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Gegenwärtige und zukünftige Haushaltslage von Schweizer Kantonen

Die finanzielle Situation von Staaten gibt vor dem Hintergrund der aktuellen Schuldenproblematik immer wieder Anlass zur Diskussion. Themen wie Verschuldungsquoten oder strukturelle Defizite betreffen jedoch nicht nur Staaten. In der föderalistisch organisierten Schweiz ist dies auch für die Kantone ein wichtiges Thema. Eine Auswertung der Finanzstatistik der Kantone von BAK Basel kommt zum Schluss, dass sich die Budgetdisziplin der Kantone mit wenigen Ausnahmen seit den 1990er-Jahren merklich verbessert hat. Dies schlägt sich entsprechend positiv in den Schuldenquoten nieder. Ein Ergebnis davon ist, dass die Fiskalpolitik heute auch in der mittleren Frist bei der Mehrheit der Kantone auf stabilen Füssen steht.

In den vergangenen Jahren ist die finanzielle Situation der Staaten zunehmend in den Fokus einer breiten Öffentlichkeit gerückt. Neben der Höhe der Staatsschulden und deren Entwicklung über die Zeit stehen die Budgetdefizite im Zentrum des Interesses. Die Schweiz geniesst diesbezüglich international den Ruf eines Musterschülers. Auf Basis einer Auswertung kantonaler Finanzstatistiken hat BAK Basel die Situation der Schweizer Kantone und ihrer Gemeinden näher unter die Lupe genommen. Gibt es Kantone mit chronischen – d.h. strukturellen – Budgetdefiziten? Und wie ist es um die langfristige Tragbarkeit der kantonalen Finanzhaushalte bestellt? Verschiedene Analysen von BAK Basel geben hierzu Antworten (vgl. Kasten 1

Analysen von BAK Basel zum Thema


Die vorgestellten Arbeiten sind Teil eines umfassenden Instrumentariums zur Analyse und Beratung in vielen finanzpolitischen Fragestellungen. Auf Basis von Datenbanken, Prognose- und Simulationsmodellen sowie der langjähriger Erfahrung in der volkswirtschaftlichen Analyse und Beratung bietet BAK Basel dem öffentlichen Sektor Unterstützung bei der Erarbeitung von Budgets und der Finanzplanung, dem Monitoring und der Evaluation der Finanzpolitik, der Steuerbelastung und der Steuerpolitik, der fiskalischen Nachhaltigkeit sowie im Ratingprozess an.

).

Das Konzept der Nachhaltigkeit in der Finanzpolitik


Im Mittelpunkt einer nachhaltigen Finanzpolitik steht das Ziel, künftigen Generationen keine zusätzlichen Lasten aufzuerlegen. Üblicherweise wird daraus abgeleitet, dass die öffentliche Verschuldung relativ zur Wirtschaftsleistung nicht ansteigen soll. Eine strengere Definition verlangt eine Rückführung der relativen Verschuldung. Ein Beispiel hierfür ist die Schweiz: Für den Bund gilt die Vorgabe, dass der Staatshaushalt über den Konjunkturzyklus betrachtet ausgeglichen sein soll. Damit wird verhindert, dass es zu strukturellen Ungleichgewichten im Staatshaushalt kommt. Gelingt dies, bleibt die absolute Verschuldung konstant, und die relatve Verschuldung wird bei wachsender Wirtschaft zurückgeführt.Die Einnahmen und Ausgaben werden durch den Konjunkturablauf unterschiedlich beeinflusst. Einnahmen (Steuern) sind eher prozyklisch, Ausgaben (Arbeitsmarkt, Soziales) eher antizyklisch oder konjunkturunabhängig. Die Vorgabe eines jährlichen Saldoausgleichs könnte deshalb dazu führen, dass die Ausgaben in wirtschaftlich guten Zeiten mit den Einnahmen angehoben werden, in schlechten Zeiten aber gekürzt werden müssen. Damit würde der Staat über eine prozyklische Ausgabenpolitik die konjunkturellen Schwankungen noch verstärken. Mit der Vorgabe eines nicht in jeder Periode, sondern über den gesamten Konjunkturzyklus hinweg ausgeglichenen Staatshaushalts wird diesem Umstand in der Schuldenbremse des Bundes sinnvoll Rechnung getragen. Auch die meisten Kantone verfügen über eine Schuldenbremse, die allerdings sehr unterschiedlich ausgestaltet sind. Eine Berücksichtigung der Konjunktur bei der Steuerung der öffentlichen Haushalte erfolgt nur in der Minderheit der Kantone, und wenn, dann häufig nur über qualitative Formulierungen wie dem Erfordernis einer «konjunkturgerechten» Führung des Finanzhaushalts.

Strukturelle Defizite der Kantone


Obgleich die Berechnung konjunkturbereinigter, struktureller Defizite in den wenigsten Kantonen institutionell verankert ist, stellt es dennoch ein wichtiges analytisches Konzept im Rahmen der Beurteilung kantonaler Finanzpolitik dar und bildet den ersten Analysebaustein der vorliegenden Arbeit. Um Aussagen über das strukturelle Defizit der Kantone machen zu können, müssen die Einnahmen und Ausgaben des Kantons konjunkturbereinigt werden. Hierbei wird auf dasselbe Konzept abgestützt, wie es der Bund bei der Umsetzung der Schuldenbremse verwendet. Er ist so konstruiert, dass man in konjunkturellen Boomphasen einen K-Faktor von unter 1 und in rezessiven Phasen einen Wert von über 1 erhält (vgl. Kasten 2

Methodische Anmerkung zum K-Faktor und HP-Filter


Aus Konsistenzgründen lehnt sich BAK Basel bei der Berechnung der kantonsspezifischen K-Faktoren an das Verfahren in der Schuldenbremse des Bundes an. Der K-Faktor berechnet sich als Quotient zwischen dem konjunkturbereinigten Trend- und dem tatsächlichen realen Bruttoinlandsprodukt. Die Konjunkturbereinigung erfolgt unter Einsatz eines modifizierten Hodrick-Prescott-Filters verwendet (vgl. Bruchez 2003). Mit der Modifikation kann die dem herkömmlichen HP-Filter inhärente Problematik der «End-Punkt-Verzerrung» entschärft werden. Obwohl die Daten zur Finanzstatistik nur bis 2009 zur Verfügung stehen, werden bei der Schätzung des Trend-BIP zusätzlich prognostizierte Daten bis zum Jahr 2015 verwendet. Dies hat den Vorteil, dass möglichst viele Informationen zur konjunkturellen Entwicklung der Kantone genutzt werden können. Gerade für 2010 und 2011 ist die wirtschaftliche Entwicklung in den Kantonen bereits gut abschätzbar. Ein weiterer Vorteil besteht darin, dass sich nicht mit jedem zusätzlichen neuen Datenpunkt (in der Finanzstatistik) die gesamte geschätzte Zeitreihe zum Trend-BIP verändert, mit entsprechenden Rückwirkungen auf die (historischen Werte) der K-Faktoren und der strukturellen Defizite.

). Bei der Schuldenbremse des Bundes orientiert sich der Ausgabenplafond an den um konjunkturelle Einflüsse bereinigten Einnahmen, welche sich als Produkt von K-Faktor und erwarteten tatsächlichen Einnahmen ergeben. In Phasen der Hochkonjunktur liegt deshalb der Ausgabenplafond unter den Einnahmen, und der Bund erwirtschaftet einen Überschuss. Umgekehrt lässt die Formel in Rezessionen ein Defizit zu. Über einen ganzen Konjunkturzyklus hinweg soll die Rechnung ausgeglichen sein.Bei der vorliegenden Analyse der Kantone wurde das Konzept des Bundes adaptiert, mit der Ergänzung, dass nicht nur die Einnahmen, sondern auch einzelne stark konjunktursensitive Positionen auf der Ausgabenseite mit dem K-Faktor bereinigt werden (z.B. Arbeitslosenversicherung, Leistungen an Arbeitslose, Beihilfe, wirtschaftliche Hilfe).
Vgl. hierzu auch Luck (2011). Als Datenbasis diente die von der Eidgenössischen Finanzverwaltung (EFV) publizierte Finanzierungsrechnung und Finanzstatistik der Kantone und ihrer Gemeinden. Daten sind verfügbar für die Periode 1990 bis 2009. Es handelt sich um harmonisierte Daten, d.h. es kann in einzelnen Konten Abweichungen von den tatsächlichen kantonalen Werten geben. Anhand der konjunkturbereinigten (= strukturellen) Einnahmen und Ausgaben kann sodann das strukturelle Defizit berechnet werden. In Grafik 1 und Grafik 2 sind die Ergebnisse für die beiden Perioden 1990-2000 und 2001–2009 in Prozent des kantonalen BIP dargestellt. Sie zeigen, dass zwischen den Kantonen deutliche Unterschiede bestehen. Allerdings konnten die meisten Kantone ihren strukturellen Fehlbetrag in der zweiten Periode mindern oder sogar strukturelle Überschüsse generieren. Dies spricht im Trend für eine im Zeitverlauf gesteigerte Haushaltsdisziplin der Kantone und ihrer Gemeinden.

Kantonale Schuldenquoten


Einen zweiten Analysebaustein bildet der Schuldenstand der Kantone (inklusive Gemeinden).
Die Datenbasis für Brutto- und Nettoschulden bildet die Bilanz aus der Finanzstatistik einzelner Kantone und ihrer Gemeinden publiziert von der EFV. Daten sind verfügbar für 2008 und 2009. Er stellt zum einen ein Abbild vergangener Finanzpolitik dar. Zum anderen bildet er (gemeinsam mit der Einschätzung der künftigen Entwicklung der Finanzen) den Ausgangspunkt für die Beurteilung der mittel- bis langfristigen Tragfähigkeit der öffentlichen Finanzen. Hierbei wird zwischen Brutto- und Nettoschulden unterschieden. Die Bruttoschulden setzen sich zusammen aus den laufenden Verbindlichkeiten sowie den kurz- und langfristigen Finanzverbindlichkeiten. Wird mit den Bruttoschulden das Finanzvermögen verrechnet, gelangt man zu den Nettoschulden.
Berücksichtigt wurden die Positionen «Flüssige Mittel und kurzfristige Geldanlagen», «Forderungen», «Kurzfristige Finanzanlagen», «Finanzanlagen» sowie «Sachanlagen FV». Zur besseren Vergleichbarkeit werden die Schulden ins Verhältnis zur Wirtschaftsleistung gesetzt. Grafik 3 zeigt die Schuldenquoten der Kantone für das Jahr 2009.Wie erwartet spiegeln die Schuldenquoten zum Grossteil die Entwicklung der strukturellen Defizite der letzten 20 Jahre wider. Die Kantone (inklusive Gemeinden), welche über diese Periode ein strukturelles Defizit aufwiesen (GE, NE), weisen die höchsten Schuldenquoten auf, während die beiden Kantone mit den niedrigsten Schuldenquoten (Zug und Appenzell-Innerrhoden) sowohl in den 1990er-Jahren als auch in den 2000er-Jahren strukturelle Überschüsse erwirtschaften konnten. Anhand der Differenz zwischen Brutto- und Nettoquote wird auch ersichtlich, dass sich die Vermögenspositionen der Kantone deutlich unterscheiden. Insbesondere in Freiburg, Graubünden und Obwalden können die Bruttoschulden erheblich mit entsprechenden Vermögen entlastet werden. Der Kanton Zug weist im Jahr 2009 als Einziger ein positives Nettovermögen (negativer Schuldenstand) auf. Betrachtet man die Finanzierungsrechnung der Kantone ohne Gemeinden, ist die Hälfte aller Kantone in einer Nettovermögensposition.

Beurteilung der Nachhaltigkeit der Finanzpolitik


Der dritte Analysebaustein besteht darin, in der Kombination der Analyse der vergangenen Entwicklung der strukturellen Defizite, der Bestandsaufnahme zum aktuellen Schuldenstand sowie einer Projektion der künftigen Entwicklung der strukturellen Einnahmen und Ausgaben zu einer Beurteilung der langfristigen Tragfähigkeit der öffentlichen Finanzen zu gelangen. Hierzu hat BAK Basel im Rahmen des BAK Taxation Index gemeinsam mit dem ZEW Mannheim ein Modell entwickelt (vgl. Kasten 3

Nachhaltigkeit der Finanzpolitik: Methodologie


Für die Beurteilung der Nachhaltigkeit der öffentlichen Finanzen verwendet BAK Basel eine erweiterte Variante des OECD-Konzepts der «Fiscal Sustainability» (Vgl. OECD 2010). Das OECD-Konzept basiert auf der intertemporalen Budgetrestriktion des Staates. Die resultierenden Tragfähigkeitsindikatoren zeigen an, inwiefern die Summe aus dem Barwert des Endbestands der Schuldenstandsquote dem festgelegten Zielwert für die Staatsverschuldung entspricht. In die Berechnungen fliessen eine Reihe von Indikatoren ein, die den Zustand der öffentlichen Finanzen in der Gegenwart (zum Beispiel Schuldenstand) und die unter den gegebenen Umständen zu erwartende Entwicklung (Ertrags- und Ausgabenprojektionen) in der Zukunft abbilden. Als Indikator für die Tragfähigkeit der öffentlichen Finanzen wird die sogenannte Einnahmenlücke berechnet (in Prozent des BIP). Ein positiver Wert zeigt, dass die Erträge zu gering sind, um eine Schuldenquote in Höhe von 60% des BIP im Endjahr zu erreichen – das heisst, die Schuldenquote würde bei Fortführung der gegenwärtigen Finanzpolitik 60% übersteigen. Eine negative Einnahmenlücke gibt hingegen an, um wie viel Prozent des BIP die Erträge gesenkt werden könnten, ohne die Zielquote von 60% zu übersteigen.

). Gegenwärtig deckt die Analyse 12 Schweizer Kantone und 19 europäische Länder ab. Neben der Berücksichtigung von Prognosen zur wirtschaftlichen Entwicklung wird auch der sich abzeichnende demografische Wandel und seine Folgen für die staatlichen Ausgaben miteinbezogen. Die Nachhaltigkeitsbetrachtung hält somit Antworten auf die Frage bereit, wie sich die Folgen des demografischen Wandels auf die finanzielle Situation die einzelnen Standorte auswirken werden. Anhand der Modellberechnungen wird analysiert, inwiefern die öffentlichen Finanzen ausgehend von der Situation 2008 in der kurzfristigen (bis 2013), mittelfristigen (bis 2023) und langfristigen Betrachtung (bis 2060) auf einer nachhaltigen Basis stehen. Grafik 4 zeigt die Ergebnisse der mittelfristigen Analyse für die untersuchten Schweizer Kantone.
Die hier präsentierten Ergebnisse beruhen auf kantonalen Finanzstatistiken bis einschliesslich 2008. Zum Zeitpunkt der letzten Modellaktualisierung standen aktuellere Detailinformationen zu den öffentlichen Haushalten noch nicht vollständig zur Verfügung. Somit sind die Effekte der Finanz- und Wirtschaftskrise noch nicht oder nur zu einem kleinen Teil in den Ergebnissen enthalten. Die Analysen werden im Rahmen des BAK Taxation Index zukünftig regelmässig aktualisiert; die nächste Publikation ist im Herbst 2012 geplant. Unter Beibehaltung der aktuellen Finanzpolitik und mit einem als Zielgrösse gesetzten Schuldenstand von maximal 60% des BIP weisen die Kantone mehrheitlich einen Einnahmeüberschuss aus oder liegen zumindest sehr knapp an der Grenze dazu. Dies bedeutet, dass die meisten Kantone bei unveränderter Politik ihre Einnahmen sogar noch senken könnten, ohne dass am Ende des Beobachtungszeitraums der Schuldenstand die Marke von 60% des BIP überschreitet. Diesen Kantonen kann in der mittelfristigen Perspektive eine nachhaltige öffentliche Finanzpolitik bescheinigt werden.

Fazit


Gesunde und nachhaltige Finanzen sind nicht nur ein Selbstzweck. Vielmehr bilden sie einen zunehmend wichtigen Faktor für die Attraktivität eines Standortes. Unternehmen orientieren sich bei ihren Standortentscheidungen – neben zahlreichen anderen Faktoren wie etwa der Steuerbelastung – mittlerweile auch an der mittel- bis langfristigen Tragbarkeit der öffentlichen Finanzen. Ist die Finanzpolitik nicht nachhaltig, so ist früher oder später eine Konsolidierung unvermeidlich. Damit droht zukünftig nicht nur die die Gefahr der Kürzung staatlicher Leistungen, sondern auch von Steuererhöhungen.Der Schweiz und den Schweizer Kantonen kann ein gestiegenes Bewusstsein für den Standortfaktor «gesunde öffentliche Finanzen» attestiert werden. Sie haben im internationalen Vergleich bereits eine hervorragende Wettbewerbsposition erreicht. In Kombination mit der vernünftigen Steuerbelastung leistet die Finanzpolitik damit einen wesentlich Beitrag zur Standortattraktivität der Schweiz.

Grafik 1: «Strukturelle Defizite, 1990–2000»

Grafik 2: «Strukturelle Defizite, 2001–2009»

Grafik 3: «Schuldenquote der Kantone (einschliesslich Gemeinden), 2009»

Grafik 4: «Kurzfristige Einnahmelücken, 2008–2023»

Kasten 1: Analysen von BAK Basel zum Thema

Analysen von BAK Basel zum Thema


Die vorgestellten Arbeiten sind Teil eines umfassenden Instrumentariums zur Analyse und Beratung in vielen finanzpolitischen Fragestellungen. Auf Basis von Datenbanken, Prognose- und Simulationsmodellen sowie der langjähriger Erfahrung in der volkswirtschaftlichen Analyse und Beratung bietet BAK Basel dem öffentlichen Sektor Unterstützung bei der Erarbeitung von Budgets und der Finanzplanung, dem Monitoring und der Evaluation der Finanzpolitik, der Steuerbelastung und der Steuerpolitik, der fiskalischen Nachhaltigkeit sowie im Ratingprozess an.

Kasten 2: Methodische Anmerkung zum K-Faktor und HP-Filter

Methodische Anmerkung zum K-Faktor und HP-Filter


Aus Konsistenzgründen lehnt sich BAK Basel bei der Berechnung der kantonsspezifischen K-Faktoren an das Verfahren in der Schuldenbremse des Bundes an. Der K-Faktor berechnet sich als Quotient zwischen dem konjunkturbereinigten Trend- und dem tatsächlichen realen Bruttoinlandsprodukt. Die Konjunkturbereinigung erfolgt unter Einsatz eines modifizierten Hodrick-Prescott-Filters verwendet (vgl. Bruchez 2003). Mit der Modifikation kann die dem herkömmlichen HP-Filter inhärente Problematik der «End-Punkt-Verzerrung» entschärft werden. Obwohl die Daten zur Finanzstatistik nur bis 2009 zur Verfügung stehen, werden bei der Schätzung des Trend-BIP zusätzlich prognostizierte Daten bis zum Jahr 2015 verwendet. Dies hat den Vorteil, dass möglichst viele Informationen zur konjunkturellen Entwicklung der Kantone genutzt werden können. Gerade für 2010 und 2011 ist die wirtschaftliche Entwicklung in den Kantonen bereits gut abschätzbar. Ein weiterer Vorteil besteht darin, dass sich nicht mit jedem zusätzlichen neuen Datenpunkt (in der Finanzstatistik) die gesamte geschätzte Zeitreihe zum Trend-BIP verändert, mit entsprechenden Rückwirkungen auf die (historischen Werte) der K-Faktoren und der strukturellen Defizite.

Kasten 3: Nachhaltigkeit der Finanzpolitik: Methodologie

Nachhaltigkeit der Finanzpolitik: Methodologie


Für die Beurteilung der Nachhaltigkeit der öffentlichen Finanzen verwendet BAK Basel eine erweiterte Variante des OECD-Konzepts der «Fiscal Sustainability» (Vgl. OECD 2010). Das OECD-Konzept basiert auf der intertemporalen Budgetrestriktion des Staates. Die resultierenden Tragfähigkeitsindikatoren zeigen an, inwiefern die Summe aus dem Barwert des Endbestands der Schuldenstandsquote dem festgelegten Zielwert für die Staatsverschuldung entspricht. In die Berechnungen fliessen eine Reihe von Indikatoren ein, die den Zustand der öffentlichen Finanzen in der Gegenwart (zum Beispiel Schuldenstand) und die unter den gegebenen Umständen zu erwartende Entwicklung (Ertrags- und Ausgabenprojektionen) in der Zukunft abbilden. Als Indikator für die Tragfähigkeit der öffentlichen Finanzen wird die sogenannte Einnahmenlücke berechnet (in Prozent des BIP). Ein positiver Wert zeigt, dass die Erträge zu gering sind, um eine Schuldenquote in Höhe von 60% des BIP im Endjahr zu erreichen – das heisst, die Schuldenquote würde bei Fortführung der gegenwärtigen Finanzpolitik 60% übersteigen. Eine negative Einnahmenlücke gibt hingegen an, um wie viel Prozent des BIP die Erträge gesenkt werden könnten, ohne die Zielquote von 60% zu übersteigen.

Kasten 4: Literaturhinweise

Literaturhinweise


− BAKBASEL (2011), BAK Taxation Index 2011, Nachhaltigkeit der Finanzpolitik.− Bruchez P.-A. (2003), A Modification of the HP Filter Aiming at Reducing the End-Point Bias, Working Paper, Eidgenössische Finanzverwaltung, Bern.− Luck Simon (2011), Strukturelle und konjunkturelle Defizite der Kantone, Gemeinden und öffentlichen Sozialversicherungen 1990-2009, Eidgenössische Finanzverwaltung Sektion Finanzstatistik, Bern.− OECD (2010): OECD Economic Outlook Volume 2010/2 Nr. 88, Kap. 4, Paris.

Zitiervorschlag: Michael Grass, Reto Krummenacher, Martin Eichler, Urs Mueller, (2012). Gegenwärtige und zukünftige Haushaltslage von Schweizer Kantonen. Die Volkswirtschaft, 01. März.