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Interkulturelles Management verstehen und nutzen – ein Schlüssel zum Erfolg in Asien

Die Globalisierung im Allgemeinen und die asiatische Herausforderung im Besonderen bleiben im Fokus international agierender Unternehmen. Globalisierung bedeutet immer auch eine Neuordnung von Gewinnern und Verlierern. Gewinner zeichnen sich im Globalisierungskontext dadurch aus, dass sie die Globalisierung als Chance verstehen, lernen und sich anpassen. Verlierer zeigen sich oft unwillig, neue Regeln zu akzeptieren und bei Veränderungen mitzugehen. Dabei hängt der Erfolg oft massgeblich von der interkulturellen Intelligenz der einzelnen Akteure ab.

Die Länder Asiens wollen ökonomisch dorthin, wo westliche Länder schon lange sind oder vermeintlich noch sind. Aus westlicher Sicht wird heute schnell einmal vergessen, dass schon dem grossen Philosophen Voltaire die chinesische Kultur der europäischen Zivilisation überlegen schien. In der Tat zeigen wirtschaftliche Zahlen und Fakten, dass der asiatische Kontinent – allen voran China – den Anschluss an den Westen mit grossen Schritten vollzieht und in Teilen die westliche Welt schon überflügelt hat. Prognosen gehen davon aus, dass China nicht mehr allzu lange braucht, die USA wirtschaftlich zu überholen und die Rolle als führende Wirtschaftsmacht zu übernehmen. Diese Entwicklung verdeutlicht die fundamentale Veränderung in der Wirtschaftswelt.

Die asiatische Herausforderung annehmen


Um nicht zu den Verlieren zu zählen, kann der Aufstieg Asiens für westliche Unternehmen nur heissen, die Herausforderungen anzunehmen und sich dem Wettbewerb zu stellen. Das bedeutet, nicht nur in die Märkte Asiens zu exportieren, sondern auch dort zu produzieren und zu forschen. Kennzeichnend ist zudem, dass der globale Wettlauf nicht mehr nur in den Entwicklungsländern selbst, sondern vielmehr mitten in Europa – auch in der Schweiz – stattfindet. So investiert die neue Konkurrenz aus Asien in die Märkte des Westens und geht im Kontext der Finanzkrise auf «Schäppchenjagd». Allein in Deutschland haben sich mittlerweile rund 900 japanische und 800 chinesische sowie 375 indische Unternehmen niedergelassen. Und ihre Zahl wächst rasant. So lanciert beispielsweise das hierzulande nahezu unbekannte chinesische Technologieunternehmen Huawei eine internationale Investitionsinitiative. Angeführt von einem deutschen CEO und ausgestattet mit europäischem Know-how plant Huawei nichts Geringeres als den Angriff auf die «Platzhirsche» Apple und Samsung, um sich auf dem Markt für Smartphones seinen Platz zu erobern. Folgerichtig investiert Huawei einen nicht unerheblichen Teil seines Forschungsbudgets von geschätzten 300 Mio. US-Dollar ausserhalb Chinas. Diesen Schritt bereits erfolgreich hinter sich gebracht hat das Unternehmen Lenovo. Die chinesische Firma erkaufte sich 2005 mit einem Investment von 1,75 Mrd. US-Dollar die Kontrolle über einen Unternehmensbereich von IBM, dem Unternehmen, welches als «Erfinder» des Personal-Computers gilt und überall auf der Welt präsent war. Diese Übernahme ist aus der Sicht des interkulturellen Managements ein Lehrbeispiel. Gerade aufgrund der kulturellen Hürden war der Start des neuen Computerriesen alles andere als einfach. Neben dem üblichen Störfeuer der Konkurrenten, welche die Gunst der Stunde nutzten, hatte Lenovo in der Anfangsphase intensiv mit den Kulturunterschieden zu kämpfen. Qiao Jian, Vizepräsident des Personalwesens von Lenovo, kommentierte dies damals so: «Amerikaner reden gern, Chinesen hören lieber zu. Zuerst fragten wir uns, warum sie denn immerzu weiterredeten, obwohl sie doch gar nichts zu sagen hatten. Doch inzwischen haben wir gelernt, direkter zu sein, wenn wir ein Problem haben. Und die Amerikaner ihrerseits lernen zuzuhören».

Asien – viele Kulturen und Gemeinsamkeiten


Das Augenmerk von Politik und Wirtschaft ist oftmals auf China und Indien gerichtet; doch sollte man die anderen asiatischen Tiger nicht aus den Augen verlieren. Auch wenn dem Wirtschaftsbund Asean noch ein längerer Weg bevor steht, ist eine grundsätzliche Orientierung dieses Wirtschaftsblocks an den Ideen der EU unverkennbar. Hieraus ergibt sich zugleich eine Realität, die in westlichen Unternehmen zu wenig verinnerlicht ist. Asien ist kulturell mindestens so heterogen wie Europa bzw. die EU. Pauschale Vorgehensweisen, wie man in Asien am besten Geschäfte macht, führen deshalb nur allzu oft in eine Sackgasse.Doch lassen sich durchaus gewisse kulturelle Gemeinsamkeiten Asiens ableiten, die es den Trägern und Treibern der Globalisierung – den Mitarbeitenden und Führungskräften international agierender Unternehmen – erleichtert, den interkulturellen Globalisierungsherausforderungen zu begegnen. Gelingt es, Führungskräfte adäquat auf ihre Führungsaufgabe vorzubereiten, so wird diesen vielleicht klar, dass negative Erfahrungen bezüglich Copyright-Verletzungen von chinesischen Partnern nicht selten auf ein interkulturelles Managementversagen zurückzuführen sind.

Besonderheiten des interkulturellen Managements in Asien


Auf dem asiatischen Kontinent zeichnet sich seit längerem eine klare Renaissance der konfuzianischen Lehre ab. Diese Lehre von der menschlichen Ordnung weist die Achtung vor anderen Menschen als höchstes Gut aus; Harmonie in und durch Ordnung wird erreichbar durch Bildung und Disziplin. Diese Prinzipien spiegeln sich im deutlichen Kollektivismus, der im Vergleich zu vielen westlichen Ländern hohen Machtdistanz und in der ausgeprägten Langzeitorientierung asiatischer Geschäftsleute wider. Übersetzt heisst dies, dass westliche Manager überrascht sind, wie zielstrebig asiatische Führungskräfte ihrem Fahrplan folgen und einmal definierte Ziele mit einer Mischung aus langem Atem, grosser Flexibilität und hohem Ressourceneinsatz umsetzen.Widersprüchlicher erscheint westlichen Managern, dass nach ihrer Erfahrung auf asiatischen Märkten oftmals nichts so wichtig scheint wie der schnelle Geschäftserfolg und der persönliche Vorteil. Nur mit umfangreicher Erfahrung wird klar, dass diese Verhaltensweisen meist Reflexionen westlichen Verhaltens darstellen, welches an Business Schools nach amerikanischem Vorbild vermittelt wird. Quartalsdenken und fokussierte Business- bzw. Sachorientierung widersprechen dem asiatischen Grundverständnis nach Beziehungsorientierung und der Suche nach Ausgleich – selbst bei harten Verhandlungen. Doch die Orientierung an Quartalszahlen und Auftragsarbeitsvergabe im Dreimonats-Rhythmus an den jeweils günstigsten asiatischen Produzenten verhindern den Aufbau der so wichtigen Beziehungen und Netzwerke (Guanxi). Auch Copyright-Verletzungen und kurzfristige Gewinnmaximierungen asiatischer Geschäftspartner können als Reaktion auf ein unreflektiertes, kurzfristiges Geschäftsverständnis gesehen werden, das dem Partner keine Möglichkeit gibt, seine Langfristigkeits- und Beziehungsorientierung umzusetzen.

Mit interkulturellem Management zu Cultural Intelligence


In den zurückliegenden Jahrzehnten konnte seitens der Wissenschaft grosse Erkenntnisfortschritte bezüglich der Analyse von kulturellen Unterschieden und deren Umgang erzielt werden. Doch nur wenige Unternehmen machen sich diese Erkenntnisse vollumfänglich zu Nutze. Dies liegt unter anderem auch daran, dass Unternehmern klar ist, dass das blosse Wissen um Kulturunterschiede noch keinen wirtschaftlichen Erfolg garantiert. Und interkulturelle Kompetenz – verstanden als Leadership-Kompetenz und als Fähigkeit, kulturgrenzüberschreitend Beziehungen gestalten zu können – erscheint vielen Unternehmen kaum lehr- und manch einem sogar als kaum lernbar.Beispiele von erfolgreichen Global Playern zeigen, dass der Erfolg ganz massgeblich von den Fähigkeiten und Eigenschaften einzelner Akteure abhängt. Deren interkulturelle Intelligenz (Cultural Intelligence) entscheidet über Erfolg und Misserfolg. So postuliert beispielsweise der BASF-Asienvorstand, dass es keinen Sinn mache, mit chinesischen Partnern «Tacheles» zu reden. Man könne nicht nach westlichem Vorbild verhandeln und kritische Themen adressieren. Dies habe unmittelbar den vielzitierten Gesichtsverlust zur Folge. Der asiatische Weg, Verweigerungen zu begegnen, kann durch ein gemeinsames Mittagessen viel leichter und wirksamer begangen werden als ein Gang zum Anwalt, entspricht dies doch der konfuzianischen Sicht und dem Weg über Harmonie und Ausgleich zum Erfolg zu gelangen. Aber eine solche Denkweise kann nicht verordnet werden, sondern muss wachsen und vermittelt werden.Interkulturelle Intelligenz offeriert Unternehmen und ihren Führungskräften einen klaren Weg, den Erfolg in Asien vorzubereiten. Was zeichnet einen interkulturell kompetenten bzw. intelligenten Unternehmer (Cultural Intelligence Manager) aus?− Cultural Intelligence Manager wissen um die eigene Kultur und die Kultur des Businesspartners. Sie kennen Kulturunterschiede, können diese analysieren und wissen mit interkulturellen Differenzen und deren Konfliktpotenzialen umzugehen (kognitive Intelligenz).− Sie wissen um die Kulturabhängigkeit des eigenen Führungs- und Interaktionsverhaltens und erkennen die unterschiedlichen Vorstellungen von Führen und Geführtwerden. Sie können ihr eigenes Führungsverhalten hinterfragen, der interkulturellen Situation anpassen und langfristige neue Führungsverständnisse mit dem eigenen verbinden (metakognitive Intelligenz).− Sie verfügen über die Motivation, sich interkulturell zu engagieren (Motivationsintelligenz).− Sie handeln und können Handlung im interkulturellen Kontext initiieren und zulassen. Sie reflektieren und lernen aus interkultureller Handlung und sammeln Erfahrung (Verhaltensintelligenz).Hier stellt sich nun die Frage, inwieweit die obigen Dimensionen der Cultural Intelligence vermittelt bzw. gelehrt werden können.

Vermittlung und Entwicklung adäquater interkultureller Kompetenz und Cultural Intelligence


Eine Vielzahl von Managementbüchern widmet sich seit Forschungsgenerationen dem Thema Motivation und Motivatoren. Eng mit der Motivation verbunden ist der Handlungsanreiz, der gerade in internationalen Unternehmen nicht selten Fragen rund um Organisation und organisatorische Freiheiten beinhaltet. Beide Ebenen können für westliche Manager auf Basis von Maslow befriedigend diskutiert und realisiert werden.Gesteuerte und unterstütze Kompetenzentwicklung im Bereich des interkulturellen Know-hows und der Fähigkeit, eigenkulturelles Führungshandeln zu reflektieren und gegebenenfalls zu verändern, ist gefragt. Sicherlich sind Kulturunterschiede, wenn sie unverstanden bleiben, Auslöser vielfältiger Probleme und Konflikte. Zugleich bieten interkulturelle Friktionen und Konflikte zwischen Führenden und Geführten, zwischen Unternehmen und zwischen Nationen die Möglichkeit, eingefahrene und kulturabhängige Denk- und Verhaltensweisen der Akteure in neue Bahnen zu lenken. Interkulturelle Leadership-Kompetenz stellt die Weichen, Chancen zu nutzen, aus verschiedenen Systemen neue zu bilden, Leadership-Werte unterschiedlicher Managementsysteme zu verändern und anschliessend zu vereinen. Das Ergebnis ist ein gegenseitiger Lernprozess, der die beteiligten Elemente näher bringt. Genau dies beschreibt und fordert das Cultural-Intelligence-Konzept. Um eine solche Basis für Veränderungen zu schaffen, eignen sich interkulturelle Management- und Kommunikationstrainings. In derartigen Weiterbildungsangeboten kann es nur am Rande darum gehen, über die Dos and Don’ts einer spezifischen Kultur zu diskutieren. Die Teilnehmenden müssen vielmehr lernen, andere Verhaltensweisen zu akzeptieren, und vor allem begreifen, dass auch das eigene Managementverhalten für andere nicht selbstverständlich ist. Der Anspruch besteht also darin, Manager in die Lage zu versetzen, in kulturell grenzüberschreitenden Führungssituationen zwischenmenschliche Beziehungen zu beurteilen, zu etablieren und nutzbar zu machen. Dazu ist die Bereitschaft von Managern und Unternehmen notwendig, interkulturelle Erfahrungen zuzulassen. Der Anspruch an ein interkulturelles Training oder an eine interkulturelle Weiterbildung besteht darin, das Kulturphänomen in seinen Facetten erfahrbar und fremde Kulturen sowie deren Managementverhalten durch die Entwicklung adäquater Cultural Intelligence für das eigenkulturelle Führungsverhalten nutzbar zu machen. Dies gelingt am besten mit Bildungsangeboten, welche die Kultur intellektuell thematisieren und zugleich ein Erfahren des interkulturellen Dialogs – z.B. in Asien – ermöglichen. Vielfach wird dies unterstützt durch teilnehmerzentrierte Rollenspiele und gezieltes Verhaltenstraining. Hierzu bieten Bildungsinstitutionen Hand, indem sie Führungs- und Leadership-Weiterbildungen mit dem nötigen interkulturellen Kontext präparieren, Studiengänge in Kooperation mit Partneruniversitäten in den Zielländern anbieten und so interkulturelles Management erfahrbar machen.

Kasten 1: Quellen

Quellen


– Frik S., Schreier C.: Mit interkultureller Kompetenz zur erfolgreichen Internatio-nalisierung. KMU-Magazin, Nr. 8, 2011, S. 26–28.– Hofstede G; Hofstede G. J.: Lokales Denken, globales Handeln: Interkulturelle Zusammenarbeit und globales Management. Deutscher Taschenbuchverlag, 5. Auflage, 2011.– Methfessel K.: Der Aufstieg des Drachen. Wirtschaftswoche Global. 2012.– Plum E.: Cultural Intelligence. The Art of Leading Cultural Complexity. London, Middlesex University Press, 2008.– Schreier C., Arnold S.: Mit interkultureller Leadership-Kompetenz zur Handlungsfähigkeit. IO New Management, Nr. 10, 2009, S. 8–10.– Seelmann-Holzmann H.: Cultural Intelligence – Die Erfolgsformel für Wachstum in einer multipolaren Welt. Wiesbaden, Gabler 2010.− Willershausen F.: A. Oldekop: Kung-FuManagement. Wirtschaftswoche, Ausgabe 27, 2012, S. 68–71.– Zhijun L.: The Lenovo Affair, in: Gerry Johnson et al., Strategisches Management, Eine Einführung, Pearson Verlag (2011).

Zitiervorschlag: Claus Schreier, Markus Zemp, (2012). Interkulturelles Management verstehen und nutzen – ein Schlüssel zum Erfolg in Asien. Die Volkswirtschaft, 01. September.