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Kanton Zug: Umgang mit Wachstum im attraktiven Lebens- und Wirtschaftsraum

Kanton Zug: Umgang mit Wachstum im attraktiven Lebens- und Wirtschaftsraum

Als kleinster Vollkanton im Zentrum der Schweiz schrieb Zug in den letzten 50 Jahren Erfolgsgeschichte: Die Bevölkerung hat sich in dieser Zeit verdoppelt; die Anzahl Arbeitsplätze und Unternehmen sind um ein Vielfaches gewachsen. Dieser wirtschaftliche Erfolg ist das Resultat einer konsequenten Entwicklungsstrategie. Den Grundstein dazu legte der Kanton Zug in den 1920er-Jahren mit dem Schritt zu einer attraktiven Steuerpolitik. Diese ist heute nur ein Element unter anderen Standortfaktoren wie Bildung und Verkehrsinfrastruktur, welche kontinuierlich weiterentwickelt werden. Gleichzeitig ist der Kanton mit den Konsequenzen des Wachstums konfrontiert, das er mit einer gesamtheitlichen Strategie angeht.

Der Kanton Zug verzeichnet seit Jahrzehnten das höchste Wirtschaftswachstum. Höchstzahlen werden auch bei der Bevölkerungsentwicklung, bei der Zahl der Arbeitsplätze sowie der ansässigen Unternehmen, beim Bruttosozialprodukt oder beim Steueraufkommen erzielt. Gleichzeitig ist der Raum von einem dichten Ballungsraum in der Ebene und mit attraktiven und weitläufig geschützten Naturgebieten insbesondere im Voralpengebiet geprägt. Verknüpft mit einer «Mixtur aus Weltläufigkeit und Provinzialität, die sich als fruchtbar für den Dienstleistungs- und Industriestandort erweist, und ein anhaltend grosses Bevölkerungswachstum auf kleinem Raum nach sich zieht», wird Zug deshalb auch als «Swissminiatur» bezeichnet, in welcher sich für die Schweiz Markantes überproportional auspräge. Bezüglich raumplanerischen Fragen – so insbesondere der Entkoppelung des Bevölkerungs-, Arbeitsplatz- und Siedlungswachstums – wird dem Kanton Laborcharakter attestiert.
Paul Schneeberger, «Stadt statt Land – ein Labor für die Schweiz», in: Zug – vom Erfolg verwöhnt, Sonderbeilage der Neuen Zürcher Zeitung vom 18. Mai 2011.

Hohe Verdichtung – tiefste Bauzonenfläche pro Kopf


Von 1982 bis 1994 nahm die Zahl der Menschen im Kanton Zug pro Jahr um 1,6% zu. Das bebaute Land wuchs in dieser Periode um 1,2%. Von 1994 bis 2007 stiegen Bevölkerung und Beschäftigte jährlich um 2,2% an; die Siedlungsfläche wuchs jedoch lediglich noch um 0,9%. Dieses gebremste Wachstum der Siedlungsfläche widerspiegelt den haushälterischen Umgang mit der Ressource Boden. Zudem ist die Siedlungsfläche pro Kopf (Wohn- und Arbeitsfläche pro Einwohner und Beschäftigte) mit 172 Quadratmetern weniger gross als in den Nachbarkantonen. Gemessen an der sogenannten Bauzonenfläche pro Einwohner ist Zug sogar schweizerischer Spitzenreiter, indem am wenigsten Fläche pro Einwohner verbaut wird.

Tausende von Zupendlern – pionierhafte Stadtbahn als ÖV-Rückgrat


Gemäss einer Schätzung aus dem Jahr 2010 sind es rund 21 000 Personen, die von Zug täglich wegpendeln. Im Gegenzug pendeln täglich nicht weniger als rund 37 000 Personen nach Zug, vornehmlich aus den Nachbarkantonen Luzern, Zürich, Schwyz und Aargau. Dieser Nettozuwachs fordert die Verkehrsinfrastruktur. Mit der pionierhaften Stadtbahn Zug, für welche die Nahverkehrskomposition «Flirt» von Stadler Rail entwickelt wurde, und einem damit vernetzten Buskonzept («Bahn und Bus aus einem Guss») wurde hier vor fast zehn Jahren ein Markstein gesetzt. Inzwischen sind auch die Strassenverbindungen verbessert worden; weitere Verbesserungen – wie z.B. Umfahrung Cham-Hünenberg und Tangente Zug/Baar, Stadttunnel – Zug sind in Planung.

Strategie des Regierungsrates bis 2018


Der Zuger Regierungsrat hat unter dem Leitgedanken «Mit Zug einen Schritt voraus» im Jahr 2010 eine ganzheitliche Strategie bis 2018 festgelegt. Diese nimmt die Hauptherausforderungen der nächsten Jahre auf und definiert die strategischen Ziele. Die zentralen Themen sind: − Balance zwischen Wachstum und Wahrung natürlicher Ressourcen;− Spitzenposition im Standortwettbewerb;− vernetzte und eigenverantwortliche Gesellschaft;− attraktiver Wohn- und Lebensraum;− aktive lokale und regionale Kooperationen;− kurze Wege zu Behörden und Verwaltung.

Wachstum mit Grenzen


Angesichts des aufgezeigten bisherigen Wachstums ist es das Ziel, die Balance zwischen Wachstum und Wahrung natürlicher Ressourcen zu halten. Ermöglicht werden sollen eine gute Verdichtung im bestehenden Siedlungsgebiet sowie der sparsame und nachhaltige Umgang mit natürlichen Ressourcen und Landschaften. Zudem wird die Qualität des Wohn- und Lebensraums für Personen aus unterschiedlichen Kaufkraftverhältnissen und Altersgruppen gefördert.Konkret strebt der Regierungsrat ein Wachstum an, das in Bezug auf Bevölkerung und Arbeitsplätze kleiner ist als bisher. Der Regierungsrat hat in den Legislaturzielen folglich ein Wachstum mit Grenzen festgelegt – eine grosse Herausforderung angesichts des bis jetzt anhaltenden Wirtschaftswachstums. Das Hauptinstrument dazu ist die Begrenzung der Siedlungsflächen im Richtplan; die bereits bestehenden Siedlungsbegrenzungslinien werden inskünftig kaum mehr ausgeweitet, höchstens noch arrondiert. Dadurch wird das Wachstum im Innern durch Verdichtung bestehender Siedlungsgebiete gefördert. So werden im Richtplan Gebiete gekennzeichnet, die sich für Verdichtungen eignen. Zudem sollen Arbeitszonen zu sogenannten Mischzonen umgestaltet werden. Es kann hier an die bisherige Entwicklung angeknüpft werden, welche durch einen tiefen Flächenverbrauch pro Kopf gekennzeichnet ist. Obwohl heute lediglich 11% der Kantonsfläche überbaut sind, bestehen noch Baulandreserven von rund 360 Hektaren. Man wird also noch bauen können, vor allem auch in die Höhe. Allerdings sind die Marktpreise aufgrund des schweizweit stark gestiegenen Wohnraumbedarfs pro Kopf sowie des beschränkten Angebots an Siedlungsfläche im Kanton Zug hoch. Der Kanton Zug ist jedoch bestrebt, die Qualität des Wohn- und Lebensraums für Personen aus unterschiedlichen Kaufkraftverhältnissen und Altersgruppen zu fördern. Die Zuger Regierung setzt deshalb auf Fördermassnahmen im preisgünstigen Wohnungsbau.

Spitzenposition im Standortwettbewerb


Die Spitzenposition im Standortwettbewerb zu halten, erweist sich angesichts der dargelegten Strategie des gebremsten Wachstums des Kantons Zug als Herausforderung. Dieses Ziel der Regierungsstrategie soll qualitativ durch die Weiterentwicklung der folgenden positiven Rahmenbedingungen erreicht werden: gezielte Optimierung und Ausbau der Infrastruktur, attraktive Steuern und angemessene Gebühren, ausgeglichener Staatshaushalt und ein starkes Bildungsangebot. Die attraktive Steuerpolitik des Kantons soll zur Wahrung der Konkurrenzfähigkeit im internationalen Standortwettbewerb weitergeführt werden. Das bedeutet aber nicht, andere Tiefsteuerkantone dauernd zu unterbieten. Ziel ist vielmehr, eine attraktive Steuerbelastung berechenbar und langfristig zu garantieren, was mit den gesunden Staatsfinanzen möglich ist.
Der Kanton Zug hat derzeit keine langfristigen Schulden; die gegenwärtige Bruttoverschuldung ist mit Abstand die geringste aller Kantone.Der Kanton Zug investiert in gute Schulen und setzt sich für ein hohes Bildungsniveau der Bevölkerung ein. Das Bildungsangebot ist erstklassig und wird ergänzt durch internationale Schulen und Fachhochschulen. Das Berufsbildungsangebot ist bewusst auf die Wirtschaft der Region ausgerichtet. Besonders gepflegt wird die höhere Berufsbildung: In den vergangenen Jahren sind insgesamt sieben Höhere Fachschulen entstanden. Hinzu kommen die Förderung eines vielfältigen Arbeitsmarkts sowie ein breites Angebot an Ausbildungsplätzen. Auch hier gilt: Qualität vor Quantität.

Vernetzte, eigenverantwortliche Gesellschaft


Mit einem Altersdurchschnitt von 39,3 Jahren hat Zug im Vergleich zu anderen Kantonen eine junge Bevölkerung. Der Kanton Zug fördert die Erhaltung einer Gesellschaft, die eigenverantwortlich handelt, den Austausch und Zusammenhalt stärkt und sich mit ihrem Lebensraum identifiziert. Rund 118 000 Einwohner aus 127 Nationen wohnen im Kanton Zug; der Anteil der ausländischen Bevölkerung beträgt 22,8% und ist geprägt durch hoch qualifizierte Arbeitnehmende und deren Familien. Die verstärkte Zuwanderung löst auch in Zug politische Diskussionen aus, die im Integrationsgesetz, das zurzeit in Arbeit ist, umgesetzt werden. Zuziehende sollen nach kurzer Zeit die Möglichkeit wahrnehmen können, an den Regelstrukturen teilzunehmen. Diesem Ziel dienen die Angebote der privatwirtschaftlichen Fachstelle Migration sowie des öffentlichen Integrations-Brückenangebots. Letzteres vermittelt neu zugereisten fremdsprachigen Jugendlichen die notwendigen Kenntnisse in Deutsch und in weiteren Schulfächern für den Einstieg in eine Ausbildung. Toleranz und Respekt gegenüber Fremden werden gelebt, dies auch dank der traditionellen Offenheit der Zuger Bevölkerung. Schulen, Kirche und Kultur bieten ihrerseits Angebote. Beispiele dafür sind die englischsprachige kaufmännische Lehre in internationalen Unternehmen (KV Business English), der viel besuchte englischsprachige Gottesdienst in der Guthirt-Kirche (Good Sheperd’s) und die English Comedies der Theater- und Musikgesellschaft Zug. Eine wichtige Integrationsrolle spielen auch private Trägerschaften wie die Zuger Wirtschaftskammer, die lokalen Gewerbevereine, die zahlreichen internationalen Service-Clubs, Ausländerorganisationen und internationale Schulen. Dank der kurzen Wege und der Zugänglichkeit der Verwaltung spielt das Netzwerk dieser Institutionen sehr gut.

Aktiv gelebte interkantonale Vernetzung und Zusammenarbeit


Die aufgezeigten intensiven Pendlerbeziehungen zu Nachbarkantonen und insbesondere der hohe Zustrom an Arbeitskräften und Lernenden – ein Drittel der Lernenden an den Zuger Berufsfachschulen wohnt in Nachbarkantonen – zeigt symptomatisch, wie stark der Kanton Zug mit seinen Nachbarkantonen vernetzt ist. «Der Lebens- und Wirtschaftsraum Zug hat längst die Kantonsgrenzen gesprengt», befand der Regierungsrat in der Antwort zu einer Interpellation von 2007, welche nach der Strategie einer «Hinwendung zu Zürich» fragte.
Antwort des Regierungsrates vom 30. Okt. 2007 zum Postulat der CVP-Fraktion betreffend Strategie des Kantons Zug für die vermehrte interkantonale Zusammenarbeit im Metropolitanraum Zürich (Hinwendung zu Zürich), Vorlage Nr. 1555.2-12529. Traditionellerweise ist die Zusammenarbeit unter den Zentralschweizer Kantonen stark, so primär im Bildungswesen (z.B. gemeinsame Trägerschaft der Fachhochschule Zentralschweiz). Faktisch gewachsen ist über die letzten Jahre die wirtschaftliche und gesellschaftliche Verflechtung zu Zürich. Die Politik hat diesen Prozess mit der Metropolitankonferenz Zürich zu begleiten und zu bearbeiten begonnen. In dieser Konferenz ist Zug seit Beginn ein aktiver Partner. Behandelt werden übergeordnete Themen der Standortentwicklung, Projekte von gemeinsamem Interesse initiiert und die Interessen zwecks deren Vertretung in Bundesbern gebündelt. Beispielhaft sei der Bereich Verkehr genannt, wo die acht Kantone und über 110 Gemeinden dieser Konferenz die wesentlichen Verkehrsprojekte auf Schiene und Strasse definiert haben und dafür einstehen.Parallel zur Metropolitankonferenz ist der Kanton Zug der Greater Zurich Area (GZA) beigetreten, welche den Raum Zürich im Ausland vermarktet. Der vom Zuger Kantonsrat politisch legitimierte Beitritt zu diesen beiden Institutionen basiert auf dem klaren strategischen Ziel der verstärkten interkantonalen Zusammenarbeit. Dieser Strategie liegt die Erkenntnis zu Grunde, dass die kleinräumige föderalistische Struktur der Schweiz – und somit auch ein Kleinkanton – sich nur durch eine starke interkantonale Zusammenarbeit behaupten kann. Ebenso ist deutlich, dass gerade das Zuger Wachstum einerseits durch die traditionelle Offenheit der Zuger Bevölkerung gegenüber Personen aus anderen Kantonen und Ländern begünstigt, andererseits durch eine überregionale Zusammenarbeit besser bewältigt werden kann. Aus dieser Erkenntnis heraus hat sich das interkantonale Engagement von Behörden und Verwaltung in den letzten Jahren verstärkt. Das Interesse des Zuger Kantonsrates daran zeigt sich an verschiedenen Interpellationen in diese Richtung.
Antworten des Regierungsrates vom 13. Sept. 2011 zu Interpellationen der CVP-Fraktion betr. Zukunft der Greater Zurich Area (GZA), Vorlage Nr. 20008.2-13886, und betr. Funktionsweise und Erfolge der Metropolitankonferenz Zürich, Vorlage Nr. 2009.2-13887; Antwort des Regierungsrates vom 28. Febr. 2012 zur Interpellation von Moritz Schmid betr. Konkordaten, Vorlage Nr. 2079.2-13998.Diese aktiv verstandene und gelebte interkantonale Zusammenarbeit – insbesondere in der Zentralschweiz und im Metropolitanraum Zürich – ist ebenso wichtig wie die Ausgleichszahlungen des Kantons Zug im Rahmen des interkantonalen Finanzausgleichs (NFA). Mit über 260 Mio. Franken Nettoausgleichszahlung (2012) und mehr als 2400 Franken pro Einwohner trägt der Kanton wesentlich zur Prosperität anderer Kantone bei. Die aufgezeigte überregionale Entwicklung soll und kann auch dazu beitragen, dass sich eine ganze, aus Geber- und Nehmerkantonen bestehende Region wie der Metropolitanraum Zürich wirtschaftlich so entwickelt, dass die NFA-Disparitäten kleiner werden.

Fazit: Lernen aus dem «Labor für die Schweiz»


Der eingangs zitierte Laborcharakter des Kantons Zug ist nicht so zu verstehen, dass Zug ein in sich abgeschlossener Versuchsraum wäre. Vielmehr haben sich die verschiedenen Standortfaktoren auf einem relativ kleinen Raum so verdichtet, dass sich in Zug Wachstum und Wohlstand schneller entwickelten als anderswo. Entsprechend war und ist dieser Kanton angehalten, früher als andere mit allen Facetten dieser Entwicklung – den raumplanerischen, den infrastrukturellen und den gesellschaftlichen – umzugehen. Wenn man nach dem Rezept aus dem «Schnellkochtopf Zug» fragt, so wäre dies in einem Satz wie folgt zusammengefasst: Gesamtheitliches Verständnis der Standortentwicklung, raumplanerisch Siedlungsgrenzen setzen, baulich verdichten, Entkoppelung des Bevölkerungs- und Arbeitsplatzwachstums vom Siedlungswachstum, Grünräume erhalten, Integration fördern, private Initiativen und Institutionen unterstützen und in öffentliche Aufgabenerfüllung einbinden sowie grenzüberschreitendes Zusammenarbeiten verstärken. Unter diesen Aspekten hat die weitere Entwicklung des Kantons Zug durchaus Signalcharakter für andere Kantone.

Grafik 1: «Entwicklung des Kantons Zug, 1960–2011»

Grafik 2: «Bevölkerungsentwicklung des Kantons Zug seit 1950 und Prognosen bis 2040»

Kasten 1: Quellen

Quellen


− Strategie des Regierungsrates 2010–2018 (2010), «Mit Zug einen Schritt voraus».− Medienlunch des Regierungsrats (Juni 2012), «Wachstum mit Grenzen».− «Zug – vom Erfolg verwöhnt» (18. Mai 2011), Neue Zürcher Zeitung, Sonderbeilage.

Zitiervorschlag: Matthias Michel (2012). Kanton Zug: Umgang mit Wachstum im attraktiven Lebens- und Wirtschaftsraum. Die Volkswirtschaft, 01. September.