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Bundesrat Johann N. Schneider-Ammann über die Zukunft des Industriestandortes Schweiz

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Die Schweizer Wirtschaft behauptet sich zwar dank robuster Binnenkonjunktur und relativ widerstandsfähiger Exportwirtschaft besser als erwartet, dies trotz starkem Franken und schwacher Konjunktur besonders in den EU-Ländern. Eine weiterhin positive Konjunkturentwicklung ist aber nur gesichert, wenn eine Eskalation der Staatsschuldenkrise im Euroraum verhindert werden kann. Diese Ausgangslage steht denn auch im Zentrum des Gesprächs, das wir mit unserem Wirtschaftsminister, Bundesrat Johann N. Schneider-Ammann, geführt haben. Im Vordergrund standen Fragen nach den Erfolgsfaktoren des Werk-, Denk- und Forschungsplatz Schweiz, aber auch, was getan werden muss, um die guten Rahmenbedingungen längerfristig zu sichern.

Die Volkswirtschaft: Gemäss Lausanner Institut für Management-Entwicklung (IMD) zählt die Schweiz seit Jahren zu den fünf wettbewerbsfähigsten Ländern der Welt. In dieser komfortablen Lage stellt sich die Frage: Müssen wir uns um die Zukunft des Wirtschaftsstandortes Schweiz überhaupt Sorgen machen? Und wenn ja, warum?Schneider-Ammann: Grundsätzlich ist der Werk-, Denk- und Forschungsplatz Schweiz ausgezeichnet aufgestellt. Das heisst aber nicht, dass wir unsere Hände in den Schoss legen können. Der internationale Konkurrenzkampf um Marktanteile wird immer härter. Da spielt es eine zentrale Rolle, wie innovativ die Marktteilnehmer und damit die einzelnen Wirtschaftszweige sind. Zudem wird die Halbwertszeit von Innovationen immer kürzer, der Kampf auch um kleine Verbesserungen immer härter. Es geht immer schneller, bis neue Produkte kopiert werden. Deshalb müssen wir uns täglich anstrengen, um an der Spitze zu bleiben, sonst ist unser Vorsprung schnell verspielt.Die Volkswirtschaft: Die Schweizerische Nationalbank (SNB) hat mit dem Mindestkurs von 1,20 je Euro die Sicherheit und Planbarkeit für die Exportbranche erhöht. Genügt dieser Entscheid?Schneider-Ammann: Dieser Entscheid der SNB ist für die Schweizer Volkswirtschaft von absolut zentraler Bedeutung. Der Mindestkurs von 1,20 Fr. je Euro bringt unseren Unternehmen die dringend nötige minimale Planungssicherheit, auf der die mittel- und längerfristigen Budgets erstellt werden können. Natürlich entspricht unsere Währung nach wie vor nicht der eigentlichen Kaufkraftparität. Unsere Exportwirtschaft – allen voran die Maschinen-, Elektro- und Metallindustrie, aber auch die Tourismusbranche – leidet unter dem starken Franken. Ich bin deshalb der SNB-Spitze und ihrem Präsidenten, Thomas Jordan, sehr dankbar für die wiederholte Bekräftigung, diese Untergrenze mit allen Mitteln zu verteidigen.Die Volkswirtschaft: Der für viele nach wie vor starke Franken wird angesichts der Turbulenzen im Euro-Raum kaum schwächer werden. Hingegen könnte aber der starke Franken durch die Inflationsdifferenzen bald stark abgemildert werden. Wie beurteilen Sie diese Entwicklung?Schneider-Ammann: Es ist richtig, dass wir in der Schweiz keine Inflation kennen und sich deshalb die Kaufkraftparität zu unseren Gunsten verschiebt. Damit wertet sich der Schweizer Franken im Vergleich zum Euro real leicht ab. Bis aber wieder wirkliche Kaufkraftparität hergestellt ist, braucht es viel Zeit. Damit entspannt sich zwar die Lage unserer Wirtschaft, aber eben nur längerfristig. Eine Schwächung des Euro gegenüber dem US-Dollar und anderen Währungen ist für die Schweiz also durchaus vorteilhaft. Zum einen würde die Überbewertung des Frankens gegenüber Drittwährungen abgeschwächt, und zum andern würde dies die Konjunktur in der Eurozone stützen. Die Volkswirtschaft: Bis 2008 hatten wir einen schwachen Franken. Könnte es nicht sein, dass der schwache Franken und der Boom in China dazu geführt haben, dass in der Schweiz Industrien aufgebaut wurden, die nun eben bei härterer Konkurrenz nicht mehr konkurrenzfähig sind? Schneider-Ammann: Sicher hat die Wechselkurssituation bis 2008 den Wirtschaftsstandort Schweiz begünstigt. Aber die Schweizer Industrie hat sich in den letzten Jahren gut aufgestellt, sowohl mit innovativen Produkten wie auch mit der stetigen Verbesserung der Herstellungsprozesse. Unsere Wirtschaft hat konsequent den Zugang in neue Weltmärkte gesucht, insbesondere im Fernen Osten, in China und Indien. Gerade China ist ein äussert anspruchsvoller und hart umkämpfter Markt. Der Erfolg verschiedener Schweizer Firmen in diesem Markt zeigt, dass sie global wettbewerbsfähig sind. Die Volkswirtschaft: Warum lohnt es sich aus Ihrer Sicht für die Schweiz, Industrie zu haben? Immerhin haben wir kaum Arbeitslosigkeit. Schliesslich gibt es Dienstleistungsbranchen, die eine hohe Wertschöpfung haben.Schneider-Ammann: Ganz einfach, weil die Industrie alleine etwa 630 000 Menschen in der Schweiz direkt eine gute Beschäftigung gibt und damit zum Wohlstand der Schweiz massgeblich beiträgt. Gerade in einer turbulenten Zeit wie heute zeigt sich, dass eine Volkswirtschaft, in der neben der Dienstleistung auch eine wirkliche Industrie existiert, erfolgreicher ist als eine, wo die Industrie nur noch eine untergeordnete Rolle spielt. Ganz deutlich sieht man dies am Beispiel von Grossbritannien, wo der Industrieanteil im einstelligen Prozentbereich liegt. In einer breit diversifizierten Volkswirtschaft, wie sie die Schweiz darstellt, können Schwankungen von anderen Branchen erfolgreich aufgefangen werden. Für mich ist eine breit abgestützte Volkswirtschaft aber noch aus einem ganz anderen Grund von enormer Bedeutung: Nur sie ist in der Lage, Menschen mit ihren unterschiedlichen Fähigkeiten und Fertigkeiten eine echte Auswahl an Beschäftigung anzubieten. Eine Gesellschaft muss eben nicht nur Kopfmenschen eine Arbeit anbieten, sondern auch Handwerkern. Die Volkswirtschaft: Worin bestehen die Chancen und Möglichkeiten der Schweizer Industrie angesichts der Verschlechterung der preislichen Wettbewerbsfähigkeit?Schneider-Ammann: Innovation und nochmals Innovation: Die Schweizer Industrie kann mit besseren Produkten und Prozessen Vorteile erzielen. Deshalb ist es für uns entscheidend, die Innovationsprozesse ständig zu verbessern. Dazu gehört vieles: Gut ausgebildete Fachkräfte aller Stufen von den Facharbeitern bis zu den Ingenieuren, eine enge Zusammenarbeit zwischen den Unternehmen und den Hochschulen, ein gut funktionierender Kapitalmarkt auch für Risikokapital bis zu den unternehmerischen Freiräumen. Und vor allem Unternehmer, die das Unternehmertum ernst nehmen und wirklich leben. Aber auch der Staat hat seine Rolle zu spielen. Einerseits ist er verantwortlich für das Bildungsangebot auf allen Stufen, andererseits unterstützt er mit seiner Förderagentur KTI innovative Projekte.Die Volkswirtschaft: Welche Massnahmen kann der Staat ergreifen, ohne dass wir unser Erfolgsmodell einer Wirtschaftspolitik, die nicht direkt in Branchen und Firmen eingreift, opfern müssen?Schneider-Ammann: Ziel der Wirtschaftspolitik muss sein, günstige Voraussetzungen für wettbewerbsfähige Unternehmen zu schaffen. Diese Politik basiert auf vier Pfeilern: Erstens muss die Politik über die Bildung optimale Fachkräfte anbieten. Zweitens kann sie über die KTI die Innovation fördern. Drittens kann sie über Bürokratieabbau und die Reduktion von Regulierungskosten die Unternehmen bei ihren Anstrengungen unterstützen, ihre Kosten zu senken. Und viertens ist es Aufgabe des Staates, die Firmen bei der Erschliessung neuer Märkte zu unterstützen. Dies geschieht über die Aushandlung von Freihandelsabkommen, aber auch über Dienstleistungen, welche die diplomatischen Vertretungen und die spezialisierten Businesshubs in insgesamt 18 Märkten auf der ganzen Welt anbieten. Die Volkswirtschaft: Der freie Personenverkehr wurde bis vor kurzem als Erfolgsmodell wahrgenommen. Wird er – trotz Anrufung der Ventilklausel – auch in Zukunft eine tragende Rolle spielen?Schneider-Ammann: Die Personenfreizügigkeit ist für die Schweizer Volkswirtschaft von absolut zentraler Bedeutung. Sie hat unserem Land seit ihrer Einführung Prosperität und Wohlstand gebracht. Die Unternehmen haben stark davon profitiert, Fachkräfte aus dem EU/Efta-Raum rekrutieren zu können. Die Öffnung des Arbeitsmarktes trug in den letzten Jahren massgeblich zum Wirtschafts- und Beschäftigungswachstum in der Schweiz bei. In letzter Zeit sind aber vermehrt kritische Stimmen gegen die Einwanderung aufgekommen. Diese Stimmen weisen nicht zu Unrecht auf gewisse negative Auswirkungen im Arbeits- und Wohnungsmarkt hin, auch wenn diese Auswirkungen bislang eng begrenzt geblieben sind. Zur Weiterentwicklung: Ich will die Personenfreizügigkeit mit unseren Partnern im europäischen Wirtschaftsraum festigen, weil die Schweizer Volkswirtschaft ein integrierter Teil dieses Raum ist. Ich will aber auch sicherstellen, dass es nicht zu einem Lohndruck kommt, sondern dass zu den hiesigen Bedingungen gearbeitet wird. Ich bin deshalb sehr froh, dass das Parlament die flankierenden Massnahmen ajustiert und verfeinert hat und werde, wie vom Parlament gefordert, für die kommende Herbstsession einen Vorschlag bezüglich Solidarhaftung machen. Die Volkswirtschaft: Aus ordnungspolitischer Sicht muss es der Markt sein, der über die Wettbewerbsfähigkeit entscheidet. Wo liegen für Sie abschliessend und zusammenfassend die Möglichkeiten und Grenzen von Markt und Staat?Schneider-Ammann: Die Erfahrung hat uns gelehrt: Der Markt allein kann es nicht richten. Es braucht einen starken Staat, der die Rahmenbedingungen so legt, dass sich die Wirtschaft zum Gewinn der ganzen Gesellschaft optimal entwickeln kann. Der Staat muss gleichzeitig dafür sorgen, dass die verschiedenen Marktteilnehmer in Dienstleistung und Industrie vorteilhafte Bedingungen vorfinden. Gleichzeitig muss er aber verhindern, dass es zu Fehlentwicklungen kommt, für die dann die ganze Gesellschaft aufkommen muss.Die Volkswirtschaft: Bis heute hat sich die Exportindustrie – trotz grossen Herausforderungen in einem sehr schwierigen Umfeld – erstaunlich gut gehalten. Wie gross ist aus Ihrer Sicht die Solidarität der Unternehmer zum Standort Schweiz? Und wann könnte diese Solidarität bröckeln?Schneider-Ammann: Es ist erfreulich, dass sich unsere Industrie so gut gehalten hat, was nicht ganz selbstverständlich ist. Gründe dafür gibt es verschiedene: Da ist zunächst einmal die Weltkonjunktur zu nennen, und damit vor allem die deutsche Abnehmerindustrie. Die Schweizer Zulieferindustrie ist gefragt und nutzt die Chance, mit Qualitätsprodukten, dauerhaften Innovationsanstrengungen und hoher Effizienz, welche durch die Not und den starken Franken zusätzlich befördert wird, den Weltmarkt zu beliefern. Die Unternehmen sind darauf aus, die Kostenstrukturen zu verbessern und auf diesem Weg im Markt zu bleiben. Das haben wir schon immer so gemacht, und das ist auch jetzt der Fall. Das Resultat ist erfreulich. Was die längerfristige Entwicklung angeht, ist es etwas heikler. Man geht grundsätzlich dorthin, wo die Kunden sind. Wenn sich die globale Industrie mehr und mehr im fernen Osten und insbesondere in China aufstellt, muss man als Zulieferer zwangsläufig in die Nähe gehen, um die Wertschöpfungsketten risikoärmer zu gestalten. Das zweite Kriterium sind die Kosten, die natürlich im Fernost nach wie vor attraktiv sind. Das Tröstliche ist: Wir haben in der Industrie seinerzeit haargenau angeschaut, was wirklich passiert. Von drei Unternehmen, die ausgelagert haben, hat nur jeder Dritte seine Verlagerungspolitik durchzogen. Aufgrund dieser Erfahrungen bin ich zuversichtlich, dass auf der Basis des Wechselkurses von 1,20 Franken pro Euro und den guten Rahmenbedingen, welche die Schweiz bietet, die meisten Unternehmen hier bleiben werden. Ausnahmen gibt es immer; ich kenne sie. Mich ärgert zwar jede einzelne Ausnahme, aber ich muss diese Ausnahmen akzeptieren, weil der Markt letztlich bestimmt.Die Volkswirtschaft: Wo liegen die Möglichkeiten und Grenzen eines Volkswirtschaftsministers, auch unter Berücksichtigung der Marktverhältnisse zu intervenieren?Schneider-Ammann: Die Möglichkeiten sind im Einzelfall höchst gering. Das muss auch so sein. Wir leben eine saubere Ordnungspolitik. Die Rahmenbedingungen werden durch den Bund und die Kantone festgelegt. Die Unternehmen müssen ihren Weg dann selbst finden. Wenn ich mich bei Merck-Serono in Genf und vorher bei Novartis in Prangins, aber auch bei anderen Gelegenheiten, die nicht so sichtbar waren, interveniert habe, dann nur deshalb, weil ich den Leuten erstens ein Signal senden wollte: Prüft bitte die Gesamtpalette der Standortfaktoren und nicht nur die kurzfristigen Kosten. Zweitens habe ich den Unternehmen klarmachen wollen, dass wir in diesem Land eine ganz besondere Errungenschaft aufzuweisen haben, nämlich die Sozialpartnerschaft. Wenn sich beide Sozialpartner aufeinander zubewegen und sich gegenseitig mit Transparenz und Ehrlichkeit begegnen, steigt die Bereitschaft zu Konzessionen und damit zu Lösungen, so geschehen in Prangins bei Novartis. In Genf ging es mir darum, die höchst qualifizierten Menschen – insbesondere die Forschenden im Biotechnologie-Bereich – der Schweiz wenn möglich zu erhalten und sie nicht irgendwo hin abwandern zu lassen. Wir reden von Spin-offs, von Start-ups in einer sehr qualifizierten Hochschulumgebung mit der EPFL sowie den Universitäten in Lausanne und Genf. Die Kombination müsste eigentlich dazu führen, dass das, was an diesem Standort aufgebaut worden ist, auch in Zukunft weiter getragen werden kann. Dass die Konzernleitung von Merck-Serono dennoch an der Schliessung des Standortes Genf festhält, ist sehr bedauerlich.Die Volkswirtschaft: Zurück zur Euro-Krise: Zwar haben nun in Griechenland bei den Wahlen jene Kräfte obsiegt, die das Spar- und Reformpaket mit der EU einhalten wollen. Das stimmt fürs erste die Börse und wohl auch den Bundesrat zuversichtlich. Doch ein Ende der Eurokrise ist nicht in Sicht. Wie beurteilen Sie die möglichen Auswirkungen der Eurokrise auf die Schweiz?Schneider-Ammann: Das weiss ich genauso wenig wie alle anderen auch. Doch ich nehme mit einer gewissen Befriedigung zur Kenntnis, dass sich diejenigen Kräfte durchgesetzt haben, die akzeptieren wollen, dass Auflagen erfüllt werden müssen, wenn man die Unterstützung aus Brüssel bekommen will. Das ist für mich nicht einfach gleichbedeutend mit Austeritätsprogrammen und Totsparen. Es braucht ein Gleichgewicht zwischen Kosteneinsparungen und Effizienzsteigerungen, aber auch Investitionen, um sich Chancen zu eröffnen. Brüssel ist jetzt gefordert, der neuen griechischen Regierung zu helfen, dass sie diese Kombination finden kann, damit eine Stabilisierung eintritt. Denn investiert wird grundsätzlich nur, wenn das Umfeld stabil ist. Das gilt für Griechenland, aber auch für die EU und andere Regionen. Herrschen stabile Verhältnisse, sind die Unternehmen bereit, das Risiko einzugehen. Und damit eröffnen sie neue Chancen. Deshalb bin ich zuversichtlich, dass sich mit dem Wahlresultat eine neue Stabilität in Griechenland durchsetzen kann.Die Volkswirtschaft: Als Volkswirtschaftsminister sind Sie in der für die Exportindustrie sehr heiklen Lage besonders gefragt. Was ist für Sie heute und in den nächsten Monaten wichtig, um eine drohende Krise in der Schweiz abzudämpfen?Schneider-Ammann: Unsere Rahmenbedingungen sind grundsätzlich gut. Wir sind die Wettbewerbsfähigsten und Innovativsten; wir haben das beste Bildungssystem und mit die stärksten Hochschulen. Aber, und hier spricht der ehemalige Alpinist: Fehler macht man nur, wenn man sich zu sicher fühlt. Will heissen: totale Aufmerksamkeit, Anstrengungen noch einmal verstärken, damit wir die Innovativsten und Wettbewerbsfähigsten bleiben. Das ist die erste Versicherung, um unsere Volkswirtschaft in eine erfolgreiche Zukunft zu führen.Zudem sind wir daran, mit Freihandelsverträgen die Marktöffnung mit den grossen Schwellenländern Indien und China voranzutreiben. Diese Länder sind grundsätzlich für unsere Dienstleistungen und Industrieprodukte empfänglich. Darüber hinaus sind wir daran, langfristige Rahmenbedingungen zu gestalten, welche die Chancen für die Marktteilnehmer eröffnen. Die Marktteilnehmer müssen dann ihrerseits den Weg in die Welt selbstständig finden.Ganz kurzfristig ist aus jetziger Sicht kaum Handlungsbedarf angesagt. Die Schweizer Volkswirtschaft wächst erfreulich gut. Die Arbeitslosigkeit ist tief und die Beschäftigungsquote sehr hoch. Aber ich bleibe sehr wachsam. Wir diskutieren ständig, welche Szenarien sich einstellen könnten und wie man darauf reagieren würde. Solange diese Massnahmen nicht aufs Tapet kommen, sind wir ganz zufrieden. Die Volkswirtschaft: Welche Rolle spielt im längerfristigen Kontext die vom Bundesrat kürzlich beschlossene Wachstumspolitik 2012–2015?Schneider-Ammann: Sie spielt eine grosse Rolle, gerade im Zusammenhang mit der erwähnten langfristigen Verbesserung der Rahmenbedingungen. Die Wachstumspolitik zielt vor allem auf die Steigerung der Arbeitsproduktivität, insbesondere in den Binnensektoren, wie etwa dem Gesundheitswesen, der Landwirtschaft, aber auch in der Bauindustrie und im öffentlichen Sektor. Angesprochen ist aber auch das Thema Energie. Wir wollen den längerfristigen Umstieg auf erneuerbare Energien. Der Umstieg muss aber erfolgen, ohne dass wir dabei volkswirtschaftlichen Schaden riskieren. Das heisst, die Energiekosten müssen tief bleiben. Die Wachstumspolitik enthält dazu einen ganzen Strauss von Massnahmen, der vorangetrieben werden muss. Ich bin sicher, dass wir mit der Wachstumspolitik 2012-2015 weiter kommen können, als das in der abgeschlossenen Periode der Fall gewesen ist. Das ist auch eine zwingende Voraussetzung, um letztlich die Beschäftigung in unserem Land hoch halten zu können.Interview und Redaktion: Geli Spescha, Chefredaktor «Die Volkswirtschaft»Abschrift: Simon Dällenbach, Redaktor «Die Volkswirtschaft»

Zitiervorschlag: Spescha, Geli (2012). Bundesrat Johann N. Schneider-Ammann über die Zukunft des Industriestandortes Schweiz. Die Volkswirtschaft, 01. Juli.