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Infrastrukturbau: Chancen ja, Euphorie nein

In zahlreichen Schwellenländern stehen Infrastrukturprojekte mit enormen Dimensionen auf der Agenda. Das Massengeschäft ist jedoch kein Marktplatz für Schweizer Ingenieur- und Planungsunternehmen. Zu hoch sind die Anforderungen an die personellen Ressourcen und zu gering die internationalen Honorare. Das Nischenprodukt «hochwertige Expertise» lässt sich aber durchaus international vermarkten. Für kleine und mittlere Unternehmen (KMU) spielen strategische Partnerschaften als Türöffner eine entscheidende Rolle.

Eine gut ausgebaute und funktionierende Infrastruktur ist ein wesentlicher Standortfaktor, um im globalisierten Wettbewerb bestehen zu können. Besonders aufstrebende Länder wie Brasilien, Russland, Indien und China werden in den nächsten Jahrzehnten Milliarden in ihre Infrastruktur investieren. Noch hinkt die Infrastruktur in diesen Ländern dem Wirtschafts- und Bevölkerungswachstum in den Metropolen deutlich hinterher. Der Bedarf wächst täglich. Ein Beispiel: Während der ersten Planungsarbeiten für den neuen internationalen Flughafen in Bangalore in den Jahren 2000 bis 2002 ging man von einem Passagieraufkommen von rund 2 bis 4 Mio. pro Jahr aus. Im ersten Betriebsjahr nach der Eröffnung 2008 zählte der Betreiber bereits 8 Mio. Passagiere; 2011 waren es schon 12,6 Mio. Die jährliche Wachstumsrate liegt bei rund 17%. Derartigen Wachstumszahlen muss auch die Infrastruktur folgen. Sind die aufstrebenden Schwellenländer also ein El Dorado für kompetente und erfahrene Ingenieur- und Planungsunternehmen aus der Schweiz? Die Antwort lautet: Jein.

Schweizer Infrastruktur als beste Referenz


Die Schweiz ist ein Musterland für eine hochwertige, gut ausgebaute und sehr zuverlässige Infrastruktur. Das gilt sowohl für den Verkehr als auch für Ver- und Entsorgung sowie die Kommunikation. Gemäss einer Studie des Schweizerischen Nationalfonds aus dem Jahr 2011 beläuft sich der Wiederbeschaffungswert der gesamten technischen Infrastruktur in der Schweiz auf rund 830 Mrd. Franken. Für den Erhalt dieses hochwertigen Netzwerks sind jährlich 19 Mrd. Franken nötig. Diese Zahlen deuten an, wofür die Schweiz auch im Infrastrukturbereich international steht: für eine exzellente Qualität, die einen hohen Wert, aber auch ihren Preis hat. Für Schweizer Ingenieurunternehmen ist die heimische Infrastruktur die beste Referenz, die man sich vorstellen kann. Jeder ausländische Besucher kann sich schon bei einem kurzen Aufenthalt von ihrer Hochwertigkeit überzeugen. Entsprechend glaubwürdig können Schweizer Planer, Ingenieure und Berater im Ausland ihre Expertise vertreten. Doch Schweizer Preise sind im Ausland nur bedingt wettbewerbsfähig: Die meisten internationalen Infrastrukturprojekte haben enorme Dimensionen – nicht nur physisch, sondern auch bezüglich der zu leistenden Arbeiten und der dafür notwendigen personellen Ressourcen. In diesem «Massengeschäft» können Schweizer Ingenieurunternehmen weder personell noch preislich mithalten. Hier kommen die Global Player mit bis zu 70 000 Mitarbeitenden auf der ganzen Welt zum Zug. Die Chancen für die Schweizer liegen in den Nischen.

Strategische Partnerschaften als Türöffner für KMU


Vor allem aufstrebende Staaten in Asien, Osteuropa und Südamerika bieten ein Marktpotenzial für hochwertige Expertise (siehe Kasten 1

Hochwertige Expertise als Nischenprodukt


Basler & Hofmann hat die Erfahrung gemacht, dass Schweizer Kompetenzen vor allem dort erwünscht sind, wo nachhaltige und ganzheitliche Infrastrukturlösungen gesucht werden. Das Know-how für die Projektierung von einzelnen leistungsfähigen Infrastrukturanlagen – wie zum Beispiel von Autobahnen oder Fussballstadien – bieten heute viele internationale Anbieter bedeutend günstiger als wir an. Solche Vorhaben aber als Gesamtsystem zu denken und mit allen weitreichenden Konsequenzen bezüglich Energieversorgung, Verkehrsanbindung, Nutzersicherheit oder auch in Hinblick auf einen langfristig ökonomischen Betrieb und Unterhalt zu planen, verlangt breite Kompetenzen und langjährige Erfahrung. Bei solchen Vorhaben können wir mit hoher Expertise schon in einer frühen Phase wichtige Weichen stellen und zu einem guten Gelingen beitragen. Dies erfordert aber das Bewusstsein auf der Seite des Auftraggebers, dass derartige Expertise und konzeptionelle Leistungen in einer frühen Projektphase entscheidend für die Machbarkeit und die Qualität des künftigen Bauwerks sind. Damit sind auch Schweizer Honorare nur vermeintlich teuer. Sie amortisieren sich im weiteren Projektverlauf sehr schnell.

). Dennoch wird kaum ein mittelständisches Ingenieurunternehmen aus der Schweiz anfangen, diese Märkte eigenständig und gar mit eigenen Standbeinen vor Ort strategisch zu entwickeln. Basler & Hofmann ist international häufig in strategischen Partnerschaften tätig: So bearbeiten wir zum Beispiel als Berater oder Planer im Auftrag von schweizerischen oder europäischen Industriekonzernen Grossprojekte vor Ort. Wir stellen für den Industriepartner sicher, dass die Anlage nach seinen Qualitätsanforderungen ausgeführt wird – unabhängig davon, ob sie in der Schweiz, in Abu Dhabi oder in Malaysia gebaut wird. Oder wir gehen in einer «Swiss Community» gemeinsam mit einem Schweizer Dienstleistungspartner an den Start. Derartige eingespielte Partnerschaften ermöglichen eine effiziente Zusammenarbeit – gerade unter den häufig erschwerten Bedingungen im Ausland.

Qualitätssicherung für Investoren und in der Entwicklungszusammenarbeit


Als Berater und Experten sind Schweizer Ingenieure und Planer auch für Investoren oder für staatliche Einrichtungen von Geberländern tätig, die sicherstellen wollen, dass ihre Standards vor Ort eingehalten werden. So war Basler & Hofmann im Auftrag des Flughafens Zürich beim Bau des neuen Flughafens in Bangalore bei der Konzeption beteiligt und verantwortete als Projektmanager die Qualitätssicherung. Dafür war das Unternehmen einige Jahre mit einem eigenen Projektbüro vor Ort vertreten. Auch in der Entwicklungszusammenarbeit sind Schweizer Experten als Berater gefragt. Im Auftrag der Deutschen Entwicklungsbank KfW betreuen die Biosicherheitsexperten von Basler & Hofmann in Singapur den Aufbau und die Inbetriebnahme eines Biocontainment-Labors in Indonesien. Das Labor wird für die Prüfung von Vogelgrippeimpfstoffen benötigt. Für das Schweizer Staatssekretariat für Wirtschaft (Seco) begleitet Basler & Hofmann unter anderem ein Abwasserversorgungsprojekt in Mazedonien, bei dem es auch darum geht, Organisationsstrukturen und administrative Prozesse vor Ort zu verbessern und die richtigen Anreizsysteme zu etablieren, damit die Anlagen später nachhaltig betrieben werden können. Im Zentrum all dieser Engagements stehen konzeptionelle Aufgaben, Machbarkeitsbeurteilungen technischer, finanzieller oder organisatorischer Art sowie die Qualitätssicherung.

Risiken abwägen und Chancen nutzen


Internationale Projekte bergen in der Regel grössere finanzielle, juristische, politische und personelle Risiken. Für ein KMU ist es lebensnotwendig, Risiken und Chancen bei Auslandsaufträgen gut abzuschätzen. Bei Basler & Hofmann gilt die Daumenregel: Nur einer der drei Bausteine «Kunde», «Dienstleistung» und «geografischer Markt» darf Neuland für das Unternehmen sein. Ein neuer geografischer Markt sollte also nur mit einem bekannten Kunden und einer gut etablierten Dienstleistung in Angriff genommen werden. Nach Abwägung aller Chancen und Risiken stellt sich die Frage, warum ein Schweizer Ingenieurunternehmen überhaupt im Ausland aktiv werden sollte. In der Schweiz gibt es eine Fülle von Aufgaben. Gleichzeitig herrscht ein Mangel an Fachleuten. Grosse Auslandsprojekte verlangen meist eine hohe Präsenz vor Ort und bringen persönliche Entbehrungen mit sich. Vor dem Hintergrund einer hohen Lebensqualität in unserem Land, stossen Auslandseinsätze nicht bei jedem Experten auf grosses Interesse. Das stellt international aktive Unternehmen vor Herausforderungen. Gleichzeitig gibt es Dienstleistungsbereiche, für die es im Inland in den nächsten Jahren und Jahrzehnten nur noch wenige Grossprojekte gibt. So hat eine im Auftrag des Fachverbands Infra erstellte Studie gezeigt, dass dem traditionsreichen Schweizer Tunnelbau in der Schweiz bald die Projekte ausgehen werden. Künftig werden hierzulande vor allem Tunnelsanierungen anstehen. Wer also seine Kompetenzen im Tunnelbau erhalten will, wird den Schritt ins Ausland zwingend tun müssen. Angesichts einer zunehmend urbanisierten Welt sind die Zukunftsperspektiven für ausgewiesene Tunnelexperten exzellent – vorausgesetzt sie denken global.

Kasten 1: Hochwertige Expertise als Nischenprodukt

Hochwertige Expertise als Nischenprodukt


Basler & Hofmann hat die Erfahrung gemacht, dass Schweizer Kompetenzen vor allem dort erwünscht sind, wo nachhaltige und ganzheitliche Infrastrukturlösungen gesucht werden. Das Know-how für die Projektierung von einzelnen leistungsfähigen Infrastrukturanlagen – wie zum Beispiel von Autobahnen oder Fussballstadien – bieten heute viele internationale Anbieter bedeutend günstiger als wir an. Solche Vorhaben aber als Gesamtsystem zu denken und mit allen weitreichenden Konsequenzen bezüglich Energieversorgung, Verkehrsanbindung, Nutzersicherheit oder auch in Hinblick auf einen langfristig ökonomischen Betrieb und Unterhalt zu planen, verlangt breite Kompetenzen und langjährige Erfahrung. Bei solchen Vorhaben können wir mit hoher Expertise schon in einer frühen Phase wichtige Weichen stellen und zu einem guten Gelingen beitragen. Dies erfordert aber das Bewusstsein auf der Seite des Auftraggebers, dass derartige Expertise und konzeptionelle Leistungen in einer frühen Projektphase entscheidend für die Machbarkeit und die Qualität des künftigen Bauwerks sind. Damit sind auch Schweizer Honorare nur vermeintlich teuer. Sie amortisieren sich im weiteren Projektverlauf sehr schnell.

Kasten 2: Basler & Hofmann

Basler & Hofmann


Basler & Hofmann ist ein unabhängiges Ingenieur-, Planungs- und Beratungsunternehmen mit Hauptsitz in der Schweiz und Tochtergesellschaften in der Slowakei, in Deutschland und Singapur. Rund 500 Mitarbeitende aus mehr als 30 Fachgebieten arbeiten in der Unternehmensgruppe zusammen. Tätigkeitsschwerpunkte sind die Bereiche Infrastruktur, Gebäude, Umwelt, Energie und Sicherheit. Das 1963 gegründete Unternehmen war bereits in mehr als 80 Ländern tätig. Internet: http://www.baslerhofmann.ch

Zitiervorschlag: Dorothee Braun, Dominik Courtin, (2012). Infrastrukturbau: Chancen ja, Euphorie nein. Die Volkswirtschaft, 01. Juli.