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Zugang zu Asiens Märkten wird immer wichtiger für die Schweiz

Zugang zu Asiens Märkten wird immer wichtiger für die Schweiz

Zum ersten Mal entwickelt die Schweiz eine Aussenwirtschaftsstrategie, die sich auf einen Kontinent bezieht. Woran liegt das? Asien hat sich in den vergangenen 30 Jahren zu einem der Schwerpunkte der Weltwirtschaft entwickelt. Die Region wächst stärker als Europa oder Amerika. Im aktuellen World Economic Outlook prognostiziert der IWF für die Emerging Countries Asiens für das Jahr 2013 ein Wirtschaftswachstum von 7,5%, angeführt von China mit 8,5%. Für die USA betragen die Prognosen 2,3%, für Japan 1,5% und die Eurozone 0,7%. Auch wenn der asiatische Raum noch nicht die Rolle der Lokomotive der Weltwirtschaft einnimmt, so ist doch davon auszugehen, dass er in den kommenden Jahren stark an Bedeutung gewinnen wird – wirtschaftlich und in der Folge auch geopolitisch.

Angesichts der Vielfalt Asiens kann nicht von einem homogenen Wirtschaftsraum gesprochen werden. Dennoch ist eine aussenwirtschaftspolitische Strategie zur Festlegung der Prioritäten sinnvoll. Dabei ist es von Vorteil, wenn die langfristigen Entwicklungen berücksichtigt werden. Wie hat sich dieser wirtschaftliche Aufbruch Asiens auf die Schweiz als Exportnation ausgewirkt? Die Schweizer Aussenwirtschaft wurde schon relativ früh in der Region aktiv. Japan wurde vom harten Konkurrenten zu einem wichtigen Kunden für Schweizer Industrie- und Konsumgüter sowie für Dienstleistungen. Die ersten Joint Ventures in China wurden von Schweizer Firmen unternommen. Insgesamt macht Asien heute rund 20,6% der Schweizer Exporte und 12,7% der Schweizer Direktinvestitionen aus. Die Wachstumsraten sind sehr hoch. Von 2000 bis 2010 nahm der Export nach China um rund 430% auf 7,5 Mrd. und nach Indien um 290% auf 2,6 Mrd. Franken zu.

Asien auf dem Weg zum Innovationsstandort


Der wirtschaftliche Aufstieg Asiens wird nachhaltige Auswirkungen auf die Weltwirtschaft haben. Es ist daher davon auszugehen, dass Asiens Anteil am Schweizer Handel und an den Direktinvestitionen weiterhin zunehmen wird. Gleichzeitig wird mit dem quantitativen Wachstum auch die wirtschaftliche Leistungsfähigkeit Asiens steigen. Fazit: Nicht nur Absatzmärkte und die Anzahl möglicher Kunden werden in Asien stark zunehmen, sondern auch die Quantität und Qualität der Konkurrenten. Der globale Vergleich der jährlichen Absolventen in Mathematik und Naturwissenschaften weist auf das Innovationspotenzial der Region hin (siehe Kasten 2

Führende Position Asiens in der naturwissenschaftlichen Ausbildung


Die Anzahl der jährlichen Absolventen in Mathematik und Naturwissenschaften beträgt in Indien 690 000, in China 530 000 und in Japan 350 000; in der EU sind es 470 000 und in den USA 420 000 (Quelle: Ernst&Young, Assocham; 2009).Asien bildet demnach über 60% der für Forschung und Entwicklung relevanten Absolventen aus. Natürlich sind Qualitätsunterschiede in der Ausbildung zu berücksichtigen. Dennoch zeigt der Vergleich das Potenzial Asiens, in der globalen Arbeitsteilung in Bereiche mit höherer Wertschöpfung vorzustossen. Für die Schweiz als Forschungsstandort ist diese Entwicklung wichtig für eine aussenwirtschaftspolitische Strategiediskussion.

).In struktureller Hinsicht wird der nach wie vor grosse Nachholbedarf vieler asiatischer Länder die Nachfrage nach Schweizer Produkten bestimmen. Dies betrifft Ausrüstungsgüter für die Industrie und Infrastrukturen, aber auch die Energie- und Wasserversorgung sowie das Gesundheitswesen. Je mehr es in Asien Unternehmen in Hightech-Branchen gibt, desto grösser wird auch die dortige Nachfrage nach Hightech-Komponenten aus der Schweiz sein. Das steigende Pro-Kopf-Einkommen spiegelt die Entstehung einer kaufkräftigen Mittelschicht. Dies wiederum hat positive Nachfrageeffekte auf unsere Konsumgüter, Finanzdienstleistungen und den Tourismus. Die Schweiz hat hier eine gute Ausgangsposition, da der asiatische Raum als sehr qualitäts- und markenbewusst gilt.Bei der Betrachtung des aussenwirtschaftlichen Datenkranzes fällt die hohe Konzentration auf wenige Länder Asiens auf: Japan und China kommen zusammen auf einen Anteil von 60% am Handel mit Asien; bei den Direktinvestitionen beträgt der entsprechende Anteil von Japan, China und Singapur 56%.

Anmerkungen zu den strategischen Zielen und Massnahmen auf Bundesebene


Asien ist ein äusserst vielfältiger Kontinent mit grossen Unterschieden zwischen den einzelnen Ländern. Auch innerhalb der Länder bestehen grosse Divergenzen, beispielsweise zwischen Stadt und Land oder zwischen den Ethnien. Eine Gesamtstrategie des Bundes für ganz Asien ist daher auf ein paar wenige Hauptziele zu beschränken. Die einzelnen Teilstrategien sind dann jeweils an die spezifischen Gegebenheiten eines bestimmten Landes anzupassen. Solche aussenwirtschaftspolitischen Hauptziele könnten aus Sicht der Wirtschaft folgende Punkte enthalten: – Marktöffnung und Rechtssicherheit;– Verbreiterung der Anzahl Unternehmen mit Aktivitäten in Asien;– Ausbau der Zusammenarbeit im Forschungsbereich.

Marktöffnung und Rechtssicherheit


Die Marktöffnung ist durch den Abschluss von Freihandelsabkommen zu verbessern. Dieser Punkt ist in der Asienstrategie des Bundesrates enthalten. Bestehende Freihandelsabkommen sind in regelmässigen Abständen aufzudatieren. Die Schweizer Aussenwirtschaftsdiplomatie sollte hierbei eine Qualitätsstrategie verfolgen. Auch bei den grossen Emerging Countries Asiens sind möglichst umfassende Reduktionen der Zölle und der nicht-tarifären Handelshemmnisse anzustreben. Auch Verbesserungen beim Schutz von geistigem Eigentum sind dringend notwendig. Dieser Punkt ist zentral für die Rechtssicherheit. Häufig ist die Umsetzung bestehender nationaler Gesetze und internationaler Verpflichtungen ungenügend.Neben den grossen sind auch die mittleren und kleineren Länder Asiens potenziell wichtige Partner für Handel und Direktinvestitionen. Deshalb ist auch hier der Ausbau der Freihandelsabkommen fortzusetzen. Ein wichtiger Bereich der Rechtssicherheit sind Investitionsschutzabkommen. Die Schweiz hat hier ein gutes Netz, das weiterentwickelt werden sollte. Gute Investitionsschutzabkommen sind ein wichtiger Standortvorteil der Schweiz für multinationale Unternehmen.

Verbreiterung der Anzahl Unternehmen


Die Schweizer Wirtschaftsbeziehungen mit Asien entfallen auf relativ wenige Firmen. Dies sollte sich langfristig ändern. Dabei gibt es zwei Stossrichtungen: − Erstens durch die klassische Exportförderung mittels Information. Um dies zu erreichen, ist die Zusammenarbeit zwischen Bund, Aussenhandelskammern und Osec auszubauen. Ein Ziel wird hier das vermehrte Angebot von branchenspezifischem Know-how sein, da es für die KMU sehr wichtig ist. − Zweitens sind vermehrte Bemühungen zur Ansiedelung von asiatischen Unternehmen in der Schweiz notwendig. Die enorme wirtschaftliche Dynamik wird von den dortigen multinationalen Unternehmen getragen. Je besser es der Schweiz gelingt, vermehrt Tochtergesellschaften von asiatischen Konzernen anzusiedeln, desto eher werden diese Kundenbeziehungen zu Schweizer Unternehmen aufbauen. Die «zweite Welle der Globalisierung» wird stark vom internationalen Standortwettbewerb um die Ansiedelung asiatischer Unternehmen geprägt sein. So betrachtet ist die Standortpolitik ein wichtiger Teil der aussenwirtschaftspolitischen Asienstrategie der Schweiz.

Ausbau der Zusammenarbeit im Forschungsbereich


Mit zunehmender Industrieproduktion wird auch die Nachfrage vieler asiatischer Länder nach umweltverträglichen Produkten und Produktionsprozessen zunehmen. Hier dürften sich für viele Unternehmen neue Marktpotenziale eröffnen. Angesichts der ausgeprägten Investitionen in die naturwissenschaftliche Ausbildung wird auch eine engere Zusammenarbeit in Forschung und Entwicklung anzustreben sein. In Ländern mit ungenügendem Schutz von Markten- und Patentrechten wird sich diese Zusammenarbeit eher auf die Grundlagenforschung fokussieren.

Herausforderungen


Die Umsetzung der Asienstrategie wird hohe Anforderungen an die Schweizer Wirtschaftsdiplomatie stellen. Entsprechende Ressourcen sind mittel- bis langfristig aufzubauen. Bei der Länderaufstellung in der Asienstrategie fällt das Fehlen Australiens und Neuseelands auf. Australien ist wirtschaftlich betrachtet Teil des asiatischen Raumes und ein attraktiver Wirtschaftsstandort. Die Kontakte auf Regierungsebene sollten daher intensiviert werden. In die Asienstrategie einbezogen werden sollten auch asiatische Staatsunternehmen, da sie ein vergleichsweise grosses Gewicht haben und in vielen Wirtschaftsbereichen sowie im Export aktiv sind.

Grafik 1: «Handelsexporte und Direktinvestitionen der Schweiz, 2010»

Kasten 1: Asiatischer Erfolg dank marktwirtschaftlicher Reformen

Asiatischer Erfolg dank marktwirtschaftlicher Reformen


Der wirtschaftliche Aufstieg der Region wurde hauptsächlich durch zwei Faktoren ausgelöst: Viele Länder der Region haben mit marktwirtschaftlichen Reformen und dem späteren WTO-Beitritt einen ungeahnten Wachstumsschub ausgelöst. Hier sind besonders China und Indien zu nennen. Bereits vorher haben sich Japan und Südkorea äusserst erfolgreich in die Weltwirtschaft integriert. Gleichzeitig reduzierten sich Zahl und Intensität der zwischen- und innerstaatlichen Konflikte, was die politische Stabilität zugunsten der Rechtssicherheit erhöhte. Neben den marktwirtschaftlichen Reformen in Inland haben die meisten asiatischen Länder eine Politik der aussenwirtschaftlichen Öffnung verfolgt. In einer ersten Phase wurden gezielt ausländische Direktinvestitionen angezogen – häufig in Sonderzonen mit tiefen Zollsätzen. Dadurch konnten westliche Technologien importiert werden, was Voraussetzung für einen nachhaltigen Wissenstransfer wurde. Der grosse Erfolg von Japan, Südkorea und Taiwan nach dem Zweiten Weltkrieg hat weitere Länder der Region motiviert, ebenfalls wachstumsfreundliche Rahmenbedingungen für ihre Volkswirtschaften zu schaffen.

Kasten 2: Führende Position Asiens in der naturwissenschaftlichen Ausbildung

Führende Position Asiens in der naturwissenschaftlichen Ausbildung


Die Anzahl der jährlichen Absolventen in Mathematik und Naturwissenschaften beträgt in Indien 690 000, in China 530 000 und in Japan 350 000; in der EU sind es 470 000 und in den USA 420 000 (Quelle: Ernst&Young, Assocham; 2009).Asien bildet demnach über 60% der für Forschung und Entwicklung relevanten Absolventen aus. Natürlich sind Qualitätsunterschiede in der Ausbildung zu berücksichtigen. Dennoch zeigt der Vergleich das Potenzial Asiens, in der globalen Arbeitsteilung in Bereiche mit höherer Wertschöpfung vorzustossen. Für die Schweiz als Forschungsstandort ist diese Entwicklung wichtig für eine aussenwirtschaftspolitische Strategiediskussion.

Zitiervorschlag: Jan Atteslander (2012). Zugang zu Asiens Märkten wird immer wichtiger für die Schweiz. Die Volkswirtschaft, 01. September.