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Agrarpolitik 2014–2017 aus dem Blickwinkel der Fleischwirtschaft

Agrarpolitik 2014–2017 aus dem Blickwinkel der Fleischwirtschaft

Die Fleischwirtschaft begrüsst grundsätzlich die Weiterentwicklung der Direktzahlungen und die Qualitätsstrategie im Rahmen der Agrarpolitik 2014–2017. Er lehnt aber die Ausgestaltung der Ernährungssouveränität bzw. Wettbewerbsneutralität in der vorgesehenen Form ab. Absolut inakzeptabel ist das sture Festhalten des Bundesrates am leidigen Versteigerungssystem beim Import von Fleisch.

Lange Zeit lag die Hauptaufgabe der Landwirtschaft in der Versorgung mit genügend Nahrungsmitteln. Dank grosser technischer Fortschritte wurde die Mengenfrage im Laufe der Jahre vom Qualitätsgedanken abgelöst. Dabei sind nicht nur die eigentliche Produktequalität, sondern auch «weiche» Faktoren – wie Ökologie, Landschaftspflege, Soziales und Tierschutz – von Bedeutung. In Anbetracht der vielseitigen Aufgaben der Landwirtschaft anerkennt der Schweizer Fleisch-Fachverband (SFF) im Grundsatz die Notwendigkeit von Direktzahlungen – trotz des prognostizierten Rückganges der Rindfleischproduktion um 5% und der Tatsache, dass seine Mitglieder keine staatlichen Subventionen beziehen. Er teilt auch die Auffassung, dass die vom Bund lancierte Qualitätsstrategie für die schweizerische Land- und Ernährungswirtschaft von zentraler Bedeutung ist, zumal sich diese in einem internationalen Umfeld nie über den Preis und/oder die Menge wird behaupten können.

Land- und Ernährungswirtschaft sitzen im selben Boot


Für die Produktion von hochqualitativen Nahrungsmitteln braucht es sowohl die Produktion von vorzüglichem Rohmaterial beim Bauern – deren Kernaufgabe notabene – wie auch das Know-how und die Infrastruktur der nachgelagerten Verarbeitung und Veredlung. In der längerfristigen Agrarpolitik wird deshalb kein Weg daran vorbeiführen, die Land- und Ernährungswirtschaft gemeinsam weiterzuentwickeln. Eine Voraussetzung dafür ist, dass praxisnahe Forschung, Beratung und Tierzucht nicht weiter geschwächt, sondern mit den notwendigen Mitteln ausgestattet werden.In der aktuellen Situation ist es unverständlich, wie sich gewisse Kreise – wie etwa in der Swissness-Vorlage – nur auf die Rohmaterialfrage fokussieren bzw. über die Ernährungssouveränität einen minimalen Selbstversorgungsgrad von 60% fixieren wollen (Fleisch aktuell: 80%). Letztere muss – wenn überhaupt – auf die Weiterentwicklung des Produktionspotenzials abzielen, anstatt bestehende Strukturen zu zementieren. Überdies wird der Begriff der Wettbewerbsneutralität zu eng gefasst, da für deren Beurteilung neu die wirtschaftliche Relevanz anstelle des unmittelbaren Einzugsgebietes im Vordergrund stehen muss. Gerade die gewerbenahen Tätigkeiten der Bauern – wie z.B. Hofläden, Besenbeizen – führen wegen der unterschiedlichen gesetzlichen Vorgaben (Raumplanung, Arbeitsrecht, Investitionskredite, Lebensmittelkontrolle etc.) bereits heute zu bedeutenden Marktverzerrungen. Der SFF will die beträchtlichen paralandwirtschaftlichen Aktivitäten nicht verbieten; er fordert aber gleich lange Spiesse, indem für vergleichbare Tätigkeiten neu dieselben Gesetze zur Anwendung gelangen müssen.

Ungleiche Ellen im Aussenhandel


Entgegen der Auffassung gewisser Kreise ist es eine Illusion, dass sich die Landwirtschaft aus der zunehmenden Internationalisierung der Gesamtwirtschaft wird heraushalten können. Bereits heute sind die Grenzen faktisch offen – leider aber nur als Einbahnstrasse. Dies zeigt sich beim Einkaufstourismus, der 2011 alleine für die Fleischwirtschaft Minderumsätze von rund 1 Mrd. Franken bewirkt hat. Dennoch stossen die Bestrebungen rund um eine verträgliche Marktöffnung in der politischen Debatte noch immer auf grossen Widerstand. Der Anteil der Fleischproduktion an der landwirtschaftlichen Gesamtproduktion beläuft sich auf knapp ein Viertel; die Produktionskosten sind im internationalen Vergleich 2- bis 3-mal höher. Gleichwohl bleibt der Fleischsektor wegen WTO-Vorgaben auch in Zukunft von Exportsubventionen über das «Schoggigesetz» ausgeschlossen. Unter diesen Vorzeichen ist nicht erstaunlich, dass der Exportanteil von Fleisch noch immer bei nur 2,3% (2011) liegt.Besonders störend ist, dass der Bund beim Import von Fleisch pro Jahr netto 150 bis 160 Mio. Franken an Versteigerungserlösen in die allgemeine Bundeskasse abzweigt und damit der Branche als faktische Fleischsteuer zusätzlich entzieht! Der Fleischsektor setzt daher grosse Erwartungen in die kommenden parlamentarischen Beratungen. Diese müssen zwingend zu einer Optimierung des Importsystems auf Basis einer Inlandleistung führen, wie dies SFF, Bauern und Viehhandel gemeinsam vorgeschlagen haben.

Zitiervorschlag: Ruedi Hadorn (2012). Agrarpolitik 2014–2017 aus dem Blickwinkel der Fleischwirtschaft. Die Volkswirtschaft, 01. April.