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Auswirkungen der neuen Eigenmittel-Mindestanforderung auf den Hypothekarmarkt

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Seit dem 1. Juli 2012 ist die neue Selbstregulierung der Schweizerischen Bankiervereinigung betreffend Mindestanforderungen bei der Hypothekarfinanzierung in Kraft. Die neuen Richtlinien sehen vor, dass mindestens 10% der eingebrachten Eigenmittel nicht aus dem Guthaben der 2. Säule stammen dürfen. Eine vom IFZ und weiteren Wirtschaftspartnern durchgeführte Umfrage lässt Schätzungen bezüglich den möglichen Auswirkungen der neuen Regulierung zu. Aufgrund der Mindestanforderungen ist in Zukunft eine erhebliche Reduktion des Hypothekarvolumens zu erwarten.

Durch die Wohneigentumsförderung (WEF) des Bundes soll der Erwerb von Wohneigentum einer breiten und vor allem auch jungen Bevölkerung zugänglich gemacht werden. Dieses erklärte Ziel ist seit 1972 in der Bundesverfassung verankert. Ein Förderungsinstrument ist dabei die Möglichkeit, Vorsorgegelder für die Finanzierung von selbstbenutztem Wohneigentum zu verwenden. Als Vorsorgegelder gelten sowohl Gelder aus der 2. Säule als auch aus der Säule 3a. Die Gelder können in Form eines Vorbezugs oder einer Verpfändung beansprucht werden. Gelder, welche in Form eines Vorbezugs beansprucht werden, gelten bei hypothekarvergebenden Instituten – im Unterschied zur Verpfändung – als Eigenkapital. Dies hat den Vorteil, dass durch den Vorbezug die Belehnung und damit die Hypothekarkosten gesenkt werden können. Der Nachteil besteht darin, dass der Vorbezug eine Rentenkürzung zur Folge hat, da das angesparte Vorsorgekapital um den vorbezogenen Betrag geschmälert wird. Solange aber die tieferen Wohnkosten die Renteneinbussen wettmachen können, entsteht dem Vorbezüger kein finanzieller Schaden. Dies ist auch mit ein Grund, weshalb die Verwendung von Vorsorgegeldern zur Finanzierung von Wohneigentum mit dem Gedanken der Vorsorge vereinbar ist.
Vgl. Seiler Zimmermann (2011).Vergeben die Banken ihre Hypotheken gemäss der goldenen Regel, müssen mindestens 20% des Wertes des Wohneigentums mit Eigenkapital finanziert werden. Vor dem 1. Juli 2012 war es möglich, diese Eigenmittel vollumfänglich durch Vorsorgegelder zu decken. Vorausgesetzt, dass das angehäufte Vorsorgekapital gross genug war, konnte Wohneigentum somit ohne zusätzliches Vermögen erworben werden.

Neue Selbstregulierung


Gerade vor dem Hintergrund des wirtschaftlichen Umfelds tiefer Zinsen erscheint der Erwerb von Wohneigentum auch für Personen mit tiefem Einkommen und Vermögen als attraktiv. Werden insbesondere nur die aktuellen Hypothekarkosten den Mietkosten vergleichbarer Objekte gegenüber gestellt und Rückstellungskosten für Erneuerungen und Renovationen ausser Acht gelassen, ist der Erwerb oft die günstigere Variante als die Miete. Politisch besteht daher zunehmend die Befürchtung, dass Personen Wohneigentum kaufen, welche es sich ohne die Möglichkeit des Vorbezugs von Vorsorgegeldern und ohne die tiefen Zinsen nicht leisten könnten. Denn steigen die Zinsen, besteht die Gefahr, dass das Wohneigentum für diese Personen finanziell nicht mehr tragbar ist und verkauft werden muss. Können die vorbezogenen Gelder nicht aus dem Verkaufserlös gedeckt werden, entsteht eine Renteneinbusse. Diese Einbusse kann aber nicht mehr durch tiefere Wohnkosten wettgemacht werden. Es wird somit befürchtet, dass die Allgemeinheit durch Sozial- oder Nothilfe für die Personen aufkommen muss, die wegen Wohneigentum in finanzielle Not geraten sind. Dies hat die politische Diskussion rund ums Thema Wohneigentumsförderung angeheizt. Die Schweizerische Bankiervereinigung hat darauf mit einer Selbstregulierung betreffend den Mindestanforderungen bei der Hypothekarfinanzierung reagiert. Diese ist seit dem 1. Juli 2012 in Kraft und von der Eidg. Finanzmarktaufsicht (Finma) anerkannt. Sie gilt neu als aufsichtsrechtlicher Mindeststandard. Die neuen Richtlinien sehen vor, dass mindestens 10% der eingebrachten Eigenmittel nicht aus dem Guthaben der 2. Säule stammen dürfen; diese werden nachfolgend als «harte Eigenmittel» bezeichnet. Wird davon ausgegangen, dass die Hypotheken gemäss der goldenen Regel vergeben werden, dürfen somit nur noch 10% der insgesamt 20% geforderten Eigenmittel mit vorbezogenen Vorsorgegeldern der 2. Säule finanziert werden. Zudem muss die Hypothekarschuld innert maximal 20 Jahren auf 2/3 des Wertes des Wohnobjekts amortisiert werden.
Vgl. Schweizerische Bankiervereinigung (2012). Ein Wohneigentumserwerb ohne zusätzliches Vermögen ist somit nicht mehr möglich. Allerdings sind Vorbezüge und Verpfändungen aus der Säule 3a nicht von der neuen Regulierung betroffen. Die neuen Richtlinien gelten zudem nur für Neugeschäfte und Krediterhöhungen.

Schätzung der Auswirkungen auf das Hypothekarvolumen


Welche Auswirkungen die neuen Regulierungen auf das zukünftige Hypothekarvolumen der Banken haben werden, ist allerdings noch unklar. Eine Analyse der bereits bestehenden Hypothekarfinanzierungen bezüglich der Eigenmittelausgestaltung würde Anhaltspunkte liefern. Da aber die meisten Banken die Information des Anteils an vorbezogenen Vorsorgegeldern am eingebrachten Eigenkapital bei den bereits bestehenden Hypothekarfinanzierungen nicht zentral in ihren Datenbanken gespeichert haben, ist eine solche Analyse für die Banken nur mit hohem Aufwand möglich. Das Institut für Finanzdienstleistungen Zug IFZ der Hochschule Luzern hat im Zeitraum zwischen Dezember 2011 und Januar 2012 zusammen mit weiteren Wirtschaftspartnern eine Umfrage bezüglich der Finanzierung von Wohneigentum bei Eigenheimbesitzern durchgeführt.
Das Projekt ist durch die KTI unter der Projektnummer 12935.2 PFES-ES mitfinanziert. Basierend auf den erhobenen Daten können Rückschlüsse auf den Anteil derjenigen Hypothekarfinanzierungen gezogen werden, bei denen die Restriktion der 10% harten Eigenmittel nicht erfüllt würde. Von Interesse ist dabei insbesondere, wie gross der Anteil der Vorbezüger der 2. Säule ist. Zudem kann die Frage beantwortet werden, in welcher finanziellen Lage die Personen sind, welche unter den neuen Richtlinien keine Hypothek mehr erhalten würden und inwieweit sich diese von den übrigen Hypothekarschuldnern unterscheiden. Damit kann beurteilt werden, ob die oben beschriebene Befürchtung berechtigt ist, dass Wohneigentum vermehrt durch Personen mit tiefem Einkommen und Vermögen erworben wird. Im Folgenden wird kurz auf die Datenerhebung eingegangen, und anschliessend werden die Ergebnisse dargestellt.

Datenerhebung


Die Umfrage wurde mittels elektronischem Fragebogen durchgeführt. Der Fragebogen wurde dabei von 16 Pensionskassen (PK) an ihre Versicherten versandt. Wo technisch möglich, wurde der Link zum Fragebogen per E-Mail verschickt, ansonsten brieflich. Aus Kostengründen wurden beim brieflichen Versand nur jene Destinatäre angeschrieben, welche bereits in irgendeiner Form – d.h. Vorbezug oder Verpfändung – Gelder aus der 2. Säule beansprucht haben. Dagegen wurden beim Versand per E-Mail alle Versicherten angeschrieben. Der elektronische Versand hat den Vorteil, dass basierend auf diesen Daten eine Aussage bezüglich des Anteils der Wohneigentümer, welche Vorsorgegelder beansprucht haben, möglich ist. Ebenfalls an der Umfrage teilgenommen haben Mitglieder des Schweizerischen Hauseigentümerverbands (HEV). Der total bereinige und plausibilisierte Datensatz enthält 8274 Eigentümer; davon stammen 246 vom HEV und 2899 von jenen PK, deren Mitglieder per E-Mail angeschrieben worden sind. Der Rest wurde von den PK brieflich kontaktiert. Gegenüber einer Vollerhebung sind unselbständig erwerbstätige Personen sowie die Versicherungsbranche und öffentlich-rechtliche Angestellte in der Stichprobe übervertreten.

Ergebnisse


Von den befragten Wohneigentumsbesitzern geben 58% an, Vorsorgegelder für die Finanzierung von Wohneigentum verwendet zu haben. 76% haben dabei die 2. Säule beansprucht. Dies geht aus den Stichproben des HEV und der PK mit E-Mail-Versand hervor. Davon sind 83% in Form eines Vorbezugs getätigt worden.
Die geschätzte Beanspruchung der Vorsorgegelder weicht von den Ergebnissen bei Seiler Zimmermann (2012) ab. Die dortigen Schätzungen basieren auf den Daten des HEV. Aus diesen drei Prozentsätzen ergibt sich, dass schätzungsweise 36% aller Eigenheime mit vorbezogenen Geldern aus der 2. Säule finanziert wurden. Von diesen 36% haben wiederum rund 85% die Vorbezüge für den Erwerb des Wohneigentums beansprucht.
Vorsorgegelder können zusätzlich auch noch für Renovationen, Umbau, Erweiterungen oder Amortisationen von bestehenden Hypotheken verwendet werden. Davon haben 39% weniger als 10% harte Eigenmittel für das Wohneigentum eingebracht und würden damit die neue Mindestanforderung bezüglich des Eigenkapitals nicht mehr erfüllen.
Für die Berechnung wird dabei unterstellt, dass der Belehnungswert gleich dem Kaufpreis des Wohneigentums ist. Auf die gesamte Anzahl aller Hypothekarkredite machen diese Finanzierungen einen Anteil von 12% aus.
Die Zahl ergibt sich aus der Multiplikation der 36% des letzten Abschnitts (Finanzierung der Eigenheime mit vorbezogenen Geldern der 2. Säule) mit 85% und 39%. Gewichtet mit dem Hypothekarvolumen beträgt der Anteil ebenfalls 12%.
Werden den Berechnungen die geschätzten Beanspruchungen der Vorsorgegelder basierend auf dem HEVDatensatz zugrunde gelegt, liegt der Anteil bei 13%, gewichtet mit dem Hypothekarvolumen bei 12%.Vorbezüger der 2. Säule, welche das Geld für den Erwerb des Wohneigentums eingesetzt und weniger als 10% harte Eigenmittel eingebracht haben, leisteten durchschnittlich 4,6% vom Kaufpreis durch harte Eigenmittel. Das durchschnittliche jährliche Bruttoeinkommen dieser Hauptverdiener liegt mit 120 490 Franken statistisch signifikant tiefer als das Einkommen der Eigentümer, welche die 10% Eigenmittelanforderungen erfüllen (132 379 Fr.). Grafik 1 vergleicht die beiden Einkommensverteilungen. Wird das Erwerbseinkommen des Partners mitberücksichtigt, liegt das Einkommen ebenfalls signifikant tiefer (152 504 vs. 169 258 Fr.). Die meisten Vorbezüger, welche die 10% Eigenmittelanforderung nicht erreichen, haben ein Haushaltsvermögen zwischen 1001 und 50 000 Franken. Diejenigen Hypothekarschuldner, welche 10% oder mehr Eigenkapital eingebracht haben, verfügen dagegen mehrheitlich über ein Vermögen zwischen 50 001 und 100 000 Franken. Grafik 2 zeigt die Häufigkeitsverteilungen des Haushaltsvermögens. Der Vorbezug von Vorsorgegeldern sollte insbesondere dazu dienen, die Wohnkosten bzw. die Hypothekarkosten zu senken. Brisant ist in diesem Zusammengang die Feststellung, dass die Hypothekarkosten im Verhältnis zum Einkommen des Hauptverdieners bei Eigentümern, welche die 10% Anforderung nicht erfüllen, höher ist als bei denjenigen, welche die Anforderung erfüllen (14% vs. 12%). Dies lässt die Schlussfolgerung zu, dass der Vorbezug nicht notwendigerweise zu tieferen Hypothekarkosten im Verhältnis zum Einkommen führt. Allgemein werden die Gelder aus der 2. Säule am häufigsten im Alter zwischen 35 und 44 Jahren für den Wohneigentumskauf beansprucht. Weniger als 10% harte Eigenmittel bringen hauptsächlich Personen im Alter zwischen 35 bis 54 Jahren ein. Die unter 35-Jährigen sowie die über 54-Jährigen erfüllen dagegen mehrheitlich die Mindestanforderung.

Fazit


39% aller Vorbezüger von Vorsorgegeldern aus der 2. Säule, welche vor dem 1. Juli 2012 von den Banken noch eine Finanzierung erhalten haben, würden in Zukunft keine mehr bekommen – dies aufgrund der neuen Mindestanforderung von 10% an harten Eigenmitteln, welche von der Schweizerischen Bankiervereinigung erlassen wurde. Dies entspricht einem Anteil von 12% des gesamten Hypothekarvolumens. Die Umfrageergebnisse lassen somit den Schluss zu, dass aufgrund der Mindestanforderung in Zukunft eine erhebliche Reduktion des Hypothekarvolumens von über 10% erwartet werden muss. Dabei ist zu beachten, dass diese Schätzung eher konservativ ist, da aufgrund des Datenerhebungsdesigns öffentlich-rechtliche Angestellte und Arbeitnehmende aus der Versicherungsbranche gegenüber einer Gesamterhebung übervertreten sind. Diese Personen dürften finanziell eher besser gestellt sein.Die Analyse bestätigt jedoch die allgemeine Vermutung, dass Personen, welche weniger als 10% harte Eigenmittel für den Kauf eingebracht haben, finanziell schlechter positioniert sind als die übrigen Eigenheimbesitzer. Ihr Einkommen und Vermögen ist signifikant tiefer als bei den übrigen. Ebenfalls haben sie eine höhere Hypothekarbelastung bezüglich ihres Einkommens. Bei einem Zinsanstieg sind diese Personen somit eher gefährdet, in finanzielle Not zu kommen. Interessant ist, dass die neue Regulierung hauptsächlich Personen im Alter zwischen 35 und 54 Jahren betrifft. Junge Familien unter 35, welche insbesondere durch die Wohneigentumsförderung gefördert werden sollen, sind weniger betroffen.

Grafik 1: «Einkommensverteilung des Hauptverdieners»

Grafik 2: «Verteilung des Haushaltsvermögens»

Kasten 1: Literatur

Literatur


− Seiler Zimmermann, Y. (2012): Wohneigentumsförderung: Neue Untersuchung – Finanzierung mit Vorsorgegeldern ist bedeutend, in: Schweizer Personalvorsorge, 5/2012, S. 39–40.− Seiler Zimmermann, Y. (2011): Wohneigentum als Altersvorsorge, in: Der Schweizer Treuhänder, 8/2011, S. 616–617.− Schweizerische Bankiervereinigung (2012): Richtlinien betreffend Mindestanforderungen bei Hypothekarfinanzierungen, Juli 2012.

Zitiervorschlag: Seiler Zimmermann, Yvonne (2012). Auswirkungen der neuen Eigenmittel-Mindestanforderung auf den Hypothekarmarkt. Die Volkswirtschaft, 01. Oktober.