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Der Finanzmarkt in der Regulierungsspirale

Der Finanzmarkt in der Regulierungsspirale

Für viele ist der Fall nach der Finanzkrise klar: Banken müssen strenger reguliert werden. Vor diesem Hintergrund mag der Titel dieses Artikels überraschen. In der Tat stand Deregulierung in den Jahren vor dem Ausbruch der Krise hoch im Kurs. Dies steht im Gegensatz zur langfristigen Entwicklung. Die Finanzmarktregulierung wird seit Jahrzehnten angepasst und ausgeweitet. Dennoch steht der Finanzmarkt immer wieder vor denselben Problemen. Der vorliegende Artikel analysiert die zentralen Regulierungen sowie deren Zusammenhänge und Mängel.

Ein Zusammenbruch des Finanzmarktes hätte katastrophale Auswirkungen auf die globale Wirtschaft. Die Weltwirtschaftskrise der 1930er-Jahre dient als Lehrstück. Die Finanzmarktregulierung setzt an diesem Punkt an und soll einen stabilen und effizienten Finanzmarkt garantieren. Im Folgenden wird zuerst das Marktversagen auf dem Finanzmarkt und die Bedeutung der Finanzintermediation beschrieben. Anschliessend werden die zentralen Finanzmarktregulierungen diskutiert, und es wird erläutert, weshalb von einer Regulierungsspirale gesprochen werden kann.

Das Finanzmarktversagen und die Rolle der Banken


Auf dem Finanzmarkt werden Finanzforderungen gehandelt. Diese Forderungen ermöglichen es, Kaufkraft über die Zeit hinweg zu transferieren. Finanzforderungen haben die Eigenschaft, dass ihr Wert von den Eigenschaften und Handlungen des Schuldners abhängt. Der Gläubiger kann den Wert einer Forderung nicht ohne weiteres feststellen. Diese Informationsasymmetrie zwischen den Marktteilnehmern führt zu Moral Hazard und adverser Selektion. Daher werden viele Finanzforderungen nicht direkt auf dem Finanzmarkt gehandelt; Intermediären – insbesondere Banken – kommt eine grosse Bedeutung zu (siehe Grafik 1). Die Probleme der Finanzintermediation stehen im Zentrum der aktuellen Krise, weshalb sich der vorliegende Artikel auf diesen Teil des Finanzmarktes konzentriert.
Andere Teile des Finanzmarktes – wie z.B. die Anleihen-, Aktien- und Versicherungsmärkte – bleiben ausgeblendet.Banken werden in der heutigen politischen Diskussion oft als Ursache allen Übels dargestellt. Interessanterweise helfen aber gerade Banken, das Marktversagen auf dem Finanzmarkt zu mindern. Banken ergänzen nicht nur mit Aktivitäten auf der Aktivseite ihrer Bilanz unvollständige Märkte, sondern auch mit solchen auf ihrer Passivseite (siehe Kasten 1

Wie lindern Banken das Marktversagen auf dem Finanzmarkt?a


Banken überprüfen potenzielle Kreditnehmer auf ihre Kreditwürdigkeit. Dank dieses sogenannten Screenings kann adverse Selektion bei der Kreditvergabe vermieden werden. Wenn Banken einen Kredit geben, ist dieser oft an spezielle Vertragsbestimmungen und die Hinterlegung von Sicherheiten gebunden. Während der Laufzeit überprüfen Banken die Einhaltung des Vertrages und den Wert der Sicherheiten. Diese Aktivität wird Monitoring genannt und hilft Moral Hazard auf Seiten des Kreditnehmers zu verhindern. Beide Aktivitäten – Screening und Monitoring – sind kostspielig, aber unerlässlich für die effiziente Vergabe von Krediten. Banken finanzieren diese Tätigkeit, indem sie einen höheren Zins auf vergebene Kredite erheben, als sie auf Bankeinlagen bezahlen.Um Kredite zu vergeben, müssen Banken Geld aufnehmen. Hier zeigt sich der Unterschied zwischen Banken und Investmentfonds. Während sich letztere ausschliesslich mit Eigenkapital finanzieren, bieten erstere zusätzlich Sichteinlagen an, welche jederzeit zum Nominalwert bezogen werden können. Banken halten ein breit diversifiziertes Portfolio an Krediten, und allfällige Verluste werden bis zur Höhe des Eigenkapitals von den Eigentümern getragen. Deshalb haben Sichteinlagen in normalen Zeiten ein vernachlässigbares Kreditrisiko. Zusammen mit der jederzeitigen Verfügbarkeit führt dies dazu, dass Sichteinlagen einen geldähnlichen Charakter annehmen und damit Bankkunden gegen Liquiditätsrisiken versichern. Die Bank finanziert langfristige Projekte, ohne dass Kreditgeber ihre Liquidität aufgeben müssen (sogenannte Fristentransformation).

a Für einen Überblick zur Mikroökonomie von Banken, siehe Freixas und Rochet (2008).). So ermöglichen sie einen effizienteren Einsatz knapper Ressourcen. Unsere hoch spezialisierte Wirtschaft wäre ohne ein funktionierendes Bankenwesen undenkbar.

Die Gefahr von Bank Runs legitimiert Regulierung


Bei der Erfüllung dieser zentralen volkswirtschaftlichen Aufgaben gehen Banken Risiken ein. Die Fristentransformation – d.h. die Finanzierung langfristiger Projekte mittels kurzfristiger Sichteinlagen – macht sie anfällig für sogenannte Bank Runs. Wenn innert kürzester Zeit viele Einleger ihre Sichteinlagen zurückverlangen, wird die Bank zahlungsunfähig. Dieses Problem ist bekannt. Drei Punkte verdienen besondere Aufmerksamkeit:− Bank Runs können selbsterfüllend sein. Wenn genügend Bankkunden an der Zahlungsfähigkeit ihrer Bank zweifeln und ihre Einlagen abziehen, dann wird die Bank zahlungsunfähig, und dies unabhängig davon, ob die Zweifel zu Beginn gerechtfertigt waren.
Eine theoretische Grundlage für Bank Runs liefern Bryant (1980) und Diamond und Dybvig (1983).− Bank Runs sind ein wiederkehrendes Phänomen.
Gorton und Winton (2003) geben einen Überblick über die empirische Literatur zu historischen Bank Runs.− Die Folgen für die reale Wirtschaft können verheerend sein. Der Zusammenbruch mehrerer Banken beeinträchtigt nachhaltig die effiziente Allokation von Gütern in einer Wirtschaft, und die Investitionstätigkeit wird empfindlich gestört.
Eine Zusammenfassung der Ursachen und Auswirkungen einer Kreditklemme findet sich in Bernanke (1993).Während der erste Punkt nahe legt, dass Bank Runs relativ einfach verhindert werden könnten, unterstreicht der zweite Punkt die Relevanz des Problems. Der dritte Punkt legitimiert eine Staatsintervention, da offensichtlich stark negative externe Effekte von einem Bank Run ausgehen.Staaten haben auf die wiederkehrenden Bank Runs im ausgehenden 19. und beginnenden 20. Jahrhundert mit Einlagensicherungen und der Etablierung der Zentralbank als Lender of Last Resort reagiert.
Die erste nationalstaatliche Einlagensicherung wurde in den USA als Antwort auf die Ereignisse während der Weltwirtschaftskrise eingeführt. Ab 1. Januar 1934 waren Bankeinlagen bis zu einer Höhe von 2500 US-Dollar versichert (Federal Deposit Insurance Corporation, 2010). In der Folge haben viele Staaten Einlagensicherungen implementiert (Demirgüç-Kunt, Karacaovali und Laeven, 2005). Wenn die Allgemeinheit die Einlagen von Bankkunden garantiert, müssen sich diese nicht mehr um den Verlust ihrer Ersparnisse sorgen. Bank Runs verlieren ihre Eigenschaft, selbsterfüllend zu sein, und Gerüchte führen nicht mehr zur Zahlungsunfähigkeit von Banken. Es ist hervorzuheben, dass diese Regulierung nicht das Marktversagen auf dem Finanzmarkt adressiert, sondern Bank Runs verhindern will. Diese werden nicht durch die ursprünglichen Informationsasymmetrien auf dem Finanzmarkt verursacht. Vielmehr gründen sie in der Transformation von Fristen durch Banken.

Einlagensicherung macht weitere Regulierung notwendig


In der Theorie ist die Einlagensicherung günstig und effektiv. Leider führt sie zu neuen Moral-Hazard-Problemen. Wenn Sichtguthaben staatlich garantiert sind, spielt das Risiko bei der Eröffnung eines Bankkontos keine Rolle mehr. Banken können in der Folge exzessive Risiken eingehen, um ihre Eigenkapitalrendite zu maximieren.
Siehe Buser, Chen und Kane (1981). Grossman (2001) belegt diesen Effekt empirisch. Bei Too big to fail-Banken ist dieses Problem akzentuiert, da bei ihnen nicht nur Sichteinlagen, sondern implizit alle Schulden vom Staat garantiert sind. Siehe dazu den Artikel von Wünsch auf Seite 8 ff. in dieser Ausgabe. Wenn sich das Risiko auszahlt, kommt der erzielte Gewinn den Anteilseignern und – je nach Vergütungssystem – den Mitarbeitenden zu. Im schlechten Fall haften die Banken nur bis zur Höhe ihres Eigenkapitals. Ist dieses zu tief, müssen die Schuldner der Bank Verluste hinnehmen. Im Falle einer Einlagensicherung springt der Staat – und damit der Steuerzahler – ein.Auf das sich aus der Einlagensicherung ergebende Moral-Hazard-Problem wurde mit Mindestkapitalanforderungen reagiert.
Aufgrund stetig sinkender Eigenkapitalquoten wurde in den 1980er-Jahren die internationale Harmonisierung von Kapitalvorschriften für Banken unter dem sogenannten Basel Akkord (auch Basel I genannt) in Angriff genommen. Während bei der Einlagensicherung die Interessen der Bank und des Regulators deckungsgleich sind, stimmen diese bei Kapitalvorschriften nicht überein. Seit ihrer Einführung versuchen Banken, Kapitalvorschriften zu umgehen. Zum einen können Banken strengere Kapitalvorschriften mit riskanteren Investitionen unterwandern. Die vorgeschriebene Eigenkapitalquote sollte deshalb umso höher ausfallen, je riskanter die Investitionen einer Bank sind.
Basel I beinhaltete bereits simple Regeln zur Risikogewichtung. Mit der Einführung von Basel II wurde unter anderem versucht, die Schwächen dieser Regeln zu korrigieren. Diese Risikogewichtung erschwert die Ausgestaltung einer effektiven Regulierung enorm. Zum anderen haben Banken in der Verbriefung eine Möglichkeit gefunden, illiquide Kredite aus ihrer Bilanz zu entfernen und damit Kapitalvorschriften zu umgehen.

Schattenbanken übernehmen die Aufgaben von traditionellen Banken


Diese Auslagerung traditioneller Bankaktivitäten in einen sogenannten Schattenbanken-Sektor hat bereits in den 1970er-Jahren ihren Anfang genommen. Seither ist dieser weitgehend unregulierte Sektor stark gewachsen. Anfang der 1990er-Jahre beliefen sich die Verbindlichkeiten klassischer Banken und des Schattenbanken-Sektors auf je 3 Bio. US-Dollar.
Vgl. Pozsar et al. (2012). Kurz vor Ausbruch der Krise stiegen die Verbindlichkeiten im Schattenbanken-Sektor auf knapp 22 Bio. US-Dollar an. Sie waren damit mehr als eineinhalbmal so gross wie die Verbindlichkeiten im klassischen Sektor.Die Umgehung von Kapitalvorschriften ist ein treibender Faktor dieser Entwicklung. Ermöglicht wurde dies aber erst durch den Einsatz von Informationstechnologien (IT). Im Schattenbankensektor werden illiquide Kredite in handelbare Wertpapiere transformiert. Die dafür notwendigen Aktivitäten – wie zum Beispiel die Verbriefung der Kredite, die Emission neuer Wertpapiere und deren Risikobewertung – können nur mit Hilfe von Computern bewältigt werden. Der Schattenbankensektor in seiner heutigen Form wäre ohne die gewaltigen Fortschritte der IT undenkbar.Der Schattenbanken-Sektor wurde in den letzten Jahren in mehreren Forschungspapieren analysiert.
Pozsar et al. (2012) geben eine gute Einführung in die Thematik. Für die Zwecke des vorliegenden Artikels ist die Fristentransformation in diesem Sektor von besonderem Interesse. Nachfolgend wird exemplarisch aufgezeigt, wie diese erfolgt.
Die folgenden Ausführungen konzentrieren sich auf die Rolle von Repos (in Anlehnung an Gorton und Metrick, 2012). In der Realität sind auch andere Kanäle wichtig (z.B. Money Market Mutual Funds oder Asset Backed Commercial Papers). Am Anfang stehen illiquide langfristige Kredite wie z.B. Hypotheken oder Studentenkredite, welche in neuen forderungsbesicherten Wertpapieren mit unterschiedlicher Kreditwürdigkeit verbrieft werden. Diese Wertpapiere werden von Ratingagenturen bewertet.
Für eine Einführung zu forderungsbesicherten Wertpapieren und der Rolle von Ratingagenturen, siehe Coval, Jurek und Stafford (2009). Siehe auch den Artikel von Adamek und Miremad auf Seite 24 ff. in dieser Ausgabe.Die bestbenoteten Wertpapiere können als Sicherheit in einer Rückkaufvereinbarung (Repo) verwendet werden. Ein Repo kann – vereinfacht gesagt – als kurzfristiger, mit Wertpapieren gesicherter Kredit bezeichnet werden. Der Marktwert der Sicherheit – in unserem Fall ein forderungsbesichertes Wertpapier mit langfristigen Krediten als Grundlage – und ein sogenannter Haircut bestimmen die Höhe des Kredits. Der Haircut wird als Prozentanteil vom Marktwert der Sicherheit angegeben. Der maximal erhältliche Kredit wird um den Haircut verringert. Im Falle eines Zahlungsausfalls des Kreditnehmers kann der Kreditgeber die Sicherheit verkaufen, um seinen Verlust zu kompensieren. Durch den Haircut ist er zusätzlich vor Preisschwankungen des als Sicherheit dienenden Wertpapiers geschützt. Folglich gibt es in normalen Zeiten kaum mehr ein Kreditrisiko. Die Fristigkeit eines Repos ist häufig sehr kurz, oftmals über Nacht. Der Kreditgeber kann jederzeit sein Geld zurückfordern. Ein Repo weist damit wesentliche Gemeinsamkeiten mit einer klassischen Sichteinlage auf: vernachlässigbares Kreditrisiko in normalen Zeiten und jederzeitige Verfügbarkeit zum Nominalpreis. Wie bei einer traditionellen Bank werden mit diesen kurzfristigen Geldern langfristige Projekte finanziert.

Der Shadow Bank Run


Diese Fristentransformation macht den Schattenbanken-Sektor – ähnlich wie den klassischen Bankensektor – anfällig für Bank Runs. Ein solcher hat sich 2007 ereignet. Die relativ kleinen Verluste auf dem Subprime-Hypothekenmarkt haben zu einer grossen Verunsicherung unter den Marktteilnehmern geführt. Repos mit Wertpapieren, welche diese Hypotheken als Grundlage hatten, wurden nicht mehr erneuert bzw. es wurden höhere Haircuts verlangt. Zur Liquiditätsbeschaffung wurde in der Folge versucht, diese Wertschriften auf dem Markt zu verkaufen. Der resultierende Preisrutsch führte zu noch höheren Haircuts und schliesslich zu einer unerwarteten Kettenreaktion.
Kurz vor der Krise meinte Ben Bernanke, Vorsitzender der US-Zentralbank, in einer Rede: «… and we do not expect significant spillovers from the subprime market to the rest of the economy or to the financial system.» (Bernanke, 2007). Selbst wenn die Panik im Schattenbankensektor nicht zu Schlangen vor Bankschaltern geführt hat, waren die Auswirkungen auf die Kreditvergabe massiv.
Siehe Ivashina und Scharfstein (2010) für eine empirische Analyse dieses Effektes.Um das globale Finanzsystem vor dem Kollaps zu retten, sahen sich die Zentralbanken gezwungen, als Lender of Last Resort aufzutreten. Da diese normalerweise nur klassische Banken mit Liquidität versorgen, mussten sie unkonventionelle Massnahmen ergreifen.
Bernanke (2009) gibt einen guten Überblick über die verschiedenen Massnahmen. So konnten die Preise der Wertpapiere stabilisiert und die Panik gestoppt werden. Doch damit dreht sich die Regulierungsspirale wieder ein Stück weiter (siehe Grafik 2). Aufgrund des Einschreitens der Zentralbanken vertrauen Marktteilnehmer nun darauf, dass kurzfristige Verbindlichkeiten des Schattenbankensektors staatlich garantiert sind. Wieder ergibt sich ein Moral-Hazard-Problem, welches durch neue Regulierungen gelöst werden muss.

Fazit


Das ursprüngliche Marktversagen auf dem Finanzmarkt wird durch Finanzintermediäre gemildert. Banken – wie auch der Schattenbankensektor – schaffen dabei geldähnliche Finanzprodukte. Wenn das Vertrauen in diese Produkte schwindet, kann es zu Bank Runs kommen. Dadurch verlieren diese ihren geldähnlichen Charakter, was zusammen mit der gestörten Kreditvergabe zu grossen realwirtschaftlichen Verwerfungen führt. Der Staat kann einen solchen Zusammenbruch verhindern, indem er als Lender of Last Resort auftritt oder die Produkte so versichert, dass sie ihren geldähnlichen Charakter beibehalten. Dies schafft allerdings ein Moral-Hazard-Problem, welches sich als erstaunlich schwierig zu regulieren herausgestellt hat.Seit mehr als 30 Jahren versuchen Experten auf internationaler Ebene, durch immer komplexere Eigenkapitalvorschriften dieses Problem zu lösen. Mit dem Ausbruch der Finanzkrise 2007 müssen diese Versuche als gescheitert angesehen werden. Trotz umfangreicher Regulierung hat sich wieder eine Panik auf dem Finanzmarkt ausgebreitet, welche das globale Wirtschaftssystem an den Rand des Abgrundes geführt hat. Die Frage nach der richtigen Regulierung des Finanzmarktes wird uns weiterhin beschäftigen. Dabei wird sich zeigen, ob inkrementelle Verbesserungen bestehender Finanzmarktregulierungen den gewünschten Erfolg bringen, oder ob eine radikale Neuausrichtung des Regulierungsansatzes nötig ist.

Grafik 1: «Finanzmarktversagen und die Rolle der Finanzintermediation»

Grafik 2: «Regulierungsspirale: Zentrale Finanzmarktregulierungen und ihre ungewollten Auswirkungen»

Kasten 1: Wie lindern Banken das Marktversagen auf dem Finanzmarkt?a

Wie lindern Banken das Marktversagen auf dem Finanzmarkt?a


Banken überprüfen potenzielle Kreditnehmer auf ihre Kreditwürdigkeit. Dank dieses sogenannten Screenings kann adverse Selektion bei der Kreditvergabe vermieden werden. Wenn Banken einen Kredit geben, ist dieser oft an spezielle Vertragsbestimmungen und die Hinterlegung von Sicherheiten gebunden. Während der Laufzeit überprüfen Banken die Einhaltung des Vertrages und den Wert der Sicherheiten. Diese Aktivität wird Monitoring genannt und hilft Moral Hazard auf Seiten des Kreditnehmers zu verhindern. Beide Aktivitäten – Screening und Monitoring – sind kostspielig, aber unerlässlich für die effiziente Vergabe von Krediten. Banken finanzieren diese Tätigkeit, indem sie einen höheren Zins auf vergebene Kredite erheben, als sie auf Bankeinlagen bezahlen.Um Kredite zu vergeben, müssen Banken Geld aufnehmen. Hier zeigt sich der Unterschied zwischen Banken und Investmentfonds. Während sich letztere ausschliesslich mit Eigenkapital finanzieren, bieten erstere zusätzlich Sichteinlagen an, welche jederzeit zum Nominalwert bezogen werden können. Banken halten ein breit diversifiziertes Portfolio an Krediten, und allfällige Verluste werden bis zur Höhe des Eigenkapitals von den Eigentümern getragen. Deshalb haben Sichteinlagen in normalen Zeiten ein vernachlässigbares Kreditrisiko. Zusammen mit der jederzeitigen Verfügbarkeit führt dies dazu, dass Sichteinlagen einen geldähnlichen Charakter annehmen und damit Bankkunden gegen Liquiditätsrisiken versichern. Die Bank finanziert langfristige Projekte, ohne dass Kreditgeber ihre Liquidität aufgeben müssen (sogenannte Fristentransformation).

a Für einen Überblick zur Mikroökonomie von Banken, siehe Freixas und Rochet (2008).
Kasten 2: Literatur

Literatur


− Bernanke B. S. (1993): Credit in the Macroeconomy, Federal Reserve Bank of New York – Quarterly Review, 18, S. 50–70.− Bernanke B. S. (2007): The Subprime Mortgage Market, Rede gehalten am 17. May 2007 an der Federal Reserve Bank of Chicago’s 43rd Annual Conference on Bank Structure and Competition. − Bernanke B. S. (2009): The Crisis and the Policy Response, Rede gehalten am 13. Januar 2009 an der London School of Economics.− Bryant J. (1980): A Model of Reserves, Bank Runs, and Deposit Insurance. Journal of Banking & Finance, 4(4), S. 335–344.− Buser S. A., Chen A. H., Kane E. J. (1981): Federal Deposit Insurance, Regulatory Policy, and Optimal Bank Capital, The Journal of Finance, 36(1): S. 51–60.− Coval J., Jurek J., Stafford E. (2009): The Economics of Structured Finance, Journal of Economic Perspectives, 23(1), S. 3–25.− Demirgüç-Kunt A., Karacaovali B., Laeven L. (2005): Deposit Insurance around the World: A Comprehensive Database, Policy Research Working Paper Nr. 3628, World Bank: Washington, DC.− Diamond D. W., Dybvig P. H. (1983): Bank Runs, Deposit Insurance, and Liquidity, The Journal of Political Economy, 91(3), S. 401–419.− Federal Deposit Insurance Corporation (2010): About FDIC – The 1930’s, Stand: 18. November 2010.− Freixas X., Rochet J-C. (2008): Microeconomics of Banking (2. Aufl.), MIT Press: Cambridge, MA.− Gorton G., Metrick A. (2012): Securitized Banking and the Run on Repo, Journal of Financial Economics, 104(3), S. 425–451.− Gorton G., Winton A. (2003): Financial Intermediation, In: G. M. Constantinides, M. Harris, R. M. Stulz (Hrsg.): Handbook of the Economics of Finance (Band 1), S. 431–552, Elsevier: Amsterdam.− Grossman R. S. (2001): Double Liability and Bank Risk Taking, Journal of Money, Credit and Banking, 33(2), S. 143–159.− Ivashina V., Scharfstein D. (2010): Bank Lending During the Financial Crisis of 2008, Journal of Financial Economics, 97(3), S. 319–338.− Pozsar Z., Adrian T., Ashcraft A., Hayley B. (2012): Shadow Banking, Federal Reserve Bank of New York – Staff Reports, Nr. 458.

Zitiervorschlag: Juerg Mueller (2012). Der Finanzmarkt in der Regulierungsspirale. Die Volkswirtschaft, 01. Oktober.