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Wo kommen die Piloten her?

Wo kommen die Piloten her?

Funktionierende aviatische Infrastrukturen sind für unser Land von tragender Bedeutung. Die Schweizer Landesflughäfen stellen die weltweite Anbindung sicher. Doch eine nicht minder zentrale Bedeutung kommt der so genannten General Aviation auf den regionalen Flugplätzen und Flugfeldern zu. Dort wird der fliegerische Nachwuchs – die künftigen Berufspiloten – herangezogen und ausgebildet. Ohne sie kann das Luftfahrsystem Schweiz nicht funktionieren.



Die Bedeutung des Luftverkehrs ist für die Schweiz unbestrittenermassen hoch. Mit den Landesflughäfen an die Welt angebunden zu sein, ist von tragender Bedeutung für den Standort Schweiz sowie für die Volkswirtschaft unseres Landes. Nicht minder bedeutend ist die Tatsache, dass es zur Aufrechterhaltung eines funktionierenden Luftverkehrs qualifizierte, hervorragend ausgebildete Fachkräfte braucht. Passagiere vertrauen darauf, dass die Piloten ihren Job professionell erledigen und das Flugzeug sicher zum Ziel fliegen. Doch wer sitzt vorne im Cockpit? Wer sind diese Piloten? Wo und wie haben sie ihre Fähigkeiten erworben?

Infrastruktur für aviatische Ausbildung


Die Beantwortung dieser Fragen führt zu einem Bereich der Luftfahrt, dem eine bedeutende Rolle im Luftfahrtsystem der Schweiz – insbesondere bei der Pilotenausbildung – zukommt: Die regionalen Flugplätze und Flugfelder sowie die darauf angesiedelte General Aviation. Gesamtschweizerisch bilden drei Landesflughäfen, elf Regionalflugplätze, 47 Flugfelder und 24 Heliports eine umfassende aviatische Infrastruktur. Sie liegen über das ganze Land verteilt. Im Jahr 2010 wurden auf den drei Landesflughäfen knapp 530 000 Flüge abgewickelt. Auf den Regionalflugplätzen waren es gegen 400 000 und auf den Flugfeldern nahezu 500 000. Flugfelder und Regionalflugplätze generieren also zusammen beinahe doppelt so viele Flüge wie die Landesflughäfen. Ein wesentlicher Anteil dieser Flüge entfällt auf die General Aviation und dient u.a. der Geschäfts- und Arbeitsfliegerei, aber auch der Aus- und Weiterbildung von Piloten. Diese Zahlen und Fakten machen die Bedeutung der Regionalflugplätze und Flugfelder klar.

Die Wiege der Luftfahrt


Es ist eine Tatsache, dass Regionalflugplätze und Flugfelder sowie die dort angesiedelten Flugschulen und Fluggruppen die eigentliche Wiege der Luftfahrt darstellen. Auf diesen Flugplätzen wird jedem Piloten das fliegerische Handwerk beigebracht und damit die Basis für die spätere Laufbahn als Berufspilot gelegt. Ohne diese Infrastrukturen und Ausbildungsangebote würde das Luftfahrtsystem der Schweiz nicht funktionieren. Kein Verkehrs- oder Geschäftsflugzeug, kein Arbeits- oder Rettungshelikopter und kein Militärflugzeug könnte ohne die Leichtaviatik als Basis der General Aviation auf den Flugplätzen der Schweiz abheben. Es ist deshalb von zentraler Bedeutung, dass Politik, Wirtschaft und Behörden erkennen, wo der Nachwuchs für die aviatischen Berufe herkommt und welche Wichtigkeit diesem Bereich für das Luftfahrtsystem Schweiz beigemessen werden muss. Die Regionalflugplätze, Flugfelder und Heliports mit den dort angesiedelten Unternehmen (Hersteller- und Unterhaltsbetriebe, Flugschulen, Restaurationsbetriebe, Arbeits- und Rettungsluftfahrt usw.) sind überdies ein wichtiger Arbeitgeber für gesellschaftlich wertvolle und technisch anspruchsvolle Berufe, verbunden mit einer nicht zu unterschätzenden – auch fiskalpolitischen – Wertschöpfung. Laut Infras-Studie 2011
Infras (2011), Volkswirtschaftliche Bedeutung der Zivilluftfahrt in der Schweiz. der Aerosuisse und des Bundesamtes für Zivilluftfahrt über die volkswirtschaftliche Bedeutung der Zivilluftfahrt Schweiz betrug diese im Jahr 2008 gegen 500 Mio. Franken.

Bedeutung der Nachwuchsförderung


Der Leichtaviatik kommt punkto Nachwuchsförderung eine eminent wichtige Aufgabe zu. Jeder Pilot im Cockpit eines Airbus, der Lotse im Kontrollturm oder ein Flughafenmitarbeiter hat in der Regel als Jugendlicher den Weg in die Luftfahrt gefunden. Oft geschieht der Einstieg über den Modellflug; später lernen die jungen Leute Segelfliegen oder Motorfliegen und bilden sich weiter aus bis zum Berufspiloten. Gerade im Bereich der Nachwuchsförderung ist der Aero-Club der Schweiz (AeCS) überaus engagiert und nimmt eine zentrale Rolle ein. Mit den Jugendprogrammen des AeCS wurden in den letzten Jahrzehnten schon Tausende von Jugendlichen an die Luftfahrt herangeführt. Als Beispiel dient das alljährlich vom AeCS durchgeführte und von der Stiftung Pro Aero unterstützte Jugendlager im Engadin. Manche Karriere eines Militär-, Linien- oder Berufspiloten hat in einem Jugendlager des AeCS ihren Anfang genommen. Sphair bietet als Nachfolgeorganisation der ehemaligen Fliegerischen Vorschulung (FVS) in einer späteren Phase berufliche Eignungsabklärungen an. Ist die Begeisterung für die Luftfahrt einmal erwacht, erlernen die jungen Menschen dann das fliegerische Handwerk bei Flugschulen auf Schweizer Flugplätzen.

Auflagen und Regulierungen als massive Kostentreiber


In diesem Zusammenhang muss indes darauf hingewiesen werden, dass gegenwärtige Entwicklungen die Gewinnung des aviatischen Nachwuchses erheblich erschweren und die Luftfahrt generell finanziell unverhältnismässig belasten. Massive Gebührenerhöhungen, Überregulierungen und überzogene Sicherheitsauflagen führen zu einer dramatischen Verteuerung in der Leichtaviatik, etwa bei der Pilotenausbildung. Diese ist im Übrigen heute noch immer grösstenteils vom Piloten selbst zu berappen. Die Ausbildung bis zum Linienpiloten etwa summiert sich auf rund 120 000 Franken. Auch die Benützung der Infrastrukturen oder der technische Unterhalt wird durch immer mehr zum Teil unnötige Auflagen verteuert. Überhöhte Gebühren und überbordende Regulierungen unter dem Deckmantel der Sicherheit treffen die General Aviation hart und erfordern immer wieder Interventionen. Ginge es etwa nach dem Willen der Landesflughäfen, so gäbe es für die Leichtaviatik dort in absehbarer Zeit keinen Platz mehr. Insgesamt lässt sich eine fatale Entwicklung feststellen, welche die Sicherstellung des Nachwuchses gefährdet und sich damit kontraproduktiv auf die steigende Nachfrage in der Luftfahrt auswirkt: Was nützt der modernste Landesflughafen, wenn die Flugzeuge – wie es notabene heute schon vorkommt – mangels genügend ausgebildeten Piloten am Boden stehen bleiben müssen?2012 und 2013 werden für die Luftfahrt entscheidende Jahre sein; es geht um die Ausformulierung des Luftfahrtgesetzes II und des Luftfahrtpolitischen Berichts II. Diese beiden bedeutenden Gesetzesvorlagen werden für längere Zeit die letzten parlamentarischen Beratungen zum Thema Luftfahrt sein. Es ist für die gesamte Luftfahrt wichtig, die im aktuellen luftfahrtpolitischen Bericht erwähnte untergeordnete Rolle der General Aviation zu korrigieren und diese als bedeutenden Teil der Schweizer Luftfahrt – und damit auch der aviatischen Infrastruktur – im Gesetz zu verankern.

Grafik 1: «Luftverkehrsleistungen der Flugplätze: Motorflug (ohne Helikopter)»

Kasten 1: Aero-Club der Schweiz

Aero-Club der Schweiz


Der AeCS ist der Dachverband der Allgemeinen Luftfahrt für die Leichtaviatik und den Luftsport. Er zählt rund 23 500 Mitglieder und ist in acht Fachsparten (Motorflug, Segelflug, Ballonfahren, Modellflug, Helikopter, Fallschirmspringen, Microlight und Amateurflugzeugbau) und in 36 Regionalverbände gegliedert. Als Dachverband der Allgemeinen Luftfahrt fördert und unterstützt der AeCS unter anderem den fliegerischen Nachwuchs und den Luftsport. Der Aero-Club der Schweiz feierte 2011 sein 110-jähriges Bestehen.

Internet: http://www.aeroclub.ch.
Kasten 2: Bedeutung der General Aviation

Bedeutung der General Aviation


Zur General Aviation gehören sämtliche Flugbewegungen, die weder den Linien- noch den Charterflügen zugerechnet werden können. General Aviation beinhaltet die Bereiche Business Aviation, Arbeitsluftfahrt (Werksflüge, Rettungsflüge, Fotoflüge) sowie Leichtaviatik (Schul-, Übungs- und Kontrollflüge, Touristikflüge, Luftsport, Privatflüge). 2008 gab es gemäss dieser Definition in der Schweiz etwas über 1 Mio. Flugbewegungen, die zur General Aviation zu zählen sind. Innerhalb der Leichtaviatik kann nach weiteren Kategorien wie Helikoptern, Motorseglern, Segelflugzeugen und nicht gewerblichen Flügen mit Motorflächenflugzeugen unterschieden werden. Die nicht gewerbsmässigen Flugbewegungen der Motorflächenflugzeuge in der Schweiz machten 2008 67% der Flugbewegungen der General Aviation aus, die Motorsegler und Segelflugzeuge rund 8%, die Helikopterflüge 5% und die (gewerblichen) Rundflüge 2,3%.

Quelle: BAZL/BFS (2009).

Zitiervorschlag: Thomas Hurter (2012). Wo kommen die Piloten her. Die Volkswirtschaft, 01. April.