunft
Eine gesunde Bevölkerung sorgt für eine gesunde Wirtschaft. Wir wollen eine gesunde, wettbewerbsfähige Schweiz. Wirksame Prävention ist immer ein Zusammenspiel von gesundheitsfördernden gesellschaftlichen Rahmenbedingungen und Massnahmen, die das Verhalten des Individuums ansprechen. Mit der Totalrevision des Alkoholgesetzes sollen massgebliche Weichen für die künftige Alkoholpräventionspolitik gestellt werden. Es werden die Instrumente festgelegt, welche Bund und Kantonen zur Verfügung stehen, um die negativen Folgen des Alkoholmissbrauchs zu reduzieren. Der Bund hat mit dem Entwurf des Präventionsgesetzes Vorschläge ausgearbeitet, wie die verschiedenen Aktivitäten im Bereich Krankheitsprävention und Gesundheitsförderung neu zu organisieren und die Qualität des Gesundheitssystems zu verbessern sind. Damit folgt er auch einer Empfehlung der OECD, welche Investitionen in die Prävention als lohnend erachtet. Die Kosten dafür sind geringer als diejenigen, die bei Gesellschaft und Unternehmen anfallen würden, um Krankheits- und Todesfälle, Arbeitsausfälle und Leistungsminderungen zu finanzieren. In der Legislaturplanung 2012–2015 hat der Bundesrat die Eindämmung des Kostenwachstums im Gesundheitswesen durch Stärkung der Prävention zum Ziel gesetzt. Eine zukunftsfähige Alkoholpräventionspolitik unterstützt dieses Ziel. Zusammenfassend kann die Stossrichtung der schweizerischen Präventionspolitik im Bereich von Alkoholmissbrauch, Alkoholismus und damit verbundenen Schäden wie folgt definiert werden:
Mehr als Jugendschutz und Suchtbekämpfung
Trinkverhalten wird oft und vor allem bei Jugendlichen thematisiert. Viele Probleme am Arbeitsplatz oder alkoholbedingte Krankheiten betreffen jedoch alle Altersgruppen. Zudem ist der Anteil der Bevölkerung, der risikoreich oder situationsunangepasst – z.B. vor dem Autofahren – trinkt, deutlich grösser als die Zahl der Abhängigen. Es ist die Anhäufung vieler einzelner Vorfälle, welche die hohen Kosten verursacht. Deshalb berücksichtigt die Alkoholpräventionspolitik immer die ganze Bevölkerung.
Mehr als individuelles Handeln
Grundsätzlich geht man in der Schweiz davon aus, dass die Einwohnerinnen und Einwohner verantwortlich handeln. Günstige Rahmenbedingungen unterstützen aber das Verhalten zugunsten von Gesundheit und Wohlbefinden. Dabei geht es nicht nur um die Einzelperson, die trinkt, sondern auch um den Schutz von unbeteiligten Drittpersonen. So hat beispielsweise die Senkung der Promillegrenze zu einer bemerkenswerten Verminderung von alkoholbedingten Todesfällen auf Schweizer Strassen geführt.
Mehr als Ressortpolitik
Alkoholpräventionspolitik ist nicht nur Gesundheitspolitik. Die zuständigen Stellen bei Bund und Kantonen müssen eng zusammenarbeiten, denn die Massnahmen von Kantonen, Städten und Gemeinden sind auf eine gegenseitige Ergänzung ausgelegt. Die internationale Zusammenarbeit wird ebenfalls immer wichtiger. Erhältlichkeit und Werbung via elektronische Medien machen nicht vor den Landesgrenzen Halt und stellen uns vor neue Herausforderungen. Ein gut abgestimmtes Vorgehen ist auch hier zielführend.
Mehr als ein Programm des Bundes
Die Alkoholprävention baut auf traditionelle Schweizer Stärken: den Föderalismus, die Subsidiarität und die Partnerschaft zwischen Staat und Privaten. Dieses Zusammenspiel fördert die Alkoholpräventionspolitik in allen Landesteilen und Bereichen des gesellschaftlichen Lebens. Die beteiligten Organisationen haben ihre eigenen Aktionsfelder und können so an unterschiedlichen Brennpunkten ansetzen. Die gemeinsame Orientierung und die Koordination der Aufgaben lassen dem NPA eine wichtige Funktion zukommen. Die neue Alkoholpräventionskampagne des Bundes, die auf Dialog und Partizipation der verschiedensten Akteure setzt, hat in Kantonen, Städten und Gemeinden neue Impulse geliefert.
Vgl. http://www.ich-spreche-ueber-Alkohol.ch.
Mehr als Behauptungen
Alkoholpräventionspolitik stützt sich auf wissenschaftliche Grundlagen. Anhand des Gesundheitszustands der Bevölkerung wird der Handlungsbedarf erfasst. Die Entwicklungen sind dokumentiert. Diese wissenschaftlichen Daten liefern Grundlagen für die Entscheidungsträger in der Politik. Sie dienen ausserdem zur Sensibilisierung der Bevölkerung; denn sie muss die Alkoholpolitik mittragen können. Das staatliche Handeln konzentriert sich auf Massnahmen, die erwiesenermassen erfolgversprechend und effizient sind.
Für mehr als nur für heute
Die Gesellschaft befindet sich in stetigem Wandel. Neue Produkte, Verkaufskanäle und Trends beeinflussen den Alkoholkonsum. Die Alkoholpolitik muss angemessen darauf reagieren. Aus diesem Grunde fördert das NPA einen vertieften gesellschaftlichen Dialog. Der Stellenwert neuer Medien (Social Media) bei Jugendlichen beispielsweise hat in den vergangenen Jahren stark zugenommen. Vielen Vorzügen stehen jedoch Schattenseiten gegenüber: So können diese neuen Absatzkanäle nur schwer dahingehend kontrolliert werden, ob tatsächlich lediglich Bier und Wein an über 16-Jährige oder Spirituosen an über 18-Jährige verkauft werden. Mit Blick auf die vielfältigen Kommunikationsmöglichkeiten durch die Industrie (Sponsoring etc.) im Bereich neuer Medien wird klar, dass die gängigen Präventionsansätze auf ihre Aktualität überprüft werden müssen.
Eine lohnende Investition für alle
In Alkoholprävention zu investieren lohnt sich. Ziel ist eine Gesellschaft, in der ein respektvoller und selbstbestimmter Genuss möglich ist. Die Präventionspolitik engagiert sich für die öffentliche Gesundheit, trägt zu einem guten Zusammenleben und zu einer gesunden Volkswirtschaft bei. Denn gesunde Menschen tun auch der Wirtschaft gut.
Grafik 1: «Alkoholkonsum in der Schweiz, 2007»
Kasten 1: Nationales Programm Alkohol 2008–2012
Nationales Programm Alkohol 2008–2012
Mit dem Ziel, den problematischen Alkoholkonsum und dadurch verursachte Schäden zu vermindern, hat der Bundesrat im Jahr 2008 das Bundesamt für Gesundheit (BAG) mit der Umsetzung des Nationalen Programms Alkohol (NPA) beauftragt. Das Ziel des Bundes und seiner Partner lässt sich in ganz einfache Worte fassen: «Wer alkoholische Getränke trinkt, tut dies, ohne sich selber und anderen Schaden zuzufügen.»Die Aktivitäten orientieren sich an den definierten Handlungsfeldern wie Früherkennung, Behandlung, Schadensminderung, Marktregulierung und Jugendschutz, Information und Öffentlichkeitsarbeit, Forschung und Statistik, Qualitätssicherung sowie Aus- und Weiterbildung. Diverse Akteure des Bundes, der Kantone und der Alkoholprävention sind mit der Umsetzung von Aktivitäten beauftragt.Die strategische Leitung ist breit abgestützt und liegt beim BAG, bei der Eidgenössischen Alkoholverwaltung (EAV) und bei der Eidgenössischen Kommission für Alkoholfragen (Ekal) sowie bei den kantonalen Gesundheitsdirektorinnen und -direktoren (GDK). Weitere Informationen: http://www.alkohol.bag.admin.ch.
Kasten 2: Teurer Alkohol am Arbeitsplatz
Teurer Alkohol am Arbeitsplatz
Problematisches Trinkverhalten kostet Schweizer Unternehmen jährlich rund 1 Mrd. Franken, grösstenteils durch Produktivitätsverluste. Dies geht aus einer Studie aus dem Jahr 2011 hervor, welche das BAG zusammen mit dem Staatssekretariat für Wirtschaft (Seco) und der Suva in Auftrag gegeben hat. Befragt wurden Personalverantwortliche von über 1300 Unternehmen. Die gleiche Befragung hat gezeigt, dass Präventionsprogramme am Arbeitsplatz Wirkung zeigen. Der professionelle Umgang mit alkoholbedingten Problemen soll in immer mehr öffentlichen und privaten Unternehmen zu einem festen Bestandteil der Personalpolitik werden. Die Sensibilisierung und Unterstützung von Unternehmensleitungen, Personalverantwortlichen und Vorgesetzten ist eine der Aktivitäten des NPA. Unter http://www.alkoholamarbeitsplatz.ch sind Grundlagen, Instrumente für den Aufbau eines Präventionsprogramms sowie weitere Informationen über den Umgang mit Alkohol am Arbeitsplatz zu finden.
Zitiervorschlag: Strupler, Pascal (2012). Alkoholprävention – zum Wohl! Die Volkswirtschaft, 01. Januar.