Grundzüge der Agrarpolitik 2014–2017
Der Bundesrat hat am 1. Februar 2012 die Botschaft zur Agrarpolitik 2014–2017 (AP 14–17) verabschiedet. Die zentralen Herausforderungen bestehen darin, die Wettbewerbsfähigkeit der Landwirtschaft im Hinblick auf weitere Marktöffnungen zu verbessern, die gemeinwirtschaftlichen Leistungen zugunsten der Gesellschaft und die Ressourceneffizienz der landwirtschaftlichen Produktion zu steigern sowie die negativen Auswirkungen der landwirtschaftlichen Produktion auf die Umwelt zu minimieren.
Rückblick und politischer Auftrag
Mit der Reform der Agrarpolitik seit Anfang der 1990er-Jahre wurde die agrarpolitische Stützung sukzessive reduziert und von der Produktion entkoppelt. Die Gesamtstützung (Grenzschutz und budgetäre Stützung) ist seit 1990 von gut 8 Mrd. Franken auf 5,6 Mrd. Franken im Jahr 2010 gesunken. Zudem hat sich der Anteil der gekoppelten Stützung (Grenzschutz und Marktpreisstützungsbeiträge inkl. Exportsubventionen) in diesem Zeitraum praktisch halbiert.
Vgl. OECD 2011, http://www.oecd.org/agriculture/pse. Im Gegenzug wurden die produktunabhängigen Direktzahlungen stark ausgebaut. Von einem Bundesfranken, der heute für die Landwirtschaft ausgegeben wird, entfallen mehr als 80 Rappen auf die Direktzahlungen. Diese sukzessive Entkopplung der Stützung seit Anfang der 1990er-Jahre hat zu namhaften Verbesserungen in allen drei Dimensionen der Nachhaltigkeit geführt (vgl. Grafik 1): – Die Arbeitsproduktivität ist pro Jahr um 1,6% gewachsen, und die Preisdifferenzen zum Ausland konnten reduziert werden. Gleichzeitigt konnten die Bauernbetriebe die notwendigen Investitionen tätigen, sodass die Kapitalerneuerungsrate konstant geblieben ist.– Die Einkommen der landwirtschaftlichen Betriebe haben sich im Gleichschritt mit der übrigen Bevölkerung entwickelt. – Die Kalorienproduktion hat sowohl brutto als auch netto zugenommen (+10% bzw. +5%).– Die negativen Auswirkungen der landwirtschaftlichen Produktion auf die Umwelt wurden reduziert (z.B. Stickstoff-Verluste –14%, Phosphor-Verluste –70%). Die Ressourceneffizienz hat sich damit deutlich verbessert.– Die extensiv bewirtschafteten Flächen zur Förderung der Biodiversität haben deutlich zugenommen, und der Anteil qualitativ hochwertiger Flächen steigt laufend.– Insbesondere in peripheren ländlichen Regionen leistet die Landwirtschaft weiterhin einen wesentlichen Beitrag zur dezentralen Besiedlung.– Die Zahl der Nutztiere, die besonders tierfreundlich gehalten werden, hat deutlich zugenommen.Allein die Entkopplung der Stützung ist kein Garant dafür, dass die Landwirtschaft die gemeinwirtschaftlichen Leistungen tatsächlich effizient und im gesellschaftlich erwünschten Ausmass bereitstellt. In den letzten Jahren haben beispielsweise die Fortschritte im ökologischen Bereich stagniert. Gemessen an den vom Bundesrat auf der Basis von Artikel 104 der Bundesverfassung definierten Zielen bestehen nach wie vor beträchtliche Ziellücken.
Bericht des Bundesrates vom 6. Mai 2009, Weiterentwicklung des Direktzahlungssystems, S. 137.Im Rahmen der Agrarpolitik 2011 schlug der Bundesrat eine weitere Umlagerung von Mitteln aus der Marktstützung zu den Direktzahlungen vor.
Bötsch M. und Hofer E. (2006): Agrarpolitik 2011 – konsequente Weiterführung der Reform. In: Die Volkswirtschaft 09/2006, S. 4ff. In den parlamentarischen Beratungen zeigte sich, dass sowohl von bäuerlicher Seite wie auch von Wirtschaftskreisen Zweifel an der Effektivität und Effizienz des heutigen Direktzahlungssystems bestanden, woraufhin der Bundesrat beauftragt wurde, im Hinblick auf die nächste Reformetappe das Direktzahlungssystem einer grundlegenden Prüfung zu unterziehen.
06.3635 Motion WAK-S: Weiterentwicklung des Direktzahlungssystems, 10. November 2006. Nachdem der Bundesrat im Mai 2009 einen entsprechenden Bericht vorgelegt hatte, kam das Parlament zum Schluss, dass ein Verbesserungspotenzial besteht und dass das Direktzahlungssystem angepasst werden soll. Es beauftragte den Bundesrat, einen konkreten Gesetzesentwurf für ein weiterentwickeltes Direktzahlungssystem vorzulegen.
09.3973 Motion WAK-S: Weiterentwicklung des Direktzahlungssystems. Konkretisierung des Konzepts, 16. Oktober 2009. In die vorliegende Botschaft zur AP 14–17 wurden neben den Direktzahlungen weitere Themen aufgenommen, zu denen das Parlament Vorstösse überwiesen hatte, so z.B. die Qualitätsstrategie oder die Ernährungssicherung.
Künftige Herausforderungen
Die Landwirtschaft und die gesamte Ernährungswirtschaft sind eingebunden in eine vielfältige und komplexe Welt. Je nachdem wie sich die Rahmenbedingungen in Zukunft weiterentwickeln, werden gewisse Themen und Probleme wichtiger, oder aber sie verlieren an Bedeutung. Um eine glaubwürdige Zukunftsstrategie zu entwerfen, ist es daher unerlässlich, sich Gedanken über die Welt von morgen zu machen. Wie wird sich die Weltwirtschaft entwickeln? Werden die knappen Rohstoffe und natürlichen Ressourcen zu einem limitierenden Faktor? Sehen wir uns mit ganz neuen Herausforderungen und Krisen konfrontiert? Folgende Herausforderungen stellen sich aus Sicht des Bundesrates für die Zukunft:
Versorgungssicherheit
Die Weltbevölkerung wird bis 2025 voraussichtlich auf mehr als 8 Mrd. ansteigen. Gleichzeitig wird sich das Wirtschaftswachstum fortsetzen und die Kaufkraft der Bevölkerung vor allem in den Schwellenländern tendenziell weiter steigen. Dadurch steigt die Nachfrage – insbesondere nach tierischen Nahrungsmitteln wie beispielsweise Milch und Fleisch – stark an. Die Bereitstellung von Nahrungsmitteln in ausreichender Menge und Qualität ist deshalb auf globaler Ebene eine zentrale zukünftige Herausforderung.
Parmentier B. (2007): Nourrir l’humanité, les grands problèmes de l’agriculture mondiale au XXIe siècle, Editions La Découverte, Paris.
Wettbewerbsfähigkeit
Mittelfristig ist mit einem weiteren Abbau der handelsverzerrenden Stützung, insbesondere des Grenzschutzes, zu rechnen. Der Grenzschutz – und damit auch das Preisniveau für landwirtschaftliche Produkte – ist in der Schweiz im internationalen Vergleich nach wie vor hoch. Um die weitere Öffnung der Agrarmärkte erfolgreich bewältigen zu können, gilt es die Zeit zu nutzen, um die Produktivität und Wettbewerbsfähigkeit der gesamten Ernährungskette zu verbessern.
Ressourceneffizienz
Mit der weltweiten Bevölkerungszunahme und dem Wirtschaftswachstum wird der Bedarf nach Ressourcen global weiter steigen. Insbesondere die Verknappung endlicher Rohstoffe und Ressourcen (z.B. Phosphor oder Boden) stellt für die Zukunft eine grosse Herausforderung dar. Die Ressourceneffizienz in der landwirtschaftlichen Produktion muss deshalb unbedingt weiter gesteigert und der Schutz von wertvollem Kulturland deutlich verstärkt werden.
Ländlicher Raum
Der ländliche Raum entwickelt sich im Spannungsfeld zwischen der weiteren Liberalisierung der Agrarmärkte und dem Strukturwandel auf der einen sowie der zunehmenden Verknappung der natürlichen Ressourcen auf der anderen Seite. In diesem Spannungsfeld gilt es, die regional vorhandenen Ressourcen gezielt zu nutzen und in Wert zu setzen, um so einen vitalen ländlichen Raum zu erhalten.
Nachhaltiger Konsum
Aufgrund der geringen Landwirtschaftsfläche pro Einwohner im Inland ist die Schweiz auf Nahrungsmittelimporte angewiesen. Es ist deshalb von strategischer Bedeutung, dass nicht nur die im Inland hergestellten, sondern auch die importierten Nahrungsmittel sozial und ökologisch nachhaltig produziert werden, damit die Produktionsgrundlagen sowohl im Inland als auch im Ausland langfristig gesichert sind. Entsprechend gilt es, die Konsumentinnen und Konsumenten für diese Zusammenhänge zu sensibilisieren.
Ziele der AP 14–17
Um eine möglichst hohe Wirksamkeit und Effizienz der Agrarpolitik bzw. der Direktzahlungen zu erreichen, werden in der Botschaft zur AP 14–17 konkrete und überprüfbare Ziele definiert. Diese Ziele umfassen – neben den drei Nachhaltigkeitsdimensionen Ökonomie, Ökologie und Soziales – die in Artikel 104 der Bundesverfassung definierten gemeinwirtschaftlichen Leistungen. Im ökologischen Bereich sind die Ziele auf die langfristig ausgerichteten Umweltziele Landwirtschaft
Vgl. Bafu und BLW (2008): Umweltziele Landwirtschaft. Hergeleitet aus bestehenden rechtlichen Grundlagen. Umwelt-Wissen Nr. 0820. abgestimmt.Aufgrund des mehrdimensionalen Zielsystems der Agrarpolitik (Multifunktionalität) und der gegenseitigen Abhängigkeiten zwischen den verschiedenen Zielen sind Verbesserungen nur schrittweise realisierbar. Grundsätzlich könnten in einzelnen Zielbereichen grössere Fortschritte erzielt werden (z.B. Reduktion der Nitratbelastung im Grundwasser), wenn nicht gleichzeitig Ziele in anderen Bereichen zu erfüllen wären (z.B. Erhaltung einer ackerbaulichen Nutzung). Generell sind jedoch dank des technischen Fortschritts und mit einer besseren Berücksichtigung der Potenziale der verschiedenen Standorte gleichzeitige Verbesserungen in verschiedenen Zielbereichen möglich.
Wichtigste Anpassungen und Finanzierung
Mit der AP 14–17 sollen einerseits günstige Rahmenbedingungen gesetzt werden, damit die Land- und Ernährungswirtschaft die Marktpotenziale optimal nutzen kann. Andererseits soll die Wirksamkeit und Effizienz der Direktzahlungen verbessert werden. Für die Erschliessung der Marktpotenziale sind die Instrumente der Qualitäts- und Absatzförderung von zentraler Bedeutung und sollen mit der AP 14–17 gezielt ausgebaut werden. Parallel dazu sollen die Modalitäten bei der Gewährung von Investitionshilfen so angepasst werden, dass Investitionen auch unter veränderten Rahmenbedingungen tragbar sind, die Produktionskosten gesenkt werden und so die langfristige Wettbewerbsfähigkeit der Landwirtschaft verbessert wird. Beide Massnahmen tragen dazu bei, die Wertschöpfung auf dem Markt zu steigern. Dies ist eine wichtige Voraussetzung, damit die Landwirtschaft die gemeinwirtschaftlichen Leistungen auch bei offeneren Grenzen im gesellschaftlich erwünschten Ausmass erbringen kann.Kernelement der AP 14–17 ist die Weiterentwicklung des Direktzahlungssystems. Massnahmen mit unspezifischer Zielausrichtung sollen durch zielgerichtete Instrumente ersetzt werden. Die heutigen tierbezogenen Beiträge geben Anreize zur Intensivierung der Tierhaltung und verursachen damit unerwünschte Marktverzerrungen und ökologische Probleme. Sie sollen daher in die Versorgungssicherheitsbeiträge umgelagert werden. Diese werden flächenbezogen ausgerichtet, wobei auf dem Grünland die Haltung raufutterverzehrender Nutztiere vorausgesetzt wird (Mindesttierbesatz). Da der allgemeine Flächenbeitrag heute die Strukturentwicklung behindert und keine spezifische gemeinwirtschaftliche Leistung fördert, soll er aufgehoben werden. Die frei werdenden Mittel werden einerseits für den Ausbau der Direktzahlungsinstrumente in Bereichen mit Ziellücken und andererseits für die Übergangsbeiträge eingesetzt. Mit diesen soll ein sozialverträglicher Wechsel vom heutigen zum weiterentwickelten Direktzahlungssystem sichergestellt werden. Die Übergangsbeiträge haben eine hohe Einkommenswirkung, da sie vollständig entkoppelt sind. Zur Finanzierung der agrarpolitischen Massnahmen sind in den drei landwirtschaftlichen Zahlungsrahmen für die Jahre 2014–2017 insgesamt 13,67 Mrd. Franken vorgesehen. Das entspricht mit 3,42 Mrd. Franken pro Jahr dem Niveau der Vorjahre. Der grösste Teil der Mittel entfällt auf den Zahlungsrahmen Direktzahlungen (82%). Die restlichen Mittel teilen sich auf die beiden Zahlungsrahmen Produktion und Absatz (13%) sowie Grundlagenverbesserung und Sozialmassnahmen (5%) auf. Innerhalb der Direktzahlungen sind die Versorgungssicherheitsbeiträge mit knapp 40% der Mittel die bedeutendste Beitragskategorie. Sie bleiben zwischen 2014 und 2017 konstant. Aufgrund von Beteiligungszunahmen ist bei den Biodiversitäts-, Landschaftsqualitäts-, Produktionssystem- und Ressourceneffizienzbeiträgen mit zunehmendem Finanzbedarf zu rechnen. In dem Ausmass, wie der Mitteleinsatz bei diesen Instrumenten zwischen 2014 und 2017 steigt, werden die Mittel für die Übergangsbeiträge reduziert. Abgesehen von einer leichten Reduktion des Grenzschutzes für Brotgetreide wird mit der AP 14–17 die Gesamtstützung der Landwirtschaft auf dem bisherigen Niveau weitergeführt. Der Wegfall der unspezifischen Direktzahlungen (Tierbeiträge, allgemeiner Flächenbeitrag) verstärkt für die Betriebe den Anreiz, die vorhandenen Kostensenkungspotenziale zu nutzen und in die leistungsorientierten Programme einzusteigen. Damit verbessert sich die Ausgangslage für eine erfolgreiche Bewältigung weiterer Marktöffnungsschritte: Mit gleich bleibenden finanziellen Mitteln können die agrarpolitischen Ziele in Zukunft besser erreicht werden als bisher.
Auswirkungen
Mit der AP 14–17 können in allen drei Bereichen der Nachhaltigkeit Fortschritte erzielt werden. Dies zeigen Modellrechnungen von Agroscope Reckenholz Tänikon.
Vgl. Zimmermann A. et al. (2012): Auswirkungen der Agrarpolitik 2014–2017, Aktualisierung der wichtigsten Ergebnisse des ART-Berichts Nr. 744, Tänikon. Der Tierbestand wird bis 2017 namentlich aufgrund der Umlagerung der Tierbeiträge zu den Versorgungssicherheitsbeiträgen um knapp 10% zurückgehen. Dies führt – zusammen mit der Einführung der Ressourceneffizienzbeiträge – dazu, dass die Stickstoff- und Phosphorüberschüsse sowie die Treibhausgasemissionen sinken und sensible Ökosysteme entlastet werden. Die stärkere Ausrichtung der Direktzahlungen auf die Förderung qualitativ hochstehender Biodiversitätsförderflächen führt zu Verbesserungen im Bereich der Artenvielfalt. Die Fortschritte im Ökobereich gehen jedoch nicht zu Lasten der Produktion, im Gegenteil: Gemäss Modellrechnungen wird die Kalorienproduktion um rund 3% zunehmen. Dies ist einerseits auf steigende Erträge aufgrund des Zuchtfortschritts und andererseits auf eine verstärkte Förderung des Ackerbaus zurückzuführen. Damit kann der Import von Kraftfuttermitteln limitiert werden. Auch bezüglich Einkommen zahlt sich die AP 14–17 aus. Modellberechnungen zeigen, dass das Sektoreinkommen rund 110 Mio. Franken oder 4,2% höher zu liegen kommt, als wenn die heutigen Instrumente unverändert weitergeführt würden. Da sich die Strukturen weiterentwickeln und die Arbeitsproduktivität zunehmen wird, werden mit der AP 14–17 die einzelbetrieblichen Einkommen im Mittel voraussichtlich um 7% steigen. Die Kaufkraft der Bauernfamilien bleibt damit bei einer Teuerung im bisherigen Rahmen voraussichtlich erhalten.
Fazit
Im Frühjahr 2011 wurde eine Vernehmlassung zur AP 14–17 durchgeführt. Die Rückmeldungen zeigten, dass die Vorlage im Grundsatz breit unterstützt wird. In gewissen Bereichen gehen die Interessen der Vernehmlasser jedoch teilweise weit auseinander. Der Bundesrat hat die Anliegen der Vernehmlasser so weit wie möglich berücksichtigt, ohne jedoch die Vorteile des Systemwechsels in Frage zu stellen. Diese sind im Wesentlichen: – Verbesserte Marktausrichtung, stärkere Förderung der Innovation und Steigerung der Wertschöpfung;– Schaffung günstiger Voraussetzungen für die Bewältigung weiterer Marktöffnungen; – Eliminierung von Fehlanreizen, schonendere Nutzung der natürlichen Ressourcen und gezieltere Förderung der gemeinwirtschaftlichen Leistungen; – bessere Erreichung der agrarpolitischen Ziele mit gleich bleibenden finanziellen Mitteln. Die AP 14–17 ist eine weitere wichtige Etappe zur Reform der Agrarpolitik. Die Landwirtschaft wird damit befähigt, die künftigen Herausforderungen erfolgreich zu meistern und die Bedürfnisse der Gesellschaft möglichst optimal zu erfüllen.
Grafik 1: «Entwicklung von Ökologie, Produktion und Einkommen»
Tabelle 1: «Ziele der Agrarpolitik 2014–2017»
Tabelle 2: «Zahlungsrahmen 2014–2017»
Kasten 1: Agrarökonomische Grundlagen
Agrarökonomische Grundlagen
Im Gegensatz zur industriellen Produktion basiert die landwirtschaftliche Produktion unmittelbar auf Ökosystemleistungen wie der Bodenbildung, dem Nährstoffkreislauf oder der Klimaregulierung. Im Laufe der Menschheitsgeschichte sind natürliche Ökosysteme zusehends in Agrarökosysteme umgewandelt worden. Einige Ökosystemleistungen werden durch die landwirtschaftliche Bewirtschaftung verstärkt, andere hingegen beeinträchtigt. Man spricht in diesem Zusammenhang von positiven und negativen Externalitäten der landwirtschaftlichen Produktion. In welchem Ausmass eine Externalität als positiv oder negativ bewertet wird, hängt davon ab, wie man die Eigentumsrechte definiert. Beeinträchtigungen der Qualität von Boden, Wasser und Luft z.B. durch landwirtschaftliche Emissionen gelten heute als negative Externalitäten. Positive Externalitäten der landwirtschaftlichen Produktion sind die Erhaltung der natürlichen Lebensgrundlagen wie Boden und Biodiversität, die Versorgungssicherheit, die Pflege der Kulturlandschaft, die dezentrale Besiedlung und das Tierwohl. Da es sich bei diesen sogenannt gemeinwirtschaftlichen Leistungen um öffentliche Güter handelt, ist deren Bereitstellung im gesellschaftlich erwünschten Mass über den Markt nicht sichergestellt. Bei reinen Marktbedingungen (Weltmarktpreisniveau, keine budgetäre Stützung) wäre die Inlandproduktion deutlich tiefer. Sie würde sich auf Gunstlagen konzentrieren mit entsprechend negativen Auswirkungen auf das Landschaftsbild, die Biodiversität oder die dezentrale Besiedlung.Mit den agrarpolitischen Instrumenten und insbesondere den Direktzahlungen geht es darum, die Differenz zwischen privatem Angebot und gesellschaftlicher Nachfrage nach gemeinwirtschaftlichen Leistungen zu schliessen. Um dabei eine möglichst hohe Wirksamkeit und Effizienz zu erreichen, ist es unabdingbar, dass konkrete und überprüfbare Ziele definiert werden und ein klarer Bezug zwischen den Zielen und den eingesetzten Instrumenten hergestellt wird. Entsprechend werden mit der AP 14–17 konkrete Ziele vorgeschlagen, die Instrumente konsequent auf diese Ziele ausgerichtet (Targeting) und der Mitteleinsatz so bemessen, dass die Ziele erreicht werden können (Tailoring). Zur Vermeidung von negativen Externalitäten wird die Einhaltung des ökologischen Leistungsausweises (ÖLN) vorausgesetzt. Zusätzlich können mit Ressourceneffizienzbeiträgen befristet ressourcenschonende Techniken gefördert werden.
Kasten 2: Zankapfel Versorgungssicherheit
Zankapfel Versorgungssicherheit
In Normalzeiten kann die Versorgung der Bevölkerung mit Nahrungsmitteln über den Markt sichergestellt werden (Inlandproduktion und Import). Nahrungsmittel sind somit grundsätzlich private Güter. In Zeiten der Krise kann es sein, dass die sichere Versorgung nicht mehr gewährleistet und so die öffentliche Sicherheit gefährdet ist. Die Versorgungssicherheit hat somit auch den Charakter eines öffentlichen Guts. Entsprechend trifft der Bund Massnahmen zur Gewährleistung der Versorgung in Krisenzeiten. Dies sind einerseits die kurzfristig wirkenden Massnahmen der wirtschaftlichen Landesversorgung (z.B. Pflichtlagerhaltung) und andererseits die langfristig ausgerichteten Massnahmen der Agrarpolitik. Die gemeinwirtschaftliche Leistung besteht darin, dass die Produktionskapazität (z.B. Infrastruktur, Know-how) durch die landwirtschaftliche Produktion aufrechterhalten bleibt. Dies ist wichtig, damit die Produktion im Falle eines Versorgungsengpasses in nützlicher Frist angepasst werden kann. Mit den vom Bundesrat im Rahmen der AP 14–17 vorgeschlagenen Versorgungssicherheitsbeiträgen soll deshalb die Produktionskapazität der Landwirtschaft im heutigen Umfang erhalten werden.Die Versorgungssicherheitsbeiträge werden von den verschiedenen Interessengruppen aus unterschiedlichen Motiven kritisiert. Die bäuerlichen Kreise fordern eine stärkere Kopplung der Beiträge an die Tierhaltung und deutlich mehr Geld für die Versorgungssicherheit. Die Wirtschaftsverbände und Umweltkreise stellen die Versorgungssicherheitsbeiträge grundsätzlich in Frage oder verlangen zumindest eine deutliche Reduktion der Mittel. Der Bundesrat positioniert sich mit seinem Vorschlag zwischen diesen entgegengesetzten Haltungen. Instrumentell ist die vorgeschlagene Umlagerung der Tierbeiträge in die Versorgungssicherheitsbeiträge und die damit verbundene Entkopplung notwendig, um die unerwünschten Intensivierungsanreize des heutigen Systems zu eliminieren. Eine stärkere Koppelung an die Produktionsfaktoren, verbunden mit einer Erhöhung der für die Versorgungssicherheit eingesetzten Mittel, würde dieser Zielsetzung zuwider laufen. Eine Reduktion der Versorgungssicherheitsbeiträge wäre vor dem Hintergrund weiterer Marktöffnungsschritte nicht sinnvoll und würde den instrumentellen Systemwechsel gefährden.
Zitiervorschlag: Lehmann, Bernard; Lanz, Simon (2012). Grundzüge der Agrarpolitik 2014–2017. Die Volkswirtschaft, 01. April.